Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 An 1145/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 An 156/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Herstellung von Versicherungsunterlagen für die vom Kläger in den Jahren 1962 bis 1978 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Umstritten sind dabei insbesondere die Auswirkungen einer im Jahre 1982 ungeachtet dieser rumänischen Zeiten durchgeführten Beitragserstattung.
Der 1938 in B. geborene Kläger war nach Abschluß seines Medizinstudiums zunächst in Rumänien als Arzt erwerbstätig. Ausweislich einer Arbeitsbescheinigung (Adeverinta Nr. XXXX) vom 17. Oktober 1978 wurden Beschäftigungszeiten vom 1. Mai 1962 bis zum 16. August 1978 zurückgelegt.
Seit dem 17. Juni 1979 hält sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er erwarb durch Einbürgerung am 12. Mai 1989 die deutsche Staatsangehörigkeit. Der bereits am 7. August 1979 vom Kläger gestellte Antrag auf Ausstellung eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge wurde nach eingehenden Ermittlungen zunächst durch Bescheid des Magistrats der Stadt O. vom 20. Mai 1981 und Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in D. vom 31. Oktober 1983 abgelehnt. Die nachfolgende Klage vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt (Urteil vom 3. Oktober 1985, Az. III/1 E 2293/83) hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete schließlich der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Az. 7 UE 2324/85) durch Urteil vom 28. April 1992 den Magistrat der Stadt O., dem Kläger einen Vertriebenenausweis "B” zu erteilen.
Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1979 als Arzt an der W. H.-Klinik in B. N. tätig und Mitglied im Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen. Durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid der Beklagten vom 6. März 1980 wurde er antragsgemäß mit Wirkung ab 10. Dezember 1979 (Eingang des Befreiungsantrags) gemäß § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit. In einer Anlage zum Befreiungsbescheid wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit einer Erstattung der bis zur Befreiung entrichteten Beiträge hin.
Mit formlosem Schreiben vom 9. Dezember 1981 beantragte der Kläger sodann am 11. Dezember 1981 bei der Beklagten, ihm die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 entrichteten Pflichtbeiträge zu erstatten. Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 7. Januar 1982 ihren Vordruck Nr. 6.603 "Antrag auf Beitragserstattung” sowie ihr Merkblatt Nr. 11 "Beitragserstattungen an Berechtigte im Inland” (Stand: August 1981). Bezogen auf die Rechtsfolgen einer Beitragserstattung heißt es im Merkblatt auf Seite 9 unter anderem:
"Die Erstattung schließt weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Es verfallen somit auch Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz aus Beitrags- und Beschäftigungszeiten, die außerhalb des Bundesgebietes einschließlich Berlin-West zurückgelegt sind ”
Im Anschreiben vom 7. Januar 1982 zitierte die Beklagte den vollständigen Wortlaut des § 82 AVG und erteilte unter anderem den folgenden Hinweis:
"Der Ausschluß weiterer Ansprüche nach § 82 Abs. 7 AVG erstreckt sich auf alle Zweige der gesetzlichen Rentenversicherung und beschränkt sich nicht etwa auf denjenigen Versicherungszweig, aus dem erstattet wurde.”
Der Kläger reichte den Antragsvordruck am 19. Januar 1982 an die Beklagte zurück. Darin gab er unter dem 16. Januar 1982 auf die Frage Nr. VII. 9 (wahrheitsgemäß) an, daß er kein anerkannter Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sei. Bezüglich der in Frage Nr. VI erbetenen "Angaben über sämtliche Beschäftigungen und Tätigkeiten, auch im Ausland” vermerkte der Kläger ausschließlich seine in der Zeit vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 in der W. H.-Klinik verrichtete Tätigkeit als Assistenzarzt.
Die Beklagte erstattete dem Kläger daraufhin durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 4. Februar 1982 die Hälfte der vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 entrichteten Pflichtbeiträge und überwies den Erstattungsbetrag in Höhe von 828,00 DM auf das vom Kläger angegebene Konto.
Am 12. August 1992 beantragte der Kläger sodann unter Vorlage des am 14. Juli 1992 ausgestellten Vertriebenenausweises bei der Beklagten die Herstellung von Versicherungsunterlagen bezüglicher seiner in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Mai 1994 mit der Begründung ab, daß aus den betreffenden Fremdrentenzeiten wegen der durchgeführten Beitragserstattung keine Ansprüche mehr hergeleitet werden könnten.
Der Kläger erhob am 2. Juni 1994 Widerspruch und machte geltend, daß die Beitragserstattung im Hinblick auf die vorliegenden Fremdrentenzeiten zu Unrecht erfolgt sei und annulliert werden müsse.
Die Beklagte lehnte zunächst durch Bescheid vom 27. Oktober 1994 eine Rücknahme ihres Erstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 mit der Begründung ab, daß die Beitragserstattung im Hinblick auf die nun nachgewiesene Vertriebeneneigenschaft des Klägers zwar rechtswidrig sei. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte habe sich als Vertreterin der Versichertengemeinschaft aber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 4. Februar 1982 zu berufen. Das öffentliche Interesse, hier an der rechtswidrigen Begünstigung festzuhalten, habe Vorrang, weil der Versicherungsträger als Vertreter der Solidargemeinschaft durch den Erstattungsbescheid von der Erfüllung späterer Rentenanwartschaften freigestellt worden sei. Mangels Fehlberatung komme eine Aufhebung des Erstattungsbescheides auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht.
Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1995 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann unter Hinweis auf die Verfallswirkung der durchgeführten Beitragserstattung als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob daraufhin am 21. März 1995 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Er vertrat die Auffassung, daß der Erstattungsbescheid vom 4. Februar 1982 aufzuheben sei, und bekundete seine Bereitschaft zur Wiedereinzahlung der erstatteten Beitragsanteile.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13. Oktober 1995 abgewiesen und sich im wesentlichen der in den angefochtenen Bescheiden gegebenen Begründung angeschlossen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Januar 1996 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 31. Januar 1996 Berufung eingelegt. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat das SG die Berufung auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch Beschluss vom 24. Januar 1997 ausdrücklich zugelassen.
Der Kläger behauptet, bereits im Jahre 1979 der Beklagten eine Bescheinigung gemäß § 21 Ausländergesetz (AuslG) vorgelegt zu haben, aus der ersichtlich gewesen sei, daß ein Antrag auf Erteilung eines Vertriebenenausweises gestellt worden sei. Er vertritt die Auffassung, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, mit der Entscheidung über die Beitragserstattung bis zum Abschluß des Anerkennungsverfahrens als Vertriebener zuzuwarten. Der Erstattungsbescheid vom 4. Februar 1982 sei rechtswidrig im Sinne des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und deshalb aufzuheben. Die zu § 1744 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. ergangene Rechtsprechung, wonach die von der Verfallswirkung der Beitragserstattung begünstigte Solidargemeinschaft Vertrauensschutz genieße, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil nach § 45 SGB X ausschließlich die Vertrauensschutzsituation des Bürgers zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10. Mai 1994 und vom 27. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1995 zu verurteilen, den Bescheid vom 4. Februar 1982 Zug um Zug gegen Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge zurückzunehmen und seine vom 1. Mai 1962 bis zum 16. August 1978 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) als rentenrechtliche Zeiten anzuerkennen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die im Rahmen des Verfahrens auf Anerkennung als Vertriebener entstandenen Akten des Magistrats der Stadt O. sowie des Verwaltungsgerichts Darmstadt beigezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1995 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 10. Mai 1994 und vom 27. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1995 sind zu Recht ergangen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, daß die von ihm in den Jahren 1962 bis 1978 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden.
Zu den rentenrechtlichen Zeiten gehören der Vorschrift des § 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zufolge die Beitragszeiten, die beitragsfreien Zeiten und die Berücksichtigungszeiten eines Versicherten.
Beitragszeiten sind gemäß § 55 Satz 1 SGB VI diejenigen Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Wie sich aus § 55 Satz 2 SGB VI ergibt, gehören zu den Pflichtbeitragszeiten auch jene Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Gleichgestellt mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten sind unter anderem nach Maßgabe der §§ 15 und 16 Fremdrentengesetz (FRG) unter besonderen Voraussetzungen die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten der sog. Fremdrentenberechtigten.
Der Kläger des vorliegenden Falles gehört als anerkannter Vertriebener zum Kreis der gemäß § 1 lit. a) FRG begünstigten Personen, so daß die für eine Übernahme der in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen gegeben sind. Eine Berücksichtigung der betreffenden Zeiten ist jedoch aufgrund der sog. Verfallswirkung der im Jahre 1982 durchgeführten Beitragserstattung nicht mehr möglich.
Die Rechtsfolgen der durch Bescheid vom 4. Februar 1982 erfolgten Beitragserstattung ergeben sich aus der – zum damaligen Zeitpunkt geltenden – Vorschrift des § 82 Abs. 7 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), die den folgenden Wortlaut hat:
"(7) Die Erstattung schließt weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung aus.”
Die damalige Rechtslage entsprach damit im wesentlichen der heute geltenden Vorschrift des § 210 Abs. 6 SGB VI, die den folgenden Wortlaut hat:
"(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung nach Abs. 1 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr”.
Die Beitragserstattung führt demgemäß zu einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und damit – ausgenommen einen evtl. Anspruch auf Erstattung restlicher Beiträge – zum Verlust der Rechte aus sämtlichen vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, sofern diese nicht erst durch eine nach der Beitragserstattung erfolgte Gesetzesänderung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden sind (vgl. BSGE 33, 177, 181 = SozR Nr. 3 zu § 1304 RVO; BSG SozR Nr. 13 zu § 1303 RVO, BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 7, 14 und 26, jeweils m.w.N.).
Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, erfaßt die Verfallswirkung der Beitragserstattung dabei auch die vor der Beitragserstattung außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Rentenversicherungsgesetze zurückgelegten und nach Maßgabe des FRG den bundesdeutschen Beitragszeiten gleichgestellten sog. Fremdrentenzeiten, und zwar ungeachtet der Tatsache, daß die während dieser Zeiten entrichteten Beiträge selbst nicht erstattungsfähig und dementsprechend auch nicht erstattet worden sind (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 14 und 26, jeweils m.w.N.). In dieser Verfallswirkung liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung weder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) noch ein entschädigungsloser Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte eigentumsähnliche (Artikel 14 GG) Rentenanwartschaften (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 14 und 18 sowie BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 19, jeweils m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen steht einer Berücksichtigung der vom Kläger in den Jahren 1962 bis 1978 zurückgelegten Fremdrentenzeiten als absoluter Ausschlußtatbestand die Verfallswirkung der im Jahre 1982 durch den gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 4. Februar 1982 erfolgte Erstattung der bis zum 9. Dezember 1979 zur bundesdeutschen gesetzlichen Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge entgegen. Auf die Bindungswirkung dieses Erstattungsbescheides hat sich die Beklagte auch insbesondere im Bescheid vom 27. Oktober 1994 sowie im Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1995 zumindest sinngemäß berufen und demgemäß eine Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 ausdrücklich abgelehnt, so daß die in diesem Punkt erweiterte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG) im Hinblick auf das Vorliegen einer Verwaltungsentscheidung (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 33) als zulässig angesehen werden muß.
Eine Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 kommt indes nicht in Betracht. Nach der – gemäß Artikel II § 40 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hier anwendbaren (und anders als in dem der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 1983 – 1 RA 35/82 = SozR 2200 § 1303 Nr. 26 – zugrunde liegenden Fall) auch nicht durch Artikel 2 § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausgeschlossenen – Vorschrift des § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein Beitragserstattungsbescheid, jedenfalls soweit damit der Versicherungsträger das Recht des Versicherten auf Beitragserstattung anerkannt und seinem darauf gerichteten Antrag in vollem Umfang entsprochen hat, ist trotz der mit ihm verbundenen wirtschaftlichen nachteiligen Rechtsfolgen eines Verfalls der bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und des Ausschlusses des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 82 Abs. 7 AVG) ein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne dieser Rücknahmevorschrift (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 23 sowie BSG vom 7. September 1982 – 1 RA 53/81). Gleichwohl ist eine Aufhebung des hier vorliegenden und (im Lichte der nachträglich getroffenen Feststellung hinsichtlich der Vertriebeneneigenschaft des Klägers) auch rechtswidrigen Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 nicht möglich, weil die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X nicht erfüllt sind.
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nach § 45 Abs. 2 SGB X zunächst, daß das schutzwürdige Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts nicht größer ist als das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Das Gesetz geht insoweit erkennbar von der Überlegung aus, daß der von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt begünstigte Versicherte in aller Regel ein Interesse am Fortbestand der rechtswidrigen Begünstigung haben dürfte, wohingegen das öffentliche Interesse auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gerichtet sei. Welchem dieser widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Vorrang gebühren soll, hat der Gesetzgeber in § 45 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB X geregelt.
Der Kläger weist insoweit freilich zu Recht darauf hin, daß die im Gesetz angesprochene und im einzelnen geregelte Interessenkollision bezüglich des vorliegenden und insofern "atypischen” Falles nicht recht paßt, weil der Kläger im Hinblick auf die bei einer Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides sich ergebende Möglichkeit zur Anrechnung seiner Fremdrentenzeiten überhaupt kein (wirtschaftliches) Interesse am Fortbestand dieses rechtswidrigen Verwaltungsakts hat, wohingegen die Beklagte in Anbetracht der im Falle einer Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides zu erwartenden Rentenansprüche des Klägers gerade kein Interesse an einer Korrektur des gegenwärtigen, sie wirtschaftlich nicht belastenden Zustandes haben kann.
Auf welche Weise ein solcher "Interessenkonflikt mit vertauschten Rollen” aufgelöst werden soll, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Im Hinblick auf die Ausgestaltung des § 45 SGB X als Ermessensvorschrift ("darf” in § 45 Abs. 1 SGB X) kann andererseits freilich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Aufhebung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts mit Zustimmung oder gar auf Wunsch des Begünstigten einschränkungslos zulässig oder gar zwingend geboten sei, nur weil ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten nicht verletzt werden könne. Vielmehr hat der Versicherungsträger im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensbetätigung jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses einerseits und des (privaten) Interesses Betroffener andererseits mehr Gründe für eine Durchbrechung der Wirksamkeit bzw. Bestandskraft des rechtswidrigen Verwaltungsakts sprechen oder dagegen.
Das Gesetz räumt dem Adressaten des rechtswidrigen Verwaltungsakts mithin keinen Anspruch auf Rücknahme, sondern grundsätzlich nur ein formelles subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. insoweit BVerwG 44, 355; BVerfG 27, 307, BGH DÖV 1973, 92 sowie Göldner DÖV 1979, 805, jeweils m.w.N.). Andererseits ergibt sich für den Versicherungsträger aus § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Verpflichtung, das ihm eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Insoweit – aber auch nur insoweit, vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG – unterliegt die im Einzelfall getroffene Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers der Kontrolle durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit.
Im vorliegenden Fall kann es zur Überzeugung des Senats bei Würdigung aller Einzelumstände nicht als fehlerhafte Ermessensbetätigung angesehen werden, daß die Beklagte eine Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 abgelehnt hat. Denn es ist anerkannt, daß im Rahmen der Prüfung des "öffentlichen Interesses” an einer Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten nicht nur das allgemeine Vollzugsinteresse und das Interesse an einer gleichmäßigen Anwendung des Gesetzes zu berücksichtigen sind, sondern auch das allgemeine fiskalische Interesse an einer Vermeidung der im Falle einer Bescheidkorrektur zu erwartenden finanziellen Belastung (vgl. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 55, 57, m.w.N.). In diesem Sinne hat das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden, daß es im öffentlichen Interesse liegen könne, es bei der durch einen rechtswidrigen Beitragserstattungsbescheid gewährten Vergünstigung zu belassen, weil der durch die Beitragserstattung bewirkte Verfall von Leistungsansprüchen die vom Versicherungsträger vertretene Solidargemeinschaft aller Versicherten von Rentenanwartschaften freistellt und insoweit finanziell begünstigt. Der Rentenversicherungsträger habe daher ein anzuerkennendes rechtliches Interesse daran, an der Bindung des Erstattungsbescheides nach § 77 SGG festzuhalten (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 23 und 26 m.w.N.). Bei dieser Sachlage kann es zur Überzeugung des Senats nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, daß die Beklagte – überdies unter ausdrücklicher Berufung auf die oben genannte ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – dem öffentlichen Interesse an einem Fortbestand dieser Begünstigung den Vorrang eingeräumt und eine Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 abgelehnt hat.
Das Rücknahmebegehren in bezug auf den Erstattungsbescheid vom 4. Februar 1982 läßt sich im übrigen auch nicht aus den Grundsätzen des von der Rechtsprechung entwickelten sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ableiten. Es ist zwar anerkannt, daß der Rentenversicherungsträger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses verpflichtet ist, den Versicherten von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich aufgrund seines Anliegens ergeben können (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 24). Bei Vorliegen eines konkreten Anlasses hat der Versicherungsträger den Versicherten daher regelmäßig auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, daß ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15). Die Verpflichtung des Versicherungsträgers zur verständnisvollen Förderung der Belange des Versicherten findet andererseits jedoch ihre Grenze an der durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Versicherten geschützten Privatsphäre, so daß es dem Versicherungsträger regelmäßig verwehrt ist, den Bürgern gegen oder ohne ihren Willen von Amts wegen (gut gemeinte) Ratschläge zu erteilen (vgl. BSGE 42, 224, 227).
Verletzt ein Versicherungsträger die ihm nach diesen Grundsätzen obliegende Nebenpflicht zur Beratung und individuellen Aufklärung der ratsuchenden Versicherten, so ist der daraus erwachsende sozialrechtliche Anspruch auf Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSG vom 22. November 1988 – 5/4 a RJ 79/87, ständige Rechtsprechung). Ein Herstellungsanspruch kann sich auch aus Fehlern anderer Behörden ergeben, wenn diese es versäumt haben, den Versicherten auf sich aufdrängende Nachteile in anderen Rechtsbereichen zumindest hinzuweisen (vgl. BSG vom 25. August 1993 – 13 RJ 27/92; BSGE 51, 89 sowie BSG SozR 1200 § 14 Nr. 19).
Eine Pflichtverletzung der Beklagten, aus der sich ein Herstellungsanspruch des Klägers ergeben könnte, ist indes nicht feststellbar. In dem vom Kläger unterzeichneten formularmäßigen Antrag auf Beitragserstattung gemäß § 82 AVG hat die Beklagte auf den mit der Erstattung der Hälfte der Beiträge verbundenen Ausschluß der Ansprüche aus allen bisher entrichteten Beiträgen ebenso unmißverständlich hingewiesen, wie in ihrem die Beitragserstattung betreffenden Merkblatt Nr. 11. Da ein konkreter Anhaltspunkt für das Vorliegen von Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz aus den Angaben des Klägers Antragsvordruck für die Beklagte nicht erkennbar war, bestand für sie auch kein Anlaß, auf die Verfallswirkung der Beitragserstattung gemäß § 82 Abs. 7 AVG speziell für Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz besonders hinzuweisen. Der Kläger ist erst im Jahre 1992 durch das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1992 förmlich als Vertriebener im Sinne des § 1 lit. a) FRG anerkannt worden. Zur Zeit der Beitragserstattung war für die Beklagte ein ausdrücklicher Hinweis auf die Verfallswirkung des § 82 Abs. 7 AVG schon bereits deshalb nicht geboten, weil der Kläger seinerzeit noch im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit gewesen ist und überdies auch an keiner Stelle Angaben zu den von ihm in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten oder gar betreffend das seinerzeit bereits begonnene aber noch nicht abgeschlossene Verfahren zur Anerkennung als Vertriebener gemacht hat. Entgegen der Behauptung des Klägers sind im Rahmen des Beitragserstattungsverfahrens auch keinerlei sonstige Unterlagen zu den Rentenakten der Beklagten gelangt, aus denen sich das Erfordernis zu einem Hinweis auf die Erstreckung der Verfallswirkung des § 82 Abs. 7 AVG auch auf Fremdrentenzeiten hätte ergeben können.
Bei dieser Sachlage muß es dabei verbleiben, daß das Versicherungsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die mit Bescheid vom 4. Februar 1982 durchgeführte Beitragserstattung rückwirkend aufgelöst worden ist. Dies hat den Verlust der Rechte aus sämtlichen vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten zur Folge und steht auch einer etwaigen Wiedereinzahlung der für die Zeit vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 erstatteten Arbeitnehmeranteile zur Angestelltenversicherung durch den Kläger entgegen, weil die Beitragserstattung nur unter den gesetzlich genau umschriebenen Voraussetzungen rückgängig gemacht werden darf, im übrigen aber irreparabel ist (vgl. BSG vom 26. September 1972 – 11 RA 232/71).
Die Berufung des Klägers konnte damit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Herstellung von Versicherungsunterlagen für die vom Kläger in den Jahren 1962 bis 1978 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Umstritten sind dabei insbesondere die Auswirkungen einer im Jahre 1982 ungeachtet dieser rumänischen Zeiten durchgeführten Beitragserstattung.
Der 1938 in B. geborene Kläger war nach Abschluß seines Medizinstudiums zunächst in Rumänien als Arzt erwerbstätig. Ausweislich einer Arbeitsbescheinigung (Adeverinta Nr. XXXX) vom 17. Oktober 1978 wurden Beschäftigungszeiten vom 1. Mai 1962 bis zum 16. August 1978 zurückgelegt.
Seit dem 17. Juni 1979 hält sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er erwarb durch Einbürgerung am 12. Mai 1989 die deutsche Staatsangehörigkeit. Der bereits am 7. August 1979 vom Kläger gestellte Antrag auf Ausstellung eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge wurde nach eingehenden Ermittlungen zunächst durch Bescheid des Magistrats der Stadt O. vom 20. Mai 1981 und Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in D. vom 31. Oktober 1983 abgelehnt. Die nachfolgende Klage vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt (Urteil vom 3. Oktober 1985, Az. III/1 E 2293/83) hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete schließlich der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Az. 7 UE 2324/85) durch Urteil vom 28. April 1992 den Magistrat der Stadt O., dem Kläger einen Vertriebenenausweis "B” zu erteilen.
Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1979 als Arzt an der W. H.-Klinik in B. N. tätig und Mitglied im Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen. Durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid der Beklagten vom 6. März 1980 wurde er antragsgemäß mit Wirkung ab 10. Dezember 1979 (Eingang des Befreiungsantrags) gemäß § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit. In einer Anlage zum Befreiungsbescheid wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit einer Erstattung der bis zur Befreiung entrichteten Beiträge hin.
Mit formlosem Schreiben vom 9. Dezember 1981 beantragte der Kläger sodann am 11. Dezember 1981 bei der Beklagten, ihm die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 entrichteten Pflichtbeiträge zu erstatten. Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 7. Januar 1982 ihren Vordruck Nr. 6.603 "Antrag auf Beitragserstattung” sowie ihr Merkblatt Nr. 11 "Beitragserstattungen an Berechtigte im Inland” (Stand: August 1981). Bezogen auf die Rechtsfolgen einer Beitragserstattung heißt es im Merkblatt auf Seite 9 unter anderem:
"Die Erstattung schließt weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Es verfallen somit auch Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz aus Beitrags- und Beschäftigungszeiten, die außerhalb des Bundesgebietes einschließlich Berlin-West zurückgelegt sind ”
Im Anschreiben vom 7. Januar 1982 zitierte die Beklagte den vollständigen Wortlaut des § 82 AVG und erteilte unter anderem den folgenden Hinweis:
"Der Ausschluß weiterer Ansprüche nach § 82 Abs. 7 AVG erstreckt sich auf alle Zweige der gesetzlichen Rentenversicherung und beschränkt sich nicht etwa auf denjenigen Versicherungszweig, aus dem erstattet wurde.”
Der Kläger reichte den Antragsvordruck am 19. Januar 1982 an die Beklagte zurück. Darin gab er unter dem 16. Januar 1982 auf die Frage Nr. VII. 9 (wahrheitsgemäß) an, daß er kein anerkannter Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sei. Bezüglich der in Frage Nr. VI erbetenen "Angaben über sämtliche Beschäftigungen und Tätigkeiten, auch im Ausland” vermerkte der Kläger ausschließlich seine in der Zeit vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 in der W. H.-Klinik verrichtete Tätigkeit als Assistenzarzt.
Die Beklagte erstattete dem Kläger daraufhin durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 4. Februar 1982 die Hälfte der vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 entrichteten Pflichtbeiträge und überwies den Erstattungsbetrag in Höhe von 828,00 DM auf das vom Kläger angegebene Konto.
Am 12. August 1992 beantragte der Kläger sodann unter Vorlage des am 14. Juli 1992 ausgestellten Vertriebenenausweises bei der Beklagten die Herstellung von Versicherungsunterlagen bezüglicher seiner in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Mai 1994 mit der Begründung ab, daß aus den betreffenden Fremdrentenzeiten wegen der durchgeführten Beitragserstattung keine Ansprüche mehr hergeleitet werden könnten.
Der Kläger erhob am 2. Juni 1994 Widerspruch und machte geltend, daß die Beitragserstattung im Hinblick auf die vorliegenden Fremdrentenzeiten zu Unrecht erfolgt sei und annulliert werden müsse.
Die Beklagte lehnte zunächst durch Bescheid vom 27. Oktober 1994 eine Rücknahme ihres Erstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 mit der Begründung ab, daß die Beitragserstattung im Hinblick auf die nun nachgewiesene Vertriebeneneigenschaft des Klägers zwar rechtswidrig sei. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte habe sich als Vertreterin der Versichertengemeinschaft aber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 4. Februar 1982 zu berufen. Das öffentliche Interesse, hier an der rechtswidrigen Begünstigung festzuhalten, habe Vorrang, weil der Versicherungsträger als Vertreter der Solidargemeinschaft durch den Erstattungsbescheid von der Erfüllung späterer Rentenanwartschaften freigestellt worden sei. Mangels Fehlberatung komme eine Aufhebung des Erstattungsbescheides auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht.
Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1995 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann unter Hinweis auf die Verfallswirkung der durchgeführten Beitragserstattung als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob daraufhin am 21. März 1995 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Er vertrat die Auffassung, daß der Erstattungsbescheid vom 4. Februar 1982 aufzuheben sei, und bekundete seine Bereitschaft zur Wiedereinzahlung der erstatteten Beitragsanteile.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13. Oktober 1995 abgewiesen und sich im wesentlichen der in den angefochtenen Bescheiden gegebenen Begründung angeschlossen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Januar 1996 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 31. Januar 1996 Berufung eingelegt. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat das SG die Berufung auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch Beschluss vom 24. Januar 1997 ausdrücklich zugelassen.
Der Kläger behauptet, bereits im Jahre 1979 der Beklagten eine Bescheinigung gemäß § 21 Ausländergesetz (AuslG) vorgelegt zu haben, aus der ersichtlich gewesen sei, daß ein Antrag auf Erteilung eines Vertriebenenausweises gestellt worden sei. Er vertritt die Auffassung, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, mit der Entscheidung über die Beitragserstattung bis zum Abschluß des Anerkennungsverfahrens als Vertriebener zuzuwarten. Der Erstattungsbescheid vom 4. Februar 1982 sei rechtswidrig im Sinne des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und deshalb aufzuheben. Die zu § 1744 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. ergangene Rechtsprechung, wonach die von der Verfallswirkung der Beitragserstattung begünstigte Solidargemeinschaft Vertrauensschutz genieße, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil nach § 45 SGB X ausschließlich die Vertrauensschutzsituation des Bürgers zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10. Mai 1994 und vom 27. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1995 zu verurteilen, den Bescheid vom 4. Februar 1982 Zug um Zug gegen Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge zurückzunehmen und seine vom 1. Mai 1962 bis zum 16. August 1978 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) als rentenrechtliche Zeiten anzuerkennen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die im Rahmen des Verfahrens auf Anerkennung als Vertriebener entstandenen Akten des Magistrats der Stadt O. sowie des Verwaltungsgerichts Darmstadt beigezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 1995 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 10. Mai 1994 und vom 27. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1995 sind zu Recht ergangen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, daß die von ihm in den Jahren 1962 bis 1978 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden.
Zu den rentenrechtlichen Zeiten gehören der Vorschrift des § 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zufolge die Beitragszeiten, die beitragsfreien Zeiten und die Berücksichtigungszeiten eines Versicherten.
Beitragszeiten sind gemäß § 55 Satz 1 SGB VI diejenigen Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Wie sich aus § 55 Satz 2 SGB VI ergibt, gehören zu den Pflichtbeitragszeiten auch jene Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Gleichgestellt mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten sind unter anderem nach Maßgabe der §§ 15 und 16 Fremdrentengesetz (FRG) unter besonderen Voraussetzungen die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten der sog. Fremdrentenberechtigten.
Der Kläger des vorliegenden Falles gehört als anerkannter Vertriebener zum Kreis der gemäß § 1 lit. a) FRG begünstigten Personen, so daß die für eine Übernahme der in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen gegeben sind. Eine Berücksichtigung der betreffenden Zeiten ist jedoch aufgrund der sog. Verfallswirkung der im Jahre 1982 durchgeführten Beitragserstattung nicht mehr möglich.
Die Rechtsfolgen der durch Bescheid vom 4. Februar 1982 erfolgten Beitragserstattung ergeben sich aus der – zum damaligen Zeitpunkt geltenden – Vorschrift des § 82 Abs. 7 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), die den folgenden Wortlaut hat:
"(7) Die Erstattung schließt weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung aus.”
Die damalige Rechtslage entsprach damit im wesentlichen der heute geltenden Vorschrift des § 210 Abs. 6 SGB VI, die den folgenden Wortlaut hat:
"(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung nach Abs. 1 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr”.
Die Beitragserstattung führt demgemäß zu einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und damit – ausgenommen einen evtl. Anspruch auf Erstattung restlicher Beiträge – zum Verlust der Rechte aus sämtlichen vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, sofern diese nicht erst durch eine nach der Beitragserstattung erfolgte Gesetzesänderung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden sind (vgl. BSGE 33, 177, 181 = SozR Nr. 3 zu § 1304 RVO; BSG SozR Nr. 13 zu § 1303 RVO, BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 7, 14 und 26, jeweils m.w.N.).
Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, erfaßt die Verfallswirkung der Beitragserstattung dabei auch die vor der Beitragserstattung außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Rentenversicherungsgesetze zurückgelegten und nach Maßgabe des FRG den bundesdeutschen Beitragszeiten gleichgestellten sog. Fremdrentenzeiten, und zwar ungeachtet der Tatsache, daß die während dieser Zeiten entrichteten Beiträge selbst nicht erstattungsfähig und dementsprechend auch nicht erstattet worden sind (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 14 und 26, jeweils m.w.N.). In dieser Verfallswirkung liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung weder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) noch ein entschädigungsloser Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte eigentumsähnliche (Artikel 14 GG) Rentenanwartschaften (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 14 und 18 sowie BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 19, jeweils m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen steht einer Berücksichtigung der vom Kläger in den Jahren 1962 bis 1978 zurückgelegten Fremdrentenzeiten als absoluter Ausschlußtatbestand die Verfallswirkung der im Jahre 1982 durch den gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 4. Februar 1982 erfolgte Erstattung der bis zum 9. Dezember 1979 zur bundesdeutschen gesetzlichen Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge entgegen. Auf die Bindungswirkung dieses Erstattungsbescheides hat sich die Beklagte auch insbesondere im Bescheid vom 27. Oktober 1994 sowie im Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1995 zumindest sinngemäß berufen und demgemäß eine Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 ausdrücklich abgelehnt, so daß die in diesem Punkt erweiterte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG) im Hinblick auf das Vorliegen einer Verwaltungsentscheidung (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 33) als zulässig angesehen werden muß.
Eine Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 kommt indes nicht in Betracht. Nach der – gemäß Artikel II § 40 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hier anwendbaren (und anders als in dem der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 1983 – 1 RA 35/82 = SozR 2200 § 1303 Nr. 26 – zugrunde liegenden Fall) auch nicht durch Artikel 2 § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausgeschlossenen – Vorschrift des § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein Beitragserstattungsbescheid, jedenfalls soweit damit der Versicherungsträger das Recht des Versicherten auf Beitragserstattung anerkannt und seinem darauf gerichteten Antrag in vollem Umfang entsprochen hat, ist trotz der mit ihm verbundenen wirtschaftlichen nachteiligen Rechtsfolgen eines Verfalls der bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und des Ausschlusses des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 82 Abs. 7 AVG) ein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne dieser Rücknahmevorschrift (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 23 sowie BSG vom 7. September 1982 – 1 RA 53/81). Gleichwohl ist eine Aufhebung des hier vorliegenden und (im Lichte der nachträglich getroffenen Feststellung hinsichtlich der Vertriebeneneigenschaft des Klägers) auch rechtswidrigen Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 nicht möglich, weil die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X nicht erfüllt sind.
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nach § 45 Abs. 2 SGB X zunächst, daß das schutzwürdige Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts nicht größer ist als das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Das Gesetz geht insoweit erkennbar von der Überlegung aus, daß der von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt begünstigte Versicherte in aller Regel ein Interesse am Fortbestand der rechtswidrigen Begünstigung haben dürfte, wohingegen das öffentliche Interesse auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gerichtet sei. Welchem dieser widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Vorrang gebühren soll, hat der Gesetzgeber in § 45 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB X geregelt.
Der Kläger weist insoweit freilich zu Recht darauf hin, daß die im Gesetz angesprochene und im einzelnen geregelte Interessenkollision bezüglich des vorliegenden und insofern "atypischen” Falles nicht recht paßt, weil der Kläger im Hinblick auf die bei einer Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides sich ergebende Möglichkeit zur Anrechnung seiner Fremdrentenzeiten überhaupt kein (wirtschaftliches) Interesse am Fortbestand dieses rechtswidrigen Verwaltungsakts hat, wohingegen die Beklagte in Anbetracht der im Falle einer Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides zu erwartenden Rentenansprüche des Klägers gerade kein Interesse an einer Korrektur des gegenwärtigen, sie wirtschaftlich nicht belastenden Zustandes haben kann.
Auf welche Weise ein solcher "Interessenkonflikt mit vertauschten Rollen” aufgelöst werden soll, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Im Hinblick auf die Ausgestaltung des § 45 SGB X als Ermessensvorschrift ("darf” in § 45 Abs. 1 SGB X) kann andererseits freilich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Aufhebung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts mit Zustimmung oder gar auf Wunsch des Begünstigten einschränkungslos zulässig oder gar zwingend geboten sei, nur weil ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten nicht verletzt werden könne. Vielmehr hat der Versicherungsträger im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensbetätigung jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses einerseits und des (privaten) Interesses Betroffener andererseits mehr Gründe für eine Durchbrechung der Wirksamkeit bzw. Bestandskraft des rechtswidrigen Verwaltungsakts sprechen oder dagegen.
Das Gesetz räumt dem Adressaten des rechtswidrigen Verwaltungsakts mithin keinen Anspruch auf Rücknahme, sondern grundsätzlich nur ein formelles subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. insoweit BVerwG 44, 355; BVerfG 27, 307, BGH DÖV 1973, 92 sowie Göldner DÖV 1979, 805, jeweils m.w.N.). Andererseits ergibt sich für den Versicherungsträger aus § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Verpflichtung, das ihm eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Insoweit – aber auch nur insoweit, vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG – unterliegt die im Einzelfall getroffene Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers der Kontrolle durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit.
Im vorliegenden Fall kann es zur Überzeugung des Senats bei Würdigung aller Einzelumstände nicht als fehlerhafte Ermessensbetätigung angesehen werden, daß die Beklagte eine Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 abgelehnt hat. Denn es ist anerkannt, daß im Rahmen der Prüfung des "öffentlichen Interesses” an einer Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten nicht nur das allgemeine Vollzugsinteresse und das Interesse an einer gleichmäßigen Anwendung des Gesetzes zu berücksichtigen sind, sondern auch das allgemeine fiskalische Interesse an einer Vermeidung der im Falle einer Bescheidkorrektur zu erwartenden finanziellen Belastung (vgl. Kopp, VwVfG, § 48 Rdnr. 55, 57, m.w.N.). In diesem Sinne hat das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden, daß es im öffentlichen Interesse liegen könne, es bei der durch einen rechtswidrigen Beitragserstattungsbescheid gewährten Vergünstigung zu belassen, weil der durch die Beitragserstattung bewirkte Verfall von Leistungsansprüchen die vom Versicherungsträger vertretene Solidargemeinschaft aller Versicherten von Rentenanwartschaften freistellt und insoweit finanziell begünstigt. Der Rentenversicherungsträger habe daher ein anzuerkennendes rechtliches Interesse daran, an der Bindung des Erstattungsbescheides nach § 77 SGG festzuhalten (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nrn. 23 und 26 m.w.N.). Bei dieser Sachlage kann es zur Überzeugung des Senats nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, daß die Beklagte – überdies unter ausdrücklicher Berufung auf die oben genannte ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – dem öffentlichen Interesse an einem Fortbestand dieser Begünstigung den Vorrang eingeräumt und eine Rücknahme des Beitragserstattungsbescheides vom 4. Februar 1982 abgelehnt hat.
Das Rücknahmebegehren in bezug auf den Erstattungsbescheid vom 4. Februar 1982 läßt sich im übrigen auch nicht aus den Grundsätzen des von der Rechtsprechung entwickelten sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ableiten. Es ist zwar anerkannt, daß der Rentenversicherungsträger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses verpflichtet ist, den Versicherten von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich aufgrund seines Anliegens ergeben können (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 24). Bei Vorliegen eines konkreten Anlasses hat der Versicherungsträger den Versicherten daher regelmäßig auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, daß ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15). Die Verpflichtung des Versicherungsträgers zur verständnisvollen Förderung der Belange des Versicherten findet andererseits jedoch ihre Grenze an der durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Versicherten geschützten Privatsphäre, so daß es dem Versicherungsträger regelmäßig verwehrt ist, den Bürgern gegen oder ohne ihren Willen von Amts wegen (gut gemeinte) Ratschläge zu erteilen (vgl. BSGE 42, 224, 227).
Verletzt ein Versicherungsträger die ihm nach diesen Grundsätzen obliegende Nebenpflicht zur Beratung und individuellen Aufklärung der ratsuchenden Versicherten, so ist der daraus erwachsende sozialrechtliche Anspruch auf Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSG vom 22. November 1988 – 5/4 a RJ 79/87, ständige Rechtsprechung). Ein Herstellungsanspruch kann sich auch aus Fehlern anderer Behörden ergeben, wenn diese es versäumt haben, den Versicherten auf sich aufdrängende Nachteile in anderen Rechtsbereichen zumindest hinzuweisen (vgl. BSG vom 25. August 1993 – 13 RJ 27/92; BSGE 51, 89 sowie BSG SozR 1200 § 14 Nr. 19).
Eine Pflichtverletzung der Beklagten, aus der sich ein Herstellungsanspruch des Klägers ergeben könnte, ist indes nicht feststellbar. In dem vom Kläger unterzeichneten formularmäßigen Antrag auf Beitragserstattung gemäß § 82 AVG hat die Beklagte auf den mit der Erstattung der Hälfte der Beiträge verbundenen Ausschluß der Ansprüche aus allen bisher entrichteten Beiträgen ebenso unmißverständlich hingewiesen, wie in ihrem die Beitragserstattung betreffenden Merkblatt Nr. 11. Da ein konkreter Anhaltspunkt für das Vorliegen von Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz aus den Angaben des Klägers Antragsvordruck für die Beklagte nicht erkennbar war, bestand für sie auch kein Anlaß, auf die Verfallswirkung der Beitragserstattung gemäß § 82 Abs. 7 AVG speziell für Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz besonders hinzuweisen. Der Kläger ist erst im Jahre 1992 durch das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1992 förmlich als Vertriebener im Sinne des § 1 lit. a) FRG anerkannt worden. Zur Zeit der Beitragserstattung war für die Beklagte ein ausdrücklicher Hinweis auf die Verfallswirkung des § 82 Abs. 7 AVG schon bereits deshalb nicht geboten, weil der Kläger seinerzeit noch im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit gewesen ist und überdies auch an keiner Stelle Angaben zu den von ihm in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten oder gar betreffend das seinerzeit bereits begonnene aber noch nicht abgeschlossene Verfahren zur Anerkennung als Vertriebener gemacht hat. Entgegen der Behauptung des Klägers sind im Rahmen des Beitragserstattungsverfahrens auch keinerlei sonstige Unterlagen zu den Rentenakten der Beklagten gelangt, aus denen sich das Erfordernis zu einem Hinweis auf die Erstreckung der Verfallswirkung des § 82 Abs. 7 AVG auch auf Fremdrentenzeiten hätte ergeben können.
Bei dieser Sachlage muß es dabei verbleiben, daß das Versicherungsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die mit Bescheid vom 4. Februar 1982 durchgeführte Beitragserstattung rückwirkend aufgelöst worden ist. Dies hat den Verlust der Rechte aus sämtlichen vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten zur Folge und steht auch einer etwaigen Wiedereinzahlung der für die Zeit vom 2. Oktober 1979 bis zum 9. Dezember 1979 erstatteten Arbeitnehmeranteile zur Angestelltenversicherung durch den Kläger entgegen, weil die Beitragserstattung nur unter den gesetzlich genau umschriebenen Voraussetzungen rückgängig gemacht werden darf, im übrigen aber irreparabel ist (vgl. BSG vom 26. September 1972 – 11 RA 232/71).
Die Berufung des Klägers konnte damit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
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