L 11 R 5702/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1293/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5702/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1971 geborene Kläger ist als Küchenhilfe bei M. versicherungspflichtig beschäftigt.

Zur Begründung seines im Januar 2006 gestellten Antrags auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung trug er vor, er leide seit 2004 an einer Sarkoidose an beiden Händen, die bereits mehrfach operiert worden sei.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine internistische Begutachtung nach ambulanter Untersuchung. Dr. S. diagnostizierte 1. Sarkoidose II sowie 2. cutane calcifizierende Tumore im Bereich beider Unterarme, Differenzialdiagnose Mischkollagenose, inkomplettes CREST-Syndrom. Der Kläger habe sich in gutem Allgemein- und schlankem Ernährungszustand befunden. Über Herz und Lungen habe kein pathologischer Befund erhoben werden können. Die unteren Extremitäten hätten keinerlei Funktionseinschränkungen im Bereich der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gezeigt. Beide Arme wiesen zwar zahlreiche Narben nach vorangegangenen Operationen auf, schwerwiegende Funktionseinschränkungen der Hand- und Armgelenke resultierten hieraus aber nicht. Der Faustschluss sei vollständig, das Fingerspiel frei, die grobe Kraft in den Händen erhalten. Auch die neurologische Untersuchung habe sich unauffällig gezeigt. Gegenwärtig sei die Herausnahme aus der beruflichen Tätigkeit aus ihrer Sicht nicht erforderlich. Der Kläger habe sicherlich einen an seine Fähigkeiten adaptierten Arbeitsplatz. Sie erachte den Kläger insgesamt für fähig, mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Mit Bescheid vom 04.08.2006 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag mit der Begründung ab, der Kläger könne nach den ärztlichen Feststellungen noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei deswegen nicht erwerbsgemindert.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, bei der Gutachterin Dr. S. sei eigentlich jeder Untersuchte noch vollschichtig leistungsfähig. Seine allgemeine Leistungsfähigkeit sei aufgrund der Sarkoidose erheblich herabgesetzt, so dass er derzeit nur noch unter Gefährdung und Aufopferung seiner Restgesundheit arbeiten könne. Erschwerend komme hinzu, dass die Greiffunktion und die Gebrauchsfähigkeit der Hände durch verschiedene Tumoroperationen weitgehend aufgehoben seien. Er hat hierzu einen Befundbericht von Dr. R. vorgelegt, wonach mit einer Verschlechterung des Befundes zu rechnen sei. Der Kläger arbeite voll bei anhaltenden Schmerzen in den Handgelenken und den Fingern.

Nachdem der zunächst beauftragte Gutachter, der Orthopäde Dr. T., darauf verwies, dass orthopädischerseits beide Hände frei und kräftig bewegbar seien, so dass auf seinem Fachgebiet keine weitere Begutachtung erforderlich wäre, vielmehr Internisten und Dermatologen als Gutachter gefragt seien, veranlasste die Beklagte eine lungenfachärztliche Begutachtung. Dr. D. diagnostizierte unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Befundunterlagen eine 1. Sarkoidose Stadium II bis III (systemische Steroidtherapie, derzeit 7,5 mg Prednisolon Tagesdosis) sowie 2. einen Zustand nach cutanen calzifizierenden Tumoren im Bereich beider Unterarme bei Verdacht auf Mischkollagenose. Aus pneumologischer Sicht sei die bisherige Tätigkeit durchaus zumutbar, was offensichtlich auch Seitens des Klägers nicht angezweifelt werde. Derzeit bestehe lediglich eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung, diese führe jedoch nicht zu einer signifikanten Einschränkung der Diffusionskapazität oder der Blutgase in Ruhe und unter Belastung. Der Kläger könne daher seiner Einschätzung nach noch sechs Stunden und mehr als Küchenhilfe wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr tätig sein. Wegen der pulmonalen Vorerkrankung müssten Tätigkeiten mit inhalativen Belastungen wie Rauch-, Gas- oder Dampfexposition ebenso vermieden werden wie Tätigkeiten unter widrigen Witterungsverhältnissen oder stark schwankenden Temperaturen. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2007 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück, den derzeitigen Leistungseinbußen des Klägers werde mit der Begrenzung seines Leistungsvermögens auf leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung der genannten Funktionseinschränkungen Rechnung getragen. Er sei mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe ihm nicht zu, denn er sei nach dem 01.01.1961 geboren.

Die am 29.12.2006 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Untätigkeitsklage nahm der Kläger nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 zurück (S 4 R 3725/06).

Mit seiner am 07.05.2007 erhobenen Klage beim SG machte er geltend, er sei aufgrund der Sarkoidose auch in quantitativer Hinsicht erheblich leistungsgemindert und nicht in der Lage, vollschichtig, geschweige denn unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das Gericht die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt.

Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde G. M., bei dem der Kläger seit 1996 in Behandlung steht, führte aus, dass der Kläger bei unverändertem Gesundheitszustand von Seiten seines Fachgebietes noch mindestens sechs Stunden täglich unter Vermeidung von inhalativen Noxen, wie Stäuben, Gasen und Dämpfen, erwerbstätig sein könne. Der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. R., der den Kläger seit 1998 behandelt, beschrieb zusätzlich eine Bronchopneumonie mit Nachweis von Pseudomonas fluorescens sowie eine Pityriasis versicolor. Der Kläger habe erhebliche Beschwerden als Koch mit seinen Händen zu arbeiten, zusätzlich bestünden starke Gefühlsstörungen im Sinne von Kältegefühl und Schmerzreizen an allen Langfingern. Des weiteren träten immer wieder Perforierungen der Haut auf, hier bedingt durch die cutanen calzifizierenden Tumore im Bereich beider Unterarme und Hände. Bewegungsschmerzen, die Bewegungseinschränkung und die Schmerzen bei zunehmender Belastbarkeit sowie das Hitze- und Kältegefühl seien erheblich störend. Aus seiner Sicht sei deswegen die Leistungsfähigkeit beider Hände deutlich eingeschränkt, Dauerbelastungen nur mit Schmerzen möglich, die Gefahr eines Aufbrechens der Haut bestehe nach wie vor. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten zu verrichten. Über die Stundenzahl könne er nicht urteilen, da der Kläger über ein Jahr nicht mehr in Behandlung gewesen sei. Bei längerer Arbeitszeit wäre eine Pause von 5 bis 10 Minuten je Stunde angemessen.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 02.11.2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide schon deswegen aus, weil der Kläger am 15.01.1971 geboren sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Nach den Gutachten von Dr. S. und Dr. D., die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden könnten, verfüge der Kläger noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Dem hätten sich auch die behandelnden Ärzte angeschlossen. Soweit Dr. R. von einer eigenen Leistungsbeurteilung abgesehen habe, beruhe dies allein darauf, dass er den Kläger seit über einem Jahr nicht mehr behandelt habe. Die Erforderlichkeit von zusätzlichen Pausen hätten weder die Gutachter noch Dr. K. (gemeint: der Lungenfacharzt M.) als notwendig erachtet.

Mit seiner dagegen am 03.12.2007, einem Montag, eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, er könne derzeit nur noch auf Kosten und Gefährdung seiner Restgesundheit arbeiten, um seine Familie finanziell über Wasser zu halten. Das SG habe sich insoweit auf die Gutachten aus den Verwaltungsverfahren bezogen, wobei nach Dr. S. eigentlich jeder Proband stets vollschichtig leistungsfähig sei. Auch würden die Zeugenauskünfte äußerst eigenwillig interpretiert und in ihren Aussagen gründlich verkannt. Der Lungenfacharzt M. habe ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Kläger zwar bronchopneumonial leistungsfähig sei, aber überwiegend durch die cutan calzifizierenden Tumore eingeschränkt wäre. Dr. R. habe auf die Gebrauchseinschränkungen vor allen Dingen der Hände hingewiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Oktober 2007 sowie den Bescheid vom 04. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bei dem Kläger nicht vorliege. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bisher nur die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten in Verbindung mit anderen Einschränkungen sowie Einarmigkeit etc. als ungewöhnliche Leistungseinschränkungen angesehen. Der Kläger leide an Belastungsfaktoren auf pneumologischem Fachgebiet, die demzufolge in keiner Weise dem von der Rechtsprechung geprüften Begriff der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen entsprächen, sondern vielmehr den üblichen Beschränkungen von Rentenantragstellern. Dem werde durch die Einschränkung auf leichte Arbeiten Rechnung getragen. Sie hat hierzu eine Stellungnahme des Medizinaldirektors H. vorgelegt, wonach es bei der bisherigen Leistungseinschätzung verbleibe. Die letzte Tätigkeit könne seines Erachtens nur noch maximal drei bis vier Stunden täglich ausgeübt werden. Die Beklagte hat weiterhin einen Versicherungsverlauf vom 20.02.2008 vorgelegt.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und damit insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Zwar erfüllt er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, wie sich aus dem Versicherungsverlauf vom 20.02.2008 ergibt. Er ist indessen weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Dies hat das SG ausführlich begründet in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen sowie der im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Verwaltungsgutachten dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und sieht daher auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Wie das SG weiter zutreffend festgestellt hat, scheidet vorliegend die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI schon deswegen aus, weil der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch das Vorbringen im Berufungsverfahren zu keiner anderen rechtlichen Würdigung führt. Soweit der Kläger darauf verwiesen hat, dass der Schwerpunkt seiner durch die Sarkoidose Grad II bis III bedingten Einschränkungen auf internistischem Fachgebiet liegt, so hat das Gutachten von Dr. S. auf diesem Fachgebiet ergeben, dass der Kläger zwar qualitativ leistungseingeschränkt ist. Diese Leistungseinschränkungen ergeben sich aber primär aus den Befunden auf lungenfachärztlichem Gebiet. Insofern hat der behandelnde Lungenfacharzt M. bestätigt, dass von Seiten seines Fachgebietes der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Die Erforderlichkeit zusätzlicher Arbeitspausen, wie sie von Dr. R. im Hinblick auf die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit beider Hände gefordert wird, ist auch für den Senat nicht nachvollziehbar begründet, zumal der Kläger nicht in entsprechender fachärztlicher Behandlung steht, deswegen trotz vollschichtiger Erwerbstätigkeit ohne nennenswerte Ausfallzeiten bei vollem Gebrauchseinsatz beider Hände offenbar keine Behandlungsbedürftigkeit besteht.

Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht aus Sicht des Senats insbesondere, dass der Kläger solche leichten Tätigkeiten nunmehr wieder ununterbrochen seit zweieinhalb Jahren durchführt. Diese tatsächliche Berufsausübung über einen beträchtlichen Zeitraum belegt, dass er nicht erwerbsgemindert ist. Denn das Moment der tatsächlichen Berufsausübung hat einen sehr starken Beweiswert. Deswegen gilt der Teilzeitarbeitsmarkt dann nicht als praktisch verschlossen, wenn ein zumutbarer Arbeitsplatz innegehalten wird, was in der Regel auch dann gilt, wenn der Versicherte durch die Schwere oder Dauer der Arbeit überfordert wird (BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 22; Satz R 2200 § 1246 Nr. 89).

Der Senat hat deswegen und im Hinblick darauf, dass nicht zuletzt beide behandelnden Ärzte eine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen habe, wenn auch Dr. R. keine eigene - zeitliche - Leistungsbeurteilung abgegeben hat, keine Notwendigkeit gesehen, den Kläger erneut von Amts wegen begutachten zu lassen.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaubt ihm weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.

Die Berufung des Klägers konnte hiernach keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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