L 27 RJ 52/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 548/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 RJ 52/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Klageantrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht ist - soweit auch Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 2001 im Streit sind - grundsätzlich zugleich als (Hilfs-)Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auszulegen.

2. Wird eine Klage auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht zurückgenommen, umfasst dies grundsätzlich auch den (hilfsweise) für die Zeit ab dem 1. Januar 2001 geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung.

Der 1954 geborene Kläger, der keine Berufsausbildung durchlaufen hat, war seit 1969 u. a. als Maschinen-, Produktions- und Transportarbeiter sowie zuletzt als Fassadenverkleider versicherungspflichtig beschäftigt. Unterbrochen durch eine einjährige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Landschaftsgestalter übt er seit Mitte März 1996 keine Beschäftigung mehr aus.

Im Dezember 1999 beantragte er bei der Beklagten, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, dass er wegen Asthma bronchiale, Herzbeschwerden, Osteoporose sowie zahlreichen äußerst schmerzhaften Einschränkungen am Haltungs- und Bewegungsapparat bereits seit 1981 nicht mehr erwerbsfähig sei. Die Beklagte ließ ihn daraufhin zunächst durch die Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde S begutachten. Sie kam in ihrem Gutachten vom 12. März 2000 zu dem Ergebnis, der Kläger leide zwar an einer chronisch obstruktiven Bronchitis, einer Osteoporose sowie geringen Bandscheibenvorfällen in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1, er sei jedoch aus internistischer und pulmologischer Sicht in der Lage, mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten vollschichtig zu verrichten. Darüber hinaus stellte die Beklagte den Kläger dem Facharzt für Orthopädie Dr. G zur Begutachtung vor. Dieser führte in seinem Gutachten vom 9. Juni 2000 aus, dass bei dem Kläger ein chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit pseudoradikulärer Symptomatik linkes Bein, ein chronisches Halswirbelsäulensyndrom, eine Osteoporose ohne Fraktur sowie eine chronische Bronchitis bestünden, und schätzte ein, dass dem Kläger mit weiteren qualitativen Einschränkungen nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig zumutbar seien. Auf der Grundlage dieser Gutachten lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit ihrem Bescheid vom 29. Juni 2000 ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte unter Bezugnahme auf verschiedene Arztbriefe seiner behandelnden Ärzte sowie Berichte über Krankenhausaufenthalte in den Jahren 2000 und 2001 geltend: Die Beklagte habe das Ausmaß und die Vielfalt seiner Erkrankungen nicht ausreichend erfasst und sei deshalb zu einem falschen Ergebnis gekommen. Wie sich einem Attest seiner behandelnden Augenärztin Dr. E entnehmen lasse, leide er über die von ihm bereits benannten Erkrankungen hinaus auch noch an einer zirkulären Gesichtsfeldeinengung bei Zustand nach ischämischen Insult. Die Beklagte holte daraufhin von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. S ein weiteres Gutachten ein. Dr. S stellte in seinem Gutachten vom 18. April 2001 fest, dass der Kläger an einer Wirbelsäulenschmerzsymptomatik bei Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule, einer Abnutzung und einem Knochengewebsabbau im Sinne einer so genannten Osteoporose, einer chronisch obstruktiven Bronchitis bzw. einem Asthma bronchiale ohne wesentliche Belüftungsstörung der Lunge, einem arteriellen Bluthochdruck sowie einer Sehbehinderung durch zirkuläre Gesichtsfeldeinengung leide, er jedoch bei wechselnder Körperhaltung unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2001 als unbegründet zurück und führte aus: Der Kläger sei weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig. Zudem liege auch eine Erwerbsminderung im Sinne des am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen neuen Rechts nicht vor.

Mit seiner ursprünglich auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, gerichteten Klage hat der Kläger zuletzt nur noch geltend gemacht, ihm ab dem 1. Januar 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen weiter vertieft und sich unter Vorlage weiterer Arztbriefe sowie eines Befundberichtes seiner Augenärztin Dr. E darauf berufen, dass sich trotz einer von ihm auf Veranlassung der Beklagten in der Zeit vom 26. September bis zum 17. Oktober 2001 im Reha-Klinikum Hdurchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme insbesondere die bei ihm bestehende Herzerkrankung deutlich verschlechtert habe; so sei aus der im März 2002 noch diagnostizierten und mit einer Ballon-Angioplastie und Stentimplantation behandelten coronaren 1-Gefäßerkrankung bereits im September 2002 eine coronare 2-Gefäßerkrankung geworden, die erneut mit einer Ballon-Dilatation habe behandelt werden müssen.

Das Sozialgericht hat aus Anlass einer stationären Behandlung des Klägers vom 22. November bis zum 1. Dezember 2001 im D-Krankenhaus L einen Befundbericht des Chefarztes der dortigen Inneren Abteilung MR Dr. R vom 11. Februar 2002 nebst Krankenhausentlassungsbericht vom 7. Dezember 2001 sowie einen Befundbericht der Fachärzte für Innere Medizin/Kardiologie Dres. A, R und W vom 11. Dezember 2002 eingeholt. Ferner hat es den Entlassungsbericht des Reha-Klinikums H vom 4. Dezember 2001 beigezogen. Darin heißt es u. a.: Der Kläger leide an einem chronisch rezidivierenden Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Symptomatik im linken Bein, einem chronischen Halswirbelsäulensyndrom, einer Osteoporose ohne Fraktur, einer chronischen Bronchitis sowie einem arteriellen Hypertonus. Trotz dieser Leiden sei er unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Des Weiteren hat das Sozialgericht den Facharzt für Orthopädie Dr. R sowie die Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie Dr. G mit der Erstattung von Sachverständigengutachten beauftragt. Dr. R hat in seinem Gutachten vom 31. Juli 2002 festgestellt: Der Kläger leide auf orthopädischem Fachgebiet an einem Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenvorfällen sowie einem Halswirbelsäulensyndrom. Daneben bestünden ein Asthma bronchiale, eine Fettstoffwechselstörung, ein Bluthochdruck, eine coronare Herzerkrankung mit Zustand nach perkutaner Dilatation und Stent-Implantation sowie eine Seherkrankung. Er könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten. Dr. G hat in ihrem Gutachten vom 22. September 2003 dargelegt: Bei dem Kläger bestünden ein Hypertonus, ein metabolisches Syndrom, eine chronisch-obstruktive Lungenkrankheit, eine coronare 2-Gefäßerkrankung sowie erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Er sei in der Lage, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu erbringen.

Mit seinem Urteil vom 20. Januar 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger stehe die beantragte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zu. Denn wie sich insbesondere aus den Feststellungen der Sachverständigen Dr. R und Dr. G ergebe, sei er in der Lage, leichte berufliche Tätigkeiten, wie z. B. Aushilfstätigkeiten im Verwaltungsbereich sowie Aufsichtsarbeiten, vollschichtig auszuüben.

Gegen dieses ihm am 8. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. April 2004 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er unter Vorlage weiterer Arztbriefe insbesondere der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. R vom 24. Oktober 2006 und 7. Mai 2007 und des Facharztes für Diagnostische Radiologie, Neuroradiologie Dr. K vom 30. Juli 2007 geltend macht: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe er im Hinblick auf die Vielzahl und Schwere seiner Erkrankungen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung. Denn er könne wegen der orthopädischen Leiden und der Augenerkrankung sowie insbesondere wegen der sich ständig weiter verschlechternden coronaren Herzerkrankung, die im Juni 2006 nochmals mit einer Ballon-Dilatation habe behandelt werden müssen, und des Bluthochdrucks, der sich trotz erneuten Aufenthalts im D-Krankenhaus L vom 28. März bis zum 1. April 2006 und intensiver ambulanter Behandlung nicht habe einstellen lassen, keinerlei Arbeiten mehr verrichten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2001 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise ab dem 1. Januar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. E vom 22. Juli 2004 und 20. Dezember 2004, der Fachärzte für Innere Medizin/Kardiologie Dres. A, R und W vom 23. Juli 2004, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. R vom 17./19. August 2004 und 12./13. Januar 2006, des Facharztes für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Dr. K vom 29. Dezember 2004 und des Facharztes für Orthopädie Dr. G vom 14. Juni 2006 und 15. Oktober 2007 eingeholt. Ferner hat er eine ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. R vom 22. März 2006 veranlasst, die bereits ihren Befundberichten zahlreiche weitere Arztbriefe insbesondere des Facharztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. E, der Fachärzte für Innere Medizin/Kardiologie Dres. A, R und W sowie des Facharztes für Radiologische Diagnostik Dr. G beigefügt hatte. Des Weiteren hat der Senat den Entlassungsbericht des D-Krankenhauses L vom 10. April 2006 über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers vom 28. März bis zum 1. April 2006 zu den Akten genommen und den Augenarzt Dr. V sowie die später nochmals um eine ergänzende Stellungnahme gebetene Fachärztin für Innere Medizin Dr. J mit der Erstattung von Sachverständigengutachten beauftragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insbesondere auf das von Dr. V erstellte Sachverständigengutachten vom 23. April 2005 sowie das von Dr. J erstellte Sachverständigengutachten vom 30. Juni 2005 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 25. Februar 2007 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift über den von der damaligen Berichterstatterin durchgeführten Erörterungstermin vom 7. Juli 2004, und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend.

Mit diesem Urteil hat das Sozialgericht die vom Kläger erhobene Klage uneingeschränkt abgewiesen. Anders als der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20. Januar 2004 gestellte Sachantrag auf den ersten Blick nahe zu legen scheint, ist diese Klage allerdings nicht allein auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2000 gerichtet, sondern umfasst in Übereinstimmung mit dem auf Empfehlung des Senats im Berufungsverfahren formulierten Sachantrag auch das Begehren, dem Kläger für den Fall, dass eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2000 nicht in Betracht kommen sollte, hilfsweise – und zwar ab dem 1. Januar 2001 – eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen neuen Recht der Renten wegen Erwerbsminderung (d. h. nach § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB VI – in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung – n. F. –) zu gewähren. Denn bei lebensnaher Auslegung ist davon auszugehen, dass es für den Kläger von untergeordneter Bedeutung ist, nach welcher jeweils geltenden Vorschrift ihm ein Anspruch zuerkannt wird. Da er geltend macht, er könne wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr (voll) arbeiten, ist sein Klageziel – abgesehen vom Sonderfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit – auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung schlechthin gerichtet. Eine Beschränkung des Klageanspruchs auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach altem Recht, d. h. auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.), liegt nicht vor (vgl. hierzu grundlegend BSG SozR 4-2600 § 43 Nr. 3).

Der Klageanspruch im zuvor beschriebenen Sinne, bei dem der Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung den Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht nur in gesundheitlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht umschließt, umfasst indes nicht den vom Kläger bei Klageerhebung ursprünglich auch anhängig gemachten Antrag, ihm – hilfsweise – eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Denn diesen Antrag, der bei lebensnaher Auslegung zugleich das Begehren beinhaltet, dem Kläger hilfsweise ab dem 1. Januar 2001 nach dem an diesem Tag in Kraft getretenen neuen Recht der Renten wegen Erwerbsminderung eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach der Übergangsregelung des § 240 SGB VI n. F. zu gewähren, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20. Januar 2004 zurückgenommen. Gegen die Wirksamkeit dieser Rücknahme bestehen keine Bedenken. Denn die Rente wegen Berufsunfähigkeit/Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stellt gegenüber der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Rente wegen Erwerbsminderung kein Minus dar. Vielmehr überschneiden sich diese Renten lediglich in gesundheitlicher, nicht jedoch in rechtlicher Hinsicht mit der Folge dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit/Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gegenüber der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Rente wegen Erwerbsminderung eine eigene selbständige Leistung im Sinne eines so genannten aliuds ist. Dies hat das Bundessozialgericht ausdrücklich zu den die Renten wegen Erwerbsunfähigkeit und wegen Berufsunfähigkeit bis zum 31. Dezember 1991 regelnden Vorschriften der §§ 1246, 1247 der Reichsversicherungsordnung entschieden (vgl. hierzu z. B. BSGE 28, 292 (294)). Hieran ist für die hier in Rede stehenden Renten wegen Erwerbsunfähigkeit/Rente wegen Erwerbsminderung und Rente wegen Berufsunfähigkeit/Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit festzuhalten (vgl. zu den Renten wegen Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB IV a. F. LSG Berlin, Urteil vom 12. September 2001 – L 6 RJ 83/00 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2006 – L 6 RJ 34/04 –).

Die auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2000, hilfsweise auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2001, gerichtete Klage ist in Gestalt der Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Insbesondere ist das Erfordernis eines ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens erfüllt. Denn die Beklagte hat mit ihrem dem Ablehnungsbescheid vom 29. Juni 2000 Gestalt gebenden Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2001 ausdrücklich nicht nur über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, sondern auch über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung entschieden.

Die gegen die Rentenablehnung gerichtete Klage ist jedoch unbegründet. Denn der Ablehnungsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht weder der ab dem 1. Januar 2000 verfolgte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch der hilfsweise ab dem 1. Januar 2001 verfolgte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Denn eine rechtlich erhebliche Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ist bisher weder nach § 44 SGB VI a. F. noch nach § 43 SGB VI n. F. eingetreten.

Nach § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. ist Erwerbsunfähigkeit anzunehmen, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 Deutsche Mark übersteigt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI n. F. liegt – ungeachtet ihrer Einstufung als volle oder teilweise Erwerbsminderung – eine rechtlich beachtliche Erwerbsminderung vor, wenn der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn der Kläger ist bis heute in der Lage, vollschichtig jedenfalls körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu verrichten. Zu vermeiden sind hierbei lediglich Arbeiten, die mit Zwangshaltungen des Rumpfes bzw. gehäuftem Bücken, Knien und Hocken verbunden sind, sowie Überkopfarbeiten und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Arbeiten unter negativen Witterungseinflüssen, wie Nässe, Kälte, Zugluft und atemreizenden Substanzen. Ferner kommen Arbeiten unter Zeitdruck und in Wechselschicht nicht in Betracht.

Hinsichtlich des beschriebenen Leistungsvermögens folgt der Senat der Einschätzung der im Berufungsverfahren mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens sowie einer ergänzenden Stellungnahme beauftragten Fachärztin für Innere Medizin Dr. J, die sowohl in ihrem Gutachten vom 30. Juni 2005 als auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2007 ausgeführt hat, dass der Kläger an einer ehemals coronaren 2-Gefäßerkrankung mit Zustand nach PTCA mit Stent der RCA und PTCA des Radius diagonales mit ausreichendem Langzeitergebnis, einer arteriellen Hypertonie Stadium II mit geringgradiger hypertensiver Herzkrankheit, einer Hypercholesterolämie mit beginnendem metabolischem Syndrom, einem stabilen Asthma bronchiale, einem Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschäden, einem Halswirbelsäulensyndrom sowie einem Nikotinabusus leide, er jedoch trotz dieser Leiden in dem zuvor beschriebenen Umfang vollschichtig tätig sein könne. Diese Ausführungen hält der Senat für überzeugend. Denn sie beruhen auf einer körperlichen Untersuchung des Klägers sowie einer umfassenden Auswertung sämtlicher bis zum Beginn des Jahres 2007 zu den Akten gereichten ärztlichen Unterlagen und würdigen die bei dem Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen – entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung des Senats dargelegten Auffassung auch im Rahmen einer Gesamtschau – in sich stimmiger und nachvollziehbarer Weise. Insbesondere begegnet hierbei die mit Blick auf die Herzerkrankung und die arterielle Hypertonie gewonnene Einschätzung keinen Bedenken, weil die insoweit von der Sachverständigen selbst bzw. den behandelnden Ärzten des Klägers erhobenen Befunde weder Beeinträchtigungen von Gewicht noch deutliche Verschlechterungen erkennen lassen. Vielmehr belegen sie, dass die Behandlung der Herzerkrankung zu befriedigenden Langzeitergebnissen geführt hat und die Hypertonie bei konsequenter Therapie, zu der im Übrigen nicht nur die Gabe von Medikamenten, sondern – neben der vom Kläger in der letzten Zeit mit Erfolg angegangenen Gewichtsreduktion – insbesondere diätetische Maßnahmen sowie sportliche Aktivitäten gehören, beherrschbar erscheint. Letzteres gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass Hinweise auf eine progrediente Endorganschädigung bislang nicht bestehen.

Die von der Sachverständigen Dr. J gewonnene Einschätzung steht im Übrigen im Einklang mit den Ausführungen der weiteren im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit dem Fall des Klägers befassten Sachverständigen. So ist bereits die Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie Dr. G in ihrem Gutachten vom 22. September 2003 zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen. Ferner hat der Augenarzt Dr. V in seinem Gutachten vom 23. April 2005 überzeugend dargelegt, dass sich die vom Kläger geklagten Sehstörungen nicht hätten verifizieren lassen mit der Folge, dass in augenärztlicher Hinsicht Einschränkungen des Leistungsvermögens nicht bestünden. Schließlich hat der Facharzt für Orthopädie Dr. R in seinem Gutachten vom 31. Juli 2002 in orthopädischer Hinsicht letztlich nur degenerative Veränderungen am Haltungs- und Bewegungsapparat des Klägers feststellen könne, die nur in qualitativer, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers nach sich ziehen. Diese Ausführungen der im gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen stehen wiederum im Einklang mit den Darlegungen der Gutachter S, Dr. G und Dr. S, die die Beklagte im Antrags- bzw. Widerspruchsverfahren um Erstattung von Gutachten gebeten hatte. Ferner stimmen sie mit den Ausführungen im Entlassungsbericht des Reha-Klinikums H überein.

Mit Blick auf die überzeugenden Darlegungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen hält der Senat den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für ausreichend geklärt und die Einholung weiterer Gutachten dementsprechend nicht für erforderlich. Die Arztbriefe der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. R vom 7. Mai 2007 und des Facharztes für Diagnostische Radiologie, Neuroradiologie Dr. K vom 30. Juli 2007 vermögen hieran nichts zu ändern. Denn die radiologischen Befunde lassen allenfalls eine geringgradig progrediente Entwicklung der bereits umfassend festgestellten und gewürdigten Gesundheitsstörungen am Haltungs- und Bewegungsapparat des Klägers erkennen und sind zudem von dem behandelnden Orthopäden Dr. G in seinem Befundbericht vom 15. Oktober 2007 als nicht gravierend beschrieben worden. Auch den Darlegungen von Dipl.-Med. R lassen sich Veränderungen von Gewicht, die Anlass zu weiterer Begutachtung geben könnten, nicht entnehmen. Hiernach ist es zwar weiterhin nicht gelungen, den Bluthochdruck des Klägers zu stabilisieren. Die insbesondere bei Belastungen auftretenden Blutdruckschwankungen sind jedoch bereits Gegenstand des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme von Dr. J gewesen und dort bei der Feststellung des Leistungsvermögens insoweit berücksichtigt worden, als ausgeführt worden ist, dass dem Kläger Arbeiten unter Zeitdruck und in Wechselschicht nicht mehr zuzumuten seien. Daran hat sich nichts geändert. Dass die Blutdruckschwankungen möglicherweise auch in quantitativer Hinsicht Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers nach sich ziehen könnten, ist angesichts der allgemein gehaltenen Darlegungen von Dipl.-Med. R in ihrem Arztbrief vom 7. Mai 2007 nicht ersichtlich.

Ob der Kläger nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt eine offene Stelle finden kann, ist für die Entscheidung seines Falles unerheblich. Denn dieses Risiko ist bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Versicherten in der Regel nicht von der Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen. Ein Fall, in dem wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung trotz vollschichtigen Leistungsvermögens ausnahmsweise eine Verschiebung des abzudeckenden Risikos auf die Rentenversicherung in Betracht kommen könnte, ist nicht gegeben. Der Kläger unterliegt zwar einer Reihe von qualitativen Leistungseinschränkungen. Sie halten sich jedoch im Rahmen dessen, was durch den Begriff "leichte körperliche Tätigkeiten" umrissen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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