Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 28 AS 3462/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 136/08 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Umzug ist als erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II anzusehen, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist. Es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist 2. Bei einem Mangel an der Wohnung kann der Umzug erst dann erforderlich werden, wenn der Vermieter eine ihm obliegende Mängelbeseitigung ablehnt, die Beseitigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist oder dem Hilfebedürftigen, etwa wegen der Dauer oder des Umfangs der Beseitigungsmaßnahmen oder nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, der Verbleib nicht (mehr) zugemutet werden kann.
3. Es spricht viel dafür, einen vernünftigen Umzugsgrund erst dann anzuerkennen, wenn ein Recht des Hilfebedürftigen zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages besteht.
4. Es bleibt offen, ob und in welchem Umfang den Hilfebedürftigen als Obliegenheit zur Selbsthilfe auch eine prozessuale Verfolgung von Ansprüchen gegen den Vermieter wegen eines Mangels an der Wohnung abverlangt werden kann.
3. Es spricht viel dafür, einen vernünftigen Umzugsgrund erst dann anzuerkennen, wenn ein Recht des Hilfebedürftigen zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages besteht.
4. Es bleibt offen, ob und in welchem Umfang den Hilfebedürftigen als Obliegenheit zur Selbsthilfe auch eine prozessuale Verfolgung von Ansprüchen gegen den Vermieter wegen eines Mangels an der Wohnung abverlangt werden kann.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 1. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt beigeordnet.
Gründe:
Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Aufwendungen für eine neue Unterkunft, die sie wegen Schimmelbefalls der gegenwärtig bewohnten Unterkunft beziehen wollen, zuzusichern.
Die gemäß den §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Der erkennende Senat folgt der angefochtenen Entscheidung sowohl im Ergebnis als auch in wesentlichen Teilen der Begründung.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies un-ter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren [4. Auflage, 1998], Rdnr. 152, 338; jeweils m.w.N.).
Voraussetzung für die von den Antragstellern erstrebte Zusicherung ist gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), dass der beabsichtigte Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nicht über-wiegend wahrscheinlich.
Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, ein Umzug sei wegen wiederkehrenden Schimmelbefalls im Wohn- und Schlafzimmer im Bereich der Außenwände sowie der Fenster und Balkontür, der nach Einschätzung des Gesundheitsamtes eine gesundheitliche Gefährdung darstellen kann, erforderlich, haben sie einen Anordnungsanspruch nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht glaubhaft gemacht.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Umzug dann als erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II anzusehen ist, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist. Nicht ausreichend ist es, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist. Aus dem Begriff der Erforderlichkeit folgt aber auch, dass ein vernünftiger Grund für den Umzug erst dann anerkannt werden kann, wenn das durch den vorgetragenen Grund definierte Ziel des Umzugs zumutbar nicht auf andere Weise als durch einen Umzug erreicht werden kann. Dies korrespondiert mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II statuierten - vom Sozialgericht nicht ganz zutreffend auf § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II gestützten - allgemeinen Obliegenheit des Hilfebedürftigen zur Selbsthilfe. Danach ist der Hilfebedürftige vor einer Leistungsgewährung auf die Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit zu verweisen. Der Hilfebe-dürftige soll zu "umfassender Eigenaktivität" (Berlit, in: Münder, SGB II [2. Aufl., 2007], § 2 Rdnr. 8) angehalten werden. Hierzu gehört insbesondere die Verfolgung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen andere (Berlit, a.a.O., Rdnr. 14).
Der erkennende Senat lässt es im vorliegenden Fall offen, ob und in welchem Umfang den Antragstellern als Obliegenheit zur Selbsthilfe auch eine prozessuale Verfolgung von Ansprüchen gegen ihren Vermieter wegen des Schimmelbefalls der Wohnung abverlangt werden kann. Dies hat auch das Sozialgericht zu Recht nicht thematisiert, da vor der Durchführung eines Umzugs wegen eines Mangels der Mietwohnung jedenfalls die im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemachte Inanspruchnahme zumutbarer Beseitigungsmöglichkeiten zu fordern ist. Dies kann, wie es das Sozialgericht vorausgesetzt hat, durch die vorprozessuale Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Vermieter geschehen. Es kann aber auch durch Eigenleistungen des Hilfebedürftigen erfolgen, soweit dies möglich und zumutbar ist. Ein Umzug kann demzufolge in solchen Fällen erst dann erforderlich werden, wenn der Vermieter eine ihm obliegende Mängelbeseitigung ablehnt oder die Be-seitigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist oder dem Hilfebedürftigen, etwa wegen der Dauer oder des Umfangs der Beseitigungsmaßnahmen oder nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, nicht (mehr) zugemutet werden kann. Es spricht in diesem Zusammenhang viel dafür, einen vernünftigen Umzugsgrund erst dann anzuerkennen, wenn ein Recht des Hilfebedürftigen zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages nach § 543 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 569 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) besteht. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, denn der Hilfebedürftige hat die Erfolglosigkeit der Inanspruchnahme zumutbarer Beseitigungsmöglichkeiten im Eilverfahren in jedem Fall glaubhaft zu machen. An einer solchen Glaubhaftmachung fehlt es im vorliegenden Fall.
Insofern genügt nicht bereits der pauschale Vortrag der Antragsteller, ein Auszug aus der Wohnung sei schon aus gesundheitlichen Gründen aufgrund der während einer Sanierung auftretenden Gesundheitsgefahren erforderlich. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Beseitigungsmaßnahmen ein weiterer Verbleib in der Wohnung unzumutbar ist. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass während der Beseitigung eines vom Vermieter zu vertretenen Mangels nach § 536a Abs. 1 BGB ein (Schadenersatz)Anspruch gegen den Vermieter auf Übernahme der Kosten einer einstweiligen Unterbringung besteht. Ein Umzug wäre also auch in diesem Fall nur dann erforderlich, wenn die Mängelbeseitigung nicht möglich oder wegen anderer Umstände unzumutbar ist. Dies ist von den Antragstellern nicht glaubhaft dargelegt worden. Insofern wird zwar behauptet, der Vermieter habe nach einer im September 2007 erfolgten Mängelanzeige eine Mängelbeseitigung abgelehnt und hierbei auf bereits im Jahr 2005 verrichtete Arbeiten verwiesen. Andererseits wird aber vorgetragen, im November 2007 hätten vom Vermieter beauftragte Handwerker ohne Erfolg versucht, den Schimmel professionell zu beseitigen. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit kann weder die eine noch die andere Sachverhaltsvariante als glaubhaft angesehen werden, wobei außerdem zu beachten ist, dass auch eine erfolglose Fristsetzung zur Mängelbeseitigung oder eine Unzumutbarkeit weiterer Beseitigungsversuche nicht glaubhaft gemacht worden sind. Der beabsichtigte Umzug ist deshalb derzeit nicht aufgrund Schimmelbefalls der Wohnung als erforderlich anzuerkennen.
Soweit die Antragsteller ihren Eilantrag auch darauf stützen, dass die derzeit bewohnte 3-Raum-Wohnung von 64 m² für zwei Erwachsene, ein sechsjähriges und einjähriges Kind zu klein sei, fehlt es für einen Erfolg des Antrages zumindest an einem Anordnungsgrund, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat.
Ein Anordnungsgrund ist angegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter - unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchführung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 54 bis 156 m.w.N.; ähnlich Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen beziehungsweise glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [8. Aufl., 2005], § 86b Rdnr. 27a).
Der erkennende Senat kann in der Größe der aktuellen Wohnung und ihrer räumlichen Aufteilung derzeit keinen schwerwiegenden Grund erkennen, aufgrund dessen ein sofortiger Umzug in eine größere Wohnung erfolgen müsste. Insofern fehlt es auch an jeglicher Glaubhaftmachung.
Dem Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller war trotz Zurückweisung der Beschwerde allerdings stattzugeben, da die Beschwerde mit vertretbaren Argumenten begründet wurde und ihr insofern nicht von vornherein einer Erfolgsaussicht abzusprechen war. Bedürftigkeit der Antragsteller im Sinne der §§ 114, 115 ZPO ist gleichfalls gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt beigeordnet.
Gründe:
Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Aufwendungen für eine neue Unterkunft, die sie wegen Schimmelbefalls der gegenwärtig bewohnten Unterkunft beziehen wollen, zuzusichern.
Die gemäß den §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Der erkennende Senat folgt der angefochtenen Entscheidung sowohl im Ergebnis als auch in wesentlichen Teilen der Begründung.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies un-ter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren [4. Auflage, 1998], Rdnr. 152, 338; jeweils m.w.N.).
Voraussetzung für die von den Antragstellern erstrebte Zusicherung ist gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), dass der beabsichtigte Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nicht über-wiegend wahrscheinlich.
Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, ein Umzug sei wegen wiederkehrenden Schimmelbefalls im Wohn- und Schlafzimmer im Bereich der Außenwände sowie der Fenster und Balkontür, der nach Einschätzung des Gesundheitsamtes eine gesundheitliche Gefährdung darstellen kann, erforderlich, haben sie einen Anordnungsanspruch nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht glaubhaft gemacht.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Umzug dann als erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II anzusehen ist, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist. Nicht ausreichend ist es, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist. Aus dem Begriff der Erforderlichkeit folgt aber auch, dass ein vernünftiger Grund für den Umzug erst dann anerkannt werden kann, wenn das durch den vorgetragenen Grund definierte Ziel des Umzugs zumutbar nicht auf andere Weise als durch einen Umzug erreicht werden kann. Dies korrespondiert mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II statuierten - vom Sozialgericht nicht ganz zutreffend auf § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II gestützten - allgemeinen Obliegenheit des Hilfebedürftigen zur Selbsthilfe. Danach ist der Hilfebedürftige vor einer Leistungsgewährung auf die Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit zu verweisen. Der Hilfebe-dürftige soll zu "umfassender Eigenaktivität" (Berlit, in: Münder, SGB II [2. Aufl., 2007], § 2 Rdnr. 8) angehalten werden. Hierzu gehört insbesondere die Verfolgung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen andere (Berlit, a.a.O., Rdnr. 14).
Der erkennende Senat lässt es im vorliegenden Fall offen, ob und in welchem Umfang den Antragstellern als Obliegenheit zur Selbsthilfe auch eine prozessuale Verfolgung von Ansprüchen gegen ihren Vermieter wegen des Schimmelbefalls der Wohnung abverlangt werden kann. Dies hat auch das Sozialgericht zu Recht nicht thematisiert, da vor der Durchführung eines Umzugs wegen eines Mangels der Mietwohnung jedenfalls die im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemachte Inanspruchnahme zumutbarer Beseitigungsmöglichkeiten zu fordern ist. Dies kann, wie es das Sozialgericht vorausgesetzt hat, durch die vorprozessuale Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Vermieter geschehen. Es kann aber auch durch Eigenleistungen des Hilfebedürftigen erfolgen, soweit dies möglich und zumutbar ist. Ein Umzug kann demzufolge in solchen Fällen erst dann erforderlich werden, wenn der Vermieter eine ihm obliegende Mängelbeseitigung ablehnt oder die Be-seitigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist oder dem Hilfebedürftigen, etwa wegen der Dauer oder des Umfangs der Beseitigungsmaßnahmen oder nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, nicht (mehr) zugemutet werden kann. Es spricht in diesem Zusammenhang viel dafür, einen vernünftigen Umzugsgrund erst dann anzuerkennen, wenn ein Recht des Hilfebedürftigen zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages nach § 543 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 569 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) besteht. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, denn der Hilfebedürftige hat die Erfolglosigkeit der Inanspruchnahme zumutbarer Beseitigungsmöglichkeiten im Eilverfahren in jedem Fall glaubhaft zu machen. An einer solchen Glaubhaftmachung fehlt es im vorliegenden Fall.
Insofern genügt nicht bereits der pauschale Vortrag der Antragsteller, ein Auszug aus der Wohnung sei schon aus gesundheitlichen Gründen aufgrund der während einer Sanierung auftretenden Gesundheitsgefahren erforderlich. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Beseitigungsmaßnahmen ein weiterer Verbleib in der Wohnung unzumutbar ist. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass während der Beseitigung eines vom Vermieter zu vertretenen Mangels nach § 536a Abs. 1 BGB ein (Schadenersatz)Anspruch gegen den Vermieter auf Übernahme der Kosten einer einstweiligen Unterbringung besteht. Ein Umzug wäre also auch in diesem Fall nur dann erforderlich, wenn die Mängelbeseitigung nicht möglich oder wegen anderer Umstände unzumutbar ist. Dies ist von den Antragstellern nicht glaubhaft dargelegt worden. Insofern wird zwar behauptet, der Vermieter habe nach einer im September 2007 erfolgten Mängelanzeige eine Mängelbeseitigung abgelehnt und hierbei auf bereits im Jahr 2005 verrichtete Arbeiten verwiesen. Andererseits wird aber vorgetragen, im November 2007 hätten vom Vermieter beauftragte Handwerker ohne Erfolg versucht, den Schimmel professionell zu beseitigen. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit kann weder die eine noch die andere Sachverhaltsvariante als glaubhaft angesehen werden, wobei außerdem zu beachten ist, dass auch eine erfolglose Fristsetzung zur Mängelbeseitigung oder eine Unzumutbarkeit weiterer Beseitigungsversuche nicht glaubhaft gemacht worden sind. Der beabsichtigte Umzug ist deshalb derzeit nicht aufgrund Schimmelbefalls der Wohnung als erforderlich anzuerkennen.
Soweit die Antragsteller ihren Eilantrag auch darauf stützen, dass die derzeit bewohnte 3-Raum-Wohnung von 64 m² für zwei Erwachsene, ein sechsjähriges und einjähriges Kind zu klein sei, fehlt es für einen Erfolg des Antrages zumindest an einem Anordnungsgrund, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat.
Ein Anordnungsgrund ist angegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter - unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchführung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 54 bis 156 m.w.N.; ähnlich Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen beziehungsweise glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [8. Aufl., 2005], § 86b Rdnr. 27a).
Der erkennende Senat kann in der Größe der aktuellen Wohnung und ihrer räumlichen Aufteilung derzeit keinen schwerwiegenden Grund erkennen, aufgrund dessen ein sofortiger Umzug in eine größere Wohnung erfolgen müsste. Insofern fehlt es auch an jeglicher Glaubhaftmachung.
Dem Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller war trotz Zurückweisung der Beschwerde allerdings stattzugeben, da die Beschwerde mit vertretbaren Argumenten begründet wurde und ihr insofern nicht von vornherein einer Erfolgsaussicht abzusprechen war. Bedürftigkeit der Antragsteller im Sinne der §§ 114, 115 ZPO ist gleichfalls gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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