L 13 J 1124/86

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 J 327/85
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 J 1124/86
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Der Wegfall der Mitwirkungsbereitschaft stellt bei der berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen i.S. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 dar (Anschluß an BSG v. 22.9.1981 – 1 RJ-112/80).
2.) Bei § 1236 Abs. 1 Satz 1 RVO handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist das Wort „voraussichtlich” enthalten.
3.) Stellt sich während einer berufsfördernden Maßnahme heraus, daß die ursprünglich positive Prognose nicht mehr aufrechterhalten werden kann, ist eine der Voraussetzungen der Leistungsgewährung entfallen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juli 1986 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Aufhebung der Bewilligung einer berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation nach § 1237 a Reichsversicherungsordnung (RVO).

Der 1933 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er ist seit 1976 krank bzw. arbeitslos. Ein früherer Antrag des Klägers auf berufsfördernde Maßnahmen datiert vom 2. Februar 1978. Nach einer vom 3. bis 14. März 1980 dauernden Berufsfindung und Arbeitserprobung unterbreitete das Berufsförderungswerk F. (B. V.) im Abschlußbericht folgenden Vorschlag: der Kläger sei für den kaufmännischen Bereich nicht geeignet. In den anderen erprobten Bereichen seien Ausbildungen auf Helferebene möglich. Es bestehe ein relatives Interesse am Bereich Elektronik. Deshalb sei eine Ausbildung zum Elektrowerker möglich. Vorher sei jedoch zur Verbesserung der Grundkenntnisse im Rechnen und in der Rechtschreibung die Teilnahme an einem mehrmonatigen Rehabilitations-Vorbereitungslehrgang notwendig.

Das Arbeitsamt Darmstadt teilte der Beklagten mit Schreiben vom 13. Mai 1980 mit, daß kein Vorschlag zur Wiedereingliederung des Klägers in das Erwerbsleben gemacht werden könne, da dieser ausschließlich an einer Technikerausbildung (z.B. Zahntechniker) zumindest aber Facharbeiterausbildung interessiert sei. Mit Bescheid vom 10. Juni 1980 lehnte die Beklagte die Umschulung zum Zahntechniker ab, bejaht jedoch die Möglichkeit, den Kläger zum Elektrowerker mit Vorförderung umzuschulen. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Die eingelegte Berufung hat der Kläger wieder zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1983 teilte das Arbeitsamt Darmstadt der Beklagten mit, daß für die vom Kläger nunmehr beabsichtigte Umschulung zum Elektrowerker von der Bundesanstalt für Arbeit kein Übergangsgeld bezahlt werden könne. Die Beklagte möge daher die Angelegenheit überprüfen. Mit Eingliederungsvorschlag vom 10. Februar 1983 empfahl das Arbeitsamt Darmstadt die internatsmäßige Helferausbildung zum Elektrowerker mit mehrmonatigem Vorbereitungskurs. Mit Bescheid vom 11. März 1983 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Vorschulung von 3 Monaten und eine Umschulung zum Elektrowerker von voraussichtlich 12 Monaten im Berufsförderungswerk F. (B. V.). Mit Ergänzung vom 5. April 1983 änderte die Beklagte die Bewilligung dahin, daß Umschulung und Vorschulung im Berufsförderungszentrum J. P. in W. durchgeführt werden sollten. Mit Bescheid vom 25. November 1983 gewährte die Beklagte Übergangsgeld ab 2. November 1983. Der Kläger nahm an dem Reha-Vorbereitungskurs vom 2. November 1983 bis 30. Januar 1984 teil. Im Zeugnis wird ausgeführt, daß er sich willig untergeordnet und allen Anweisungen Folge geleistet habe. Sein Benehmen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sei gut gewesen, die Leistungen in allen Fächern jedoch mangelhaft. Ab 31. Januar 1984 nahm der Kläger an der Umschulung zum Elektrowerker teil. Mit Bescheid vom 23. Januar 1984 erfolgte die Neufestsetzung der Höhe des Übergangsgeldes ab 1. Januar 1984. Mit Bescheid vom 13. Februar 1984 wurde Übergangsgeld ab 1. Februar 1984 gewährt.

Mit Zwischenbericht des Berufsförderungszentrums vom 2. Mai 1984 wurde der Beklagten mitgeteilt, daß der erste Ausbildungsabschnitt in der Theorie mangelhaft in der Praxis befriedigend gewesen sei. Fleiß, Einsatzbereitschaft und Motivation seien nur schwach vorhanden. Wegen seines relativ hohen Alters beklage der Kläger sich immer wieder, daß er noch eine Berufsausbildung machen müsse, man solle ihm doch die Rente bewilligen. Anweisungen des Ausbildungspersonals befolge er nur unwillig, permanent sei er mit Kurskollegen im Streit. Auf Vorhaltungen sei er nicht einsichtig und er sei der Meinung, er werde ungerecht behandelt. Unter diesen Voraussetzungen sei kaum an eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation zu denken.

Mit einem weiteren Bericht vom 5. Juni 1984 wies das Berufsförderungszentrum darauf hin, daß sich nunmehr auch die fachpraktischen Arbeiten auf die Note 4 verschlechtert hätten. Die negative und unmotivierte Haltung des Klägers sei noch stärker ausgeprägt. Der gesamte Kurs habe eine schriftliche Beschwerde verfaßt über mangelnde Sauberkeit, permanentes Stören des Unterrichts, Verweigerung des Klassendienstes, und der Kläger schrecke auch nicht vor Drohungen zurück und bezeichne sie als "blöde Deutsche”.

Mit Schreiben vom 19. Juni 1984 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, daß wegen seines Verhaltens ein Abbruch der Umschulung vorgesehen sei. Der Kläger erhielt hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger gab an, daß er sich von den Mitschülern schikaniert und von den Ausbildern ungerecht behandelt fühle. Die Noten seien besser als 4 und er glaube, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen.

Mit Bescheid vom 30. Juli 1984 brach die Beklagte die Umschulung mit Ablauf des 3. August 1984 ab und hob die Bescheide vom 11. März 1983, vom 25. November 1983, vom 23. Januar 1984 und vom 13. Februar 1984 nach § 48 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB 10) auf. In der Begründung wurde ausgeführt, es bestehe Übereinstimmung mit der Umschulungsstätte, daß die Fortsetzung der Umschulung nicht mehr möglich sei. Mit am 30. Juli 1985 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1985 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 31. August 1984 zurück. Zur Begründung wies sie sowohl auf § 9 Abs. 4 ihrer Richtlinien zur Rehabilitation hin, als auch auf § 48 SGB 10.

Hiergegen hat der Kläger am 26. August 1985 Klage erhoben. Das Sozialgericht Darmstadt hat den zuständigen Ausbilder, Dipl. Ing. D. K. am 25. Juli 1986 als Zeugen gehört. Mit Urteil vom 25. Juli 1986 (S-1/J-327/85) wies das Sozialgericht Darmstadt die Klage des Klägers zurück. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 seien erfüllt. Die Leistungen und das Verhalten des Klägers während der Maßnahme hätten einen erfolgreichen Abschluß nicht erwarten lassen.

Hiergegen hat der Kläger am 19. August 1986 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, die Zeugenaussage des Herrn K. sei nicht korrekt bewertet worden. Er habe in seinen beruflichen Tätigkeiten, sowie auf Schulungen durchweg in der Vergangenheit gute Leistungen erreicht. Die Beurteilungen des Berufsförderungszentrums seien sehr subjektiv und bewerteten die tatsächlichen Leistungen in Theorie und Praxis nicht korrekt. Es sollten die schriftlichen Test- und Prüfungsunterlagen vom Berufsförderungszentrum beigezogen werden und durch einen Gutachter ausgewertet werden. Er sei auch bereit, einen Test vor einem Gutachter abzulegen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juli 1986 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1985 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Zeugenaussage des Herrn K. sei überzeugend und widerspruchsfrei abgegeben, wie im Urteil vom 25. Juli 1986 richtig festgestellt worden sei. Die im Rahmen der Untersuchungsmaßnahmen durch das Berufsförderungszentrum erfolgten Beurteilungen seien sachlich und korrekt. Der Vorwurf einer subjektiven Bewertung müsse daher zurückgewiesen werden.

Der Senat hat eine Auskunft des Berufsförderungszentrums J. P. vom 27. Februar 1987 eingeholt. Danach habe der Kläger über den Reha-Vorbereitungslehrgang ein Zeugnis erhalten. Die während der folgenden Fachausbildung zum Elektrowerker erzielten Noten, sowohl in der Kenntnis- als auch in der Fertigkeitsvermittlung, seien auf einem Beurteilungsbogen Ende Juni 1984 zusammengefaßt, zusammen mit anderen Bewertungskriterien, z.B. Führung, Ordnung am Arbeitsplatz usw ... Der damalige Kursleiter des Klägers habe diese Zwischenbewertung mit dem Kläger durchgesprochen. Die Unterschrift des Klägers auf diesem Blatt beweise, daß der Kläger dies gesehen habe. Weitere Unterlagen seien nicht vorhanden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch zulässig, § 143 SGG. Berufungsausschließungsgründe der §§ 144 ff. SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juli 1986 ist nicht rechtsfehlerhaft und war deshalb nicht aufzuheben.

Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Juli 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1985 zu Recht die Umschulung des Klägers zum Elektrowerker im Berufsförderungszentrum J. P. in W. K. mit Ablauf des 3. August 1984 abgebrochen und den Grundbescheid vom 11. März 1983 sowie die Übergangsgeldbescheide vom 25. November 1983, vom 23. Januar 1984 und vom 13. Februar 1984 mit Wirkung vom 4. August 1984 aufgehoben.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Voraussetzungen, nach denen dem Kläger die Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation bewilligt wurde, ergeben sich aus § 1236 i.V. § 1237 a RVO. Ist entsprechend § 1236 Abs. 1 Satz 1 RVO die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder ist sie gemindert, kann der Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Rehabilitation erbringen, wenn die Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen der Eintritt von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann.

Nach § 1237 a Abs. 2 RVO sind die berufsfördernden Leistungen darauf auszurichten, den Betreuten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Bei Auswahl der berufsfördernden Maßnahmen sind Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen zu berücksichtigen.

Der Senat geht davon aus, daß die Beklagte dem Kläger die Umschulung zum Elektrowerker einschließlich der 3-monatigen Vorförderung rechtmäßig bewilligt hat. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Beklagte von dem ihrem insoweit eingeräumten Ermessen keinen oder einen falschen Gebrauch gemacht hat. Die Bewilligung erfolgte entsprechend dem Abschlußbericht aus der Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk F. (B. V.) vom 3. März bis 14. März 1980. Danach wurde eine Ausbildung zum Elektrowerker mit einer mehrmonatigen Vorförderung als erfolgversprechend angesehen. Dem entsprach auch der Eingliederungsvorschlag des Arbeitsamtes Darmstadt vom 10. Februar 1983.

Die Beklagte hat also zu Recht nicht die Vorschrift des § 45 SGB 10 angewandt, da es sich um einen ursprünglich rechtmäßigen Bewilligungsbescheid gehandelt hat. Zutreffend hat die Beklagte die Aufhebung des Bescheides auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 gestützt. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Mit dem Bewilligungsbescheid der Umschulung dem Grunde nach (vom 11. März 1983) und den Übergangsgeldbescheiden vom 25. November 1983, vom 23. Januar 1984 und vom 13. Februar 1984 handelt es sich um Bescheide mit Dauerwirkung. Es wurden mit ihnen laufende Leistungen gewährt, die auch noch für eine erhebliche, wenn auch absehbare Zeit in die Zukunft wirkten. § 48 SGB 10 kann von Sinn und Zweck nicht auf die Fälle begrenzt werden, bei denen eine zeitlich unbegrenzte Leistung erbracht wird. Vielmehr sind damit alle diejenigen Fälle zu erfassen, bei denen es während einer noch laufenden Leistungsbeziehung zu einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse kommen kann, mit der Folge, daß die Grundlage der ursprünglichen Bewilligung entfällt (vgl. Urteil des BSG vom 22. September 1981 – 1 RJ 112/80 – abgedruckt in SozR 1300 § 48 Nr. 1, Breithaupt 1982, S. 689 ff., USK 81317).

Es ist auch eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten. Zur Überzeugung des Senats steht fest, daß der Kläger durch erhebliches Nachlassen seines Einsatzes, sein destruktives Verhalten und die zunehmend schlechter werdenden Leistungen bewiesen hat, daß seine Bereitschaft, an der Umschulung mitzuwirken, nachträglich entfallen ist. Die Bereitschaft des Versicherten, an der Umschulung mitzuwirken, ist jedoch eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen einer berufsfördernden Leistung (vgl. Urteil des BSG vom 22. September 1981 s.o.). Deshalb fordert das Gesetz in § 1237 a Abs. 2 Satz 2 RVO bei der Auswahl der berufsfördernden Maßnahmen neben angemessener Berücksichtigung von Eignung und bisheriger Tätigkeit gleichgewichtig die Berücksichtigung von Neigung. Damit soll gewährleistet werden, daß der Versicherte der Berufsförderung nicht nur körperlich und geistig gewachsen ist, sie also erfolgreich durchführen kann, sondern auch, daß er den Anforderungen seelisch stand hält, weil er die Berufsförderung durchführen will, also genügend motiviert ist. Nach § 4 Abs. 1 Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG) bedürfen Maßnahmen zur Rehabilitation der Zustimmung des Versicherten. Er ist verpflichtet, bei ihrer Durchführung nach Kräften mitzuwirken. Diese Bereitschaft hat bei dem Kläger zunächst vorgelegen. War auch die Selbsteinschätzung des Klägers in den Jahren von 1978 bis 1981 zu hoch – der Kläger wollte eine Berufsförderung zum Zahntechniker bzw. auf Facharbeiterebene erreichen – so hat er doch die Konsequenzen aus der erfolgten Ablehnung einer höher qualifizierten Umschulung gezogen, so daß das Arbeitsamt Darmstadt im Eingliederungsvorschlag vom 10. Februar 1983 die bereits 1980 empfohlene Helferausbildung zum Elektrowerker erneut anregte, wozu auch die Bereitschaft des Klägers zur Mitwirkung vorhanden war. Diese Bereitschaft war auch noch im 3-monatigen Vorbereitungslehrgang gegeben. Dies folgt zum einen aus dem Zeugnis vom 9. März 1984. Zwar wurden die Leistungen durchgehend mit mangelhaft bewertet, jedoch wird angegeben, daß der Kläger sich willig unterordne und allen Anweisungen Folge geleistet habe, und sein Benehmen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen gut gewesen sei. Zum anderen bestätigte der Zeuge K. das unauffällige Verhalten des Klägers im Vorbereitungskurs. Die Entwicklung in der Folgezeit erbringt zur Überzeugung des Senates den Beweis für das Entfallen der Bereitschaft des Klägers, an der berufsfördernden Maßnahme wenigstens ausreichend mitzuwirken. Bereits mit Schreiben vom 12. April 1984 hat die Beklagte den Kläger auf die mangelhaften Leistungen hingewiesen und ihn aufgefordert, seine Leistungen zu verbessern und insoweit die Teilnahme am Zusatzunterricht empfohlen. Mit Schreiben vom 12. Mai 1984 weist das Berufsförderungszentrum J. P. darauf hin, daß bei dem Kläger Fleiß, Einsatzbereitschaft und Motivation nur schwach vorhanden seien; der Kläger beklage sich, daß er noch eine Berufsausbildung machen müsse, man solle ihm doch die Rente bewilligen; Anweisungen des Ausbildungspersonals befolge er nur unwillig und sei permanent mit den Kurskollegen im Streit. Es könne unter diesen Umständen kaum an eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation gedacht werden. Mit Schreiben vom 5. Juni 1984 teilte das Berufsförderungszentrum mit, daß die fachpraktischen Arbeiten sich auf die Note 4 verschlechtert hätten, die negative und unmotivierte Haltung sei noch stärker ausgeprägt. Der gesamte Kurs habe über ihn eine schriftliche Beschwerde verfaßt. An eine sinnvolle Rehabilitation sei nicht zu denken, weshalb um umgehende Beendigung der Maßnahme gebeten werde. Diese Auffassung wurde durch den zuständigen Kursleiter, den Zeugen K. am 25. Juli 1986 vor dem Sozialgericht bestätigt. Die Leistungen des Klägers in Theorie und Praxis seien sehr schwach gewesen, es habe ihm am guten Willen gefehlt, eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation sei im Mai bzw. Juni 1984 nicht zu erwarten gewesen. Hierzu wurde eine Beurteilung vom 27. Juni 1984 vorgelegt, die die Angaben des Zeugen bestätigt. Der Kläger hat von dieser Beurteilung Kenntnis genommen. Wenn der Kläger demgegenüber im Rahmen der Anhörung ausweislich eines Aktenvermerkes gegenüber der Beklagten behauptet hat, er wolle seine Ausbildung fortsetzen und glaube, seine Ausbildung erfolgreich abschließen zu können, so erscheint dies dem Senat unter Berücksichtigung der vorhandenen Unterlagen und des erstinstanzlich gehörten Zeugen nicht glaubhaft.

Obwohl allein der Wegfall der Bereitschaft des Klägers zur Mitwirkung bei der Umschulung die Aufhebung der Bewilligungsbescheide ausreichend stützt, sieht der Senat Veranlassung, die angefochtenen Bescheide der Beklagten auch noch aus einem weiteren Grund zu bestätigen. Zu den erforderlichen Voraussetzungen der berufsfördernden Maßnahme gehört, daß durch diese die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder, wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen der Eintritt von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann, § 1236 Abs. 1 Satz 1 RVO. Bei dieser Beurteilung, die zur Leistungsbewilligung führt, handelt es sich notwendigerweise um eine Prognose. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist das Wort "voraussichtlich” in § 1236 Abs. 1 Satz 1 RVO enthalten. Die wörtliche Auslegung unter Betonung des Wortes "kann” würde zu weit gehenden Rehabilitations-Maßnahmen führen, nämlich bereits dann, wenn eine Rehabilitations-Maßnahme eine auch nur entfernte Möglichkeit der Besserung oder Wiederherstellung gibt, denn auch in diesen Fällen könnte (evtl.) eine Besserung oder Wiederherstellung erfolgen. Sinnvoll ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Voraussetzungen der institutionellen Förderung nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 RehaAnglG eine berufsfördernde Maßnahme nur, wenn eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation zu erwarten ist. Nicht die allgemeine theoretische Möglichkeit genügt, sondern die konkrete positive Prognose ist erforderlich. Aus diesem Grund fordert § 5 RehaAnglG auch die enge Zusammenarbeit der Rehaträger. Entsprechend § 5 Abs. 4 RehaAnglG ist insbesondere die Bundesanstalt für Arbeit vor der Einleitung berufsfördernder Maßnahmen zu beteiligen. Dem entspricht der Eingliederungsvorschlag des Arbeitsamtes Darmstadt vom 10. Februar 1983.

Stellt sich jedoch während der berufsfördernden Maßnahme heraus, daß die ursprüngliche Prognose nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, dann ist auch eine der Voraussetzungen des § 1236 Abs. 1 Satz 1 RVO entfallen, da durch die Leistung (berufsfördernde Maßnahme) nunmehr die Erwerbsfähigkeit nicht mehr wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder bei bereits geminderter Erwerbsfähigkeit der Eintritt von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nicht mehr abgewendet werden kann. Liegen bei der ursprünglichen Prognosestellung, wie im vorliegenden Fall, keine Ermittlungsfehler vor, sondern beruht die später ungünstige Prognose entweder darauf, daß bestimmte ungünstige Voraussetzungen nicht erkennbar waren oder, daß eine nicht voraussehbare ungünstige Entwicklung eingetreten ist, dann führt dies zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen mit der Folge der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10.

Soweit die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 30. Juli 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1985 auch auf 9.4 ihrer Richtlinien über die Gewährung von medizinischen, berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation sowie von zusätzlichen Leistungen aus der Rentenversicherung vom 1. Januar 1979 (Rena-Richtlinien) stützt, ändert dies am gewonnenen Ergebnis nichts. Danach kann die Maßnahme vorzeitig beendet werden, wenn ein Betreuter durch ordnungswidriges Verhalten die Durchführung oder den Erfolg der Maßnahme verhindert oder beeinträchtigt, 9.4 Reha-Richtlinien. Nach Art. II § 40 Abs. 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469, ber. S. 2218) waren §§ 44 bis 49 SGB 10 erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wurde. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 bedeutet jedoch, daß der Beklagten bei Prüfung der Frage, ob sie die Bewilligungsbescheide aus dem Jahr 1983/84 aufheben sollte, kein Ermessen zustand. Die Bescheide waren aufzuheben, wenn eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen festzustellen war. Da die Beklagte die Bescheide nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat, war auch nicht zu prüfen, ob ggfs. ein atypischer Fall vorliegt, der die Ausübung von Ermessen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 vorausgesetzt hätte.

Demgegenüber stellt 9.4 der Reha-Richtlinien auf eine Ermessensentscheidung ab "kann die Maßnahme vorzeitig beendet werden”, Nach Auffassung des Senats stellt das SGB 10 vorrangiges Recht gegenüber dem Satzungsrecht der Beklagten dar mit der Folge, daß das Satzungsrecht insoweit rechtwidrig und nicht anzuwenden ist, als im vorliegenden Fall der Beklagten ein Ermessen eingeräumt wird. An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß die Reha-Richtlinien zeitlich vor dem Gesetz vom 18. August 1980 erlassen wurden. Dabei läßt es der Senat dahingestellt, ob die Vorschrift 9.4 der Reha-Richtlinien als gegen höherrangiges Recht verstoßend überhaupt keine Anwendung findet oder im Wege der Auslegung gesetzeskonform anzuwenden ist, mit dem Erfolg, daß im vorliegenden Fall bei Wegfall der Bereitschaft zur Mitwirkung als Sonderfall der Beeinträchtigung der Durchführung oder des Erfolgs der Maßnahme durch ordnungswidriges Verhalten § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 vorgeht. In keinem der beiden denkbaren Anwendungsfälle ist die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 30. Juli 1984 und vom 23. Juli 1985 feststellbar.

Der Senat sah sich auch nicht veranlaßt, weitere Beweise zu erheben. Soweit der Kläger die Beiziehung weiterer Unterlagen von dem Berufsförderungszentrum und deren Auswertung durch einen vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen vorschlägt, scheitert dies bereits daran, daß keine weiteren schriftlichen Unterlagen von dem Berufsförderungszentrum zu erlangen sind. Ausweislich der Auskunft vom 27. Februar 1987 existiert lediglich ein dem Gericht vorliegender Beurteilungsbogen vom 27. Juni 1984. Zu den Leistungen des Klägers wurde der zuständige Kursleiter, Herr K. vom Sozialgericht am 25. Juli 1986 als Zeuge gehört. Die Aussagen erschienen dem Sozialgericht glaubhaft und sind auch nach Auffassung des erkennenden Senats in sich schlüssig und entsprechen den an die Beklagte übersandten Schreiben des Berufsförderungszentrums vom 2. Mai 1984 und vom 5. Juni 1984. Untermauert wird die negative Darstellung über den Kläger durch die schriftliche Beschwerde sämtlicher anderer Kursteilnehmer vom 30. Mai 1984, in der u.a. auch die Störung des Unterrichts bemängelt wird. Daraus ergibt sich für den erkennenden Senat überzeugend, daß der Wegfall der Voraussetzungen für die Weiterförderung in vollem Umfang nachgewiesen wurde. Dabei beurteilt sich die Richtigkeit des Abbruchs aus den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Abbruches. Ob der Kläger in der Vergangenheit bessere berufliche Leistungen erzielt hat, wie der Kläger unter Vorlage von Unterlagen vorträgt, brauchte der Senat nicht zu überprüfen, da insoweit die Richtigkeit der 1984 vom Zeugen K. getroffenen Beurteilung nicht beeinflußt werden konnte. Zu berücksichtigen dabei ist insbesondere, daß der Kläger zuletzt 1976 beruflich tätig war und deshalb seine aktuellen Leistungen während der Umschulung mit Vorförderung von entscheidender Bedeutung waren.

Soweit der Kläger schließlich noch seine Bereitschaft erklärt, vor einem Gutachter einen Test abzulegen, sieht der erkennende Senat hierzu ebenfalls keine Veranlassung. Die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers sind umfassend im Rahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk F. (B. V.) in der Zeit vom 3. bis 14. März 1980 ermittelt worden. Dem Kläger wurde, nachdem er über mehrere Jahre erfolglos für eine höher qualifizierte Umschulung gekämpft hat, die ihm allenfalls mögliche Umschulung zum Elektrowerker zuzüglich einer Vorförderung bewilligt. Diese hat – auch aus dem Verhalten des Klägers – nicht zum Erfolg geführt. Dabei sieht der erkennende Senat den Beweis für eine nicht mehr bestehende Möglichkeit der Fortsetzung der berufsfördernden Maßnahme zur Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls im hier zur Prüfung stehenden Rahmen der Umschulung zum Elektrowerker als erbracht an. Ob der Kläger die Voraussetzungen für eine neue berufsfördernde Maßnahme, evtl. auch in einem anderen Berufsbereich erfüllt, brauchte nicht geprüft zu werden, da dies nicht Streitgegenstand war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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