Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 158/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 54/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 12.01.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung des Ereignisses vom 15.01.2005 als Arbeitsunfall.
Der 1969 geborene und als Maschinenarbeiter beschäftigte Kläger befand sich am 15.01.2005 mit dem PKW auf dem Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Gegen 05.45 Uhr fuhr er auf der M.straße in S ... Er musste stark abbremsen und auf die Gegenfahrbahn ausweichen, da vor seinem Fahrzeug zwei alkoholisierte Männer die Fahrbahn überquerten. Nachdem das Fahrzeug einige Meter weiter zum Stehen kam, setzte der Kläger das Fahrzeug zwei bis drei Meter zurück, öffnete bei laufendem Motor die Fahrzeugtüre, stieg aus und rief den beiden Männern Bemerkungen zu, wie "seid Ihr lebensmüde", "seid Ihr blöd" (Angaben des Klägers im Rahmen der polizeilichen Zeugenvernehmung am 07.02.2005). Daraufhin kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der der Kläger schwere Verletzungen erlitt. Das Amtsgericht O. verurteilte die beiden Männer wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung.
Die Beklagte teilte unter dem 25.08.2005 der für den Kläger zuständigen Krankenkasse (Allgemeinen Ortskrankenkasse Bayern - AOK -) mit, dass sie das Ereignis vom 15.01.2005 nicht als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkenne, und machte Erstattungsansprüche geltend. Sie erhob Klage beim Sozialgericht (SG) Mainz mit dem Antrag, die AOK zur Erstattung zu verurteilen.
Mit Bescheid vom 09.05.2006 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 15.01.2005 als Arbeitsunfall ab. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit (Zurücklegung des Weges) habe nicht bestanden. Die Handlungstendenz des Klägers habe nicht mehr darin bestanden, den Weg zur Arbeitsstelle fortzusetzen, sondern sei darauf gerichtet gewesen, die beiden Männer zur Rede zu stellen. Die Entschlussfassung, das Fahrzeug zurückzusetzen, um die Personen zur Rede zu stellen, sei als Zäsur anzusehen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006).
Der Kläger hat Klage beim SG Würzburg erhoben und ausgeführt, dass die Unterbrechung des Weges als geringfügig zu betrachten sei. Gleichsam "im Vorbeigehen" habe er die Personen wegen ihres Verhaltens ansprechen und sogleich die Fahrt fortsetzen wollen. Dies hätte nur wenige Minuten in Anspruch genommen.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 12.01.2007 abgewiesen. Der Kläger habe sich auf einem unversicherten Abweg befunden. Er habe aus Zorn und Verärgerung die Personen zur Rede stellen wollen und daher aus eigenwirtschaftlichen Gründen das Fahrzeug um wenige Meter zurückgesetzt. Ob die Unterbrechung als geringfügig anzusehen sei, könne dahinstehen, da bei einer kurzfristigen Unterbrechung nach Verlassen des Fahrzeugs der Versicherungsschutz erst dann wieder eintrete, wenn der Versicherte das Kfz wieder bestiegen habe. Unabhängig davon seien die Grundsätze bezüglich des Unfallversicherungsschutzes bei geringfügigen Unterbrechungen nicht auf Abwege anwendbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er halte daran fest, dass nur eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges vorgelegen habe. Ergänzend trägt er vor, dass das SG zu Unrecht eine eigenwirtschaftliche Motivation angenommen habe. Der Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücksetzen des Fahrzeugs ergebe sich aus dem Umstand, dass die Personen die Fahrbahn versperrt hätten. Deswegen habe er den Weg zur Arbeitsstätte nicht fortsetzen können und die Personen zur Rede gestellt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 12.01.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 15.01.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 12.01.2007 zurückzuweisen.
Zutreffend habe das SG ausgeführt, dass sich der Kläger auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Der Kläger habe das Fahrzeug mehrere Meter zurückgesetzt und sich damit vom ursprünglichen Weg zur Arbeitsstätte in entgegen gesetzter Richtung entfernt. Der Richtungswechsel habe eine Zäsur innerhalb des grundsätzlich versicherten Weges bewirkt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, auf die Akten des SG Mainz (Az: S 5 U 62/06) und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden, da der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Entscheidung des SG und des Senats konnte ohne vorherige Beiladung der AOK zum Verfahren ergehen. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung im Sinne des § 75 Abs 2 SGG sind nicht erfüllt, da die Krankenkasse des Klägers an dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann; das Erstattungsbegehren zwischen den Sozialleistungsträgern betrifft einen anderen Streitgegenstand (vgl Urteil des BSG vom 30.06.1993 - 2 RU 40/92 = HV-INFO 1993, 2215 mwN).
Bei dem Ereignis vom 15.01.2005 handelte es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte hat es daher zutreffend abgelehnt, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ("Wegeunfall"). Erforderlich ist allerdings ein innerer Zusammenhang zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Versicherten. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (st Rspr, vgl zuletzt Urteil des BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 = SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG aaO).
Dies zugrunde gelegt fehlt es vorliegend am inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Zeitpunkt der tätlichen Auseinandersetzung ausgeübten Verrichtung des Klägers. Zwar stand der Kläger auf dem Weg zur Arbeitsstätte grundsätzlich nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Allerdings hatte er den versicherten Weg dadurch unterbrochen, dass er sein Fahrzeug anhielt, wenige Meter zurücksetzte und ausstieg. Hinsichtlich des Versicherungsschutzes während einer solchen Unterbrechung des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit ist zu unterscheiden, ob sie einer Verrichtung wesentlich dient, die im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht oder ob sie aus privaten Gründen erfolgt ist. Während einer privaten Zwecken dienenden, erheblichen Unterbrechung der Fahrt besteht kein Versicherungsschutz; dieser lebt erst mit der Fortsetzung der Fahrt wieder auf (Urteil des BSG vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 3).
Dass der Kläger den versicherten Weg aus Gründen einer privaten Verrichtung unterbrochen hat, ergibt sich aus dem Geschehensablauf vor der tätlichen Auseinandersetzung und den Äußerungen des Klägers gegenüber den Personen, die die Straße überquert hatten. Diesen Umständen ist zu entnehmen, dass der Kläger diese Personen aus Verärgerung über deren Verhalten zur Rede stellen wollte. Diese Unmutsäußerung hatte keinerlei Bezug zu betrieblichen Belangen, diente weder betrieblichen Zwecken noch dem zuvor verfolgtem Zweck, die Arbeitsstätte zu erreichen. Denn es war weder aus objektiver noch aus subjektiver Sicht betriebsdienlich und stand damit außerhalb des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung, andere Verkehrsteilnehmer ob ihres Verhaltens im Straßenverkehr zurechtzuweisen oder zu belehren. Die Handlungstendenz des Klägers diente daher wesentlich der Verfolgung einer eigenen Angelegenheit.
Zwar sind dem versicherungsrechtlich geschützten Zurücklegen des Weges auch solche Auseinandersetzungen zuzurechnen, die ihren unmittelbaren Ursprung in dem Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeiten zusammenhängenden Weges haben (vgl Urteile des BSG vom 30.10.1962 - 2 RU 211/62 = SozR Nr 39 zu § 543 RVO und vom 04.11.1981 - 2 RU 51/80 = SozR 2200 § 550 Nr 48). Insoweit bringt der Kläger vor, dass das Versperren der Fahrbahn durch die beiden Personen der Grund für die Unterbrechung der Fahrt und die nachfolgende Auseinandersetzung gewesen sei und er deswegen den versicherten Weg nicht habe fortsetzen können. Dem ist jedoch schon deshalb nicht zu folgen, weil der Kläger nach seinen Angaben im polizeilichen Ermittlungsverfahren den beiden Personen hat ausweichen und daher die Fahrt ohne weiteres ungehindert hätte fortsetzen können. Die Auseinandersetzung hat sich auch nicht aus Gründen ergeben, die unmittelbar aus der Durchführung des versicherten Weges herrühren. Vielmehr ist es zur Auseinandersetzung dadurch gekommen, dass der Kläger aus privaten Motiven die beiden Personen, die die Fahrbahn überquert hatten, zur Rede gestellt hat. Insofern besteht kein wesentliche Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung und dem Zurücklegen des geschützten Weges.
Die Unterbrechung des versicherten Weges kann auch nicht als nur geringfügig angesehen werden. Von einer geringfügigen Unterbrechung kann nur dann gesprochen werden, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des versicherten Weges in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders ausgedrückt, wenn die private Betätigung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung nach oder von dem Ort der Tätigkeit darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist (Urteil des BSG vom 09.12.2003 aaO). Dies setzt voraus, dass die private Handlung ohne wesentliche Entfernung von der Stelle des versicherten Weges eingeschoben oder nebenbei verrichtet, also gleichsam "im Vorbeigehen" erledigt wird.
Dies zugrunde gelegt stellt das Zurücksetzen des Fahrzeuges um wenige Meter und das Verlassen des Fahrzeuges nicht mehr eine lediglich geringfügige Unterbrechung dar. Bereits in dem Richtungswechsel liegt eine deutliche Zäsur zwischen der Absicht des Klägers, auf dem versicherten Weg zu verbleiben und derjenigen, eigenwirtschaftlichen Interessen nachzugehen, so dass die Unterbrechung nicht mehr als Teil des eingeschlagenen Weges gesehen werden kann. Der neu eingeschlagene Weg - hier das Zurücksetzen des Fahrzeugs in die der Arbeitsstätte entgegengesetzten Richtung - unterscheidet sich sowohl nach seiner Zielrichtung als auch nach seiner Zweckbestimmung von dem zunächst eingeschlagenen Weg zur Arbeitsstätte. Dies allein reicht für die Unterbrechung des Versicherungsschutzes aus, so dass es auf die Länge eines solchen Abweges grundsätzlich nicht mehr ankommt (vgl Urteil des BSG vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 = SozR 3-2200 § 548 Nr 8). Selbst wenn das Ansprechen der beiden Männer nur wenige Minuten gedauert haben sollte, ist nicht von einer Erledigung im "Vorbeigehen" auszugehen. Denn der Kläger hatte den geschützten Weg verlassen und nicht nur lediglich in der Fortbewegung innegehalten, um die Männer zur Rede zu stellen.
Nach alledem ereignete sich die Auseinandersetzung während einer nicht nur geringfügigen eigenwirtschaftlich bedingten Unterbrechung des versicherten Weges, so dass kein Versicherungsschutz bestand. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung des Ereignisses vom 15.01.2005 als Arbeitsunfall.
Der 1969 geborene und als Maschinenarbeiter beschäftigte Kläger befand sich am 15.01.2005 mit dem PKW auf dem Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte. Gegen 05.45 Uhr fuhr er auf der M.straße in S ... Er musste stark abbremsen und auf die Gegenfahrbahn ausweichen, da vor seinem Fahrzeug zwei alkoholisierte Männer die Fahrbahn überquerten. Nachdem das Fahrzeug einige Meter weiter zum Stehen kam, setzte der Kläger das Fahrzeug zwei bis drei Meter zurück, öffnete bei laufendem Motor die Fahrzeugtüre, stieg aus und rief den beiden Männern Bemerkungen zu, wie "seid Ihr lebensmüde", "seid Ihr blöd" (Angaben des Klägers im Rahmen der polizeilichen Zeugenvernehmung am 07.02.2005). Daraufhin kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der der Kläger schwere Verletzungen erlitt. Das Amtsgericht O. verurteilte die beiden Männer wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung.
Die Beklagte teilte unter dem 25.08.2005 der für den Kläger zuständigen Krankenkasse (Allgemeinen Ortskrankenkasse Bayern - AOK -) mit, dass sie das Ereignis vom 15.01.2005 nicht als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkenne, und machte Erstattungsansprüche geltend. Sie erhob Klage beim Sozialgericht (SG) Mainz mit dem Antrag, die AOK zur Erstattung zu verurteilen.
Mit Bescheid vom 09.05.2006 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 15.01.2005 als Arbeitsunfall ab. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit (Zurücklegung des Weges) habe nicht bestanden. Die Handlungstendenz des Klägers habe nicht mehr darin bestanden, den Weg zur Arbeitsstelle fortzusetzen, sondern sei darauf gerichtet gewesen, die beiden Männer zur Rede zu stellen. Die Entschlussfassung, das Fahrzeug zurückzusetzen, um die Personen zur Rede zu stellen, sei als Zäsur anzusehen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006).
Der Kläger hat Klage beim SG Würzburg erhoben und ausgeführt, dass die Unterbrechung des Weges als geringfügig zu betrachten sei. Gleichsam "im Vorbeigehen" habe er die Personen wegen ihres Verhaltens ansprechen und sogleich die Fahrt fortsetzen wollen. Dies hätte nur wenige Minuten in Anspruch genommen.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 12.01.2007 abgewiesen. Der Kläger habe sich auf einem unversicherten Abweg befunden. Er habe aus Zorn und Verärgerung die Personen zur Rede stellen wollen und daher aus eigenwirtschaftlichen Gründen das Fahrzeug um wenige Meter zurückgesetzt. Ob die Unterbrechung als geringfügig anzusehen sei, könne dahinstehen, da bei einer kurzfristigen Unterbrechung nach Verlassen des Fahrzeugs der Versicherungsschutz erst dann wieder eintrete, wenn der Versicherte das Kfz wieder bestiegen habe. Unabhängig davon seien die Grundsätze bezüglich des Unfallversicherungsschutzes bei geringfügigen Unterbrechungen nicht auf Abwege anwendbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er halte daran fest, dass nur eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges vorgelegen habe. Ergänzend trägt er vor, dass das SG zu Unrecht eine eigenwirtschaftliche Motivation angenommen habe. Der Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücksetzen des Fahrzeugs ergebe sich aus dem Umstand, dass die Personen die Fahrbahn versperrt hätten. Deswegen habe er den Weg zur Arbeitsstätte nicht fortsetzen können und die Personen zur Rede gestellt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 12.01.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 15.01.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 12.01.2007 zurückzuweisen.
Zutreffend habe das SG ausgeführt, dass sich der Kläger auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Der Kläger habe das Fahrzeug mehrere Meter zurückgesetzt und sich damit vom ursprünglichen Weg zur Arbeitsstätte in entgegen gesetzter Richtung entfernt. Der Richtungswechsel habe eine Zäsur innerhalb des grundsätzlich versicherten Weges bewirkt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, auf die Akten des SG Mainz (Az: S 5 U 62/06) und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden, da der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Entscheidung des SG und des Senats konnte ohne vorherige Beiladung der AOK zum Verfahren ergehen. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung im Sinne des § 75 Abs 2 SGG sind nicht erfüllt, da die Krankenkasse des Klägers an dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann; das Erstattungsbegehren zwischen den Sozialleistungsträgern betrifft einen anderen Streitgegenstand (vgl Urteil des BSG vom 30.06.1993 - 2 RU 40/92 = HV-INFO 1993, 2215 mwN).
Bei dem Ereignis vom 15.01.2005 handelte es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte hat es daher zutreffend abgelehnt, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ("Wegeunfall"). Erforderlich ist allerdings ein innerer Zusammenhang zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Versicherten. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (st Rspr, vgl zuletzt Urteil des BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 = SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG aaO).
Dies zugrunde gelegt fehlt es vorliegend am inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Zeitpunkt der tätlichen Auseinandersetzung ausgeübten Verrichtung des Klägers. Zwar stand der Kläger auf dem Weg zur Arbeitsstätte grundsätzlich nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Allerdings hatte er den versicherten Weg dadurch unterbrochen, dass er sein Fahrzeug anhielt, wenige Meter zurücksetzte und ausstieg. Hinsichtlich des Versicherungsschutzes während einer solchen Unterbrechung des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit ist zu unterscheiden, ob sie einer Verrichtung wesentlich dient, die im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht oder ob sie aus privaten Gründen erfolgt ist. Während einer privaten Zwecken dienenden, erheblichen Unterbrechung der Fahrt besteht kein Versicherungsschutz; dieser lebt erst mit der Fortsetzung der Fahrt wieder auf (Urteil des BSG vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 3).
Dass der Kläger den versicherten Weg aus Gründen einer privaten Verrichtung unterbrochen hat, ergibt sich aus dem Geschehensablauf vor der tätlichen Auseinandersetzung und den Äußerungen des Klägers gegenüber den Personen, die die Straße überquert hatten. Diesen Umständen ist zu entnehmen, dass der Kläger diese Personen aus Verärgerung über deren Verhalten zur Rede stellen wollte. Diese Unmutsäußerung hatte keinerlei Bezug zu betrieblichen Belangen, diente weder betrieblichen Zwecken noch dem zuvor verfolgtem Zweck, die Arbeitsstätte zu erreichen. Denn es war weder aus objektiver noch aus subjektiver Sicht betriebsdienlich und stand damit außerhalb des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung, andere Verkehrsteilnehmer ob ihres Verhaltens im Straßenverkehr zurechtzuweisen oder zu belehren. Die Handlungstendenz des Klägers diente daher wesentlich der Verfolgung einer eigenen Angelegenheit.
Zwar sind dem versicherungsrechtlich geschützten Zurücklegen des Weges auch solche Auseinandersetzungen zuzurechnen, die ihren unmittelbaren Ursprung in dem Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeiten zusammenhängenden Weges haben (vgl Urteile des BSG vom 30.10.1962 - 2 RU 211/62 = SozR Nr 39 zu § 543 RVO und vom 04.11.1981 - 2 RU 51/80 = SozR 2200 § 550 Nr 48). Insoweit bringt der Kläger vor, dass das Versperren der Fahrbahn durch die beiden Personen der Grund für die Unterbrechung der Fahrt und die nachfolgende Auseinandersetzung gewesen sei und er deswegen den versicherten Weg nicht habe fortsetzen können. Dem ist jedoch schon deshalb nicht zu folgen, weil der Kläger nach seinen Angaben im polizeilichen Ermittlungsverfahren den beiden Personen hat ausweichen und daher die Fahrt ohne weiteres ungehindert hätte fortsetzen können. Die Auseinandersetzung hat sich auch nicht aus Gründen ergeben, die unmittelbar aus der Durchführung des versicherten Weges herrühren. Vielmehr ist es zur Auseinandersetzung dadurch gekommen, dass der Kläger aus privaten Motiven die beiden Personen, die die Fahrbahn überquert hatten, zur Rede gestellt hat. Insofern besteht kein wesentliche Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung und dem Zurücklegen des geschützten Weges.
Die Unterbrechung des versicherten Weges kann auch nicht als nur geringfügig angesehen werden. Von einer geringfügigen Unterbrechung kann nur dann gesprochen werden, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des versicherten Weges in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders ausgedrückt, wenn die private Betätigung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung nach oder von dem Ort der Tätigkeit darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist (Urteil des BSG vom 09.12.2003 aaO). Dies setzt voraus, dass die private Handlung ohne wesentliche Entfernung von der Stelle des versicherten Weges eingeschoben oder nebenbei verrichtet, also gleichsam "im Vorbeigehen" erledigt wird.
Dies zugrunde gelegt stellt das Zurücksetzen des Fahrzeuges um wenige Meter und das Verlassen des Fahrzeuges nicht mehr eine lediglich geringfügige Unterbrechung dar. Bereits in dem Richtungswechsel liegt eine deutliche Zäsur zwischen der Absicht des Klägers, auf dem versicherten Weg zu verbleiben und derjenigen, eigenwirtschaftlichen Interessen nachzugehen, so dass die Unterbrechung nicht mehr als Teil des eingeschlagenen Weges gesehen werden kann. Der neu eingeschlagene Weg - hier das Zurücksetzen des Fahrzeugs in die der Arbeitsstätte entgegengesetzten Richtung - unterscheidet sich sowohl nach seiner Zielrichtung als auch nach seiner Zweckbestimmung von dem zunächst eingeschlagenen Weg zur Arbeitsstätte. Dies allein reicht für die Unterbrechung des Versicherungsschutzes aus, so dass es auf die Länge eines solchen Abweges grundsätzlich nicht mehr ankommt (vgl Urteil des BSG vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 = SozR 3-2200 § 548 Nr 8). Selbst wenn das Ansprechen der beiden Männer nur wenige Minuten gedauert haben sollte, ist nicht von einer Erledigung im "Vorbeigehen" auszugehen. Denn der Kläger hatte den geschützten Weg verlassen und nicht nur lediglich in der Fortbewegung innegehalten, um die Männer zur Rede zu stellen.
Nach alledem ereignete sich die Auseinandersetzung während einer nicht nur geringfügigen eigenwirtschaftlich bedingten Unterbrechung des versicherten Weges, so dass kein Versicherungsschutz bestand. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved