Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 4207/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 78/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt der Sache nach von der Beklagten die Bezahlung von Arzneimittellieferungen.
Er ist Apotheker mit Sitz in B und Mitglied des B A-Vereins (BAV). Im Jahr 2001 lieferte er auf Bestellung der in Hamburg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärztin für Nervenheilkunde. F A größere Mengen des Medikaments Botulinumtoxin Typ A (Botox). Die Ärztin übersandte ihm jeweils die von ihr ausgestellten Verordnungen (die Kopien hiervon im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Bl. 104 ff.) wird ergänzend Bezug genommen). Der Kläger lieferte die kühlungsbedürftigen Medikamente jeweils persönlich im Auto in einem entsprechenden Transportbehälter nach Hamburg zu der Ärztin. Diese verabreichte sie dann den Versicherten der Beklagten. Die Rezepte wurden von der Beklagten zunächst auf entsprechende Abrechnungen hin bezahlt. Mit Schreiben vom 12. September 2001 ("Tax-Beanstandung 3/2001") über 71.926,27 DM netto sowie vom 16. November 2001 ("Tax-Beanstandung 4/2001") über 17.436,30 DM netto beanstandete die Beklagte die Abrechnungen.
Der Kläger widersprach. Er betreibe keinen Versandhandel, sondern liefere aus seiner Apotheke heraus. Das Liefern gehöre zum normalen Service der Apotheken.
Die Beklagte zog die entsprechenden Geldbeträge ein. Der B Apothekenverein überwies ihr auf die Zahlungsaufforderungen vom 14. November 2001 (VV Bl. 93) 71.926,07 DM (entspricht 36.775,32 EUR) sowie auf die vom 23. Januar 2002 (GA Bl. 77) 17.436,30 DM (entspricht 8.915,04 EUR) an die Beklagte und zog die Summen von laufenden Forderungen des Klägers ab Der Kläger hat nach vorangegangenem außergerichtlichen Schriftwechsel am 30. Dezember 2004 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und verlangt die Zahlung von 45.689,36 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2003. Die verordnende Ärztin habe nicht gewollt, dass ihre Patienten das kühlkettenpflichtige Arzneimittel selbst in der Apotheke in Empfang nähmen, um es dann in die Praxis zu bringen, weil so die ununterbrochene Kühlung nicht gewährleistet gewesen sei. Sie habe sich deshalb mit ihren Patienten dahingehend abgestimmt, sich auf deren Wunsch die erforderlichen Medikamente von einem Apotheker in die Arztpraxis liefern zu lassen. Sie habe den Kläger angesprochen, der ihr persönlich als besonders zuverlässig bekannt gewesen sei.
Die Beklagte hat Verjährungseinrede erhoben. Der Kläger habe gegen § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) (Versandhandelsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel), gegen § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (Arzneimittelabgabe nur in Apothekenbetriebsräumen) sowie § 11 des Gesetzes über das Apothekenwesen (APOG] (Verbot der Absprache mit Ärzten) verstoßen. Auch habe der Kläger den für ihn verbindlichen Arzneimittelliefervertrag für B vom 15. Juni 1999 nicht beachtet. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 17. März 2005 -B 3 KR 32/05 R- (Rn 17) komme der Kaufvertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke zustande, in dem der Apotheker das Angebot der Krankenkasse, das in der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung liege, dadurch annehme, dass er dem Versicherten (und nicht dem Arzt) das Arzneimittel aushändige. Die Belieferung von Ärzten sei nur für Sprechstundenbedarf zulässig.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Juli 2006 abgewiesen. Ein Zahlungsanspruch bestehe weder aus § 433 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 69 S. 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) i. V. m. § 129 SGB V sowie den Vorschriften des Berliner Arzneiliefervertrages oder alternativ aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB i. V. m. § 69 S. 3 SGB V. Die jeweiligen Kaufpreisangebote der Beklagten seien unter der Bedingung der Einhaltung des hier anzuwendenden § 2 Abs. 2 des Berliner Arzneiliefervertrag gemäß § 2 Abs. 2 Berliner Arzneiliefervertrag i. V. m. § 2 Abs. 4 S. 2 Rahmenvereinbarung über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V erfolgt. Arzneimittel, die wie hier keinen Sprechstundenbedarf decken sollten, dürften nur an Versicherte und nicht an die sie behandelnden Ärzte abgegeben werden. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 AVG dürften Apotheker mit Ärzten keine Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hätten. Absprache sei dabei ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken, das auch stillschweigend vereinbart werden oder sich aus einer eingespielten Übung bzw. schlüssigem Verhalten hervorgehe könne. Auf Zuweisung von Verschreibungen sei die Absprache gerichtet, sofern sie dem Zweck diene, ärztliche Verschreibungen unter Ausschluss anderer Apotheken unmittelbar einer einzelnen Apotheke zukommen zu lassen. Entscheidendes Kriterium sei insoweit, dass der Arzt dem Patienten die Verschreibung nicht aushändige, sondern unmittelbar der begünstigten Apotheke zugehen lasse, mithin dem Versicherten die Freiheit genommen werde, die Apotheke, in der er ein vom Arzt ausgestelltes Rezept einlösen wolle, frei zu wählen (Hinweis auf OVG Münster NVwZ-RR 2000 S. 216, 217). Eine Absprache in diesem Sinne habe hier sowohl nach dem eigenen Vortrag des Klägers bestanden und ergebe sich auch aus der Menge der gelieferten Arzneimittel und der daraus abzuleitenden tatsächlichen Übung. Die Beklagte habe gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 des Berliner Arzneiliefervertrages vorbehaltlich etwaiger Beanstandungen geleistet und könne deshalb das Geleistete ungeachtet der Vorschrift des § 814 BGB in Verbindung § 69 S. 3 SGB V zurückverlangen.
Mit seiner Berufung greift der Kläger das Urteil an. Bereits falsch sei, den Berliner Arzneiliefervertrag zu Grunde zu legen. Die Beklagte habe diesen nicht abgeschlossen. Aber auch nach diesem Vertrag sei es falsch, dass Arzneimittel außerhalb des Sprechstundenbedarfes nicht an Ärzte angegeben werden dürften. Möglich sei die Lieferung an Ärzte als Geheißpersonen der Versicherten. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 des Arzneiliefervertrages habe auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 11 Abs. 1 APOG nicht vorgelegen. Es sei zwar richtig, dass die Ärztin dem Kläger wiederholt Rezepte zugesandt habe. Dies sei zum Schutz der Patienten erfolgt. Die Ärztin habe ihm hinsichtlich der ordnungsgemäßen Lieferung der einer ununterbrochenen Kühlungskette bedürfenden Medikamente vertraut. Sie habe auf Wunsch der Patienten das Verschaffen der Medikamente übernommen und sich dann von dem Kläger als Apotheker ihres Vertrauens direkt in die Arztpraxis liefern lassen. Sie sei aber auch von Hamburger Apothekern beliefert worden. Genauso, wie ein Versicherter einen Boten zur Abholung eines Medikaments zur Apotheke schicken könne, könne insoweit auch der Arzt eingesetzt werden. Sähe man dies anders, verletzte § 3 des Arzneimittelliefervertrages Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Apotheker sei hier nämlich zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung nicht gerechtfertigt. Schließlich sei selbst bei einer Vertragsverletzung der Ausschluss auch eines Bereicherungsanspruches nicht gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BSG solle dadurch zwar verhindert werden, Arzt und Apotheker zur Umgehung von Bestimmungen zu ermuntern, solange die Sanktion tatsächlich fühlbar sei. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn verfassungswidrige Beschränkungen in Rahmenvereinbarungen Berufsinteressen exekutierten, ohne dass die Gesundheitsinteressen der Versicherten gefährdet sei (GA Bl. 84 ff.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 45.689.36 EUR nebst 5 % über dem Basiszins seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und wiederholt ihre Argumente. Der Arzt müsse dem Patienten die Verschreibung aushändigen. Das Verbot des § 11 APOG, wonach Ärzte und Apotheker keine Absprachen treffen dürften, die eine Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hätten, könne nicht durch die Konstruktion einer Botenstellung umgangen werden (GA Bl. 91). Sie hat den "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V §§ 1 bis 3 und 5 bis 9 in der Fassung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. August 2001 eingereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die eingereichten genannten Verträge, sowie den weiteren Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Zahlungsklage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Der Kläger muss nicht erst von der Beklagten eine Bescheidung erwirken, weil sich Apotheker und Krankenkasse in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. 08. 2007 im Parallelverfahren L 31 KR 91/07 des Klägers mit Bezugnahme auf BSGE 94, 213).
Die Klage ist unbegründet.
Der Senat verweist hierzu auf die Ausführungen des 31. Senats im genannten Urteil (nachfolgend nahezu vollständig wörtlich wiedergegeben), denen er sich als überzeugend anschließt. Dem Kläger standen in dem Zeitraum, in dem die Beklagte über den BVereins ihre Retaxierungen vorgenommen hat, unstreitige Zahlungsansprüche wegen laufender Arzneimittellieferungen zu. Rechtsgrundlage des Zahlungsbegehrens des Klägers ist § 433 Abs. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 129 SGB V und den Vorschriften des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V (im Folgenden Rahmenvertrag) sowie des Arzneilieferungsvertrages (ALV) Berlin. Diese Vorschriften sind einerseits für den Kläger verbindlich, weil er Mitglied des B A-Vereins ist (§ 129 Abs. 3 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 24 ALV), andererseits gelten sie auch im Verhältnis zur Beklagten. Soweit ergänzende Verträge durch die Landesverbände der Krankenkassen geschlossen sind, ist nach § 2 Abs. 4 Rahmenvertrag der für den Sitz der Apotheke geltende Vertrag der jeweiligen Kassenart anzuwenden. Ausreichend für die Bindung an den ALV im Verhältnis zwischen den Beteiligten ist also, dass die AOK Berlin einen Vertrag für ihre Kassenart geschlossen hat; damit ist unerheblich, dass die Beklagte selbst eine andere AOK ist.
Seit der Neufassung des § 69 Satz 3 (jetzt Satz 4) SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2000 gelten die Vorschriften des Kaufrechts in analoger Anwendung bei Verträgen zwischen Krankenkassen und Apothekern, soweit es sich um die Abgabe von vertragsärztlich verordneten Medikamenten an Kassenpatienten handelt, weil seitdem die Rechtsbeziehungen zwischen Apotheken und Krankenkassen ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur sind (vgl. BSGE 94, 213, 215 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 dort RdNr. 9). Da vorliegend nur die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte seit dem 1. Januar 2000 in Streit ist, gilt Kaufrecht also nicht mehr unmittelbar, sondern in analoger Anwendung des § 433 BGB.
Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt -hier konkret, indem die eingeschaltete Verrechnungsstelle jeweils von den laufenden Rezepte-Abrechnungen um die Beträge als "Berichtigung für Vormonate" abgezogen hat, -steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit, ohne dass es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf (vgl. BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2 jeweils RdNr. 6).
Die Beklagte berühmt sich über die Verrechnungsstelle gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet zu haben, nämlich mit einem Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger in Höhe von insgesamt 45.689.36 EUR. Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (Retaxierung) gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall, denn der Beklagten steht der behauptete Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger zu.
Das von der Beklagten geltend gemachte Rückforderungsbegehren basiert auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSGE 93, 137, 140 f = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2 und BSGE 69, 158, 160 = SozR 3-3100 § 113 Nr. 1). Ein öffentliches Rechtsverhältnis lag hier - wie ausgeführt - vor. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen (Palandt-Sprau, BGB, 65. Aufl. 2006, § 812 RdNr. 68). Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können. Diesen Grundsatz hat das BSG für den Bereich des Arzneimittelrechts dahingehend konkretisiert, dass bei einem unwirksamen Kaufvertrag zwischen Apotheker und Krankenkassen die gezahlte Arzneimittelvergütung zurückgefordert werden kann. Damit sind nach der Rechtsprechung des BSG Taxberichtigungen/Retaxierungen grundsätzlich auch dann möglich, wenn sich nachträglich herausstellt, dass es z. B. an einer ordnungsgemäßen ärztlichen Verordnung mangelt, ein Medikament nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wird oder unter Verstoß gegen die Bestimmungen des ALV abgegeben worden ist (vgl. BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 2 RdNr. 30). Entsprechendes gilt bei sonstigen Verstößen gegen die Vorgaben des § 129 SGB V und die sie konkretisierenden Bestimmungen des Rahmenvertrages, so auch bei einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 SGB V, welches durch § 129 Abs. 1 SGB V eine Konkretisierung in der Arzneimittelversorgung erfahren hat.
Die einschlägigen Abgabebestimmungen sind vorliegend- entgegen der Auffassung des Klägers - nicht eingehalten worden, so dass das geltend gemachten Rückforderungsbegehren besteht.
Arzneimittel sind als Bestandteil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, §§ 31 und 34 SGB V) wie diese als Sachleistung zu erbringen. Dementsprechend gehen auch § 129 SGB V und die diversen Arzneilieferungsverträge davon aus, dass der Versicherte die vom Apotheker unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung erworbenen Arzneimittel auf Kosten seiner Krankenkasse erhält, d. h. die Krankenkasse wird vertraglich zur Zahlung des Preises bzw. des Festpreises (§ 35 SGB V) abzüglich des vereinbarten Kassenrabatts (§ 130 SGB V) und etwaiger vom Versicherten zu tragenden Zuzahlungen (§ 31 Abs. 3, § 43b Abs. 1, § 61 SGB V) oder Verordnungsgebühren verpflichtet. Demgemäß regeln die Verträge die von der Krankenkasse an den Apotheker zu leistenden Zahlungen. Der Vertragsarzt als "Schlüsselfigur" der Arzneimittelversorgung (vgl. BSGE 77, 194, 200 = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1) verordnet dem Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel, das er bei der diagnostizierten Krankheit als medizinisch notwendig erachtet. Bei Ausstellung dieser Verordnung handelt er kraft der ihm durch das Kassenarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der Krankenkasse. Der Versicherte übermittelt als Bote das in dem Kassenrezept verkörperte Vertragsangebot an den Apotheker, wobei er hinsichtlich der Auswahl der Apotheke gleichzeitig als Vertreter der Krankenkasse fungiert. Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das Arzneimittel aushändigt (BSGE 94, 213, 215 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 RdNr. 11). Damit kommt der Kaufvertrag (§ 433 BGB analog) zwischen Apotheker und Krankenkasse zustande. Der Versicherte ist lediglich begünstigter Dritter (§ 328 BGB analog), er ist aber nicht selbst Vertragspartner und Schuldner des Apothekers, auch soweit er eine Zuzahlung nach § 31 Abs. 3 SGB V entrichtet. Ob anderes gilt, wenn für ein Arzneimittel ein Festbetrag festgesetzt worden ist (§ 35 SGB V), hat das BSG offen gelassen (zum ganzen BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 2 RdNr. 20).
Die unmittelbare Abgabe von Arzneimitteln vom Apotheker an den Vertragsarzt ist dabei ebenso wenig wie die Auswahl der Apotheke durch den Arzt als Vertreter der Krankenkasse vorgesehen. Auch wenn in der Literatur umstritten ist, ob - wie das BSG meint - der Versicherte "nur" Erklärungs- und Empfangsbote beim Zustandekommen des Kaufvertrages und nicht selbst Vertragspartner ist (dagegen etwa Dettling, Arzneimittel und Recht 2005 S. 51, 56), ist es jedenfalls das Recht des Versicherten als Vertreter der Kasse die Apotheke auszuwählen. Der Versicherte hat das unbeschränkte Wahlrecht unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag gilt (so nunmehr klarstellend § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Dieser Wahlfreiheit entspricht auch das Beeinflussungsverbot in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALV. Mit diesem Abgabesystem ist zum Ausdruck gebracht, dass neben der Verordnung durch den Vertragsarzt der Gesetzgeber aus Gründen der Arzneisicherheit bei der Abgabe der Arzneimittel eine persönliche Information und Beratungsmöglichkeit durch den frei gewählten Apotheker für geboten hält. Bereits insoweit ist auch ein etwaiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Apothekers gerechtfertigt. Daneben sollen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung, welche auch ein wichtiger Gemeinschaftsgut darstellt, welches der Freiheit der Berufsausübung Grenzen setzen kann, auch Abhängigkeiten zwischen Arzt und Apotheker vermieden werden, denn der Apotheker hat (wenngleich nur eingeschränkte) Prüfungspflichten im Hinblick auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes der Verordnungsweise (vgl. etwa § 4 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 9 Sätze 3 und 4 ALV), denen ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse an einer regelmäßigen Zusammenarbeit entgegenstünde. Die Krankenkasse darf daher die Auswahl der Apotheke ausdrücklich nicht dem Arzt überlassen. Vorliegend hat eine Auswahl durch die Versicherten nicht stattgefunden. Der Vortrag des Klägers muss ohne weiteres dahin verstanden werden, dass die Ärztin ihren Patienten keine Auswahl derjenigen Apotheken gegeben hat, die - und sei es nur aus ihrer Sicht - die erforderliche Versorgung durchführen konnten. Es wird vom Kläger auch nicht behauptet, dass eine geeignete Versorgung nicht auch von anderen Apothekern durchgeführt werden konnte. Eine besondere Eignung des Klägers zur Versorgung mit kühlkettenpflichtigen Medikamenten muss ohnehin verneint werden. Dies dürfte zu den allgemeinen Pflichten eines Apothekers gehören, die von jedem Leistungserbringer erwartet werden. Damit ist die Auswahl der Apotheke nicht entsprechend der Abgabebestimmungen erfolgt und ein Kaufvertrag auf Grundlage dieser Abgabebestimmungen nicht zustande gekommen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch besteht. Die Beklagte durfte daher bei der Aufrechnung mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger den Gesamtbetrag der Kosten der vertragswidrig gelieferten Arzneimittel in Abzug bringen.
§ 11 APOG stützt dieses Ergebnis, so dass dessen ergänzende Heranziehung durch das SG aus Sicht des Senates richtig ist.
Einen rechtlich relevanten geänderten Sachverhalt bzw. neue rechtliche Argumente bringt der Kläger im hiesigen Verfahren nicht vor. Es ist auch hier insbesondere nicht ersichtlich, dass die Vertragsärztin lediglich "Botin" der Versicherten gewesen wäre. Bereits nach dem Sachvortrag des Klägers steht vielmehr zur Überzeugung des Senats fest, dass die Vertragsärztin entscheiden durfte, welcher Apotheker das Arzneimittel liefern sollte. Sie ist damit jedenfalls hinsichtlich der Auswahl der Apotheken Vertreterin der Versicherten gewesen. Diese Auswahl hätte sie nicht vornehmen dürfen.
Der Kläger kann abschließend auch nicht mit seinem Einwand durchdringen, ihm stünde statt des Kaufpreisanspruches jedenfalls ein bereicherungsrechtlicher Gegenanspruch zur Verfügung, weil er die Arzneimittel nicht im Ergebnis kostenlos zur Verfügung stellen müsse, die Beklagte also ihrerseits bereichert sein würde. Fehlt es nämlich an einer vertraglichen Rechtsgrundlage, scheitern auch (etwaige Gegen-)Ansprüche aus Gesetz. Die gesetzliche Krankenversicherung hat nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung den Zweck, den Versicherten von Krankheitskosten zu entlasten. Ihre Aufgabe ist es nicht, den Leistungsanbieter im Gesundheitswesen vor ungedeckten Kosten zu schützen, wenn dieser an Versicherte Leistungen erbringt. Das gilt auch, soweit die Krankenkasse Aufwendungen einspart, die ihr sonst durch die von ihr dem Versicherten gegenüber geschuldete Behandlung entstanden wären. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Grundsätze des Leistungserbringungsrechts einem auf den Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereichung gestützten Anspruch gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenstehen, wenn Leistungen an Versicherte erbracht werden, zu denen der Leistungserbringer nach diesen Grundsätzen nicht berechtigt ist (BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 21/099 R – SozR 3-2500 § 13 Nr. 21 S. 97f; Urteil vom 4. Mai 1994 – 6 RKa 40/93 – SozR 3-2500 § 85 Nr. 6 S. 35f). Dies folgt mittlerweile direkt aus § 69 Satz 1 SGB V. Das SGB V regelt danach abschließend die Rechtsbeziehungen. Bestimmungen, welche die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter Formalien oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Dies wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht werden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Die Regelungen über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten nur funktionieren, wenn der Leistungserbringer die rechtswidrig bewirkte Leistung nicht doch über einen Wertersatz im Ergebnis vergütet bekäme (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R – Juris). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht uneingeschränkt. Ist zwischen den Beteiligten die grundsätzliche Berechtigung zur Erbringung der Leistungen, für die eine Vergütung begehrt wird, nicht streitig, kommen auch Ansprüche aus Gesetz, insbesondere aus Bereichungsrecht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R – SozR 4-2500 § 39 Nr. 1 S. 9; Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03, a. a. O.). Dies ist aber nur dadurch gerechtfertigt, dass sich in diesen Fällen der Leistungserbringer nicht außerhalb des Leistungserbringungsrechtes bewegt, wenn ihm die Krankenkasse die Leistungserbringung dem Grunde nach erlaubt und beispielsweise nur ein Dissens über die Höhe des Kostenanspruches besteht. Eine solche Konstellation ist vorliegend nicht gegeben. Die Arzneimittellieferungen erfolgten außerhalb der Vorschriften.
Der Kläger kann sich –wie bereits dargelegt- nicht mit Erfolg auf Art. 12 Abs. 1 und 2 GG berufen. Das Verbot einer Zuweisung von Verschreibungen durch den Arzt an den Apotheker basiert auf dem Grundsatz einer strengen Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des Apothekers. Diese Trennung ist sachlich begründet. Mit ihr soll einerseits gewährleistet werden, dass der Arzt sich bei der Auswahl der Arzneimittel ausschließlich von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärztlichen Gewissen leiten lässt; andererseits soll sie dazu beitragen, dass der Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der Belieferung von Verschreibungen sachlich und eigenverantwortlich wahrnimmt (so zutreffend Bundesverwaltungsgericht, B. v. 24.03.1994 -3 B 49/93 NJW 1995, 1697 Juris Rdnr. 8 in einem Fall, bei dem Arzt und Apotheker gemeinsam ein Arzneimittel erfunden hatten). Die Berufsausübung kann beschränkt werden, selbst wenn dies nur im weitesten Sinne dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dient (Bundesverfassungsgericht [BverfG], U. v. 11.02.2003 -1 BvR 1972/00 u. 1 BvR 70/01 BVerfGE 107 Rdnr. 42). Hier geht es gerade nicht nur um den Praxisbedarf des Arztes an Impfstoffen (vgl. BVerfG. a. a. O. Rndr. 60), sondern um normale Arzneimittelabgabe an Patienten. Im Übrigen ist auch die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ein wichtiges Gemeinschaftsgut. Die dazu erforderliche oben angeführte Wirtschaftlichkeit der Versorgung ist ausdrücklich vom Gesetz verlangt, §§ 70 Abs. 1 S. 2, 71 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt der Sache nach von der Beklagten die Bezahlung von Arzneimittellieferungen.
Er ist Apotheker mit Sitz in B und Mitglied des B A-Vereins (BAV). Im Jahr 2001 lieferte er auf Bestellung der in Hamburg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärztin für Nervenheilkunde. F A größere Mengen des Medikaments Botulinumtoxin Typ A (Botox). Die Ärztin übersandte ihm jeweils die von ihr ausgestellten Verordnungen (die Kopien hiervon im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Bl. 104 ff.) wird ergänzend Bezug genommen). Der Kläger lieferte die kühlungsbedürftigen Medikamente jeweils persönlich im Auto in einem entsprechenden Transportbehälter nach Hamburg zu der Ärztin. Diese verabreichte sie dann den Versicherten der Beklagten. Die Rezepte wurden von der Beklagten zunächst auf entsprechende Abrechnungen hin bezahlt. Mit Schreiben vom 12. September 2001 ("Tax-Beanstandung 3/2001") über 71.926,27 DM netto sowie vom 16. November 2001 ("Tax-Beanstandung 4/2001") über 17.436,30 DM netto beanstandete die Beklagte die Abrechnungen.
Der Kläger widersprach. Er betreibe keinen Versandhandel, sondern liefere aus seiner Apotheke heraus. Das Liefern gehöre zum normalen Service der Apotheken.
Die Beklagte zog die entsprechenden Geldbeträge ein. Der B Apothekenverein überwies ihr auf die Zahlungsaufforderungen vom 14. November 2001 (VV Bl. 93) 71.926,07 DM (entspricht 36.775,32 EUR) sowie auf die vom 23. Januar 2002 (GA Bl. 77) 17.436,30 DM (entspricht 8.915,04 EUR) an die Beklagte und zog die Summen von laufenden Forderungen des Klägers ab Der Kläger hat nach vorangegangenem außergerichtlichen Schriftwechsel am 30. Dezember 2004 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und verlangt die Zahlung von 45.689,36 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2003. Die verordnende Ärztin habe nicht gewollt, dass ihre Patienten das kühlkettenpflichtige Arzneimittel selbst in der Apotheke in Empfang nähmen, um es dann in die Praxis zu bringen, weil so die ununterbrochene Kühlung nicht gewährleistet gewesen sei. Sie habe sich deshalb mit ihren Patienten dahingehend abgestimmt, sich auf deren Wunsch die erforderlichen Medikamente von einem Apotheker in die Arztpraxis liefern zu lassen. Sie habe den Kläger angesprochen, der ihr persönlich als besonders zuverlässig bekannt gewesen sei.
Die Beklagte hat Verjährungseinrede erhoben. Der Kläger habe gegen § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) (Versandhandelsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel), gegen § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (Arzneimittelabgabe nur in Apothekenbetriebsräumen) sowie § 11 des Gesetzes über das Apothekenwesen (APOG] (Verbot der Absprache mit Ärzten) verstoßen. Auch habe der Kläger den für ihn verbindlichen Arzneimittelliefervertrag für B vom 15. Juni 1999 nicht beachtet. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 17. März 2005 -B 3 KR 32/05 R- (Rn 17) komme der Kaufvertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke zustande, in dem der Apotheker das Angebot der Krankenkasse, das in der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung liege, dadurch annehme, dass er dem Versicherten (und nicht dem Arzt) das Arzneimittel aushändige. Die Belieferung von Ärzten sei nur für Sprechstundenbedarf zulässig.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Juli 2006 abgewiesen. Ein Zahlungsanspruch bestehe weder aus § 433 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 69 S. 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) i. V. m. § 129 SGB V sowie den Vorschriften des Berliner Arzneiliefervertrages oder alternativ aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB i. V. m. § 69 S. 3 SGB V. Die jeweiligen Kaufpreisangebote der Beklagten seien unter der Bedingung der Einhaltung des hier anzuwendenden § 2 Abs. 2 des Berliner Arzneiliefervertrag gemäß § 2 Abs. 2 Berliner Arzneiliefervertrag i. V. m. § 2 Abs. 4 S. 2 Rahmenvereinbarung über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V erfolgt. Arzneimittel, die wie hier keinen Sprechstundenbedarf decken sollten, dürften nur an Versicherte und nicht an die sie behandelnden Ärzte abgegeben werden. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 AVG dürften Apotheker mit Ärzten keine Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hätten. Absprache sei dabei ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken, das auch stillschweigend vereinbart werden oder sich aus einer eingespielten Übung bzw. schlüssigem Verhalten hervorgehe könne. Auf Zuweisung von Verschreibungen sei die Absprache gerichtet, sofern sie dem Zweck diene, ärztliche Verschreibungen unter Ausschluss anderer Apotheken unmittelbar einer einzelnen Apotheke zukommen zu lassen. Entscheidendes Kriterium sei insoweit, dass der Arzt dem Patienten die Verschreibung nicht aushändige, sondern unmittelbar der begünstigten Apotheke zugehen lasse, mithin dem Versicherten die Freiheit genommen werde, die Apotheke, in der er ein vom Arzt ausgestelltes Rezept einlösen wolle, frei zu wählen (Hinweis auf OVG Münster NVwZ-RR 2000 S. 216, 217). Eine Absprache in diesem Sinne habe hier sowohl nach dem eigenen Vortrag des Klägers bestanden und ergebe sich auch aus der Menge der gelieferten Arzneimittel und der daraus abzuleitenden tatsächlichen Übung. Die Beklagte habe gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 des Berliner Arzneiliefervertrages vorbehaltlich etwaiger Beanstandungen geleistet und könne deshalb das Geleistete ungeachtet der Vorschrift des § 814 BGB in Verbindung § 69 S. 3 SGB V zurückverlangen.
Mit seiner Berufung greift der Kläger das Urteil an. Bereits falsch sei, den Berliner Arzneiliefervertrag zu Grunde zu legen. Die Beklagte habe diesen nicht abgeschlossen. Aber auch nach diesem Vertrag sei es falsch, dass Arzneimittel außerhalb des Sprechstundenbedarfes nicht an Ärzte angegeben werden dürften. Möglich sei die Lieferung an Ärzte als Geheißpersonen der Versicherten. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 des Arzneiliefervertrages habe auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 11 Abs. 1 APOG nicht vorgelegen. Es sei zwar richtig, dass die Ärztin dem Kläger wiederholt Rezepte zugesandt habe. Dies sei zum Schutz der Patienten erfolgt. Die Ärztin habe ihm hinsichtlich der ordnungsgemäßen Lieferung der einer ununterbrochenen Kühlungskette bedürfenden Medikamente vertraut. Sie habe auf Wunsch der Patienten das Verschaffen der Medikamente übernommen und sich dann von dem Kläger als Apotheker ihres Vertrauens direkt in die Arztpraxis liefern lassen. Sie sei aber auch von Hamburger Apothekern beliefert worden. Genauso, wie ein Versicherter einen Boten zur Abholung eines Medikaments zur Apotheke schicken könne, könne insoweit auch der Arzt eingesetzt werden. Sähe man dies anders, verletzte § 3 des Arzneimittelliefervertrages Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Apotheker sei hier nämlich zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung nicht gerechtfertigt. Schließlich sei selbst bei einer Vertragsverletzung der Ausschluss auch eines Bereicherungsanspruches nicht gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BSG solle dadurch zwar verhindert werden, Arzt und Apotheker zur Umgehung von Bestimmungen zu ermuntern, solange die Sanktion tatsächlich fühlbar sei. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn verfassungswidrige Beschränkungen in Rahmenvereinbarungen Berufsinteressen exekutierten, ohne dass die Gesundheitsinteressen der Versicherten gefährdet sei (GA Bl. 84 ff.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 45.689.36 EUR nebst 5 % über dem Basiszins seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und wiederholt ihre Argumente. Der Arzt müsse dem Patienten die Verschreibung aushändigen. Das Verbot des § 11 APOG, wonach Ärzte und Apotheker keine Absprachen treffen dürften, die eine Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hätten, könne nicht durch die Konstruktion einer Botenstellung umgangen werden (GA Bl. 91). Sie hat den "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V §§ 1 bis 3 und 5 bis 9 in der Fassung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. August 2001 eingereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die eingereichten genannten Verträge, sowie den weiteren Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Zahlungsklage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Der Kläger muss nicht erst von der Beklagten eine Bescheidung erwirken, weil sich Apotheker und Krankenkasse in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. 08. 2007 im Parallelverfahren L 31 KR 91/07 des Klägers mit Bezugnahme auf BSGE 94, 213).
Die Klage ist unbegründet.
Der Senat verweist hierzu auf die Ausführungen des 31. Senats im genannten Urteil (nachfolgend nahezu vollständig wörtlich wiedergegeben), denen er sich als überzeugend anschließt. Dem Kläger standen in dem Zeitraum, in dem die Beklagte über den BVereins ihre Retaxierungen vorgenommen hat, unstreitige Zahlungsansprüche wegen laufender Arzneimittellieferungen zu. Rechtsgrundlage des Zahlungsbegehrens des Klägers ist § 433 Abs. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 129 SGB V und den Vorschriften des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V (im Folgenden Rahmenvertrag) sowie des Arzneilieferungsvertrages (ALV) Berlin. Diese Vorschriften sind einerseits für den Kläger verbindlich, weil er Mitglied des B A-Vereins ist (§ 129 Abs. 3 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 24 ALV), andererseits gelten sie auch im Verhältnis zur Beklagten. Soweit ergänzende Verträge durch die Landesverbände der Krankenkassen geschlossen sind, ist nach § 2 Abs. 4 Rahmenvertrag der für den Sitz der Apotheke geltende Vertrag der jeweiligen Kassenart anzuwenden. Ausreichend für die Bindung an den ALV im Verhältnis zwischen den Beteiligten ist also, dass die AOK Berlin einen Vertrag für ihre Kassenart geschlossen hat; damit ist unerheblich, dass die Beklagte selbst eine andere AOK ist.
Seit der Neufassung des § 69 Satz 3 (jetzt Satz 4) SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2000 gelten die Vorschriften des Kaufrechts in analoger Anwendung bei Verträgen zwischen Krankenkassen und Apothekern, soweit es sich um die Abgabe von vertragsärztlich verordneten Medikamenten an Kassenpatienten handelt, weil seitdem die Rechtsbeziehungen zwischen Apotheken und Krankenkassen ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur sind (vgl. BSGE 94, 213, 215 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 dort RdNr. 9). Da vorliegend nur die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte seit dem 1. Januar 2000 in Streit ist, gilt Kaufrecht also nicht mehr unmittelbar, sondern in analoger Anwendung des § 433 BGB.
Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt -hier konkret, indem die eingeschaltete Verrechnungsstelle jeweils von den laufenden Rezepte-Abrechnungen um die Beträge als "Berichtigung für Vormonate" abgezogen hat, -steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit, ohne dass es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf (vgl. BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2 jeweils RdNr. 6).
Die Beklagte berühmt sich über die Verrechnungsstelle gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet zu haben, nämlich mit einem Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger in Höhe von insgesamt 45.689.36 EUR. Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (Retaxierung) gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall, denn der Beklagten steht der behauptete Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger zu.
Das von der Beklagten geltend gemachte Rückforderungsbegehren basiert auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSGE 93, 137, 140 f = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2 und BSGE 69, 158, 160 = SozR 3-3100 § 113 Nr. 1). Ein öffentliches Rechtsverhältnis lag hier - wie ausgeführt - vor. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen (Palandt-Sprau, BGB, 65. Aufl. 2006, § 812 RdNr. 68). Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können. Diesen Grundsatz hat das BSG für den Bereich des Arzneimittelrechts dahingehend konkretisiert, dass bei einem unwirksamen Kaufvertrag zwischen Apotheker und Krankenkassen die gezahlte Arzneimittelvergütung zurückgefordert werden kann. Damit sind nach der Rechtsprechung des BSG Taxberichtigungen/Retaxierungen grundsätzlich auch dann möglich, wenn sich nachträglich herausstellt, dass es z. B. an einer ordnungsgemäßen ärztlichen Verordnung mangelt, ein Medikament nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wird oder unter Verstoß gegen die Bestimmungen des ALV abgegeben worden ist (vgl. BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 2 RdNr. 30). Entsprechendes gilt bei sonstigen Verstößen gegen die Vorgaben des § 129 SGB V und die sie konkretisierenden Bestimmungen des Rahmenvertrages, so auch bei einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 SGB V, welches durch § 129 Abs. 1 SGB V eine Konkretisierung in der Arzneimittelversorgung erfahren hat.
Die einschlägigen Abgabebestimmungen sind vorliegend- entgegen der Auffassung des Klägers - nicht eingehalten worden, so dass das geltend gemachten Rückforderungsbegehren besteht.
Arzneimittel sind als Bestandteil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, §§ 31 und 34 SGB V) wie diese als Sachleistung zu erbringen. Dementsprechend gehen auch § 129 SGB V und die diversen Arzneilieferungsverträge davon aus, dass der Versicherte die vom Apotheker unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung erworbenen Arzneimittel auf Kosten seiner Krankenkasse erhält, d. h. die Krankenkasse wird vertraglich zur Zahlung des Preises bzw. des Festpreises (§ 35 SGB V) abzüglich des vereinbarten Kassenrabatts (§ 130 SGB V) und etwaiger vom Versicherten zu tragenden Zuzahlungen (§ 31 Abs. 3, § 43b Abs. 1, § 61 SGB V) oder Verordnungsgebühren verpflichtet. Demgemäß regeln die Verträge die von der Krankenkasse an den Apotheker zu leistenden Zahlungen. Der Vertragsarzt als "Schlüsselfigur" der Arzneimittelversorgung (vgl. BSGE 77, 194, 200 = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1) verordnet dem Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel, das er bei der diagnostizierten Krankheit als medizinisch notwendig erachtet. Bei Ausstellung dieser Verordnung handelt er kraft der ihm durch das Kassenarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der Krankenkasse. Der Versicherte übermittelt als Bote das in dem Kassenrezept verkörperte Vertragsangebot an den Apotheker, wobei er hinsichtlich der Auswahl der Apotheke gleichzeitig als Vertreter der Krankenkasse fungiert. Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das Arzneimittel aushändigt (BSGE 94, 213, 215 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 RdNr. 11). Damit kommt der Kaufvertrag (§ 433 BGB analog) zwischen Apotheker und Krankenkasse zustande. Der Versicherte ist lediglich begünstigter Dritter (§ 328 BGB analog), er ist aber nicht selbst Vertragspartner und Schuldner des Apothekers, auch soweit er eine Zuzahlung nach § 31 Abs. 3 SGB V entrichtet. Ob anderes gilt, wenn für ein Arzneimittel ein Festbetrag festgesetzt worden ist (§ 35 SGB V), hat das BSG offen gelassen (zum ganzen BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 2 RdNr. 20).
Die unmittelbare Abgabe von Arzneimitteln vom Apotheker an den Vertragsarzt ist dabei ebenso wenig wie die Auswahl der Apotheke durch den Arzt als Vertreter der Krankenkasse vorgesehen. Auch wenn in der Literatur umstritten ist, ob - wie das BSG meint - der Versicherte "nur" Erklärungs- und Empfangsbote beim Zustandekommen des Kaufvertrages und nicht selbst Vertragspartner ist (dagegen etwa Dettling, Arzneimittel und Recht 2005 S. 51, 56), ist es jedenfalls das Recht des Versicherten als Vertreter der Kasse die Apotheke auszuwählen. Der Versicherte hat das unbeschränkte Wahlrecht unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag gilt (so nunmehr klarstellend § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Dieser Wahlfreiheit entspricht auch das Beeinflussungsverbot in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALV. Mit diesem Abgabesystem ist zum Ausdruck gebracht, dass neben der Verordnung durch den Vertragsarzt der Gesetzgeber aus Gründen der Arzneisicherheit bei der Abgabe der Arzneimittel eine persönliche Information und Beratungsmöglichkeit durch den frei gewählten Apotheker für geboten hält. Bereits insoweit ist auch ein etwaiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Apothekers gerechtfertigt. Daneben sollen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung, welche auch ein wichtiger Gemeinschaftsgut darstellt, welches der Freiheit der Berufsausübung Grenzen setzen kann, auch Abhängigkeiten zwischen Arzt und Apotheker vermieden werden, denn der Apotheker hat (wenngleich nur eingeschränkte) Prüfungspflichten im Hinblick auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes der Verordnungsweise (vgl. etwa § 4 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 9 Sätze 3 und 4 ALV), denen ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse an einer regelmäßigen Zusammenarbeit entgegenstünde. Die Krankenkasse darf daher die Auswahl der Apotheke ausdrücklich nicht dem Arzt überlassen. Vorliegend hat eine Auswahl durch die Versicherten nicht stattgefunden. Der Vortrag des Klägers muss ohne weiteres dahin verstanden werden, dass die Ärztin ihren Patienten keine Auswahl derjenigen Apotheken gegeben hat, die - und sei es nur aus ihrer Sicht - die erforderliche Versorgung durchführen konnten. Es wird vom Kläger auch nicht behauptet, dass eine geeignete Versorgung nicht auch von anderen Apothekern durchgeführt werden konnte. Eine besondere Eignung des Klägers zur Versorgung mit kühlkettenpflichtigen Medikamenten muss ohnehin verneint werden. Dies dürfte zu den allgemeinen Pflichten eines Apothekers gehören, die von jedem Leistungserbringer erwartet werden. Damit ist die Auswahl der Apotheke nicht entsprechend der Abgabebestimmungen erfolgt und ein Kaufvertrag auf Grundlage dieser Abgabebestimmungen nicht zustande gekommen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch besteht. Die Beklagte durfte daher bei der Aufrechnung mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger den Gesamtbetrag der Kosten der vertragswidrig gelieferten Arzneimittel in Abzug bringen.
§ 11 APOG stützt dieses Ergebnis, so dass dessen ergänzende Heranziehung durch das SG aus Sicht des Senates richtig ist.
Einen rechtlich relevanten geänderten Sachverhalt bzw. neue rechtliche Argumente bringt der Kläger im hiesigen Verfahren nicht vor. Es ist auch hier insbesondere nicht ersichtlich, dass die Vertragsärztin lediglich "Botin" der Versicherten gewesen wäre. Bereits nach dem Sachvortrag des Klägers steht vielmehr zur Überzeugung des Senats fest, dass die Vertragsärztin entscheiden durfte, welcher Apotheker das Arzneimittel liefern sollte. Sie ist damit jedenfalls hinsichtlich der Auswahl der Apotheken Vertreterin der Versicherten gewesen. Diese Auswahl hätte sie nicht vornehmen dürfen.
Der Kläger kann abschließend auch nicht mit seinem Einwand durchdringen, ihm stünde statt des Kaufpreisanspruches jedenfalls ein bereicherungsrechtlicher Gegenanspruch zur Verfügung, weil er die Arzneimittel nicht im Ergebnis kostenlos zur Verfügung stellen müsse, die Beklagte also ihrerseits bereichert sein würde. Fehlt es nämlich an einer vertraglichen Rechtsgrundlage, scheitern auch (etwaige Gegen-)Ansprüche aus Gesetz. Die gesetzliche Krankenversicherung hat nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung den Zweck, den Versicherten von Krankheitskosten zu entlasten. Ihre Aufgabe ist es nicht, den Leistungsanbieter im Gesundheitswesen vor ungedeckten Kosten zu schützen, wenn dieser an Versicherte Leistungen erbringt. Das gilt auch, soweit die Krankenkasse Aufwendungen einspart, die ihr sonst durch die von ihr dem Versicherten gegenüber geschuldete Behandlung entstanden wären. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Grundsätze des Leistungserbringungsrechts einem auf den Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereichung gestützten Anspruch gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenstehen, wenn Leistungen an Versicherte erbracht werden, zu denen der Leistungserbringer nach diesen Grundsätzen nicht berechtigt ist (BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 21/099 R – SozR 3-2500 § 13 Nr. 21 S. 97f; Urteil vom 4. Mai 1994 – 6 RKa 40/93 – SozR 3-2500 § 85 Nr. 6 S. 35f). Dies folgt mittlerweile direkt aus § 69 Satz 1 SGB V. Das SGB V regelt danach abschließend die Rechtsbeziehungen. Bestimmungen, welche die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter Formalien oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Dies wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht werden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Die Regelungen über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten nur funktionieren, wenn der Leistungserbringer die rechtswidrig bewirkte Leistung nicht doch über einen Wertersatz im Ergebnis vergütet bekäme (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R – Juris). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht uneingeschränkt. Ist zwischen den Beteiligten die grundsätzliche Berechtigung zur Erbringung der Leistungen, für die eine Vergütung begehrt wird, nicht streitig, kommen auch Ansprüche aus Gesetz, insbesondere aus Bereichungsrecht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R – SozR 4-2500 § 39 Nr. 1 S. 9; Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03, a. a. O.). Dies ist aber nur dadurch gerechtfertigt, dass sich in diesen Fällen der Leistungserbringer nicht außerhalb des Leistungserbringungsrechtes bewegt, wenn ihm die Krankenkasse die Leistungserbringung dem Grunde nach erlaubt und beispielsweise nur ein Dissens über die Höhe des Kostenanspruches besteht. Eine solche Konstellation ist vorliegend nicht gegeben. Die Arzneimittellieferungen erfolgten außerhalb der Vorschriften.
Der Kläger kann sich –wie bereits dargelegt- nicht mit Erfolg auf Art. 12 Abs. 1 und 2 GG berufen. Das Verbot einer Zuweisung von Verschreibungen durch den Arzt an den Apotheker basiert auf dem Grundsatz einer strengen Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des Apothekers. Diese Trennung ist sachlich begründet. Mit ihr soll einerseits gewährleistet werden, dass der Arzt sich bei der Auswahl der Arzneimittel ausschließlich von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärztlichen Gewissen leiten lässt; andererseits soll sie dazu beitragen, dass der Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der Belieferung von Verschreibungen sachlich und eigenverantwortlich wahrnimmt (so zutreffend Bundesverwaltungsgericht, B. v. 24.03.1994 -3 B 49/93 NJW 1995, 1697 Juris Rdnr. 8 in einem Fall, bei dem Arzt und Apotheker gemeinsam ein Arzneimittel erfunden hatten). Die Berufsausübung kann beschränkt werden, selbst wenn dies nur im weitesten Sinne dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dient (Bundesverfassungsgericht [BverfG], U. v. 11.02.2003 -1 BvR 1972/00 u. 1 BvR 70/01 BVerfGE 107 Rdnr. 42). Hier geht es gerade nicht nur um den Praxisbedarf des Arztes an Impfstoffen (vgl. BVerfG. a. a. O. Rndr. 60), sondern um normale Arzneimittelabgabe an Patienten. Im Übrigen ist auch die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ein wichtiges Gemeinschaftsgut. Die dazu erforderliche oben angeführte Wirtschaftlichkeit der Versorgung ist ausdrücklich vom Gesetz verlangt, §§ 70 Abs. 1 S. 2, 71 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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