L 13 An 123/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 2 An 672/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 An 123/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Dezember 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des W. A. (Versicherter) streitig.

Die 1925 geborene Klägerin war in erster Ehe, mit einem Herrn R. verheiratet. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete die Klägerin am 1. Dezember 1949 den 1915 geborenen und 1987 verstorbenen Versicherten. Aus der Ehe mit dem Versicherten ist die 1950 geborene Tochter A. hervorgegangen. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde durch ein seit dem 7. Januar 1960 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Wuppertal (2 R 342/59) geschieden. Am 2. März 1960 heiratete die Klägerin den Opernmusiker F. H ... Durch Urteil des Landgerichts Kassel vom 8. Juni 1967 (4 R 127/66), rechtskräftig seit dem 8. Juni 1967, wurde diese dritte Ehe der Klägerin aus dem Verschulden des Beklagten F. H. geschieden. Von diesem erhielt die Klägerin bis zum Abschluß ihrer Ausbildung als Lehrerin Unterhalt. Vom 18. Oktober 1971 bis zum 31. Januar 1989 war die Klägerin als angestellte Lehrerin berufstätig. Sie bezieht ab 1. Februar 1989 Altersruhegeld von der Beklagten.

Am 10. April 1991 beantragte die Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des W. A. nach § 42 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Durch Bescheid vom 15. Mai 1991 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung sei als frühere Ehefrau im Sinne des § 42 AVG nur die geschiedene Frau anzusehen, die sich zu Lebzeiten des Versicherten nicht wieder verheiratet habe. Die Klägerin habe am 2. März 1960 vor dem Tod des Versicherten wieder geheiratet und sei zur Zeit des Versicherungsfalls nicht mehr im Sinne des Gesetzes seine frühere Ehefrau gewesen. Im übrigen habe der Versicherte die Wartezeit nicht erfüllt. Es seien nur 30 Monate Beitragszeit zurückgelegt. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 1991 mit der Begründung zurückgewiesen, den Status einer früheren Ehefrau habe nur diejenige Antragstellerin, die zu Lebzeiten des Versicherten unverheiratet geblieben sei. Sei die Antragstellerin nach Beendigung ihrer Ehe mit dem Versicherten, aber noch vor seinem Tode eine neue Ehe eingegangen, so sei sie rentenrechtlich gesehen nicht mehr die frühere Ehefrau des verstorbenen Versicherten, sondern vielmehr die Ehefrau bzw. für den Fall der Auflösung der zweiten Ehe die frühere Ehefrau des zweiten Ehemannes. Das Bundessozialgericht leite diese Rechtsfolge aus dem Sinn und Zweck des § 42 AVG (Unterhaltsersatzfunktion) dieser Rente ab. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Kassel erhobene Klage nahm die Klägerin am 14. Januar 1992 zurück.

Mit Schreiben vom 9. August 1991 beantragte die Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente nach § 243 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) aus der Versicherung des W. A. 1 ab 1. Januar 1992.

Durch Bescheid vom 11. Februar 1992 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Vorschrift des § 243 SGB VI ändere nichts an dem Status einer früheren Ehefrau. Da die Klägerin nach Beendigung ihrer Ehe mit dem Versicherten, aber noch vor seinem Tode eine neue Ehe eingegangen sei, sei sie rentenrechtlich gesehen nicht mehr die frühere Ehefrau des verstorbenen Versicherten, sondern vielmehr die Ehefrau – bzw. für den Fall der Auflösung der zweiten Ehe – die frühere Ehefrau des zweiten Ehemannes.

Durch Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1992 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am 19. August 1987 verstorbenen W. A. könne auch nach § 243 SGB VI nicht entstehen. Die seit dem 1. Januar 1992 gültige Anspruchsvorschrift stelle nunmehr schon durch ihren Wortlaut klar, daß bei Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden seien, nur die Hinterbliebenen einen Rentenanspruch hätten, die nicht wieder geheiratet haben (§ 243 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI).

Die Klägerin sei nicht die frühere Ehefrau im Sinne des § 42 AVG, § 243 SGB VI. Sie sei noch zu Lebzeiten ihres ersten Ehemannes eine neue Ehe eingegangen und habe damit ihre nachwirkenden Rechte aus der ersten Ehe verloren. Mit der Scheidung der ersten Ehe sei das familienrechtliche Band mit dem Versicherten gelöst. Die guter- und erbrechtlichen Beziehungen aus der ersten Ehe seien entfallen, als die Klägerin ihre zweite Ehe eingegangen sei und damit ihre Versorgung auf die zweite Ehe abgestellt habe.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, auch die Geschiedenen, die zu Lebzeiten des ersten Mannes wieder geheiratet hätten, hätten einen Rentenanspruch dem ersten Ehemann gegenüber. Die Vorschrift des § 243 Abs. 4 SGB VI stelle klar, daß Rente nach dem vorletzten Ehemann auch bei Geschiedenen gewährt werden könne. Nach dieser Vorschrift könne eine geschiedene Ehefrau grundsätzlich auch dann Rente beanspruchen, wenn sie zu Lebzeiten des früheren Ehemannes wieder geheiratet habe. Voraussetzung sei jedoch, daß die geschiedene Ehefrau entweder Unterhalt erhalten habe oder Anspruch auf Unterhalt gehabt habe oder aus den in § 243 Abs. 3 SGB VI genannten Gründen nicht gehabt habe. Die Vorschrift des § 243 Abs. 3 SGB VI treffe hier zu.

Die Beklagte war demgegenüber der Auffassung, nach dem Wortlaut des § 243 Abs. 4 SGB VI bestehe ein Anspruch unter den sonstigen Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 der Vorschrift. Nach § 243 Abs. 1 SGB VI habe einen Anspruch nur der geschiedene Ehegatte. Die Klägerin sei durch die Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten nicht mehr geschiedene Ehefrau des ersten Ehemannes. Vielmehr sei sie die geschiedene Ehefrau des zweiten Ehemannes mit der Folge, daß Unterhalts- bzw. Rentenansprüche nur aus dieser zweiten Ehe abgeleitet werden könnten. Ein Rentenanspruch nach § 243 Abs. 4 SGB VI könne sich nur bei einer Wiederheirat nach dem Tod des Versicherten ergeben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden sei. Die Beklagte legte ein Urteil des LSG Berlin vom 18. Februar 1992 vor.

Durch Urteil vom 15. Dezember 1994 verurteilte das Sozialgericht Kassel die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, der Klägerin ab 1. Februar 1992 große Witwenrente nach § 243 Abs. 4 SGB VI zu zahlen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin habe dem Grunde nach ab 1. Januar 1992 Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dieser Vorschrift. Die Klägerin sei die geschiedene Ehegattin des Versicherten. Daß der Gesetzgeber in § 243 SGB VI den Begriff "geschiedene Ehegatten” und nicht wie nach altem Recht in § 42 AVG den "einer früheren Ehefrau” gebraucht habe, spreche dafür, daß mit der Wiederverheiratung zu Lebzeiten des Versicherten zwar die Stellung einer "früheren Ehefrau” mit den familienrechtlichen, güterrechtlichen und erbrechtlichen Beziehungen verloren gehe, nicht aber die mit derartiger Beziehung nicht mehr behaftete – weil bereits abgewickelte – distanziertere Stellung eines geschiedenen Ehegatten. Dazu passe es auch, daß der ursprünglich im Fraktionsentwurf zum Rentenreformgesetz noch enthaltene Halbsatz "und sie im Zeitpunkt der Wiederheirat Anspruch auf eine solche Rente hatte” im Gesetzgebungsverfahren ersatzlos gestrichen worden sei. Während nach altem Recht (§ 68 AVG) nur ein durch Wiederheirat weggefallener Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente nach Auflösung der zweiten Ehe habe "Wiederaufleben” können, sei es für die Hinterbliebenenrente nach § 243 Abs. 4 SGB VI nicht mehr erforderlich, daß zum Zeitpunkt der Wiederheirat ein Hinterbliebenenrentenanspruch bestanden habe. Damit sei eine Erleichterung für eine Hinterbliebenenrente sowohl für die wieder-verheiratete Witwe wie auch für wieder-verheiratete geschiedene Ehegatten eingetreten. Für eine Differenzierung danach, ob die Wiederheirat noch zu Lebzeiten des vorletzten Ehemannes oder erst nach seinem Tod erfolgt sei, ergebe sich aus § 243 SGB VI kein Anhalt. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 243 SGB VI. Ihre Ehe mit dem Versicherten sei am 7. Januar 1960 aus dessen Verschulden geschieden worden. Der Versicherte sei ihr vorletzter Ehegatte gewesen. Ein von der Klägerin im Scheidungsverfahren gegenüber dem Versicherten erklärter Unterhaltsverzicht habe wegen der zwei Monate später erfolgten zweiten Eheschließung nur deklaratorischen Charakter gehabt. Die Klägerin erfülle mit Ausnahme der nichterfolgten Wiederheirat, die wegen der Sonderregelung des Abs. 4 unbeachtlich sei, die sonstigen Voraussetzungen für die Zahlung einer großen Witwenrente nach Abs. 2 und 3 des § 243 SGB VI. Im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten vom 18. August 1986 bis zum 19. August 1987 habe die Klägerin von diesem keinen Unterhalt erhalten und darauf auch wegen ihres Erwerbseinkommens als angestellte Lehrerin keinen Anspruch gehabt. Im Zeitpunkt der Scheidung am 7. Januar 1960 habe die Klägerin das am 20. Juni 1950 geborene Kind A. erzogen. Das 60. Lebensjahr habe die Klägerin bereits vor dem 1. Januar 1992 vollendet. Der Versicherte habe die allgemeine Wartezeit für die Gewährung der Hinterbliebenenrente erfüllt. Da der Versicherte nicht wieder verheiratet gewesen sei, bestehe aus seiner Versicherung auch kein Anspruch auf Witwenrente.

Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 24. Januar 1995 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 8. Februar 1995 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 13. Februar 1995 – eingelegte Berufung, mit der sie Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Regelung des § 243 Abs. 4 SGB VI lasse den Anspruch auf Witwenrente nur unter den Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 dieser Vorschrift zu. Bei Zugrundelegung des § 243 Abs. 3 SGB VI sei damit erforderlich, daß im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten zwischen den geschiedenen Ehegatten unterhaltsrechtliche Beziehungen bestanden hätten. Diese Voraussetzung liege jedoch nicht vor. Nach § 67 Ehegesetz (EheG) erlösche eine Unterhaltspflicht mit der Wiederheirat des Berechtigten. Die Unterhaltspflicht bleibe auch erloschen, wenn die neue Ehe aufgelöst worden sei. Die Klägerin habe folglich seit ihrer Wiederheirat, also auch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten, gegenüber diesem nach dem EheG keinen Unterhaltsanspruch. Vom EheG abweichende Regelungen seien nach Aktenlage nicht getroffen worden. Ein Unterhaltsverzicht habe weder tatsächliche noch rechtliche Wirkungen. Auch ohne den Unterhaltsverzicht hätte wegen der Wiederheirat kein Unterhaltsanspruch bestanden. Der fehlende Unterhaltsanspruch aus diesem Grund werde von § 243 Abs. 3 SGB VI jedoch nicht geheilt; er bleibe mithin rentenschädlich. Insofern liege eine andere Rechtslage vor als in den Fällen, in denen bei einem Unterhaltsverzicht ohne diesen allein aus den Gründen des § 243 Abs. 3 SGB VI der Unterhaltsanspruch nicht bestanden habe. Auch unter Zugrundelegung des § 243 Abs. 2 SGB VI seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben. Im maßgeblichen Zeitraum habe die Klägerin keinen Unterhaltsanspruch gehabt. Es bestünden aber auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sie im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten von ihm tatsächlich Unterhaltszahlungen erhalten habe.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Dezember 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie habe einen berechtigten Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente, weil nach dem neuen Gesetz ab 1992 weder ein Unterhaltsverzicht noch ein nicht bestehender Unterhaltsanspruch ein Jahr vor dem Tode des geschiedenen Ehemannes mehr relevant sei.

Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung ist auch sachlich begründet. Das angefochtene Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 1992 ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen W. A ...

Gemäß § 243 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) besteht ein Anspruch auf kleine Witwenrente (vgl. § 243 Abs. 1 SGB VI) oder – bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen – auf große Witwenrente (vgl. § 243 Abs. 2 SGB VI) für geschiedene Ehegatten,

1) deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,

2) die nicht wieder geheiratet haben und

3) die im letzten Jahr vor dem Tode des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf hatten,

wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist. Gemäß § 243 Abs. 3 SGB-VI besteht ein Anspruch auf große Witwenrente auch ohne Vorliegen der in Absatz 2 Nr. 3 genannten Unterhaltsvoraussetzungen für geschiedene Ehegatten, die

1) einen Unterhaltsanspruch nach Absatz 2 Nr. 3 wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten und

2) im Zeitpunkt der Scheidung entweder - ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erzogen haben (§ 46 Abs. 2) oder

3) das 45. Lebensjahr vollendet hatten und - entweder

a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2), b) berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind oder c) das 60. Lebensjahr vollendet haben,

wenn auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe oder für einen Witwer des Versicherten aus dessen Rentenanwartschaften nicht besteht. Gemäß § 243 Abs. 4 SGB VI besteht ein Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist.

Die Voraussetzungen des § 243 SGB VI, der am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist, sind insgesamt zugunsten der Klägerin nicht erfüllt. Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 243 Abs. 1 SGB VI oder § 243 Abs. 2 SGB VI scheitert bereits daran, daß die jeweils in Nr. 2 dieser Bestimmungen genannte Voraussetzung nicht gegeben ist. Vorliegend hat die Klägerin zu Lebzeiten des Versicherten wieder geheiratet, so daß der Anspruchsausschluß nach Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 des § 243 SGB VI eingreift (vgl. dazu Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 243 Rdnr. 5). Anspruch auf Geschiedenen-Hinterbliebenenrente haben nur diejenigen früheren Ehegatten des Versicherten, die in der Zeit zwischen Scheidung und Tod des Versicherten nicht wieder geheiratet haben. Diese Voraussetzung war im früheren Recht (vgl. § 1265 RVO a.F., § 42 AVG a.F.) nicht ausdrücklich normiert; sie wurde von der Rechtsprechung aus dem Tatbestandsmerkmal "frühere Ehefrau” abgeleitet (vgl. BSG in SozR Nr. 30 zu § 1265 RVO). Diese Rechtsprechung war vom Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG in SozR Nr. 85 zu 2200 § 1265 RVO) für verfassungsgemäß erachtet worden. Die Rente sollte an die Stelle der bis zum Versicherungsfall bestehenden Unterhaltsansprüche oder tatsächlichen Unterhaltszahlungen treten (vgl. Gesamtkommentar, Sozialversicherung, § 243 Anm. 7). Da im Falle der Wiederheirat ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehegatten besteht und die gesetzliche Unterhaltspflicht des Versicherten gemäß § 67 Ehegesetz (EheG) a.F. erlischt, wird der geschiedene Ehegatte auf die Ansprüche aus der nächsten Eheschließung verwiesen (vgl. Kasseler Kommentar, a.a.O.). Die Vorschriften des § 243 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI führen nunmehr die unterbliebene Wiederheirat ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal auf. Vorliegend ist die Klägerin nach der rechtskräftigen Scheidung am 7. Januar 1960 am 2. März 1960 eine neue Ehe eingegangen. Bei Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten ist ein Rentenanspruch nicht gegeben, weil das Tatbestandsmerkmal des § 243 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI und des § 243 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt ist. Im übrigen liegen auch die Voraussetzungen der Nr. 3 des § 243 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI nicht vor. Tatsächliche Unterhaltszahlungen des Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tod am 19. August 1987 sind nicht einmal behauptet worden. Im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod hat wie bereits zuvor mit der Wiederheirat am 2. März 1960 ein Unterhaltsanspruch nicht bestanden. Mit der Wiederverheiratung der Klägerin am 2. März 1960 erlosch die Unterhaltspflicht des Versicherten gemäß § 67 EheG a.F ... Die Unterhaltspflicht des Versicherten blieb auch nach Scheidung der dritten Ehe am 8. Juni 1967 erloschen (vgl. Hoffmann-Stephan, Ehegesetz, § 67 Rdnr. 4). Demzufolge hatte die Klägerin seit ihrer Wiederheirat am 2. März 1960 keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Versicherten mehr. Vom Ehegesetz abweichende Regelungen eines Unterhaltsanspruchs auch im Falle der Wiederheirat sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente gemäß § 243 Abs. 3 SGB VI ist nicht gegeben. Die Vorschrift ergänzt § 243 Abs. 2 SGB VI und ermöglicht einen Anspruch auf große Witwenrente, wenn die in § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Voraussetzung für einen Anspruch nach § 243 Abs. 3 SGB VI ist neben dem Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 SGB VI (vgl. Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Rentenversicherung, § 243 Rdnr. 41), daß ein Unterhaltsanspruch im Sinne des § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand deshalb nicht bestanden hat, weil der Versicherte wegen seines Gesamteinkommens nicht unterhaltsfähig war oder weil der geschiedene Ehegatte aufgrund seines Einkommens aus abhängiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen nicht unterhaltsbedürftig war. Ein Anspruch auf Witwenrente nach § 243 Abs. 3 SGB VI ist dann nicht gegeben, wenn die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten aufgrund anderer als der in § 243 Abs. 3 Nr. 1 genannten Tatbestände nicht bestanden hat (vgl. Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, § 243 Rdnr. 16; zum früheren Recht vgl. BSG in SozR 3 – 2200 § 1265 RVO Nr. 8). Vorliegend bestanden aber zwischen der Klägerin und dem Versicherten auch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod wie bereits zuvor seit der Wiederheirat der Klägerin am 2. März 1960 keine unterhaltsrechtlichen Beziehungen mehr, da mit der Wiederheirat der Klägerin die Unterhaltspflicht des Versicherten gemäß § 67 EheG a.F. erloschen war und nach Auflösung der dritten Ehe nicht wieder auflebte. Ein anläßlich der Scheidung am 7. Januar 1960 etwa erklärter Unterhaltsverzicht ist im Rahmen des § 243 Abs. 3 SGB VI (vgl. dazu Kasseler Kommentar, a.a.O., § 243 Rdnr. 65) wegen der Wiederheirat bereits am 2. März 1960 und der dadurch erloschenen Unterhaltspflicht ohne Bedeutung. Demgemäß sind die Voraussetzungen des § 243 Abs. 3 SGB VI in Ermangelung jedweder unterhaltsrechtlicher Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Versicherten im maßgeblichen Zeitraum vor dessen Tod nicht erfüllt.

Auch ein Anspruch auf Geschiedenenrente nach dem vorletzten Ehegatten gemäß § 243 Abs. 4 SGB VI ist nicht gegeben. Die Vorschrift des § 243 Abs. 4 SGB VI ist an die Stelle des früheren § 68 Abs. 3 AVG a.F. (vgl. § 1291 Abs. 3 RVO a.F.) getreten, die das Wiederaufleben der Geschiedenenrente regelte. Im Gegensatz zur Vorschrift des § 68 Abs. 3 AVG a.F. (vgl. § 1291 Abs. 3 RVO a.F.) ist es in bezug auf einen Anspruch nach § 243 Abs. 4 SGB VI nicht mehr erforderlich, daß im Zeitpunkt der Wiederheirat ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente bestanden hat. Der ursprünglich im Fraktionsentwurf zum Rentenreformgesetz 1992 (vgl. BT-Drucksache 11/4124 und 11/4452) in § 238 Abs. 4 (§ 243 Abs. 4 des Gesetzes) wie in § 46 Abs. 3 (§ 46 Abs. 3 des Gesetzes) enthaltene Halbsatz "und sie im Zeitpunkt der Wiederheirat Anspruch auf eine solche Rente hatten” wurde im Gesetzgebungsverfahren ersatzlos gestrichen. Die im früheren Recht der Arbeiterrentenversicherung enthaltenen erschwerten Voraussetzungen (vgl. Art. 2 § 26 Abs. 1 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz; vgl. dazu BSG in SozR Nr. 18 zu 2200 § 1291 RVO) sollten nicht mehr von Bedeutung sein und der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der früheren Ehe auch dann entstehen können, wenn der geschiedene Ehegatte vor 1957 wieder geheiratet hat (vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß, BT-Drucksache 11/5530, S. 43)). Allerdings ist zu beachten, daß § 243 Abs. 4 SGB VI entsprechend seinem Wortlaut für einen Anspruch auf Witwenrente bzw. Witwerrente die sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 verlangt und damit das Vorhandensein eines dem Grunde nach Unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten voraussetzt, bei dem lediglich durch die Wiederheirat die Unterhaltsersatzfunktion der Witwenrente bzw. Witwerrente weggefallen und nach Auflösung der zweiten Ehe der Bedarf wieder vorhanden ist. Eine vor dem Tod des Versicherten geschlossene Ehe hat bereits pauschalierend Unterhaltsansprüche gegen den Versicherten beseitigt, so daß ein Rentenanspruch nach sämtlichen Möglichkeiten des § 243 SGB VI nicht entstehen kann (vgl. Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, a.a.O., § 243 Rdnr. 20; Hauck-Haines, Sozialgesetzbuch, SGB VI, § 243 Rdnr. 94; Kasseler Kommentar, a.a.O., § 243 Rdnr. 72; Gesamtkommentar, a.a.O., § 243 Anm. 17). Dies entspricht der früheren Rechtslage (vgl. dazu BVerfG in SozR Nr. 85 zu 2200 § 1265 RVO). Durch eine Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten werden Unterhaltsbeziehungen zwischen den Geschiedenen, an die § 243 SGB VI letztlich anknüpft, endgültig aufgelöst (vgl. Gesamtkommentar, a.a.O., Anm. 17). Zwar wird die Anwendbarkeit des § 243 Abs. 4 SGB VI im Falle der Wiederheirat noch zu Lebzeiten des geschiedenen Ehegatten mit der Begründung erwogen, das Gesetz enthalte insoweit keine Einschränkung (vgl. Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, SGB VI, § 243 Rdnr. 132). Indessen stellt die Vorschrift des § 243 Abs. 4 SGB VI nach ihrem Wortlaut auf das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 und mithin auf das Bestehen unterhaltsrechtlicher Beziehungen zwischen dem Versicherten und der geschiedenen Ehegattin im maßgeblichen Zeitraum ab. An solchen Unterhaltsbeziehungen zwischen den Geschiedenen, von denen § 243 SGB VI in seinen Absätzen 1 bis 3 mit der Formulierung einzelner Tatbestandsmerkmale ausgeht, fehlt es aber bei einer Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten, da mit der Wiederheirat die unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen den Geschiedenen gemäß § 67 EheG a.F. endgültig aufgelöst sind und diese Unterhaltsbeziehungen auch nicht Wiederaufleben, wenn die erneute Ehe noch vor dem Tod des Versicherten wieder geschieden worden ist.

Demgemäß kann ein Anspruch nach § 243 Abs. 4 SGB VI nicht entstehen, wenn der geschiedene Ehegatte – wie hier die Klägerin – schon zu Lebzeiten des Versicherten wieder geheiratet hat.

Danach war das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Dezember 1994 auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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