L 2 U 14/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 252/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 14/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalles vom 07.12.2000 und dessen Entschädigung.

Der 1957 geborene Kläger gab am 12.04.2001 gegenüber der AOK Bayern an, er habe seit dem 07.12.2000 ständig Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die er auf einen Arbeitsunfall vom 07.12.2000 bei der Ausübung seiner Tätigkeit zurückführe. Mit Bescheid vom 13.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2002 lehnte die Textil- und Bekleidungsberufsgenossenschaft die beantragte Anerkennung einer Berufskrankheit ab, da der Kläger keine Hebe- und Tragetätigkeiten auszuführen gehabt habe, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 2108 oder 2109 erfüllten. Im Klageverfahren nahm der Kläger am 13.05.2004 die Klage zurück und beantragte, das Ereignis vom 07.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Leistungen zu bewilligen.

Der Kläger hatte am 11.12.2000 aufgrund einer Überweisung durch den Allgemeinarzt Dr. Z. den Neurochirurgen Dr. H. aufgesucht, dem er über seit Wochen rezidivierende Schmerzen im linken Bein mit einer Radiculopathie L 5 berichtete. Ein MRT vom 11.12.2000 zeigte einen Bandscheibenvorfall im Segment Lendenwirbelkörper (LWK) 4/5, Discopathie LWK 5/SWK 1, degenerative Veränderungen bei LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1. Am 08.02.2001 wurde der Kläger von Dr. H. operiert. Die pathologisch-anatomische Begutachtung vom 09.02.2001 zeigte deutliche Degenerationherde. Im Heilverfahrensbericht nach stationärer Behandlung von 27.02. bis 26.03.2001 wurde ausgeführt, im November 2000 sei es zu akut auftretenden Lendenkreuzschmerzen nach Verhebetrauma im Rahmen der Tätigkeit als Spediteur gekommen. Seit dem 11.12.2000 sei der Kläger wegen Bandscheibenbeschwerden arbeitsunfähig. Der Neurologe Dr. S. diagnostizierte am 11.06.2000 einen Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5, Wurzelreizsyndrom C6 rechts und vasomotorischen Kopfschmerz. Ein MRT vom 06.07.2001 zeigte eine Osteochondrose bei LWK 5/SWK 1, Grund- und Deckplattenunregelmäßigkeiten im Bereich der oberen lumbalen Wirbelsäule sowie eine deutliche Osteoarthropathie bei LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1. Eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 26.11.2002 zeigte eine mäßiggradige Spondylarthrose im Bereich der Lendenwirbelsäule und eine unbedeutende Diskusprotrusion im Segment LWK 5/SWK 1.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16.07.2004 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 07.12.2000 ab. Ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung habe nicht stattgefunden.

Zur Begründung des Widerspruchs führte der Kläger aus, am 08.12.2000 habe er sich beim Rückwärtslaufen mit einem Möbelstück vertreten, als er auf einer Treppe ins Leere getreten sei. Somit liege ein Unfall vor.

Der beratende Arzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B. , erklärte in der Stellungnahme vom 17.12.2004, ein echtes Unfallereignis sei nicht objektiviert. Ungeachtet dessen ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Unfallverletzung am 07. oder 08.12.2000, insbesondere keine Verletzungszeichen bei der kernspintomografischen Untersuchung am 11.12.2000. Zu berücksichtigen seien die chronisch-degenerativen Schäden, die schon lange vorher in Entwicklung gewesen sein müssten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2005 zurück.

Zur Begründung der Klage erklärte der Kläger am 11.08.2005, aufgrund der Sperrigkeit des Sofas habe er es nicht wie gewöhnlich vor dem Körper tragen können, sondern habe es in Kopfhöhe gehalten. Sein Mitarbeiter habe das Möbelstück nicht genug nachgeschoben, daher habe er zusätzlich mit erheblichem Kraftaufwand das Möbelstück ziehen müssen. Beim Erreichen des Treppenabsatzes habe er aufgrund dieser Zugarbeiten soviel Schwung gehabt, dass er das Auftreten auf eine nicht vorhandene Stufe nicht mehr habe abfangen können. Er übersandte ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 04.11.2004. Vor dem 08.12.2000 sei nie eine Behandlung wegen Schmerzen oder Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule erfolgt; dies sei erstmals am 08.12.2000, dann am 11.12.2000 der Fall gewesen. Es bestehe seither eine chronische Lumboischalgie.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. B. führte im Gutachten vom 28.06.2006 aus, am 08.12.2000 sei es zu einer ungewöhnlichen, überraschenden, daher unkoordinierten Kraftanstrengung gekommen. Dieser Mechanismus sei durchaus geeignet, einen traumatischen Bandscheibenschaden zu verursachen. Der Kläger habe noch am gleichen Tag den Hausarzt aufgesucht und nach weiteren drei Tagen den Neurochirurgen. Im MRT sei ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert, vor dem Unfall seien keinerlei Beschwerden von Seiten der Lendenwirbelsäule dokumentiert. Wegen des geeigneten Unfallereignisses spreche die degenerative Schädigung der Bandscheibe LWK5/SWK 1 nicht gegen die Kausalität. Es müsse zumindest von einem teilursächlich rechtlich wesentlichen Ereignis ausgegangen werden. Die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen.

Die Beklagte wandte mit Schreiben vom 20.07.2006 ein, die Unfallschilderung sei im Laufe der Zeit dem gewünschten Ergebnis angepasst worden. Dr. H. habe eindeutig angegeben, dass es sich um degenerative Veränderungen handle. Auch habe der Kläger am 11.12.2000 angegeben, bereits seit Wochen unter Schmerzen zu leiden.

Der Kläger erklärte, er habe seinen Sachvortrag präzisiert, aber nicht angepasst. Auch spreche die Beschwerdefreiheit vor dem Unfall gegen die unterstellten Vorschädigungen.

Das Sozialgericht Augsburg wies die Klage mit Urteil vom 08.12. 2006 ab. Das Ereignis vom 07.12.2000 habe lediglich eine so genannte Gelegenheitsursache dargestellt. Spondylarthrotische Vorschäden seien durch verschiedene MRT-Aufnahme nachgewiesen. Auch fehle es am Nachweis begleitender knöcherner Verletzungen oder Bandverletzungen. Schon dies spreche gegen eine Verursachung durch die versicherte Tätigkeit. Daher könne der Einschätzung des Dr. B. nicht gefolgt werden.

Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein, die er damit begründete, eine isolierte Bandscheibenverletzung sei, wie Dr. B. erklärt habe, zwar selten, komme aber vor. Das Gericht hätte Dr. B. zu einer Ergänzung seines Gutachtens auffordern müssen. Dr. B. habe zutreffend ein Unfallereignis angenommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass er vor dem Ereignis vom 07.12.2000 beschwerdefrei gewesen sei. Auch habe das Sozialgericht es versäumt, auf die Bedenken gegen die Ausführungen von Dr. B. hinzuweisen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme beziehungsweise zur Stellung weiterer Beweisanträge zu geben.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten nach Aktenlage vom 05.04.2007 aus, wenn auch eine immer detailliertere Darstellung eines Unfallablaufs mit großer Zurückhaltung zu werten sei, so sei doch im vorliegenden Fall der Unfallmechanismus nur von sehr untergeordneter Bedeutung. Denn bei fehlendem Nachweis einer begleitenden knöchernen Verletzung oder Bandverletzung sei es nicht mehr von Bedeutung, in welcher Form sich ein Ereignis zugetragen habe. Wenn der Nachweis einer solchen Begleitverletzung nicht zu erbringen sei, liege keine Schadenslage vor, die als traumatischer Bandscheibenvorfall definiert werden könne. Denn segmentale Scherungs-, Torsions- und Kippbewegungen würden durch Bandapparat und Gelenke auf etwa die Hälfte des möglichen Bewegungsumfangs einer Bandscheibe begrenzt. Vor einer unfallbedingten mechanischen Schädigung der Bandscheibe müssten daher diese sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Eine Kompressionsbelastung wie Heben einer Last oder das sog. "Verhebetrauma" straffe den Bandscheibenring, der damit undurchlässiger werde. Die Druckerhöhung führe zunächst zur Frakturschädigung im Deckplattenbereich, während Faserringverletzungen oder ein Bandscheibenvorfall nicht erzeugt würden. Somit sei das Unfallereignis, auch wie es der Kläger jetzt schildere, nicht in der Lage gewesen, traumatische Veränderungen am Bandscheibengewebe herbeizuführen. Das Kernspintomogramm vom 11.12.2000 lasse keinerlei Hinweis auf ein Knochenödem erkennen. Eine solche Signalanhebung hätte jedoch gefunden werden müssen, um eine Begleitverletzung nachweisen zu können. Auch intraoperativ seien keinerlei Einblutungsherde gefunden worden. Vielmehr werde traumatisch verändertes Gewebe nicht beschrieben. Dies entspreche auch dem pathologisch-anatomischen Gutachten, in dem ausschließlich degenerative Veränderungen erwähnt würden.

Der Kläger beantragte die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG durch Dr. H ... Da der angeforderte Kostenvorschuss nicht innerhalb der gesetzten Frist einging, wurde der Antrag mit Schreiben vom 28.09.2007 abgelehnt.

Der Kläger wiederholt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 09.02.2007, mit der Abänderung, das Ereignis vom 07.12.2000 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. F. die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt hat. Entscheidend ist, dass ein Bandscheibenvorfall, wie er beim Kläger diagnostiziert ist, ohne begleitende knöcherne oder Bandverletzungen nicht eintritt. So wird bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 527 ff., ausgeführt, ältere Lehrmeinungen über das Vorliegen isolierter traumatischer Bandscheibenverletzungen seien aufgrund moderner bildgebender Verfahren nicht zu halten. Als Unfallfolge erscheinen Bandscheibenvorfälle stets mit begleitenden knöchernen oder Bandverletzungen. Segmentale Scherungs-, Torsions- und Kippbewegungen werden durch Bandapparat und Gelenke des Bewegungssegments auf etwa die Hälfte des möglichen Bewegungsumfangs einer Bandscheibe begrenzt; vor einer unfalbedingten mechanischen Schädigung der Bandscheibe müssen diese sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Eine Kompressionsbelastung wie Heben einer Last oder Verhebetrauma strafft den Faserring, der damit undurchlässiger wird. Mit Erhöhung des Drucks kommt es zunächst zur Frakturschädigung im Deckplattenbereich. Faserringverletzungen oder Bandscheibenvorfall werden aber nicht erzeugt.

Der Nachweis einer Begleitverletzung ist im Falle des Klägers nicht zu erbringen, so dass keine Schadenslage vorliegt, die als traumatischer Bandscheibenvorfall definiert werden könnte. Das Kernspintomogramm vom 11.12.2000 lässt, so Dr. F. , keinerlei Hinweis auf ein Knochenödem erkennen. Eine solche Signalanhebung hätte jedoch gefunden werden müssen, um eine Begleitverletzung nachweisen zu können. Auch intraoperativ wurden am 08.02.2001 keinerlei Einblutungsherde gefunden. Traumatisch verändertes Gewebe wird vom Operateur nicht beschrieben. Auch im pathologisch-anatomischen Gutachten vom 09.02.2001 wird keinerlei begleitende Traumatisierung erwähnt, sondern werden ausschließlich degenerative Veränderungen beschrieben.

Somit ist die Bandscheibenerkrankung des Klägers nicht auf das Ereignis vom 07.12.2000 kausal zurückzuführen. Ursache der seit dem 11.12.2000 dokumentierten Beschwerden sind die nachgewiesenen degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber Dr. H. am 11.12.2000 angegeben hat, er habe seit Wochen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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