L 19 R 753/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 224/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 753/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die - teilweise - Verrechnung seines Anspruchs auf Beitragserstattung mit Ansprüchen der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit und seiner früheren Ehefrau auf Übertragung von Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs.

Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er hat in Deutschland mit Unterbrechungen vom 16.05.1978 bis 10.02.1999 versicherungspflichtig gearbeitet. Ab 27.04.1999 befand er sich in Haft; am 10.08.2001 wurde er in die Türkei abgeschoben.

Am 29.04.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten Beitragserstattung. Das ehemalige Landesarbeitsamt Baden-Württemberg (LAA) machte bei der Beklagten mit Schreiben vom 06.06.2002 folgende gegenüber dem Kläger bestehende Forderungen in Höhe von insgesamt 10.228,84 EUR geltend: 1. zu Unrecht bezogenes Arbeitslosengeld vom 01.04.1996 bis 03.12.1996 einschließlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 2. zu Unrecht bezogenes Unterhaltsgeld vom 12.11.1998 bis 20.12.1998 einschließlich Zuschuss 3. zu Unrecht bezogene Arbeitslosenhilfe vom 06.05.1999 bis 31.05.1999 einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 4. Geldbuße des früheren Arbeitsamtes S. vom 11.01.2001 und 5. Kosten, Mahngebühren.

Die Beklagte errechnete einen Erstattungsbetrag in Höhe von 24.296,24 EUR. Sie verrechnete die Forderung des LAA und minderte außerdem den Erstattungsbetrag um den Versorgungsausgleich (Ehezeit vom 01.08.1986 bis 30.06.1999) in Höhe von 4.216,67 EUR. Dadurch errechnete sich ein Erstattungsbetrag von 9.850,73 EUR, der an den Kläger ausgezahlt wurde.

Der gegen den streitbefangenen Bescheid vom 18.07.2002 erhobene Widerspruch war erfolglos. Eine Anfrage der Beklagten an die AOK Kreis B. ergab, dass die vom Kläger behauptete weitere Beitragszeit vom 15.01.1978 bis 15.05.1978 dort nicht dokumentiert ist.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003 hat der Kläger am 15.03.2004 Klage beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Er hat beanstandet, dass für die Zeit der Strafhaft keine Beschäftigungszeiten berücksichtigt wurden, dass der Versorgungsausgleich für die geschiedene Ehefrau in Abzug gebracht und die Forderung des LAA verrechnet wurde. Das SG hat die Rechtsnachfolgerin des LAA zum Verfahren beigeladen und mit Gerichtsbescheid vom 16.08.2006 die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte den Erstattungsbetrag zutreffend berechnet. Eine Beitragspflicht für Zeiten der Strafhaft bestehe nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht. Auch habe die Beklagte im Hinblick auf den durchgeführten Versorgungsausgleich des Amtsgerichts - Familiengericht - B. zu Recht eine Minderung des Erstattungsbeitrages vorgenommen. Schließlich habe die Beklagte auch zutreffend die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen durchgeführt. Aufgrund der Ermächtigung durch die Beigeladene habe die Beklagte gegenüber dem Beitragserstattungsanspruch als einmalige Geldleistung die Verrechnung erklären können, weil dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entsprochen habe. Vorliegend müsse bei der Überprüfung der Billigkeit insbesondere beachtet werden, dass es sich bei der Forderung gegen den Kläger um die Erstattung zu Unrecht empfangener Sozialleistungen gehandelt habe sowie um Beitragsschulden und die Beigeladene - angesichts des Auslandswohnsitzes des Klägers - keine realistische andere Möglichkeit habe, gegenüber dem Kläger die Forderung zu realisieren. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte ihr Ermessen auch sachgerecht ausgeübt.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, er habe mehr Beiträge an die Beklagte entrichtet als diese bei der Berechnung des Erstattungsbetrages berücksichtigt habe. Auch seien für die Zeit im Justizvollzug Beiträge anzurechnen.

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass eine Anfrage an die AOK Kreis B. wegen weiterer Beschäftigungszeiten des Klägers im Jahre 1997 negativ verlaufen sei.

Der Kläger, dessen Wohnsitz in der Türkei nicht feststellbar ist, beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 18.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen höheren Beitragserstattungsbetrag auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beklagte vor, die Berufungsbegründung weise keine neuen Gesichtspunkte auf, die zu einer Änderung gegenüber der bisherigen Beurteilung führen könnten.

Die Beigeladene schließt sich den Entscheidungsgründen des SG Bayreuth in dessen Gerichtsbescheid an. Sie trägt vor, dass die einzelnen Forderungen zu Recht bestünden.

Der Senat hat neben den Verwaltungsunterlagen der Beklagten die Klageakte des SG Stuttgart S 12 Ar 5613/97, die Leistungsunterlagen der Agentur für Arbeit B. , das Scheidungsurteil des Amtsgerichts B. vom 15.12.1999 (13 F 839/99), den Beschluss über den Versorgungsausgleich des Amtsgerichts B. vom 18.01.2001 und die Einziehungsunterlagen der Beigeladenen zum Verfahren beigezogen, auf die zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 16.08.2006 zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung eines höheren Beitragserstattungsbetrages hat.

Das SG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten nach § 51 Abs 2 SGB I durchgeführte Verrechnung rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte konnte nach §§ 51 Abs 2, 52 SGB I die Forderung der Beigeladenen gegenüber dem Kläger mit dessen Anspruch auf Beitragserstattung verrechnen. Insbesondere liegen der Gesamtforderung der Beigeladenen bestandskräftige Einzelforderungen zugrunde.

Durch rechtskräftiges Urteil des SG Stuttgart vom 16.03.1999 - S 12 Ar 5613/97 - ist entschieden, dass der Kläger in der Zeit vom 01.04.1996 bis 03.12.1996 zu Unrecht Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hat; dieses hat der Kläger daher einschließlich der KV- und Pflegeversicherungsbeiträge zu erstatten (der Kläger führte während des Bezugs des Alg eine Gaststätte). In der Zeit vom 10.08.1998 bis 18.12.1998 bewilligte die Beigeladene dem Kläger für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme insgesamt 5.312,80 DM. Nachdem der Kläger vor Beendigung der Maßnahme bereits am 12.11.1998 eine versicherungspflichtige Arbeit aufgenommen hatte, errechnete sich für die Zeit vom 12.11.1998 bis 18.12.1998 eine Überzahlung in Höhe von 1.210,32 EUR. Die Entscheidung der Beigeladenen, mit der die ursprüngliche Bewilligung aufgehoben wurde, hat der Kläger nicht angefochten.

Während der Haft (Beginn 27.04.1999) bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) auch in der Zeit vom 06.05.1999 bis 31.05.1999. Den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid - umgerechnet in Höhe von 728,35 EUR - hat der Kläger ebenfalls nicht angefochten. Wegen dieser Überzahlung hat das damalige Arbeitsamt S. auch einen Bußgeldbescheid in Höhe von damals 136,- DM erlassen, den der Kläger akzeptierte. Mit Schreiben vom 28.01.2001 hat der Kläger die Beigeladene ermächtigt, die Forderung von seinem Konto einzuziehen. Das SG hat auch zu Recht entschieden, dass für die Zeit der Haft rentenrechtliche Zeiten nicht berücksichtigt werden können. Auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides wird insoweit verwiesen.

Schließlich ist durch den Beschluss des Amtsgerichts B. vom 18.01.2001 - rechtsverbindlich - der Versorgungsausgleich im Anschluss an die Scheidung der Ehe des Klägers durchgeführt worden, nach dem Rentenanwartschaften in Höhe von 75,25 DM monatlich, bezogen auf den 30.06.1999, vom Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der Ehefrau des Klägers übertragen wurden. Dieser Ausgleich der aus der Ehezeit vom 01.08.1986 bis 30.06.1999 resultierenden Anwartschaften der Eheleute kann nicht rückgängig gemacht werden. Um diesen Betrag ist der Erstattungsbetrag ebenfalls zu mindern. Wenn nämlich Rentenanwartschaften nach § 1587b Abs 1 BGB übertragen sind, mindert sich der Erstattungsbetrag beim Verpflichteten (hier beim Kläger). Minderungsbetrag ist dann die Hälfte des Betrages, den der Verpflichtete als Beitrag für den im Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag an Entgeltpunkten nach § 76 Abs 3 SGB VI zahlen müsste, um die Minderung seiner Rentenanwartschaften durch Beitragsleistungen auszugleichen, vgl. § 210 Abs 4 SGB VI. Dass der Minderungsbetrag nicht richtig berechnet ist, ist nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen.

Nachdem auch weitere vom Kläger behauptete versicherungspflichtige Beschäftigungen nicht nachgewiesen werden konnten, errechnet sich für den Kläger kein höherer Beitragserstattungsbetrag. Die Berufung ist daher zurückzuzweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolglos blieb.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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