Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 117 AS 15839/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 268/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2007 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der im Jahr 1953 geborene, allein stehende Kläger bezieht seit dem 1. Dezember 2005 von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Seinem ersten Antrag war eine ärztliche Bescheinigung vom 13. Oktober 2005 des Facharztes für Urologie Dr. H beigefügt, wonach er wegen eines Hodenkarzinoms rechts und Zustand nach Orchiektomie und Chemotherapie für 12 Monate einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfe. Auf den Antrag vom 12. Mai 2006 hin, mit dem der Kläger auf sämtliche bisherigen Angaben Bezug genommen hatte, bewilligte der Beklagte für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 mit Bescheid vom 16. Mai 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Neben der Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro bewilligte er Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 671,99 Euro, mithin Leistungen in Höhe von insgesamt 1016,99 Euro monatlich. Zu den Kosten der Unterkunft zählten die Nebenkosten, jedoch nicht die Kosten für Haushaltsenergie, weil diese in der Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten und somit bereits pauschal abgegolten seien. Die anzuerkennende Miete sei daher um die jeweils maßgebliche Energiepauschale in Höhe von monatlich 9,00 Euro für Warmwasser gekürzt worden. Die Leistungen für Kosten der Unterkunft, Nebenkosten und Heizung würden an den Vermieter, die FDS Gewerbebetriebsgesellschaft mbH überwiesen.
Bei einer Vorsprache am 29. Juni 2006 legte der Kläger gegen diesen Bescheid, der ihm am 29. Mai 2006 zugegangen sei, Widerspruch ein. Der Widerspruch richte sich gegen die gewährte Leistungshöhe des Arbeitslosengeldes II. Er sei der Meinung, ihm stehe ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung zu. Die entsprechenden Unterlagen müssten der Leistungsakte zu entnehmen sein. Weiterhin solle die Miete nicht mehr direkt an den Vermieter überwiesen werden, auch dieser Betrag solle an ihn überwiesen werden, so dass er die Miete selber an den Vermieter zahlen könne.
Am 26. September 2006 fand vor der 99. Kammer des Sozialgerichts (SG) Berlin ein Erörterungstermin wegen der Höhe der Leistungen im Bewilligungsabschnitt vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 statt. Im Hinblick auf das Attest zur Anerkennung des Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung schlossen die Beteiligten in diesem Termin einen Vergleich dahin, dass der Kläger seinen behandelnden Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbinde und die Beklagte auf Grundlage weiterer medizinischer Ermittlungen über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden werde. Weitere medizinische Ermittlungen hat der Beklagte in der Folgezeit nach dem Inhalt der Verwaltungsakte nicht durchgeführt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16. Mai 2006 zurück. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien zutreffend berechnet. Leistungen für Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stünden ihm nicht zu. Nach § 21 Abs. 5 SGB II bestehe ein Anspruch auf Mehrbedarf in angemessener Höhe für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürften. Die Aufstellung der Liste der Krankheiten, bei denen die Notwendigkeit einer kostenaufwendigen Ernährung anerkannt sei, richte sich nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Im Falle des Klägers liege jedoch keine ärztliche Bescheinigung vor, die die Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwendige Ernährung rechtfertigen würde. Leistungen für Unterkunft und Heizung würden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen seien. Von den Kosten für Energie und Heizung sei ein pauschalierter Abzug für die Kosten für Warmwasserbereitung vorzunehmen. Die monatliche Warmwasserpauschale betrage für einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 9,00 Euro. Die Kosten der Unterkunft betrügen somit 671,99 Euro (nämlich 680,99 Euro Gesamtkosten abzüglich 9,00 Euro Warmwasserpauschale).
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Berlin erhoben. Bei seiner Vorsprache bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat er zur Begründung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Das SG hat nach Beiziehung der Akten die Anhörung zum Gerichtsbescheid verfügt, wobei den Akten nicht zu entnehmen ist, mit welchem Inhalt es die Anhörung versehen hat. Es hat die Klage sodann mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2007 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen. Da die Miete auch Vorauszahlungen für Warmwasser umfasse, sei gemäß Rundschreiben I Nr. 7/2003 der Senatsverwaltung für Gesundheit Soziales und Verbraucherschutz vom 3. Juni 2003 ein Pauschalbetrag in Höhe von 9,00 Euro von den Kosten der Unterkunft und Heizung in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung des dem Kläger zustehenden Regelsatzes in Höhe von 345,00 Euro bestehe ein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen als die gewährten 1016,99 Euro nicht. Das Gericht verweise insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Im Übrigen verweise die Kammer auf den am 26. September 2006 vor der 99. Kammer des Sozialgerichts Berlin geschlossenen Vergleich. Eine Entscheidung des Beklagten über die Gewährung des Mehrbedarfes stehe insoweit noch aus. Im Falle einer Bewilligung erfolge ausweislich des geschlossenen Vergleichs eine rückwirkende Nachzahlung ab dem 1. Dezember 2005, so dass der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht (mehr) beschwert sei.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in diesem Gerichtsbescheid hat der Kläger Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, in der Entscheidung erster Instanz sei der Punkt der Überweisung der Miete an ihn selbst nicht weiter berücksichtigt worden.
Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 1. Februar 2008 zugelassen, da ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen könne (Fall des § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das SG habe wie schon der Beklagte im Widerspruchsbescheid das Begehren des Klägers übergangen, die Auszahlung des Anteils des Arbeitslosengeldes II, der auf Kosten für Unterkunft und Heizung entfalle, an ihn selbst zu erreichen.
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit durch Urteil an das Gericht der 1. Instanz zurückzuverweisen. Der Kläger hat sich hierzu nicht geäußert.
Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfszuschlages für kostenaufwändige Ernähung zu zahlen sowie festzustellen, dass die Auszahlung der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in diesem Zeitraum an seinen Vermieter rechtswidrig war.
Dem Vorbringen des Beklagten ist zu entnehmen, dass er beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 117 AS 15839/07) sowie die Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet (§ 159 SGG).
Es liegt der bereits im Beschluss des Senats vom 1. Februar 2008 im Einzelnen dargelegte wesentliche Verfahrensmangel vor, der zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das SG führt (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Das SG hat das im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehende Begehren des Klägers übergangen, die Auszahlung des Anteils des Arbeitslosengeldes II, der auf Kosten für Unterkunft und Heizung entfalle, an ihn selbst zu erreichen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen im Einzelnen Bezug auf den Beschluss. Dabei weist er ergänzend darauf hin, dass sich das Begehren des Klägers, die Auszahlung im streitigen Bewilligungsabschnitt an sich selbst zu erlangen, wegen Zeitablaufs zwar erledigt hat, da auch der Kläger nicht geltend macht, nach Auszahlungen an den Vermieter bestünden wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung noch Zahlungsansprüche an ihn. Die Klage bleibt insoweit jedoch als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, da der Kläger wegen der in künftigen Bewilligungsabschnitten wiederkehrenden Problematik ersichtlich ein Interesse an der Klärung der Frage hat, weshalb ein Fall nach § 22 Abs. 4 SGB II vorgelegen haben sollte, der den Beklagten berechtigt hätte, unmittelbar an den Vermieter zu zahlen. Da nicht erkennbar ist, dass eine zweckentsprechende Verwendung durch den Kläger nicht sichergestellt ist und ein Einverständnis des Klägers mit einer dauerhaften Weiterleitung der Miete (nach Begleichung früherer, wegen der verzögerten Bearbeitung durch den Beklagten entstandener Mietschulden) nicht vorliegt, bestehen hieran immerhin Zweifel.
Im Übrigen liegt auch der Zurückverweisungsgrund nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vor. Das Sozialgericht hat über den weiteren mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstand, nämlich die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung im streitigen Zeitraum, zwar entschieden, die Klage insoweit aber fehlerhaft als unzulässig abgewiesen und damit keine Entscheidung in der Sache getroffen. Es hat gemeint, der Kläger sei im Hinblick auf diesen geltend gemachten Anspruch nicht durch einen ablehnenden Verwaltungsakt beschwert (es fehle ihm mithin ein Rechtsschutzbedürfnis), weil eine Entscheidung des Beklagten über die Gewährung des Mehrbedarfes noch ausstehe. Diese rechtliche Würdigung teilt der Senat nicht. Es kann offen bleiben, ob hinsichtlich des Bewilligungsabschnitts vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 eine Entscheidung über den beantragten Mehrbedarf vorlag oder nicht. Jedenfalls für den vorliegenden Bewilligungsabschnitt hat der Kläger einen solchen Zuschlag mit seiner Bezugnahme auf die früheren Antragsformulare nicht nur beantragt. Es ist auch eine (ablehnende) Entscheidung über diesen Antrag erfolgt, wie die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides unzweifelhaft erkennen lässt. Der Widerspruchsbescheid ist Monate nach dem Erörterungstermin vom 26. September 2006 erlassen worden, so dass schon der zeitliche Ablauf keinen anderen Schluss zulässt, als dass der Beklagte nach Überprüfung des Ausgangsbescheides auf weitere medizinische Ermittlungen bewusst verzichtet und eine abschließende Entscheidung getroffen hat.
Diese Entscheidung ist im gerichtlichen Verfahren in der Sache zu überprüfen. Da hier eine bösartige Tumorerkrankung vorgelegen hat, die nach den auch von dem Beklagten zitierten Empfehlungen des Deutschen Vereins im Regelfall zur Bewilligung einer Zulage für Vollkost führt, gibt schon das vorliegende Attest des behandelnden Arztes Anlass zu Zweifeln an der Entscheidung, ohne dass es weiteren Vortrags des Klägers bedürfte. Der Zeitraum von einem Jahr, für den der Arzt den Bedarf bescheinigt hat, deckt den hier streitigen Bewilligungsabschnitt weitgehend ab. Soweit noch weitere Punkte fraglich bleiben, muss dies im Gerichtsverfahren von Amts wegen geklärt werden. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der Kläger die hierzu erforderliche Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht schon vor dem Sozialgericht Berlin durch die entsprechende Erklärung im Vergleich abgegeben haben dürfte.
Der Senat verweist den Rechtsstreit in Ausübung des ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Ermessens zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen an das Sozialgericht zurück. Wegen des vorliegenden Verfahrensfehlers ist ohnehin streitig, ob dem Rechtsmittelgericht neben einer Zurückverweisung überhaupt die Möglichkeit bleibt, im Wege des so genannten Heraufholen von Prozessresten über den vom SG übergangenen Anspruch in der Sache zu entscheiden (vgl. nur Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 125 RdNr. 3a m. w. N.), was schon für sich genommen für eine Zurückverweisung spricht. Zudem hat der Senat den weiteren Verfahrensfehler zu berücksichtigen. Der in der fehlerhaften der Klage wegen des Mehrbedarfszuschlages zugleich liegende Verstoß des Sozialgerichts gegen seine Amtsermittlungspflicht kann zwar nur im Ausnahmefall zu einer Zurückverweisung führen, weil auch die Berufungsinstanz im sozialgerichtlichen Verfahren als vollständige zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet ist. Im Zweifel ist die Entscheidung des Landessozialgerichts den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B; Beschluss vom 14. Februar 2006 - B 9a SB 22/05 B, jeweils veröffentlicht in juris m. w. N.). Der Senat handhabt die Zurückverweisung deshalb zurückhaltend und führt noch fehlende Ermittlungen in aller Regel selbst durch. In die Ermessensentscheidung ist jedoch auch einzubeziehen, dass die Beteiligten nach dem SGG das Recht auf zwei vollständige Tatsacheninstanzen haben. Hat das Sozialgericht, wie hier, überhaupt keine eigenen Ermittlungen durchgeführt und sich mit maßgeblichem Begehren des Klägers überhaupt nicht auseinander gesetzt, so würde den Beteiligten faktisch eine volle Instanz genommen, sofern das Berufungsgericht den Sachverhalt seinerseits vollständig aufklären würde. Dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie trägt der Senat durch zügige Entscheidung des Rechtsstreits Rechnung. Die Beteiligten haben gegen die in Aussicht gestellte Zurückverweisung keine Einwände erhoben.
Das SG wird schließlich auch zu überprüfen haben, ob seine ursprüngliche Entscheidung hinsichtlich des Abzuges von pauschalen Kosten für die Erwärmung von Warmwasser in vollem Umfang der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der im Jahr 1953 geborene, allein stehende Kläger bezieht seit dem 1. Dezember 2005 von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Seinem ersten Antrag war eine ärztliche Bescheinigung vom 13. Oktober 2005 des Facharztes für Urologie Dr. H beigefügt, wonach er wegen eines Hodenkarzinoms rechts und Zustand nach Orchiektomie und Chemotherapie für 12 Monate einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfe. Auf den Antrag vom 12. Mai 2006 hin, mit dem der Kläger auf sämtliche bisherigen Angaben Bezug genommen hatte, bewilligte der Beklagte für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 mit Bescheid vom 16. Mai 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Neben der Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro bewilligte er Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 671,99 Euro, mithin Leistungen in Höhe von insgesamt 1016,99 Euro monatlich. Zu den Kosten der Unterkunft zählten die Nebenkosten, jedoch nicht die Kosten für Haushaltsenergie, weil diese in der Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten und somit bereits pauschal abgegolten seien. Die anzuerkennende Miete sei daher um die jeweils maßgebliche Energiepauschale in Höhe von monatlich 9,00 Euro für Warmwasser gekürzt worden. Die Leistungen für Kosten der Unterkunft, Nebenkosten und Heizung würden an den Vermieter, die FDS Gewerbebetriebsgesellschaft mbH überwiesen.
Bei einer Vorsprache am 29. Juni 2006 legte der Kläger gegen diesen Bescheid, der ihm am 29. Mai 2006 zugegangen sei, Widerspruch ein. Der Widerspruch richte sich gegen die gewährte Leistungshöhe des Arbeitslosengeldes II. Er sei der Meinung, ihm stehe ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung zu. Die entsprechenden Unterlagen müssten der Leistungsakte zu entnehmen sein. Weiterhin solle die Miete nicht mehr direkt an den Vermieter überwiesen werden, auch dieser Betrag solle an ihn überwiesen werden, so dass er die Miete selber an den Vermieter zahlen könne.
Am 26. September 2006 fand vor der 99. Kammer des Sozialgerichts (SG) Berlin ein Erörterungstermin wegen der Höhe der Leistungen im Bewilligungsabschnitt vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 statt. Im Hinblick auf das Attest zur Anerkennung des Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung schlossen die Beteiligten in diesem Termin einen Vergleich dahin, dass der Kläger seinen behandelnden Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbinde und die Beklagte auf Grundlage weiterer medizinischer Ermittlungen über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden werde. Weitere medizinische Ermittlungen hat der Beklagte in der Folgezeit nach dem Inhalt der Verwaltungsakte nicht durchgeführt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16. Mai 2006 zurück. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien zutreffend berechnet. Leistungen für Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stünden ihm nicht zu. Nach § 21 Abs. 5 SGB II bestehe ein Anspruch auf Mehrbedarf in angemessener Höhe für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürften. Die Aufstellung der Liste der Krankheiten, bei denen die Notwendigkeit einer kostenaufwendigen Ernährung anerkannt sei, richte sich nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Im Falle des Klägers liege jedoch keine ärztliche Bescheinigung vor, die die Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwendige Ernährung rechtfertigen würde. Leistungen für Unterkunft und Heizung würden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen seien. Von den Kosten für Energie und Heizung sei ein pauschalierter Abzug für die Kosten für Warmwasserbereitung vorzunehmen. Die monatliche Warmwasserpauschale betrage für einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 9,00 Euro. Die Kosten der Unterkunft betrügen somit 671,99 Euro (nämlich 680,99 Euro Gesamtkosten abzüglich 9,00 Euro Warmwasserpauschale).
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Berlin erhoben. Bei seiner Vorsprache bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat er zur Begründung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Das SG hat nach Beiziehung der Akten die Anhörung zum Gerichtsbescheid verfügt, wobei den Akten nicht zu entnehmen ist, mit welchem Inhalt es die Anhörung versehen hat. Es hat die Klage sodann mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2007 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen. Da die Miete auch Vorauszahlungen für Warmwasser umfasse, sei gemäß Rundschreiben I Nr. 7/2003 der Senatsverwaltung für Gesundheit Soziales und Verbraucherschutz vom 3. Juni 2003 ein Pauschalbetrag in Höhe von 9,00 Euro von den Kosten der Unterkunft und Heizung in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung des dem Kläger zustehenden Regelsatzes in Höhe von 345,00 Euro bestehe ein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen als die gewährten 1016,99 Euro nicht. Das Gericht verweise insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Im Übrigen verweise die Kammer auf den am 26. September 2006 vor der 99. Kammer des Sozialgerichts Berlin geschlossenen Vergleich. Eine Entscheidung des Beklagten über die Gewährung des Mehrbedarfes stehe insoweit noch aus. Im Falle einer Bewilligung erfolge ausweislich des geschlossenen Vergleichs eine rückwirkende Nachzahlung ab dem 1. Dezember 2005, so dass der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht (mehr) beschwert sei.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in diesem Gerichtsbescheid hat der Kläger Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, in der Entscheidung erster Instanz sei der Punkt der Überweisung der Miete an ihn selbst nicht weiter berücksichtigt worden.
Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 1. Februar 2008 zugelassen, da ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen könne (Fall des § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das SG habe wie schon der Beklagte im Widerspruchsbescheid das Begehren des Klägers übergangen, die Auszahlung des Anteils des Arbeitslosengeldes II, der auf Kosten für Unterkunft und Heizung entfalle, an ihn selbst zu erreichen.
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit durch Urteil an das Gericht der 1. Instanz zurückzuverweisen. Der Kläger hat sich hierzu nicht geäußert.
Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfszuschlages für kostenaufwändige Ernähung zu zahlen sowie festzustellen, dass die Auszahlung der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in diesem Zeitraum an seinen Vermieter rechtswidrig war.
Dem Vorbringen des Beklagten ist zu entnehmen, dass er beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 117 AS 15839/07) sowie die Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet (§ 159 SGG).
Es liegt der bereits im Beschluss des Senats vom 1. Februar 2008 im Einzelnen dargelegte wesentliche Verfahrensmangel vor, der zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das SG führt (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Das SG hat das im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehende Begehren des Klägers übergangen, die Auszahlung des Anteils des Arbeitslosengeldes II, der auf Kosten für Unterkunft und Heizung entfalle, an ihn selbst zu erreichen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen im Einzelnen Bezug auf den Beschluss. Dabei weist er ergänzend darauf hin, dass sich das Begehren des Klägers, die Auszahlung im streitigen Bewilligungsabschnitt an sich selbst zu erlangen, wegen Zeitablaufs zwar erledigt hat, da auch der Kläger nicht geltend macht, nach Auszahlungen an den Vermieter bestünden wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung noch Zahlungsansprüche an ihn. Die Klage bleibt insoweit jedoch als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, da der Kläger wegen der in künftigen Bewilligungsabschnitten wiederkehrenden Problematik ersichtlich ein Interesse an der Klärung der Frage hat, weshalb ein Fall nach § 22 Abs. 4 SGB II vorgelegen haben sollte, der den Beklagten berechtigt hätte, unmittelbar an den Vermieter zu zahlen. Da nicht erkennbar ist, dass eine zweckentsprechende Verwendung durch den Kläger nicht sichergestellt ist und ein Einverständnis des Klägers mit einer dauerhaften Weiterleitung der Miete (nach Begleichung früherer, wegen der verzögerten Bearbeitung durch den Beklagten entstandener Mietschulden) nicht vorliegt, bestehen hieran immerhin Zweifel.
Im Übrigen liegt auch der Zurückverweisungsgrund nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vor. Das Sozialgericht hat über den weiteren mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstand, nämlich die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung im streitigen Zeitraum, zwar entschieden, die Klage insoweit aber fehlerhaft als unzulässig abgewiesen und damit keine Entscheidung in der Sache getroffen. Es hat gemeint, der Kläger sei im Hinblick auf diesen geltend gemachten Anspruch nicht durch einen ablehnenden Verwaltungsakt beschwert (es fehle ihm mithin ein Rechtsschutzbedürfnis), weil eine Entscheidung des Beklagten über die Gewährung des Mehrbedarfes noch ausstehe. Diese rechtliche Würdigung teilt der Senat nicht. Es kann offen bleiben, ob hinsichtlich des Bewilligungsabschnitts vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 eine Entscheidung über den beantragten Mehrbedarf vorlag oder nicht. Jedenfalls für den vorliegenden Bewilligungsabschnitt hat der Kläger einen solchen Zuschlag mit seiner Bezugnahme auf die früheren Antragsformulare nicht nur beantragt. Es ist auch eine (ablehnende) Entscheidung über diesen Antrag erfolgt, wie die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides unzweifelhaft erkennen lässt. Der Widerspruchsbescheid ist Monate nach dem Erörterungstermin vom 26. September 2006 erlassen worden, so dass schon der zeitliche Ablauf keinen anderen Schluss zulässt, als dass der Beklagte nach Überprüfung des Ausgangsbescheides auf weitere medizinische Ermittlungen bewusst verzichtet und eine abschließende Entscheidung getroffen hat.
Diese Entscheidung ist im gerichtlichen Verfahren in der Sache zu überprüfen. Da hier eine bösartige Tumorerkrankung vorgelegen hat, die nach den auch von dem Beklagten zitierten Empfehlungen des Deutschen Vereins im Regelfall zur Bewilligung einer Zulage für Vollkost führt, gibt schon das vorliegende Attest des behandelnden Arztes Anlass zu Zweifeln an der Entscheidung, ohne dass es weiteren Vortrags des Klägers bedürfte. Der Zeitraum von einem Jahr, für den der Arzt den Bedarf bescheinigt hat, deckt den hier streitigen Bewilligungsabschnitt weitgehend ab. Soweit noch weitere Punkte fraglich bleiben, muss dies im Gerichtsverfahren von Amts wegen geklärt werden. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der Kläger die hierzu erforderliche Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht schon vor dem Sozialgericht Berlin durch die entsprechende Erklärung im Vergleich abgegeben haben dürfte.
Der Senat verweist den Rechtsstreit in Ausübung des ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Ermessens zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen an das Sozialgericht zurück. Wegen des vorliegenden Verfahrensfehlers ist ohnehin streitig, ob dem Rechtsmittelgericht neben einer Zurückverweisung überhaupt die Möglichkeit bleibt, im Wege des so genannten Heraufholen von Prozessresten über den vom SG übergangenen Anspruch in der Sache zu entscheiden (vgl. nur Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 125 RdNr. 3a m. w. N.), was schon für sich genommen für eine Zurückverweisung spricht. Zudem hat der Senat den weiteren Verfahrensfehler zu berücksichtigen. Der in der fehlerhaften der Klage wegen des Mehrbedarfszuschlages zugleich liegende Verstoß des Sozialgerichts gegen seine Amtsermittlungspflicht kann zwar nur im Ausnahmefall zu einer Zurückverweisung führen, weil auch die Berufungsinstanz im sozialgerichtlichen Verfahren als vollständige zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet ist. Im Zweifel ist die Entscheidung des Landessozialgerichts den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B; Beschluss vom 14. Februar 2006 - B 9a SB 22/05 B, jeweils veröffentlicht in juris m. w. N.). Der Senat handhabt die Zurückverweisung deshalb zurückhaltend und führt noch fehlende Ermittlungen in aller Regel selbst durch. In die Ermessensentscheidung ist jedoch auch einzubeziehen, dass die Beteiligten nach dem SGG das Recht auf zwei vollständige Tatsacheninstanzen haben. Hat das Sozialgericht, wie hier, überhaupt keine eigenen Ermittlungen durchgeführt und sich mit maßgeblichem Begehren des Klägers überhaupt nicht auseinander gesetzt, so würde den Beteiligten faktisch eine volle Instanz genommen, sofern das Berufungsgericht den Sachverhalt seinerseits vollständig aufklären würde. Dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie trägt der Senat durch zügige Entscheidung des Rechtsstreits Rechnung. Die Beteiligten haben gegen die in Aussicht gestellte Zurückverweisung keine Einwände erhoben.
Das SG wird schließlich auch zu überprüfen haben, ob seine ursprüngliche Entscheidung hinsichtlich des Abzuges von pauschalen Kosten für die Erwärmung von Warmwasser in vollem Umfang der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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