Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 RA 1804/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 2023/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Regelaltersrente (RAR), u.a. unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten.
Die Klägerin wurde 1927 in B (B) geboren und lebt seit Juni 1972 als i Staatsbürgerin in I. Einen ersten Rentenantrag der Klägerin aus dem Jahr 1992 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 1995 bestandskräftig abgelehnt mit der Begründung, dass die Wartezeit für eine Altersrente (AR) nicht erfüllt sei. Zuvor hatte die Beklagte die Vormerkung der von der Klägerin geltend gemachten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom Februar 1948 bis Mai 1972 in der Sowjetunion abgelehnt (Bescheid vom 14. April 1994; Widerspruchsbescheid vom 8. März 1995).
Im November 2002 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von AR unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten von Dezember 1941 bis März 1944 im Ghetto V(T). Sie habe in dieser Zeit Aufräumarbeiten in der Kommandantur sowie landwirtschaftliche Arbeiten auf dem Feld in einem Umfang von 10 bis 12 Stunden täglich verrichtet und als Gegenleistung "Verpflegung am Arbeitsort und zur Mitnahme für den ganzen Tag auch nach der Beendigung der Arbeit" erhalten. Die Arbeit sei durch den Ältesten aus dem Judenrat vermittelt worden. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 20. Juli 1995 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ab, weil bei Erteilung des Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Klägerin habe in dem von ihr genannten Ghetto keine Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ausgeübt.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung von RAR ab 01. Juli 1997, gegebenenfalls nach der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen, gerichtete Klage mit Urteil vom 17. November 2005 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf RAR nach § 35 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Die hierfür erforderliche allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitrags- bzw. Ersatzzeiten sei nicht erfüllt. In der deutschen Rentenversicherung berücksichtigungsfähige Beitragszeiten habe die Klägerin nicht zurückgelegt. Ebenso wenig seien fiktive Beitragszeiten nach dem ZRBG anrechenbar. Hierbei könne dahinstehen, ob dieses Gesetz überhaupt auf T anwendbar sei. Denn es fehle jedenfalls am Vorliegen der Voraussetzungen eines freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Verweis auf Urteil vom 07. Oktober 2004 – B 13 RJ 59/03 R = SozR 4-5050 § 15 Nr. 1). Nach dieser Rechtsprechung würden als Entgelt nur solche Gegenleistungen gelten, die zu Art und Umfang der erbrachten Arbeit noch in einem angemessenen Verhältnis stünden. Dies sei nicht bereits dann der Fall, wenn dem Betroffenen Lebensmittel zum eigenen Verbrauch gewährt worden seien, weil dann eine Differenzierung der Ghetto-Arbeit nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Gegensatz zu den nicht versicherten Zwangsarbeiten kaum mehr möglich sei. Auf die zitierte Rechtsprechung des BSG werde Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung der Beklagten sei davon auszugehen, dass es sich bei T um ein vom Deutschen Reich besetztes Gebiet im Sinne des ZRBG gehandelt habe. Insoweit werde auf das von ihr in das Verfahren eingeführte geschichtswissenschaftliche Gutachten von Dr. A zu den Vereinbarungen von T und den deutsch-rumänischen Machtverhältnissen in T vom 28. Juni 2007 (LSG Nordrhein-Westfalen – L 8 R 67/06 –) Bezug genommen und hinsichtlich der Frage der Entgeltlichkeit zudem auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14. Dezember 2006 (- B 4 R 29/06 R - veröffentlicht in juris) verwiesen. Im Ghetto V habe sie "Saisonarbeit" verrichtet. Im Winter und Frühling sei sie bei Aufräum- und Säuberungsarbeiten in administrativen Gebäuden der Gendarmerie und der Kommandantur außerhalb des Ghettos beschäftigt gewesen. Im Sommer und Herbst habe sie landwirtschaftliche Arbeiten auf dem Feld verrichtet. Seit Anfang 1943 habe sie begonnen, nach der Arbeit zu Hause Socken zu stricken. Die Strickarbeiten seien im Auftrag der Gendarmerie ausgeführt worden. Als Entgelt für die Arbeit auf dem Feld habe sie am Arbeitsort Kartoffeln, Brot und heiße Suppe erhalten. Während der Säuberungs- und Aufräumungsarbeiten habe sie außer Brot, Suppe und den Kartoffeln auch Graupen und manchmal Zucker bekommen. Nach Beendigung der Arbeit habe sie einige dieser Lebensmittel nach Hause mitgenommen und auch der älteren Schwester zur Unterstützung gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 1997 Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und geht auch im Hinblick auf das vorliegende Gutachten davon aus, dass es sich bei T nicht um ein vom Deutschen Reich besetztes Gebiet gehandelt habe. R habe dort im streitigen Zeitraum die judikative, legislative und exekutive Gewalt gegenüber der Bevölkerung innegehabt und diese auch im eigenen Namen durch eigene Staatsangehörige in leitenden Positionen ausgeübt. Die unumstrittene nationalsozialistische Einflussnahme genüge für die Anwendung des ZRBG nicht.
Der Senat hat noch eine Auskunft des I f d K u G S e. V. an der L-M-U M vom 17. September 2007 eingeholt; hierauf wird Bezug genommen. Der Senat hat zudem den bei der CC (CC) über die Klägerin existierenden Vorgang beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Ferner sind bei der israelischen Gedenkstätte YV Zahlungslisten für j Insassen des Ghettos V ermittelt und in das Verfahren eingeführt worden.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von RAR gem. § 35 SGB VI. Denn die hierfür erforderliche allgemeine Wartezeit ist nicht erfüllt und kann auch nicht durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge erfüllt werden.
Versicherte haben Anspruch auf AR, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 35 SGB VI). Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten und mit Ersatzzeiten angerechnet.
Für die Klägerin sind keine 60 Kalendermonate mit Beitrags- bzw. Ersatzzeiten zu berücksichtigen. Als i Staatsangehörige mit Wohnsitz in I steht sie zwar nach den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat I über Soziale Sicherheit (DISVA) vom 17. Dezember 1973 (BGBl. 1975 II, S. 246) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 7. Januar 1986 (BGBl. 1986 II, S. 863) deutschen Staatsangehörigen (Artikel 3 Abs. 1a DISVA), die sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (Artikel 4 Abs. 1 DISVA), gleich. Diese Gleichstellung hat zur Folge, dass die Klägerin bei der Anwendung deutscher rentenrechtlicher Vorschriften, also des SGB VI einschließlich des FRG und des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG), so zu behandeln ist, als hielte sie sich in Deutschland auf. Die von der Klägerin nach ihrer Befreiung in der S zurückgelegten Versicherungszeiten von 1948 bis 1972 stehen aber nicht nach den §§ 15, 16 FRG nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich und sind damit auch nicht auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar. Denn die Klägerin zählt nicht zum Personenkreis des § 1 FRG und auch nicht zu dem des § 17a FRG bzw. des § 20 WGSVG.
Nach § 20 Abs. 1 WGSVG stehen bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen iS des Bundesvertriebenengesetzes vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben; nach § 20 Abs. 2 WGSVG wird vermutet, dass die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) eine wesentliche Ursache für das Verlassen des Vertreibungsgebietes ist. Nach § 17a FRG finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften des FRG Anwendung u.a. auch auf Personen, die bis zum Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem dSK angehört haben, zusätzlich das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsgebietes dem dSK angehört haben und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten. Da die Klägerin zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflussnahme auf ihr Heimatgebiet (Juni 1941) das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, kommt es bei den beiden letztgenannten Vorschriften u.a. darauf an, dass die Klägerin im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes im Jahr 1972 dem dSK angehört hatte. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen hierfür nicht überwiegend wahrscheinlich (vgl. §§ 3 Abs. 1 WGSVG, 4 Abs. 1 FRG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt, kommt dem Gebrauch der deutschen Sprache für die Zugehörigkeit zum dSK eine im Regelfall ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. BSG SozR 5070 § 20 Nr. 3; BSG SozR 5070 § 20 Nrn. 2, 4, 5, 13). Denn wer eine Sprache im persönlichen Bereich ständig gebraucht, gehört nicht nur diesem Sprachkreis, sondern auch dem durch die Sprache vermittelten Kulturkreis an, weil sie ihm den Zugang zu dessen Weltbild und Denkwelt erschließt. Die Zugehörigkeit zum dSK ergibt sich daher im Regelfall aus dem zumindest überwiegenden Gebrauch der deutschen Muttersprache im persönlichen Lebensbereich, der in erster Linie die Sphäre von Ehe und Familie, aber auch den Freundeskreis umfasst. Eine Mehrsprachigkeit steht der Zugehörigkeit zum dSK dann nicht entgegen, wenn die Verfolgte die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in ihrem persönlichen Bereich überwiegend gebraucht hat. Wer sich allerdings freiwillig, nicht verfolgungs- oder vertreibungsbedingt, von dem Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich auf Dauer abwendet, gehört nicht mehr dem dSK an (vgl. BSGE 50, 279, 281; BSG SozR 5070 § 20 Nr. 4 S. 14; Nr. 13 S. 50). Bei Würdigung der anlässlich des im Jahr 1992 anhängig gewordenen Erstantragsverfahrens einerseits und der bei der Sprachprüfung in I gemachten Angaben andererseits sowie des Ergebnisses dieser Sprachprüfung sieht sich der Senat außerstande, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK im maßgeblichen Zeitpunkt als glaubhaft gemacht anzusehen.
So hatte die Klägerin zunächst im Fragebogen der Beklagten zur Prüfung der Zugehörigkeit zum dSK unter dem 29. April 1992 als eigene Muttersprache und auch als Muttersprache der Eltern Deutsch angegeben und behauptet, diese Sprache im persönlichen Bereich, insbesondere auch im Elternhaus, überwiegend gebraucht zu haben, und zwar bis zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsgebietes. Den Gebrauch des Jiddischen hatte sie ausdrücklich verneint, auch von Seiten ihrer Eltern. Bei der Sprachprüfung vor dem i Finanzministerium am 8. November 1993 hatte sie demgegenüber nach dem in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltenen Sprachprüfungsprotokoll vom 8. November 1993 angegeben, im Elternhaus und auch im persönlichen Lebensbereich jiddisch und rumänisch gesprochen zu haben und mit dem 1953 geheirateten Ehemann L K russisch und jiddisch. Zudem kann die Klägerin nicht deutsch schreiben und die deutsche Sprache lediglich "stockend mit teilweisem Verständnis" lesen. Vor dem Hintergrund dieser Sprachprüfung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin dem dSK zu keiner Zeit angehört und in dem dSK-Fragebogen der Beklagten trotz des darin enthaltenen Hinweises auf ihre Wahrheitspflicht unzutreffende Angaben gemacht hat. Die Berücksichtigung von FRG-Zeiten kommt mithin nicht in Betracht. Es besteht auch kein Sozialversicherungsabkommen, wonach Beitragszeiten in der früheren S oder der U auf die nach Bundesrecht erforderliche Wartezeit anrechenbar wären.
Die Klägerin hat auch keine Ghetto-Beitragszeiten iS des § 2 Abs. 1 ZRBG zurückgelegt, die auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar wären. Hierzu müsste sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ZRBG erfüllen, also in einem Ghetto in einem vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Gebiet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZRBG) eine Beschäftigung, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a ZRBG), gegen Entgelt ausgeübt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b ZRBG). Dem dSK muss die Klägerin darüber hinausgehend zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ghetto-Beitragszeit iS des ZRBG nicht angehört haben (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R – veröffentlicht in juris -; BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 – B 13 R 28/06 R – veröffentlicht in juris -). Es reicht danach für die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit aus, wenn die Betroffene glaubhaft macht, dass sie aus eigenem Willensentschluss in einem Ghetto iS des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZRBG entgeltlich beschäftigt war, in dem sie sich zwangsweise aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung aufgehalten hatte.
Die Klägerin hat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens die genannten und von dem erkennenden Gericht festzustellenden entscheidungserheblichen Tatsachen nicht durch ein schlüssiges und damit in ausreichendem Maße glaubhaftes Vorbringen darzulegen vermocht. Eine Glaubhaftmachung (§ 1 Abs. 2 ZRBG i.V. mit § 3 Abs. 1 WGSVG) dieser Tatsachen scheidet danach aus. Es fehlt bereits an einer plausiblen und glaubhaften Darlegung des Verfolgungsschicksals der Klägerin, das tatsächliche Grundlage für die von ihr geltend gemachten Ghetto-Beitragszeiten in der Zeit vom 1. Juli 1941 (so die Angaben im CC-Antrag) bzw. 1. Dezember 1941 (so die Angaben im Verwaltungs- und Klageverfahren) bis 31. März 1944 nach Maßgabe des insoweit heranzuziehenden Beweisgrades der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG, der auch im Anwendungsbereich des ZRBG gilt; vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R -) sein könnte. Die bloße Möglichkeit, dass sich die entscheidungserheblichen Tatsachen so zugetragen haben, wie die Klägerin behauptet, reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. BSG aaO).
Nach der Gesamtwürdigung aller Umstände ist schon nicht glaubhaft gemacht, wo sich die Klägerin in der streitigen Zeit wirklich aufgehalten hatte. Sie hat zwar in dem ersten, im Jahr 1992 bei der Beklagten anhängig gewordenen Rentenverfahren wie auch im vorliegenden Verfahren und dem Antragsverfahren bei der CC vorgetragen, sich in der Zeit von Juli bzw. Dezember 1941 bis März bzw. April 1944 in V/T in einem Ghetto aufgehalten zu haben. Der Senat sieht sich aber außer Stande, allein auf diese Erklärungen der Klägerin seine nach dem hier erforderlichen Beweisgrad der Glaubhaftmachung erforderliche Überzeugung vom Vorhandensein der – nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG ersten - erforderlichen Voraussetzung des Aufenthalts der Klägerin an einem Ort, der als Ghetto zu qualifizieren ist, zu stützen. Denn es bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin. Diese hatte – worauf bereits hingewiesen worden ist - in ihrem ersten Rentenantragsverfahren in dem entsprechenden Fragebogen der Beklagten nachweislich unzutreffende und letztlich zweckgerichtete Angaben zu den seinerzeit entscheidungserheblichen Tatsachen (Zugehörigkeit zum dSK) gemacht und im gesamten Verlauf des vorliegenden Verfahrens, insbesondere auch nicht auf den entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, weshalb trotz der seinerzeit gemachten offensichtlichen Falschangaben ihrem jetzigen Vorbringen zu den behaupteten Ghetto-Beitragszeiten ohne weitere greifbare Beweismittel Glauben geschenkt werden sollte.
So hatte die Klägerin im dSK-Fragebogen der Beklagten unter Versicherung wahrheitsgemäßer Angaben wahrheitswidrig verneint, im Herkunftsgebiet bzw. im Elternhaus jiddisch gesprochen zu haben. Ihre Angaben zu ihrer Muttersprache und zum Sprachgebrauch im persönlichen Lebensbereich im Herkunftsgebiet, insbesondere auch im Elternhaus, waren, wie sich anlässlich der Sprachprüfung in I herausgestellt hatte, nachweislich falsch. Auch die Angaben der Klägerin zu ihrem Verfolgungsschicksal differieren im Übrigen und ergeben kein nachvollziehbares Bild des zeitlichen Ablaufes der Verfolgung. Während die Klägerin in ihrer Erklärung vom 10. August 1992 ausgeführt hatte, in der Verfolgungszeit von Juni 1941 bis April 1945 nach V "evakuiert" worden zu sein und dort im Ghetto ihre Eltern verloren zu haben, hat sie bei der CC ausgeführt, im Juli 1941 mit der Familie (Eltern und Geschwister) aus ihrem Geburtsort zunächst nach W vertrieben worden und von dort weiter in den Wald von J getrieben worden zu sein. Danach sei sie "zu Fuß nach K" und von dort "über den D nach J verwiesen" worden. Anschließend sei ein Fußmarsch "durch W bis nach V" erfolgt. Der CC-Akte lässt sich zudem entnehmen, dass die Klägerin dort erklärt hatte, mit ihrem Bruder im Ghetto gewesen zu sein, während sie auf Nachfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 9. November 2007 lediglich angab, nach dem Tod der Eltern mit der älteren Schwester D zusammen im Ghetto gelebt zu haben. Der Bruder wird dort an keiner Stelle erwähnt. Zeugen, die ihr Vorbringen zum Ghettoschicksal hätten untermauern können, hat die Klägerin nicht benennen können. Sie hat auch kein Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz durchlaufen, das einen weitergehenden Aufschluss über den konkreten Verlauf ihres Verfolgungsschicksals hätte geben können. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin eine Vertreibung bzw. Verschleppung aus ihrem in B liegenden Geburtsort B (B) im Juli 1941 behauptet. Wie sich dem von der Klägerin vorgelegten geschichtswissenschaftlichen Gutachten von Dr. Aentnehmen lässt, war B aber zu diesem Zeitpunkt bereits von R zurückerobert und dem r Staatsgebiet einverleibt worden. Die Klägerin hat diesbezüglich zu keiner Zeit vorgetragen, welcher Staat bzw. welche staatlichen Stelle konkret den von ihr behaupteten zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto angeordnet hatte und mithin den "Verfolgungszugriff" (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R –) hatte, obgleich ihr mit Schreiben des Gerichts vom 22. August 2007 entsprechende Auflagen gemacht worden waren. Es ist somit mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit schon nicht feststellbar, dass sich die Klägerin in einem Ghetto in V von Juli 1941 bzw. Dezember 1941 bis März 1944 tatsächlich aufgehalten hatte.
Bei diesem Gesamtergebnis des Verfahrens kann dahinstehen, ob das in Rede stehende Ghetto V im streitigen Zeitraum rechtlich dem r besetzten T zuzuordnen war und wer insoweit gegebenenfalls die tatsächliche Besatzungsgewalt iS des konkreten Verfolgungszugriffes ausgeübt hat.
Da die Klägerin nach alledem nicht "Versicherte" iS von § 250 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sein kann, liegen auch keine Tatbestände von Ersatzzeiten vor, mit Hilfe derer die Klägerin die erforderliche Wartezeit von 60 Monaten erreichen könnte. Für die Klägerin besteht auch nicht die Möglichkeit, freiwillige Beiträge zu entrichten, um die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Die Voraussetzungen des § 7 SGB VI liegen nicht vor. Auch eine Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nach Nr. 2c des Schlussprotokolls zum DISVA besteht für die Klägerin nicht. Denn für sie ist nicht mindestens ein Beitrag in der deutschen Rentenversicherung anrechnungsfähig. Eine Berücksichtigung etwaiger iBeitragszeiten kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Zusammenrechnung für den Erwerb eines Leistungsanspruches nach Artikel 20 Abs. 1 DISVA das Vorhandensein von anrechnungsfähigen Versicherungszeiten in beiden Vertragsstaaten voraussetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Regelaltersrente (RAR), u.a. unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten.
Die Klägerin wurde 1927 in B (B) geboren und lebt seit Juni 1972 als i Staatsbürgerin in I. Einen ersten Rentenantrag der Klägerin aus dem Jahr 1992 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 1995 bestandskräftig abgelehnt mit der Begründung, dass die Wartezeit für eine Altersrente (AR) nicht erfüllt sei. Zuvor hatte die Beklagte die Vormerkung der von der Klägerin geltend gemachten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom Februar 1948 bis Mai 1972 in der Sowjetunion abgelehnt (Bescheid vom 14. April 1994; Widerspruchsbescheid vom 8. März 1995).
Im November 2002 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von AR unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten von Dezember 1941 bis März 1944 im Ghetto V(T). Sie habe in dieser Zeit Aufräumarbeiten in der Kommandantur sowie landwirtschaftliche Arbeiten auf dem Feld in einem Umfang von 10 bis 12 Stunden täglich verrichtet und als Gegenleistung "Verpflegung am Arbeitsort und zur Mitnahme für den ganzen Tag auch nach der Beendigung der Arbeit" erhalten. Die Arbeit sei durch den Ältesten aus dem Judenrat vermittelt worden. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 20. Juli 1995 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ab, weil bei Erteilung des Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Klägerin habe in dem von ihr genannten Ghetto keine Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ausgeübt.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung von RAR ab 01. Juli 1997, gegebenenfalls nach der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen, gerichtete Klage mit Urteil vom 17. November 2005 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf RAR nach § 35 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Die hierfür erforderliche allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitrags- bzw. Ersatzzeiten sei nicht erfüllt. In der deutschen Rentenversicherung berücksichtigungsfähige Beitragszeiten habe die Klägerin nicht zurückgelegt. Ebenso wenig seien fiktive Beitragszeiten nach dem ZRBG anrechenbar. Hierbei könne dahinstehen, ob dieses Gesetz überhaupt auf T anwendbar sei. Denn es fehle jedenfalls am Vorliegen der Voraussetzungen eines freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Verweis auf Urteil vom 07. Oktober 2004 – B 13 RJ 59/03 R = SozR 4-5050 § 15 Nr. 1). Nach dieser Rechtsprechung würden als Entgelt nur solche Gegenleistungen gelten, die zu Art und Umfang der erbrachten Arbeit noch in einem angemessenen Verhältnis stünden. Dies sei nicht bereits dann der Fall, wenn dem Betroffenen Lebensmittel zum eigenen Verbrauch gewährt worden seien, weil dann eine Differenzierung der Ghetto-Arbeit nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Gegensatz zu den nicht versicherten Zwangsarbeiten kaum mehr möglich sei. Auf die zitierte Rechtsprechung des BSG werde Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung der Beklagten sei davon auszugehen, dass es sich bei T um ein vom Deutschen Reich besetztes Gebiet im Sinne des ZRBG gehandelt habe. Insoweit werde auf das von ihr in das Verfahren eingeführte geschichtswissenschaftliche Gutachten von Dr. A zu den Vereinbarungen von T und den deutsch-rumänischen Machtverhältnissen in T vom 28. Juni 2007 (LSG Nordrhein-Westfalen – L 8 R 67/06 –) Bezug genommen und hinsichtlich der Frage der Entgeltlichkeit zudem auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14. Dezember 2006 (- B 4 R 29/06 R - veröffentlicht in juris) verwiesen. Im Ghetto V habe sie "Saisonarbeit" verrichtet. Im Winter und Frühling sei sie bei Aufräum- und Säuberungsarbeiten in administrativen Gebäuden der Gendarmerie und der Kommandantur außerhalb des Ghettos beschäftigt gewesen. Im Sommer und Herbst habe sie landwirtschaftliche Arbeiten auf dem Feld verrichtet. Seit Anfang 1943 habe sie begonnen, nach der Arbeit zu Hause Socken zu stricken. Die Strickarbeiten seien im Auftrag der Gendarmerie ausgeführt worden. Als Entgelt für die Arbeit auf dem Feld habe sie am Arbeitsort Kartoffeln, Brot und heiße Suppe erhalten. Während der Säuberungs- und Aufräumungsarbeiten habe sie außer Brot, Suppe und den Kartoffeln auch Graupen und manchmal Zucker bekommen. Nach Beendigung der Arbeit habe sie einige dieser Lebensmittel nach Hause mitgenommen und auch der älteren Schwester zur Unterstützung gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 1997 Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und geht auch im Hinblick auf das vorliegende Gutachten davon aus, dass es sich bei T nicht um ein vom Deutschen Reich besetztes Gebiet gehandelt habe. R habe dort im streitigen Zeitraum die judikative, legislative und exekutive Gewalt gegenüber der Bevölkerung innegehabt und diese auch im eigenen Namen durch eigene Staatsangehörige in leitenden Positionen ausgeübt. Die unumstrittene nationalsozialistische Einflussnahme genüge für die Anwendung des ZRBG nicht.
Der Senat hat noch eine Auskunft des I f d K u G S e. V. an der L-M-U M vom 17. September 2007 eingeholt; hierauf wird Bezug genommen. Der Senat hat zudem den bei der CC (CC) über die Klägerin existierenden Vorgang beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Ferner sind bei der israelischen Gedenkstätte YV Zahlungslisten für j Insassen des Ghettos V ermittelt und in das Verfahren eingeführt worden.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von RAR gem. § 35 SGB VI. Denn die hierfür erforderliche allgemeine Wartezeit ist nicht erfüllt und kann auch nicht durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge erfüllt werden.
Versicherte haben Anspruch auf AR, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 35 SGB VI). Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten und mit Ersatzzeiten angerechnet.
Für die Klägerin sind keine 60 Kalendermonate mit Beitrags- bzw. Ersatzzeiten zu berücksichtigen. Als i Staatsangehörige mit Wohnsitz in I steht sie zwar nach den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat I über Soziale Sicherheit (DISVA) vom 17. Dezember 1973 (BGBl. 1975 II, S. 246) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 7. Januar 1986 (BGBl. 1986 II, S. 863) deutschen Staatsangehörigen (Artikel 3 Abs. 1a DISVA), die sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (Artikel 4 Abs. 1 DISVA), gleich. Diese Gleichstellung hat zur Folge, dass die Klägerin bei der Anwendung deutscher rentenrechtlicher Vorschriften, also des SGB VI einschließlich des FRG und des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG), so zu behandeln ist, als hielte sie sich in Deutschland auf. Die von der Klägerin nach ihrer Befreiung in der S zurückgelegten Versicherungszeiten von 1948 bis 1972 stehen aber nicht nach den §§ 15, 16 FRG nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich und sind damit auch nicht auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar. Denn die Klägerin zählt nicht zum Personenkreis des § 1 FRG und auch nicht zu dem des § 17a FRG bzw. des § 20 WGSVG.
Nach § 20 Abs. 1 WGSVG stehen bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen iS des Bundesvertriebenengesetzes vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben; nach § 20 Abs. 2 WGSVG wird vermutet, dass die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) eine wesentliche Ursache für das Verlassen des Vertreibungsgebietes ist. Nach § 17a FRG finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften des FRG Anwendung u.a. auch auf Personen, die bis zum Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem dSK angehört haben, zusätzlich das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsgebietes dem dSK angehört haben und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten. Da die Klägerin zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflussnahme auf ihr Heimatgebiet (Juni 1941) das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, kommt es bei den beiden letztgenannten Vorschriften u.a. darauf an, dass die Klägerin im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes im Jahr 1972 dem dSK angehört hatte. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen hierfür nicht überwiegend wahrscheinlich (vgl. §§ 3 Abs. 1 WGSVG, 4 Abs. 1 FRG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt, kommt dem Gebrauch der deutschen Sprache für die Zugehörigkeit zum dSK eine im Regelfall ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. BSG SozR 5070 § 20 Nr. 3; BSG SozR 5070 § 20 Nrn. 2, 4, 5, 13). Denn wer eine Sprache im persönlichen Bereich ständig gebraucht, gehört nicht nur diesem Sprachkreis, sondern auch dem durch die Sprache vermittelten Kulturkreis an, weil sie ihm den Zugang zu dessen Weltbild und Denkwelt erschließt. Die Zugehörigkeit zum dSK ergibt sich daher im Regelfall aus dem zumindest überwiegenden Gebrauch der deutschen Muttersprache im persönlichen Lebensbereich, der in erster Linie die Sphäre von Ehe und Familie, aber auch den Freundeskreis umfasst. Eine Mehrsprachigkeit steht der Zugehörigkeit zum dSK dann nicht entgegen, wenn die Verfolgte die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in ihrem persönlichen Bereich überwiegend gebraucht hat. Wer sich allerdings freiwillig, nicht verfolgungs- oder vertreibungsbedingt, von dem Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich auf Dauer abwendet, gehört nicht mehr dem dSK an (vgl. BSGE 50, 279, 281; BSG SozR 5070 § 20 Nr. 4 S. 14; Nr. 13 S. 50). Bei Würdigung der anlässlich des im Jahr 1992 anhängig gewordenen Erstantragsverfahrens einerseits und der bei der Sprachprüfung in I gemachten Angaben andererseits sowie des Ergebnisses dieser Sprachprüfung sieht sich der Senat außerstande, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Zugehörigkeit der Klägerin zum dSK im maßgeblichen Zeitpunkt als glaubhaft gemacht anzusehen.
So hatte die Klägerin zunächst im Fragebogen der Beklagten zur Prüfung der Zugehörigkeit zum dSK unter dem 29. April 1992 als eigene Muttersprache und auch als Muttersprache der Eltern Deutsch angegeben und behauptet, diese Sprache im persönlichen Bereich, insbesondere auch im Elternhaus, überwiegend gebraucht zu haben, und zwar bis zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsgebietes. Den Gebrauch des Jiddischen hatte sie ausdrücklich verneint, auch von Seiten ihrer Eltern. Bei der Sprachprüfung vor dem i Finanzministerium am 8. November 1993 hatte sie demgegenüber nach dem in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltenen Sprachprüfungsprotokoll vom 8. November 1993 angegeben, im Elternhaus und auch im persönlichen Lebensbereich jiddisch und rumänisch gesprochen zu haben und mit dem 1953 geheirateten Ehemann L K russisch und jiddisch. Zudem kann die Klägerin nicht deutsch schreiben und die deutsche Sprache lediglich "stockend mit teilweisem Verständnis" lesen. Vor dem Hintergrund dieser Sprachprüfung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin dem dSK zu keiner Zeit angehört und in dem dSK-Fragebogen der Beklagten trotz des darin enthaltenen Hinweises auf ihre Wahrheitspflicht unzutreffende Angaben gemacht hat. Die Berücksichtigung von FRG-Zeiten kommt mithin nicht in Betracht. Es besteht auch kein Sozialversicherungsabkommen, wonach Beitragszeiten in der früheren S oder der U auf die nach Bundesrecht erforderliche Wartezeit anrechenbar wären.
Die Klägerin hat auch keine Ghetto-Beitragszeiten iS des § 2 Abs. 1 ZRBG zurückgelegt, die auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar wären. Hierzu müsste sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ZRBG erfüllen, also in einem Ghetto in einem vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Gebiet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZRBG) eine Beschäftigung, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a ZRBG), gegen Entgelt ausgeübt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b ZRBG). Dem dSK muss die Klägerin darüber hinausgehend zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ghetto-Beitragszeit iS des ZRBG nicht angehört haben (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R – veröffentlicht in juris -; BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 – B 13 R 28/06 R – veröffentlicht in juris -). Es reicht danach für die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit aus, wenn die Betroffene glaubhaft macht, dass sie aus eigenem Willensentschluss in einem Ghetto iS des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZRBG entgeltlich beschäftigt war, in dem sie sich zwangsweise aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung aufgehalten hatte.
Die Klägerin hat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens die genannten und von dem erkennenden Gericht festzustellenden entscheidungserheblichen Tatsachen nicht durch ein schlüssiges und damit in ausreichendem Maße glaubhaftes Vorbringen darzulegen vermocht. Eine Glaubhaftmachung (§ 1 Abs. 2 ZRBG i.V. mit § 3 Abs. 1 WGSVG) dieser Tatsachen scheidet danach aus. Es fehlt bereits an einer plausiblen und glaubhaften Darlegung des Verfolgungsschicksals der Klägerin, das tatsächliche Grundlage für die von ihr geltend gemachten Ghetto-Beitragszeiten in der Zeit vom 1. Juli 1941 (so die Angaben im CC-Antrag) bzw. 1. Dezember 1941 (so die Angaben im Verwaltungs- und Klageverfahren) bis 31. März 1944 nach Maßgabe des insoweit heranzuziehenden Beweisgrades der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG, der auch im Anwendungsbereich des ZRBG gilt; vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R -) sein könnte. Die bloße Möglichkeit, dass sich die entscheidungserheblichen Tatsachen so zugetragen haben, wie die Klägerin behauptet, reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. BSG aaO).
Nach der Gesamtwürdigung aller Umstände ist schon nicht glaubhaft gemacht, wo sich die Klägerin in der streitigen Zeit wirklich aufgehalten hatte. Sie hat zwar in dem ersten, im Jahr 1992 bei der Beklagten anhängig gewordenen Rentenverfahren wie auch im vorliegenden Verfahren und dem Antragsverfahren bei der CC vorgetragen, sich in der Zeit von Juli bzw. Dezember 1941 bis März bzw. April 1944 in V/T in einem Ghetto aufgehalten zu haben. Der Senat sieht sich aber außer Stande, allein auf diese Erklärungen der Klägerin seine nach dem hier erforderlichen Beweisgrad der Glaubhaftmachung erforderliche Überzeugung vom Vorhandensein der – nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG ersten - erforderlichen Voraussetzung des Aufenthalts der Klägerin an einem Ort, der als Ghetto zu qualifizieren ist, zu stützen. Denn es bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin. Diese hatte – worauf bereits hingewiesen worden ist - in ihrem ersten Rentenantragsverfahren in dem entsprechenden Fragebogen der Beklagten nachweislich unzutreffende und letztlich zweckgerichtete Angaben zu den seinerzeit entscheidungserheblichen Tatsachen (Zugehörigkeit zum dSK) gemacht und im gesamten Verlauf des vorliegenden Verfahrens, insbesondere auch nicht auf den entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, weshalb trotz der seinerzeit gemachten offensichtlichen Falschangaben ihrem jetzigen Vorbringen zu den behaupteten Ghetto-Beitragszeiten ohne weitere greifbare Beweismittel Glauben geschenkt werden sollte.
So hatte die Klägerin im dSK-Fragebogen der Beklagten unter Versicherung wahrheitsgemäßer Angaben wahrheitswidrig verneint, im Herkunftsgebiet bzw. im Elternhaus jiddisch gesprochen zu haben. Ihre Angaben zu ihrer Muttersprache und zum Sprachgebrauch im persönlichen Lebensbereich im Herkunftsgebiet, insbesondere auch im Elternhaus, waren, wie sich anlässlich der Sprachprüfung in I herausgestellt hatte, nachweislich falsch. Auch die Angaben der Klägerin zu ihrem Verfolgungsschicksal differieren im Übrigen und ergeben kein nachvollziehbares Bild des zeitlichen Ablaufes der Verfolgung. Während die Klägerin in ihrer Erklärung vom 10. August 1992 ausgeführt hatte, in der Verfolgungszeit von Juni 1941 bis April 1945 nach V "evakuiert" worden zu sein und dort im Ghetto ihre Eltern verloren zu haben, hat sie bei der CC ausgeführt, im Juli 1941 mit der Familie (Eltern und Geschwister) aus ihrem Geburtsort zunächst nach W vertrieben worden und von dort weiter in den Wald von J getrieben worden zu sein. Danach sei sie "zu Fuß nach K" und von dort "über den D nach J verwiesen" worden. Anschließend sei ein Fußmarsch "durch W bis nach V" erfolgt. Der CC-Akte lässt sich zudem entnehmen, dass die Klägerin dort erklärt hatte, mit ihrem Bruder im Ghetto gewesen zu sein, während sie auf Nachfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 9. November 2007 lediglich angab, nach dem Tod der Eltern mit der älteren Schwester D zusammen im Ghetto gelebt zu haben. Der Bruder wird dort an keiner Stelle erwähnt. Zeugen, die ihr Vorbringen zum Ghettoschicksal hätten untermauern können, hat die Klägerin nicht benennen können. Sie hat auch kein Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz durchlaufen, das einen weitergehenden Aufschluss über den konkreten Verlauf ihres Verfolgungsschicksals hätte geben können. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin eine Vertreibung bzw. Verschleppung aus ihrem in B liegenden Geburtsort B (B) im Juli 1941 behauptet. Wie sich dem von der Klägerin vorgelegten geschichtswissenschaftlichen Gutachten von Dr. Aentnehmen lässt, war B aber zu diesem Zeitpunkt bereits von R zurückerobert und dem r Staatsgebiet einverleibt worden. Die Klägerin hat diesbezüglich zu keiner Zeit vorgetragen, welcher Staat bzw. welche staatlichen Stelle konkret den von ihr behaupteten zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto angeordnet hatte und mithin den "Verfolgungszugriff" (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R –) hatte, obgleich ihr mit Schreiben des Gerichts vom 22. August 2007 entsprechende Auflagen gemacht worden waren. Es ist somit mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit schon nicht feststellbar, dass sich die Klägerin in einem Ghetto in V von Juli 1941 bzw. Dezember 1941 bis März 1944 tatsächlich aufgehalten hatte.
Bei diesem Gesamtergebnis des Verfahrens kann dahinstehen, ob das in Rede stehende Ghetto V im streitigen Zeitraum rechtlich dem r besetzten T zuzuordnen war und wer insoweit gegebenenfalls die tatsächliche Besatzungsgewalt iS des konkreten Verfolgungszugriffes ausgeübt hat.
Da die Klägerin nach alledem nicht "Versicherte" iS von § 250 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sein kann, liegen auch keine Tatbestände von Ersatzzeiten vor, mit Hilfe derer die Klägerin die erforderliche Wartezeit von 60 Monaten erreichen könnte. Für die Klägerin besteht auch nicht die Möglichkeit, freiwillige Beiträge zu entrichten, um die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Die Voraussetzungen des § 7 SGB VI liegen nicht vor. Auch eine Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nach Nr. 2c des Schlussprotokolls zum DISVA besteht für die Klägerin nicht. Denn für sie ist nicht mindestens ein Beitrag in der deutschen Rentenversicherung anrechnungsfähig. Eine Berücksichtigung etwaiger iBeitragszeiten kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Zusammenrechnung für den Erwerb eines Leistungsanspruches nach Artikel 20 Abs. 1 DISVA das Vorhandensein von anrechnungsfähigen Versicherungszeiten in beiden Vertragsstaaten voraussetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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