L 3 U 139/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 380/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 139/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1953 geborene Klägerin ist Inhaberin der Gaststätte G. in W ... Am 08.05.2002 fuhr sie mit ihrem Ehemann R. B. von W. kommend in Richtung Grenzübergang T./Tschechien mit der Absicht, dort zu tanken, im Duty-Free-Shop zwei Liter Spirituosen einzukaufen und auf der Rückfahrt in E. zwei Pfannen bestellten Leberkäse in einer Metzgerei und in M. eine bestellte Torte abzuholen. Nachdem ihr Ehemann an der Jet-Tankstelle in T. getankt hatte und sie in dieser Zeit im Duty-Free-Shop eingekauft hatte und ihr Ehemann sie dort wieder abgeholt hatte, ereignete sich auf der Fahrt nach E. auf der Staatsstraße bei Kilometer ein Verkehrsunfall. Hierbei erlitt sie ein Schleudertrauma und eine Thoraxprellung links (Durchgangsarztbericht Dr. S. vom 08.05.2002). Die Klägerin war bis 28.07.2002 arbeitsunfähig krank.

Mit Bescheid vom 02.09.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 08.05.2002 als Arbeitsunfall ab, mit der Begründung, die Tankstelle in Tschechien habe sich auf einem nicht versicherten Abweg befunden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Sie habe für die Gaststätte benötigte Spirituosen im Duty-Free-Shop an der Grenze gekauft und sie legte den Kassenbon über 23.52 Euro vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der geringe Umfang der gekauften Ware spreche ausdrücklich für die Deckung des privaten Bedarfs.

Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2002 zu verurteilen, das Arbeitsereignis vom 08.05.2002 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihr Verletztengeld zu gewähren. Sie hat vorgetragen, sie habe sich am 08.05.2002 auf einer Einkaufstour befunden. Die Menge des Einkaufs im Duty-Free-Shop sei durch die damals geltenden Zollbestimmungen vorgegeben gewesen. Sie habe die Spirituosen für den folgenden Vatertag gebraucht. Wurst und Backwaren kaufe sie im Umkreis von W. , da sie dort günstiger und qualitativ besser seien.

Mit Urteil vom 24.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Es seien Einkäufe für den bevorstehenden Vatertag und für eine gleichzeitig an diesem Tag in der Gastwirtschaft bestellte Geburtstagsfeier geplant gewesen. Sie legte eine Bestätigung von Frau H. K. vom 30.05.2005 vor, wonach die Klägerin am 03.05.2002 zwei Pfannen Leberkäse für den 08.05.2002 bestellt hatte, sowie eine Rechnung über eine Luisentorte in Höhe von 18,00 Euro.

Der Senat hat R. B. als Zeugen einvernommen. Insoweit wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.02.2005 sowie den Bescheid vom 02.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2002 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 08.05.2002 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.02.2005 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Unfall vom 08.05.2002 ein Arbeitsunfall ist.

Die Klage war als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs.1 und 55 Abs.1 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Geht es in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um die Frage, ob ein bestimmter Unfall ein Arbeitsunfall ist, kann der Antrag auf Gewährung der Leistungen nicht als Leistungsklage angesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr.12; BSG, Urteile, vom 07.09.2004 B 2 U 46/03 R, SozR 4-2700 § 2 Nr.2, B 2 U 45/03, SozR 4-2700 § 2 Nr.2; BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 2 U 21/03 R, SozR 4-6571 Anlage 1 Nr.5101 Nr.2).

Die Anfechtungs- und Feststellungsklage war jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 24.02.2005 die Klage abgewiesen. Die Berufung ist nicht begründet, denn die Klägerin hat am 08.05.2002 keinen Arbeitsunfall erlitten.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSGE 58, 76, 77; BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr.2). Fahrten, die im betrieblichen Interesse unternommen werden, stehen daher unter Versicherungsschutz. Erforderlich ist ein innerer Zusammenhang zwischen Fahrt und betrieblicher Tätigkeit. Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, wie sie insbesondere durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigt wird.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Senat davon überzeugt, dass ein versicherter Betriebsweg nicht vorgelegen hat, sondern die Klägerin mit ihrem Ehemann eine Fahrt nach Tschechien und zurück aus eigenwirtschaftlichen Motiven unternommen hat. Zunächst ist festzustellen, dass sich der Unfall auf dem Wege vom Duty-Free-Shop in Richtung Metzgerei in E. ereignet hat und nicht auf dem Rückweg von der Tankstelle. Die Frage eines Abweges in Richtung Tankstelle bzw. von ihr zurück stellt sich somit nicht.

Aus den bekannt gewordenen Einzelumständen der Fahrt von W. über T. , E. , M. nach W. ergibt sich jedoch das Bild einer Fahrt aus eigenwirtschaftlichen Motiven. Die Klägerin und ihr Ehemann, - der als Bauarbeiter, zum damaligen Zeitpunkt ohne Beschäftigung, auch die notwendige Zeit hatte - unternahmen die Tour, um günstig einkaufen zu können und zwar zwei Liter Spirituosen, zwei Pfannen bestellten Leberkäse und eine Geburtstagstorte für die Geburtstagsfeier der Tochter am nächsten Tag und um bei dieser Gelegenheit günstig zu tanken. Bei der geringen Menge der Einkäufe ist das Vorbringen der Klägerin, sie habe für ihre Gastwirtschaft wegen der bevorstehenden Vatertages gekauft, nicht glaubwürdig und deckt sich auch nicht mit den Angaben des Zeugen. Der Einkauf von zwei Pfannen Leberkäse für die 20 bis 30 Personen, die an der Geburtstagsfeier teilnehmen sollten und der Einkauf der Geburtstagstorte sprechen ebenso wie die geringe Menge der Spirituosen für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen nämlich dafür, dass die Geburtstagsfeier der Tochter Anlass für die Einkäufe gewesen ist. Auch der Vortrag der Klägerin, sie kaufe bei derartigen Fahrten immer größere Mengen, habe aber seit drei Monaten in der Gegend nicht mehr gekauft, lässt nur den Schluss zu, dass sie bei der streitigen Fahrt nicht für den Betrieb, sondern für den Geburtstag der Tochter eingekauft hat.

Damit hat die zum unfallführende Verrichtung (Fahrt) wesentlich allein dem privaten Interesse der Klägerin gedient.

Zwar könnte das Tanken auch dem betrieblichen Interesse gedient haben - falls das Fahrzeug zum Betriebsvermögen gehörte - jedoch läge dann eine sogenannte gemischte Tätigkeit vor. Versicherungsschutz besteht dann nur, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen (BSG, SozR 3-2000 § 539 Nrn.19, 26). Ob das betriebliche Interesse wesentlich ist, beurteilt sich in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSGE 20, 215, 218). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betriebliche Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSGE 20, 215, 219; BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr.19). Der Senat ist davon überzeugt, dass ohne die private Notwendigkeit der Lebensmitteleinkäufe, nämlich dem Abholen der bestellten Pfannen Leberkäse und der Geburtstagstorte sowie dem Einkauf von zwei Liter Spirituosen die Klägerin und ihr Ehemann zum Einsparen von Benzinkosten die Fahrt von rund 80 Kilometer nicht übernommen hätten. Damit war das betriebliche Interesse nicht wesentlich für die durchgeführte Fahrt und es besteht auch bei Annahme einer gemischten Tätigkeit kein Versicherungsschutz.

Da somit das Verhalten der Klägerin nicht einer versicherten Tätigkeit zugerechnet werden kann, fehlt es am für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls notwendigen inneren Zusammenhang. Ein Arbeitsunfall kann nicht anerkannt werden, das Urteil des SG war im Ergebnis zu bestätigen.

Außergerichtliche Kosten sind gemäß § 193 Abs.1 Satz 1 SGG nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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