L 13 LW 1272/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 LW 668/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 LW 1272/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 4/99 R
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Juli 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die ihr zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

I.

Streitig ist, ob die mit einem Nebenerwerbslandwirt verheiratete Klägerin der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse unterliegt. Umstritten ist dabei insbesondere, ob die Beklagte berechtigt ist, sich bezüglich eines verspätet gestellten Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht auf die Nichteinhaltung der entsprechenden gesetzlichen Antragsfrist zu berufen.

Die 1940 geborene Klägerin ist die Ehefrau des landwirtschaftlichen Unternehmers der ein über der örtlichen Mindestgröße liegendes landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet und gemäß Bescheid der Beklagten vom 9. März 1990 nach § 14 Abs. 2 lit. a des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (GAL) wegen eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit Wirkung seit dem 1. Januar 1977 von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Altersklasse befreit ist.

Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Agrarsozialreformgesetzes 1995 wandte die Beklagte sich erstmals im Oktober 1994 zur Erfassung des von der neu geschaffenen sog. Ehegattenversicherung betroffenen Personenkreises in einem Rundschreiben an die Versicherungspflichtigen und die von der Versicherungspflicht befreiten landwirtschaftlichen Unternehmer. Diesem Rundschreiben waren unter anderem ein "Merkblatt über die eigenständige Sicherung der Bäuerin” sowie ein zur Rücksendung vorgesehener Fragebogen "Prüfung der Versicherungspflicht” beigefügt. Soweit – wie im vorliegenden Fall – keine Rückmeldung erfolgte, wurden im Dezember 1994, im Mai 1995 und nochmals im November 1995 weitere Antragen an den landwirtschaftlichen Unternehmer sowie an den örtlichen Kreisbauernverband gerichtet. In den danach noch offenen Fällen wandte die Beklagte sich sodann (nach eigenen Angaben) "im Mai/Juni 1996” mit Auskunftsersuchen an die jeweiligen Gemeindeverwaltungen. Auf diesem Weg erlangte die Beklagte schließlich auch Kenntnis von der mit dem landwirtschaftlichen Unternehmer verheirateten Klägerin.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1996 trat die Beklagte sodann erstmals unmittelbar an die Klägerin heran und teilte ihr mit, daß gemäß § 1 Abs. 3 ALG für Sie als Ehegattin eines Landwirts vom 1. Januar 1995 an Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse Hessen bestehe. Es wurden eine monatliche Beitragshöhe von 291,– DM für 1995 bzw. von 311,– DM für 1996 festgesetzt und ein Beitragsrückstand in Höhe von insgesamt 5.669,– DM errechnet, welcher "umgehend zu überweisen” sei.

Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 25. Juli 1996 Widerspruch und beantragte zugleich die dauerhafte Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 ALG. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 29. Juli 1996 und Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1996 mit der Begründung ab, daß der Befreiungsantrag erst nach Ablauf der bis zum 30. Juni 1996 bestehenden Antragsfrist gestellt worden und deshalb verspätet sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei gesetzlich ausgeschlossen. Daß man den "Aufnahmebescheid” der Klägerin erst am 15. Juli 1996 und damit erst nach Ablauf der Befreiungsfrist zugestellt habe, sei unerheblich, weil man den landwirtschaftlichen Unternehmer (Ehemann der Klägerin) mehrfach gebeten habe, die entsprechenden Unterlagen zu übersenden. Die Klägerin sei daher nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, den Befreiungsantrag rechtzeitig zu stellen. Die Möglichkeit einer rechtlich wirksamen Antragstellung habe im übrigen bereits seit dem Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht zum 1. Januar 1995, und nicht erst mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 23. Juli 1996 bestanden. Die Bestimmungen eines Gesetzes seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 67, 90, 92 f.) mit ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt als jedermann bekannt anzusehen.

Die Klägerin hat daraufhin am 22. Oktober 1996 Klage bei dem Sozialgericht Marburg erhoben. Im Verlaufe des Klageverfahrens ist sie durch Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 1996 wegen der Pflege eines Pflegebedürftigen ab dem 1. Juni 1996 für die Dauer der Pflegezeit von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreit worden.

Die Klägerin machte geltend, daß sie erstmals durch den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1996 von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse erfahren habe und eine dauerhafte Befreiung von der Versicherungspflicht anstrebe. Es sei das Verschulden der Beklagten, daß sie den Bescheid erst nach Ablauf der Frist für einen Befreiungsantrag gemäß § 85 Abs. 3 ALG erhalten und deshalb keine Möglichkeit mehr gehabt habe, ihren Befreiungsantrag fristgerecht zu stellen.

Die Beklagte berief sich demgegenüber darauf, daß ihr die zur Feststellung der Versicherungspflicht benötigten persönlichen Daten der Klägerin bei Inkrafttreten der durch das Agrarsozialreformgesetz 1995 neu geschaffenen sog, Ehegattenversicherung nicht bekannt gewesen seien und daß man deshalb keine andere Möglichkeit gehabt habe, als sich mit der Bitte um Mitwirkung an die bereits aktenkundigen landwirtschaftlichen Unternehmer zu wenden.

Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Klägerin sowie deren Ehemann persönlich angehört und die Beklagte sodann durch Urteil vom 15. Juli 1997 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, die Klägerin ab dem 1. Januar 1995 von der Versicherungs- und Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu befreien. Zur Begründung hat das Sozialgericht im wesentlichen ausgeführt, daß die Beklagte sich auf die Nichteinhaltung der Ausschlußfrist des § 85 Abs. 3 a Nr. 4 ALG nicht berufen könne, weil sie im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet sei, die Klägerin so zu stellen, als ob diese den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht rechtzeitig gestellt haben würde.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. September 1997 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 30. September 1997 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und macht insbesondere geltend, daß ihr angesichts der umfangreichen allgemeinen Aufklärung der betroffenen Bevölkerungsgruppen über die neue Ehegattenversicherung und die insoweit vorhandenen Befreiungsmöglichkeiten keine Verletzung der Aufklärungspflicht angelastet werden könne. Sofern eine landwirtschaftliche Familie – wie im vorliegenden Fall – ihren Status nicht mitgeteilt habe, dürfe dies nicht zu Lasten der Alterskasse gehen und als Beratungsfehler im Sinne des § 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gewertet werden.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Juli 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 21. Januar 1999 unter Bezugnahme auf seine in einem vergleichbaren Fall nach vorangegangener mündlicher Verhandlung getroffene Entscheidung vom 25. September 1998 (Aktenzeichen L 13 LW 1282/97) daraufhingewiesen, daß das Landessozialgericht die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den landwirtschaftlichen Unternehmer und die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten von der in § 153 Abs. 4 SGG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und zur Beschleunigung des Verfahrens durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Juli 1997 ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1996 ist rechtswidrig, weil die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet ist, den Antrag der Klägerin vom 25. Juli 1996 als fristgerecht (bis zum 30. Juni 1996) gestellt zu behandeln und diese rückwirkend ab dem 1. Januar 1995 generell und auf Dauer von der Versicherungs- und Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu befreien.

Streitgegenstand ist auch im Berufungsverfahren der Anspruch der Klägerin auf generelle, d.h. auf Dauer ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse gemäß § 85 Abs. 3 a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (ALG). Die mit Bescheid vom 30. Oktober 1996 der Klägerin für die Zeit ab 1. Juni 1996 wegen und (lediglich) für die Dauer der rentenversicherungspflichtigen Pflege eines Pflegebedürftigen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ALG zugestandene Befreiung von der Versicherungspflicht beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Anspruch nicht.

Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, daß die Klägerin als Ehegattin eines Landwirts die tatbestandlichen Voraussetzungen der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse gemäß § 1 Abs. 3 ALG (sog. Ehegattenversicherung) erfüllt. Voraussetzung hierfür ist lediglich, daß der (andere) Ehegatte Landwirt im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG ist und daß die Eheleute nicht dauernd getrennt leben. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, so tritt die Versicherungspflicht kraft Gesetzes ein, ohne daß es auf die Kenntnis, den Willen oder das Bewußtsein des Versicherungspflichtigen ankommt (BSG SozR 5420 § 2 Nr. 33; BSG vom 18. Januar 1990 – 4 RK 4/88). Ob dies ausnahmslos auch für die Beitragspflicht gilt, kann insoweit dahingestellt bleiben (ebenso BSG vom 18. Januar 1990, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind im Falle der Klägerin allerdings zugleich auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach Maßgabe der im Nachhinein durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1814) geschaffenen Vorschrift des § 85 Abs. 3 a ALG erfüllt. Hiernach sind Versicherte im Sinne des § 1 Abs. 3 ALG, die die Voraussetzung nach § 85 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ALG erfüllen (d.h. am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig waren), rückwirkend ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie

1. am 31. Dezember 1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind und

2. der Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft nach den betrieblichen Verhältnissen am 1. Januar 1995 20.000,– DM nicht überschritten hat,

3. der befreite Unternehmer im Jahre 1994 Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,– DM erzielt hat und

4. die Befreiung bis zum 30. Juni 1996 bei der landwirtschaftlichen Alterskasse beantragt wird.

Daß die Tatbestandsvoraussetzungen der Nummern 1 bis 3 dieser Befreiungsvorschrift im Falle der Klägerin erfüllt sind, ist offenkundig und zwischen den Beteiligten auch unstreitig, so daß es insoweit keiner über die Darlegungen im erstinstanzlichen Urteil hinausgehender Darlegungen bedarf.

Wie das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, scheitert der Befreiungsantrag der Klägerin auch nicht an der in § 85 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 4 ALG genannten Ausschlußfrist, obwohl er erst mit Schreiben vom 22. Juli 1996 (eingegangen bei der Beklagten am 25. Juli 1996) und damit ganz offenkundig erst nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist gestellt worden ist. Denn die Klägerin kann verlangen, im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als ob sie sich rechtzeitig gemäß § 85 Abs. 3 a ALG von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreien lassen hätte.

Die Beklagte weist zwar zu Recht daraufhin, daß es sich bei der in § 85 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 4 ALG für die Stellung eines Befreiungsantrags genannten Frist ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 3 a Satz 2 in Verbindung mit § 85 Abs. 3 Satz 3 ALG um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist im Sinne des § 27 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) handelt, bei der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zumindest grundsätzlich (zu den Durchbrechungen dieses Grundsatzes vgl. Schroeder-Printzen/von Wulffen, SGB X, § 27 Rdn. 3) ausgeschlossen ist. Hinzu kommt, daß Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt nach dem Grundsatz der sog. formellen Publizität als allen Normadressaten bekannt gelten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese davon tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Wiedereinsetzung daher grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl BSG SozR-3 5070 § 21 Nr. 3 m.w.N.; SozR-3 2600 § 115 Nr. 1). Auch eine sog. Nachsichtgewährung kommt in solchen Fällen regelmäßig nicht mehr in Betracht, weil die unter diesem Gesichtspunkt diskutierten Erwägungen nunmehr in § 27 SGB X gesetzlich konkretisiert und deshalb bei Versäumung materiell-rechtlicher Ausschlußfristen nur noch ausnahmsweise Anwendung finden können (vgl. BSG SozR 1300 § 27 Nr. 4).

Dies alles steht einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin indes nicht entgegen.

Der vom Bundessozialgericht entwickelte und seither in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BSG SozR 2100 § 27 Nr. 2; SozR 1200 § 14 Nr. 20; SozR 4100 § 105 Nr. 2, SozR 4100 § 125 Nr. 3; SozR 1200 § 14 Nr. 28; SozR-3 1200 § 14 Nr. 9; SozR-3 4100 § 37 Nr. 1) bestätigte verschuldensunabhängige Herstellungsanspruch dient als Institut des Verwaltungsrechts dazu, eine Lücke im Schadensersatzrecht zu schließen (BSG SozR 21 00 § 27 Nr. 2). Dieses Rechtsinstitut knüpft zum einen an die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechtsverhältnis an, es findet darüber hinaus aber auch allgemein bei zurechenbarem Fehlverhalten eines Leistungsträgers Anwendung, d.h. bei Verletzung der aus dem Sozialleistungsverhältnis erwachsenden behördlichen Nebenpflichten gegenüber dem Versicherten (vgl. BSG SozR-3 2600 § 115 Nr. 1). Der Anspruchsinhalt ist dabei auf Naturalrestitution in Gestalt der Vornahme einer Rechtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen haben würde. Anerkannte Rechtsfolge einer solchen behördlichen Verletzung von Nebenpflichten ist gegebenenfalls auch, daß versäumte Anträge und Erklärungen des betroffenen Bürgers bzw. des Versicherten als rechtzeitig und ordnungsgemäß gelten (vgl. etwa BSG SozR 4100 § 14 Nr. 28).

Das richterrechtliche Institut des Herstellungsanspruchs ist vorliegend auch neben den Regelungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anwendbar. Zwar betont insbesondere das Bundesverwaltungsgericht, daß es an einer der Ausfüllung durch Richterrecht zugänglichen Regelungslücke fehle, "wenn das materielle Recht im einzelnen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Behörde einen Leistungsantrag ausnahmsweise noch berücksichtigen darf, obwohl der Antragsteller die gesetzliche Antragsfrist versäumt hat. Eine solche gesetzliche Regelung, bei deren Anwendung auch ein Fehlverhalten der Behörde zu berücksichtigen ist, läßt keinen Raum für einen Herstellungsanspruch, der damit begründet wird, das Verhalten des Sozialleistungsträgers sei ursächlich oder mitursächlich dafür geworden, daß die Leistung nicht fristgerecht beantragt worden sei” (BVerwG vom 18. April 1997, – 8 C 38/95 = NJW 1997, 2966 ff. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG in BSGE 56, 266, 270; 73, 56, 59). Der richterrechtlich entwickelte Herstellungsanspruch ist jedoch wegen einer Regelungslücke dann anwendbar, wenn die Folgen der Pflichtverletzung eines Leistungsträgers bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch im Gesetz weder speziell geregelt, noch darin in anderer Weise – etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzungsregeln oder Fiktionen – konzeptionell mitbedacht sind (BSG SozR-3 2600 § 58 Nr. 2; Wallerath, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im sozialen Entschädigungsrecht und in den Hilfs- und Fördersystemen, in: Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes, Bd. 39, S. 67, 80; Bieback, Sgb 1990, S. 525).

Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber für den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte für Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 85 Abs. 3 a ALG nicht getroffen. Er hat für diesen Antrag vielmehr – wie bereits ausgeführt – eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (bei der gegebenenfalls behördliche Verletzungen von Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis berücksichtigt werden könnten) generell ausgeschlossen. In solchen Fällen bleibt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) anwendbar, Unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes bzw. einer effektiven Wahrnehmung sozialer Rechte und einer effektiven Ausübung von Gestaltungsrechten im Rahmen von Sozialrechtsverhältnissen kann vorliegend auch nicht angenommen werden, daß, bei der Normierung der materiell-rechtlichen Ausschlußfrist des § 85 Abs. 3 a Satz 2 ALG ein Fehlverhalten der Verwaltung gegenüber den betroffenen Versicherten bereits konzeptionell mitbedacht worden ist.

Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind vorliegend vom Sozialgericht im Ergebnis zutreffend angenommen worden. Die Beklagte hat die aus dem Sozialversicherungsverhältnis gegenüber der Klägerin bestehenden Nebenpflichten (Betreuungspflichten) verletzt, und diese Pflichtverletzung war ursächlich dafür, daß die Klägerin ihren Befreiungsantrag nicht rechtzeitig innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Antragsfrist gestellt hat.

Aufgrund der Einführung der sog. Ehegattenversicherung zum 1. Januar 1995 ist mit Inkrafttreten des § 1 Abs. 3 ALG zwischen der Klägerin und der Beklagten kraft Gesetzes ein Pflichtversicherungsverhältnis entstanden. Im Rahmen dieses Sozialrechtsverhältnisses oblag es der Beklagten zunächst als objektiv-rechtliche (hauptsächlich im Interesse der Versichertengemeinschaft bestehende) Verpflichtung, die versicherungs- und beitragspflichtig gewordenen Landwirtsehegatten zu ermitteln, die Beiträge festzusetzen und von diesen einzuziehen (§§ 70 ff. § 115 ALG). Mit Inkrafttreten des ASRG-ÄndG am 1. Januar 1996 bestand diese Verpflichtung im Hinblick auf die Befreiungsmöglichkeit des § 85 Abs. 3 a ALG und der zeitlich relativ engen Begrenzung der Antragsfrist auf den 30. Juni 1996 auch im Interesse und gegenüber dem hiernach betroffenen bestimmbaren, aber noch nicht konkret ermittelten Personenkreis der Ehegatten von versicherungsbefreiten Nebenerwerbslandwirten, zu dem die Klägerin zählt. Diese versicherungspflichtigen Personen hatte die Beklagte – soweit dies noch nicht geschehen war – mit allem Nachdruck nach der Normierung des § 85 Abs. 3 a ALG am 1. Januar 1996 zu ermitteln, zur Beitragszahlung heranzuziehen und im Rahmen dieses konkreten Verwaltungsverfahrens auch über diese neu geschaffene zusätzliche Befreiungsmöglichkeit zu informieren.

Zwar folgt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu § 14 SGB I aus der (allgemeinen) Beratungspflicht der Versicherungsträger regelmäßig noch keine Verpflichtung, anläßlich von Gesetzesänderungen in bezug auf alle Versicherten zu prüfen, ob sie davon betroffen sein könnten, und diese ohne konkreten Anlaß zu informieren. Eine solche Verpflichtung bzw. die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl.: hierzu Adolf, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1991, S. 45 m.w.N.) wird jedoch vom Bundessozialgericht in Ausnahmefällen bei gesetzlichen Änderungen mit schwerwiegenden Folgen – wie dem drohenden Totalverlust eines Anspruchs – für möglich erachtet und ausdrücklich erwogen (vgl. BSG SozR-3 1200 § 14 Nr. 12, SozR-3 2600 § 115 Nr. 1). Zum einen sieht das Bundessozialgericht einen konkreten Anlaß zu einer (Spontan-)Beratung auch schon dann als gegeben an, wenn (bei der Bearbeitung der Akten, z.B. im rentenversicherungsrechtlichen Kontenklärungsverfahren) zu erkennen ist, daß der Versicherte zu einem Personenkreis gehört, auf den eine für dessen Ansprüche bedeutsame gesetzliche Regelung Anwendung findet (BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15). Hinsichtlich einer weitergehenden Verpflichtung des Versicherungsträgers, bei gesetzlichen Änderungen mit schwerwiegenden Folgen für die Ansprüche aus der gesetzlichen Sozialversicherung alle bei ihm geführten Versicherungskonten daraufhin zu überprüfen, ob sie Anlaß für eine spontane Beratung geben, ließ es das Bundessozialgericht dahinstehen, ob eine solche Ausweitung generell ausgeschlossen oder in bestimmten Ausnahmefallen geboten sein soll. Ausnahmen müssen sich nach dieser Rechtsprechung jedenfalls auf solche Fälle beschränken, in denen das vom Gesetzgeber mit der Rechtsänderung verfolgte Anliegen anders nicht oder nur sehr unvollkommen erreicht, insbesondere der soziale Schutz nicht gewährleistet werden könnte (BSG SozR-3 1200 § 14 Nr. 12 mit Hinweis auf BSG SozR 1200 § 14 Nr. 16). Für den Bereich der Rentenversicherung ist im übrigen in § 115 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gemäß Abs. 5 die Möglichkeit der Erteilung von Rentenauskünften von Amts wegen und gemäß Abs. 6 die Sollverpflichtung zum Hinweis auf eine Leistungsberechtigung im Falle einer Antragstellung "in geeigneten Fällen” gesetzlich normiert worden.

Diese zur Beratungspflicht sowie zur Amtsermittlungspflicht entwickelten Grundsätze und der Rechtsgedanke des § 115 Abs. 6 SGB VI sind auf die im vorlegenden Fall relevante Verpflichtung zur unverzüglichen Ermittlung der betroffenen Versicherten und deren konkreter Unterrichtung über die Befreiungsmöglichkeit nach § 85 Abs. 3 a ALG im Zuge der Heranziehung zur Beitragsleistung fristgerecht vor dem 30. Juni 1996 übertragbar und fortzuentwickeln. Vorliegend ist ein Ausnahmefall für eine solche Verpflichtung anzunehmen, was sich nach Auffassung des Senats aus folgenden Überlegungen ergibt:

Die zum 1. Januar 1995 eingeführte sog. Ehegattenversicherung in der Alterssicherung der Landwirte beruht auf der gesetzlichen Fiktion einer Unternehmerstellung der Ehegatten von Landwirten und begegnete jedenfalls in der ursprünglichen Fassung des ALG vor Inkrafttreten des ASRG-ÄndG insbesondere im Falle der Ehefrauen von ihrerseits von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreiten Nebenerwerbslandwirten verfassungsrechtlichen Bedenken. Die hiermit verbundene relativ hohe, zwangsweise auferlegte Beitragsbelastung zur landwirtschaftlichen Alterskasse betrifft in diesen Fällen Personen (den Nebenerwerbslandwirt und seine Ehefrau), deren aktuelle wirtschaftliche Existenz und deren spätere soziale Alterssicherung auf einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit beruht. Darüber hinaus sind bzw. waren die Ehegatten versicherungsbefreiter Nebenerwerbslandwirte leistungsrechtlich benachteiligt, zum einen gegenüber den Ehegatten rentenversicherungspflichtig Beschäftigter und zum anderen hinsichtlich der sonstigen Ehegatten von Landwirten aufgrund der fehlenden Möglichkeit zur beitragsfreien Anrechnung von Zeiten des Landwirts (§ 92 Abs. 1 bis 3 ALG; vgl. hierzu Wirth, Änderung des Agrarsozialreformgesetzes, SdL 1996, S. 36 ff.; Böttger, Verfassungsmäßigkeit der Ehegattenpflichtversicherung in der Alterssicherung der Landwirte, SdL 1996, S. 254 ff.; Stüwe, Ein Jahr Agrarreformgesetz, SdL 1996, S. 59 ff.). Diese Auswirkungen haben nicht nur zu "vehementen und vielfach auch organisierten Protesten aus diesem Personenkreis” (Wirth, a.a.O., S. 36) geführt, sondern sind vom Gesetzgeber als "ungewollte Härte” des ASRG erkannt worden, zu deren Entschärfung und Beseitigung, unter anderem Befreiungsmöglichkeit des § 85 Abs. 3 a ALG für "Bestandsbäuerinnen” eingeführt wurde (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG), Bundestags-Drucksache 13/2747 vom 24. Oktober 1995, S. 1; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) Bundestags-Drucksache 13/3057 vom 22. November 1995, S. 26). Der Gesetzgeber hat durch § 85 Abs. 3 a ALG und die Rückwirkung dieses Befreiungsrechts auf den 1. Januar 1995 den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen (zur Verfassungskonformität der "Bäuerinnensicherung” unter Berücksichtigung der modifizierten Ausgestaltung durch das ASRG-ÄndG, vgl. Böttger, a.a.O.). Bei der Bemessung der Ausschlußfrist zum 30. Juni 1996 ist er offenkundig davon ausgegangen, daß diese den betroffenen Versicherten die reale Möglichkeit bietet und eine ausreichend lange Zeit beläßt, auf der Grundlage des geänderten Rechts eine Entscheidung für oder gegen den Austritt aus der Alterssicherung der Landwirte zu treffen. Dies war auch das Motiv zur Fristverlängerung um drei Monate über den 31. Dezember 1995 hinaus für die Beantragung einer endgültigen Befreiung von Bestandsbäuerinnen aufgrund von Tatbeständen, die bereits mit dem ASRG 1995 vorgesehen waren (§ 85 Abs. 3 ALG; vgl hierzu Wirth, a.a.O., S. 43).

Das Recht, sich durch einen entsprechenden Antrag von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreien zu lassen, beinhaltet ein Gestaltungsrecht, durch welches ein bestehendes Versicherungsverhältnis rückwirkend zum 1. Januar 1995 aufgelöst und die Verpflichtung zur Beitragszahlung beseitigt wird. Entgegen dem Vortrag der Beklagten bestand diese Möglichkeit für die Klägerin lediglich nach § 85 Abs. 3 a ALG, d.h. erst ab dem 1. Januar 1996. Seine wirksame Ausübung setzt nicht nur logisch ein bestehendes Pflichtversicherungsverhältnis voraus, sondern – worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – zumindest praktisch auch, daß die Versicherungs- und Beitragspflicht durch den Versicherungsträger zuvor festgestellt worden ist. Ohne diese Konkretisierung des Versicherungsverhältnisses besteht für den Versicherten in der Regel kein Anlaß, vorsorglich einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zu stellen. Vorliegend kommt hinzu, daß die Beklagte an die von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreiten Landwirte lediglich Merkblätter versandt hatte, in denen der Befreiungstatbestand des § 85 Abs. 3 a ALG nicht aufgeführt war (und noch nicht aufgeführt sein konnte), die nunmehr aber unvollständig und damit unrichtig geworden waren, auch für die vergangene Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1995. Für die Fälle, in denen – wie vorliegend – der Versicherungspflichtige Ehegatte von Landwirten noch nicht definitiv ermittelt war, ergab sich vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Problematik der Ehegattenversicherung in der Alterssicherung der Landwirte ohne den speziellen Befreiungstatbestand des § 85 Abs. 3 a ALG, aus dem Charakter dieser Befreiungsmöglichkeit als "Gegenrecht” und dem "Ingerenzgesichtspunkt” einer unvollständig und damit unrichtig gewordenen früheren Information sowie im Hinblick auf den Totalverlust der Befreiungsmöglichkeit von einer Versicherungspflicht, die mit einer dauerhaften finanziell ganz erheblichen Beitragsbelastung verbunden ist und vom Gesetzgeber selbst ohne die Befreiungsmöglichkeit als "ungewollte Härte” eingestuft wurde, für die Beklagte ab dem 1. Januar 1996 die Verpflichtung zur unverzüglichen und intensiven Fortsetzung der Ermittlungen und gegebenenfalls zur individuellen und konkreten Information der Betroffenen, um diese Personengruppen auch ohne konkretes Beratungsersuchen im Wege der sog. Spontanberatung in die Lage zu versetzen, sich gegebenenfalls von der verfassungsrechtlich bedenklich und politisch nicht gewollten Härte einer ausnahmslosen Pflichtversicherung in der landwirtschaftlichen Alterskasse befreien zu lassen. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte vorliegend nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.

Nach dem Vorbringen der Beklagten sind im Falle der Klägerin lediglich an deren Ehemann verschiedene – mit der Übersendung von Merkblättern verbundene – Antragen gerichtet worden, und zwar allesamt vor der Einfügung der erst durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1814) im Nachhinein geschaffenen Befreiungsmöglichkeit des § 85 Abs. 3 a ALG in das Gesetz. Unabhängig von der rechtlichen Zurechnung des Verhaltens des Ehemannes der Klägerin hätte es (auch aus der Sicht der Beklagten) aufgrund der aufgezeigten sozialen und verfassungsrechtlichen Problematik in Fällen wie dem vorliegenden nahegelegen, zumindest die Landwirte selbst nochmals anzuschreiben und auch über die nunmehr bestehende zusätzliche Befreiungsmöglichkeit zu informieren. Statt dessen hat die Beklagte sich jedoch (nach eigenen Angaben) erst "im Mai/Juni 1996” mit Auskunftsersuchen an die zuständige Gemeindeverwaltung gewandt und auf diesem Wege schließlich auch Kenntnis von der mit dem landwirtschaftlichen Unternehmers verheirateten Klägerin erlangt. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Beklagte ihre Anfrage an die Gemeindeverwaltung – wie in anderen Fällen von ihr vorgetragen worden ist – bereits gebündelt "im Frühjahr” 1996 versandt hat, kann es bei dieser Sachlage zur Überzeugung des Senats nicht als dargetan oder gar nachgewiesen angesehen werden, daß die Ermittlungen ab dem 1. Januar 1996 nicht hätten früher und nachdrücklicher durchgeführt und erfolgreich – vor dem 30. Juni 1996 – abgeschlossen werden können, zumal die Angelegenheit der Klägerin bereits seit 1995, wenn auch noch als "offener Fall”, in Bearbeitung war und nur aufgegriffen werden mußte.

Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Beklagte durch die Einführung der Ehegattenversicherung mit dem ASRG und deren Modifizierungen durch das ASRG-ÄndG vor große administrative Probleme gestellt worden ist (vgl. hierzu Stüwe, a.a.O., S. 60, wonach mit Einführung der "Bäuerinnensicherung” 206.000 Versicherte nach § 1 Abs. 3 ALG erfaßt und 191.000 Personen von der Versicherungspflicht befreit wurden. Nach der Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BABl. 11/1998, S. 85) sank der Bestand an Versicherten nach § 1 Abs. 3 ALG von 205.056 im Jahr 1995 auf 162.539 im Jahr 1997.) Dennoch ist der Senat der Auffassung, daß eine Ermittlung und Information der Klägerin rechtzeitig vor dem 30. Juni 1996 möglich gewesen wäre, insbesondere hätte die Wohngemeinde der Klägerin früher angeschrieben und um Auskunft gebeten werden können bzw. hätte diese um eine raschere Auskunftserteilung gebeten werden können. Ein Schuldvorwurf ist mit dieser Feststellung im Rahmen des Herstellungsanspruchs ohnehin nicht verbunden.

Die Verletzung der im Verhältnis zur Klägerin bestehenden Nebenpflicht zur rechtzeitigen und effektiven Information und Beratung über die gesetzlich gegebenen Befreiungsmöglichkeiten war zur Überzeugung des Senats auch ursächlich dafür, daß der Befreiungsantrag von ihr nicht fristgerecht gestellt worden ist. Denn es ist der Klägerin nicht zu widerlegen, daß sie vor dem Zugang des Bescheides der Beklagten vom 15. Juli 1996 keine positive Kenntnis von der ab 1. Januar 1996 Gesetz gewordenen Befreiungsmöglichkeit nach § 85 Abs. 3 a GAL hatte und bei entsprechender Beratung durch die Beklagte in jedem Falle rechtzeitig vor Ablauf der entsprechenden Antragsfrist von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben würde. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin die für sie bestehenden Möglichkeiten zur Aufklärung und Information grob fahrlässig nicht genutzt haben und daß deshalb das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten für den Herstellungsanspruch evtl. "unbeachtlich” (vgl. dazu BSG SozR-3 2200 § 543 Nr. 1) geworden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Ein entsprechender Vorwurf der obliegenheitswidrigen Mitverursachung gegenüber der Klägerin verbietet sich zur Überzeugung des Senats insbesondere auch deshalb, weil in den – überdies nicht an die von der Ehegattenversicherung unmittelbar betroffenen Bäuerinnen, sondern lediglich an die aktenkundigen versicherungsbefreiten landwirtschaftlichen Unternehmer versandten – Informationsblättern der Beklagten aus dem Jahre 1995 die hier in Rede stehende Befreiungsmöglichkeit überhaupt noch nicht enthalten war und im Hinblick auf die insoweit erst nachträglich erfolgte Gesetzeskorrektur auch nicht enthalten sein konnte. Die Klägerin hat ohne schuldhaftes Zögern sogleich nach Zugang des "Aufnahmebescheides” der Beklagten reagiert und einen Antrag auf Befreiung gestellt. Nach den Gesamtumständen muß daher zur Überzeugung des Senats davon ausgegangen werden, daß sie diesen Antrag – entsprechend ihrem glaubhaften Vorbringen – ebenso unverzüglich und damit fristgerecht gestellt haben würde, wenn die Beklagte bereits vor Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist an sie herangetreten wäre.

Die Berufung der Beklagten konnte damit insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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