Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 1025/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 888/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Cottbus vom 7. April 2006 und des Bescheides der Beklagten vom 30. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2003 verpflichtet, den Zeitraum vom 1. September 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitentgelte festzustellen. Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]) und die Feststellung der in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte. Er ist 1949 geboren und darf seit dem 30. Juli 1974 die Berufsbezeichnung Ingenieur führen. Er war von September 1974 bis April 1988 beim VEB Baumechanik F als Technologe bzw. Ingenieur tätig. Von Mai 1988 bis einschließlich 30. Juli 1990 arbeitete er im VEB Kreisbetrieb für Landtechnik (KfL) L. Im Sozialversicherungsausweis ist für die Zeit vom 01.09.1974 bis 31. Dezember 1982 als Tätigkeit "T" beim VEB (B) Baumechanik F Sitz E eingetragen sowie ab 1. Januar 1977 bis 30. April 1988 "I" beim VEB Baumechanik F Betrieb des VEB Kombinat Baumechanisierung D in E, ab Mai 1988 "I" beim KfL L (VV hinten). Der VEB Baumechanik stellte u. a. Stahlbauerzeugnisse für den Wohnungsbau dar, insbesondere Formen für die Herstellung der im Wohnungsbau verwendeten Elementplatten sowie Richt- und Schneidmaschinen. In E war der Kläger technischer Leiter. Ab 1. Mai 1988 war der Kläger als A für alle vier Betriebsteile des VEB KfL beschäftigt. Der Betrieb fertigte Stahlbauerzeugnisse (Betriebsteil L), Kleintraktoren (Betriebsteil R), Aluminiumkähne sowie Regale für die Lagerwirtschaft (Betriebsteil GL). Aus der Umwandlungserklärung vom 27. Juni 1990 (Teil der Handelsregisterakte HRB 0550 des Amtsgerichts Cottbus) ergibt sich, dass der VEB KfL zum 1. Juli 1990 in die Spreewälder Landtechnik und Fahrzeug-GmbH L umgewandelt wurde ("zur Durchführung der Umwandlung wird mit Stichtag vom 30.06.1990 das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des Betriebes auf die "Spreewälder Landtechnik und Fahrzeug-GmbH L unter Zugrundelegung der Bilanz zum 01.07.1990 übertragen").
Der Kläger beantragte im Januar 2002 die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 30. Juli 2002 ab.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er sei seit September 1974 als Technologe bzw. Ingenieur in Produktionsbetrieben beschäftigt gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. Oktober 2003 zurück. Zum Stichtag 30. Juni 1990 sei der Kläger nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Baus beschäftigt gewesen.
Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht Cottbus (SG). Er sei beim KfL hauptsächlich mit Materialplanung beschäftigt gewesen. Am Betriebsstandort W seien 12 Produktionsarbeiter beschäftigt gewesen. 10 Arbeitskräfte hätten Traktoren repariert. Zwei hätten Paletten neu angefertigt. Im Betriebsteil L seien 25 Produktionsarbeiter mit der Landtechnik-Instandhaltung beschäftigt gewesen. Im Betriebsteil R hätten 27 Produktionsarbeiter Kleintraktoren und Strohanhänger angefertigt, drei Arbeitskräfte seien mit der Reparatur von Güllebehältern beschäftigt gewesen. Im Betriebsteil GL hätten 25 Arbeitskräfte Stahlbauerzeugnisse neu angefertigt, z. B. Treppen, Zäune, Überdächer usw. 10 Arbeitskräfte hätten Profileisen hergestellt für den Regalbau. 10 Arbeitskräfte hätten Landtechnik repariert. Insgesamt seien von 122 Produktionsarbeitern 64 Arbeitnehmer mit der tatsächlichen Produktion betraut gewesen, hingegen 58 Arbeitnehmer mit Dienstleistungsaufgaben. Er hat zur Begründung der Klage ferner u. a. den Funktionsplan für seine Tätigkeit als "Abteilungsleiter der technologischen Fertigungsvorbereitung" eingereicht.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass der VEB KfL in der Systematik der Planwirtschaft der Wirtschaftgruppe 15489 (Reparatur und Montagebetriebe des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus" und damit nicht zu den volkseigenen Produktionsbetrieben gezählt habe. Maßgeblich sei der Hauptzweck.
Das SG hat u. a. das Statut des VEB Kombinat Landtechnik C beigezogen. Danach gehörten zum Kombinat 11 Kreisbetriebe, wie der VEB KfL L sowie der VEB landtechnische Anlagen C sowie der VEB materiell-technische Versorgung der Landwirtschaft C. Es hat in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2006 die ehemaligen Mitarbeiter des KfL L A Tund GS als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine ingenieurtypische Tätigkeit beim VEB KfL L ausgeübt. Er sei nach eigenem Vorbringen überwiegend mit der Materialplanung beschäftigt gewesen. Eine konstruktive und schöpferisch verantwortliche Tätigkeit mit hervorragendem Einfluss auf die Herstellungsvorgänge habe nicht vorgelegen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er habe sehr wohl hervorragenden Einfluss auf die Produktion genommen. Er habe Materialbestellungen und Lieferung so organisieren müssen, dass der Produktionsfluss nicht unterbrochen habe werden müssen. Zu seiner Arbeit habe es gehört, den Materialbedarf zu ermitteln. Er sei u. a. für die Zuschnittpläne zuständig gewesen. Im Gegensatz zu seinem Betrieb sei der Kombinationsbetrieb VEB Landtechnischer Anlagenbau für die Erstellung von Kuh- und Schweineställen zuständig gewesen.
Der Kläger führt aktuell keinen Rechtstreit um die Rentenhöhe.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2003 zu verpflichten, die Zeit vom 1. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der VEB KfL L sei bereits nach dem Sprachgebrauch nur ein Betrieb für die Instandhaltung der Landtechnik gewesen. Die Kreisbetriebe hätten in erster Linie die Verfügbarkeit der homogenen Landtechnik gewährleistet. Hauptarbeit und Profil dieser Betriebe sei auf Dienstleistungen beschränkt gewesen, nicht auf Produktion. Bei den Kreislandwirtschaftsbetrieben sei durchaus auf Änderungen im Hauptzweck der Betriebe in den Jahren 1978 bis 1989 reagiert worden sei. Vielen Kreislandwirtschaftsbetrieben seien ab 1981 Produktionsaufgaben zugewiesen worden, gekennzeichnet durch die Wirtschaftsgruppe 15510. Der VEB KfL L habe aber (nach wie vor) zur Wirtschaftsgruppe 15489 (Reparatur- und Montagebetriebe des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus) gehört. Der Betrieb habe nicht in dem vom Zeugen T angegebenen Umfang produziert. Sie hat ferner auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. September 2006 (Az. B 4 RA 47/05) und vom 26.10.2004 (Az. B 4 RA 23/04 R) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen einschließlich der eingeführten Materialien verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Die Klage hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 AAÜG auf Feststellung der im Tenor aufgeführten Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG.
Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG ist gegeben. Der Kläger war zwar am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft in der AVItech im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte – unstreitig – bis zum 30. Juni 1990 eine diesbezügliche Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. § 1 Abs. 1 AAÜG ist jedoch im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), welcher der Senat folgt, hängt der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Versorgungsberechtigung im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab (vgl. u. a. BSG Urteil vom 12. Juni 2001 -B 4 RA 117/00 R-, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Urteil vom 10. April 2002 -B 4 RA 10/02 R- SozR 3-8570 § 1 Nr. 5; Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Der Betroffene muss - berechtigt gewesen sein, eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufsbezeich¬nungen zu führen, und - eine diesem Beruf entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben und zwar - für einen Arbeitgeber, der ein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der In¬dustrie oder des Bauwesens oder der einem solchen Betrieb durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellt worden war.
Die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung eines Betroffenen in die AVItech zum 1. August 1991 ist nur erfüllt, wenn der VEB ein Produktionsbetrieb der In¬dustrie oder des Bauwesens war. Materiell-rechtlich kommt es allein darauf an, ob der vom arbeitgebenden VEB tatsächlich verfolgte Hauptzweck auf die industrielle Fertigung (Fabrika¬tion, Herstellung, Produktion) von Sachgütern ausgerichtet war. Die Frage, was der tatsächliche Hauptzweck eines bestimmten VEB war, ist keine Rechtsfrage; sie betrifft vielmehr die Haupttatsache, von deren Vorliegen die Erfüllung der o. g. betrieblichen Voraussetzung abhängt. Welche Aufgabe dem VEB faktisch das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (BSG, Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich beim VEB KfL L bis zum Stichtag 30. Juni 1990 um einen Betrieb gehandelt hat, dessen wesentliches Gepräge die industrielle Produktion von Sachgütern war. Entgegen dem Wortlaut des Namens hat es sich nicht nur um einen Dienstleistungs- bzw. Reparaturbetrieb gehandelt. Der Betrieb war vielmehr jedenfalls maßgeblich –quantifiziert: zu mehr als der Hälfte- auch von der Produktion von Traktoren (UT 082) und anderen landwirtschaftlichen Maschinen sowie Stahlbauerzeugnissen im erheblichen Umfang geprägt Dies folgt aus den unbestrittenen Aussagen des Klägers selbst, den Zeugenaussagen und aus weiteren Indizien, insbesondere der Zahl der Beschäftigten in der Produktion. Die anders lautende Einordnung des Betriebes in der Systematik der Planwirtschaft und der Umstand, dass es sich nur um einen von vielen Kreisbetrieben des Kombinates gehandelt hat, können diese Einschätzung nicht maßgeblich erschüttern. Der KfL war noch am 30. Juni 1990 ein mit Betriebsmitteln ausgestatteter volkseigener Betrieb. Er hat eine Abschlussbilanz per 30. Juni 1990 (und nicht per 29. Juni 1990) erstellt. Für das nachfolgende Unternehmen Landtechnik und Fahrzeug-GmbH L erfolgte die Eröffnungsbilanz per 1. Juli 1990. Unmaßgeblich ist danach, dass die Formulierung in der Übertragungserklärung selbst "zum Stichtag" 30. Juni 1990" nach dem Wortlaut nicht eindeutig ist.
Der Kläger erfüllt am Stichtag auch die sachlichen Voraussetzungen.
Das BSG hat im Urteil vom 18. Oktober 2007 (Az. B 4 RS 17/07 R) in einem obiter dictum (Juris Rn 43 f) klargestellt, dass mit der sachlichen Voraussetzung eine weitere Einschränkung nur in den Fällen erreicht werden soll, in welchen Versicherte mit förmlichem Berufsabschluss des § 1 Abs. 1 der 2. DB in einem Produktionsbetrieb fachfremd eingesetzt worden seien. Dagegen solle die fiktive Einbeziehung in die AVItech nicht auf solche Versicherte beschränkt werden, die Tätigkeiten in ganz bestimmten Bereichen des Produktionsprozesses wahrgenommen hätten. Auch Tätigkeiten in leitungs- und produktionssichernden Bereichen, bei Beschaffung und Absatz sowie bei der Betriebssicherheit könnten der Qualifikation entsprechen. Es ist danach zu fragen, ob der Versicherte im Schwerpunkt eine diesem durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Dies ist für die Tätigkeit des Klägers als Leiter der Materialwirtschaft zu bejahen. Zur Aufrechterhaltung der Produktion im Rahmen der normalen lang- und kurzfristigen Materialbeschaffung der Kläger zur Überzeugung des Senats auf die Fachkenntnisse angewiesen. Er wurde nicht im Wesentlichen berufsfremd eingesetzt.
Für welche Zeiten konkret die Zugehörigkeit zum Versorgungswerk festzustellen ist, bemisst sich nach § 5 Abs. 1 AAÜG. Diese Norm ordnet die Gleichstellung mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung an, in denen der "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt (notwendig vor dem 1. Juli 1990) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 im AAÜG aufgelistet ist (so BSG, Urteil vom 26. 10. 2004 – B 4 RA 40/04 R – SozR 4 – 8570 § 5 Nr. 6 Rn. 15 m. w. N.). "Ihrer Art nach von einem Versorgungssystem" erfasst ist diejenige entgeltliche Beschäftigung, für die §§ 1 und 5 der VO AVItech einschlägig sind (BSG, a.a.O., Rn. 16 ff.). Hier ist für den gesamten beantragten Zeitraum davon auszugehen, dass der Kläger in die AVItech hätte einbezogen werden müssen. Auch beim vorangegangenen Arbeitsgeber VEB Baumechanik hat es sich um einen Produktionsbetrieb gehandelt, der Bewehrungsmaschinen und Stahlbauerzeugnisse produzierte. Als Technologe bzw. Ingenieur, der auch als solcher eingesetzt wurde, sind auch die persönlichen Voraussetzungen beim Kläger erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Zu entscheiden war über den konkreten Einsatz des Klägers bei seinen konkreten Arbeitgeber.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]) und die Feststellung der in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte. Er ist 1949 geboren und darf seit dem 30. Juli 1974 die Berufsbezeichnung Ingenieur führen. Er war von September 1974 bis April 1988 beim VEB Baumechanik F als Technologe bzw. Ingenieur tätig. Von Mai 1988 bis einschließlich 30. Juli 1990 arbeitete er im VEB Kreisbetrieb für Landtechnik (KfL) L. Im Sozialversicherungsausweis ist für die Zeit vom 01.09.1974 bis 31. Dezember 1982 als Tätigkeit "T" beim VEB (B) Baumechanik F Sitz E eingetragen sowie ab 1. Januar 1977 bis 30. April 1988 "I" beim VEB Baumechanik F Betrieb des VEB Kombinat Baumechanisierung D in E, ab Mai 1988 "I" beim KfL L (VV hinten). Der VEB Baumechanik stellte u. a. Stahlbauerzeugnisse für den Wohnungsbau dar, insbesondere Formen für die Herstellung der im Wohnungsbau verwendeten Elementplatten sowie Richt- und Schneidmaschinen. In E war der Kläger technischer Leiter. Ab 1. Mai 1988 war der Kläger als A für alle vier Betriebsteile des VEB KfL beschäftigt. Der Betrieb fertigte Stahlbauerzeugnisse (Betriebsteil L), Kleintraktoren (Betriebsteil R), Aluminiumkähne sowie Regale für die Lagerwirtschaft (Betriebsteil GL). Aus der Umwandlungserklärung vom 27. Juni 1990 (Teil der Handelsregisterakte HRB 0550 des Amtsgerichts Cottbus) ergibt sich, dass der VEB KfL zum 1. Juli 1990 in die Spreewälder Landtechnik und Fahrzeug-GmbH L umgewandelt wurde ("zur Durchführung der Umwandlung wird mit Stichtag vom 30.06.1990 das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des Betriebes auf die "Spreewälder Landtechnik und Fahrzeug-GmbH L unter Zugrundelegung der Bilanz zum 01.07.1990 übertragen").
Der Kläger beantragte im Januar 2002 die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 30. Juli 2002 ab.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er sei seit September 1974 als Technologe bzw. Ingenieur in Produktionsbetrieben beschäftigt gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. Oktober 2003 zurück. Zum Stichtag 30. Juni 1990 sei der Kläger nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Baus beschäftigt gewesen.
Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht Cottbus (SG). Er sei beim KfL hauptsächlich mit Materialplanung beschäftigt gewesen. Am Betriebsstandort W seien 12 Produktionsarbeiter beschäftigt gewesen. 10 Arbeitskräfte hätten Traktoren repariert. Zwei hätten Paletten neu angefertigt. Im Betriebsteil L seien 25 Produktionsarbeiter mit der Landtechnik-Instandhaltung beschäftigt gewesen. Im Betriebsteil R hätten 27 Produktionsarbeiter Kleintraktoren und Strohanhänger angefertigt, drei Arbeitskräfte seien mit der Reparatur von Güllebehältern beschäftigt gewesen. Im Betriebsteil GL hätten 25 Arbeitskräfte Stahlbauerzeugnisse neu angefertigt, z. B. Treppen, Zäune, Überdächer usw. 10 Arbeitskräfte hätten Profileisen hergestellt für den Regalbau. 10 Arbeitskräfte hätten Landtechnik repariert. Insgesamt seien von 122 Produktionsarbeitern 64 Arbeitnehmer mit der tatsächlichen Produktion betraut gewesen, hingegen 58 Arbeitnehmer mit Dienstleistungsaufgaben. Er hat zur Begründung der Klage ferner u. a. den Funktionsplan für seine Tätigkeit als "Abteilungsleiter der technologischen Fertigungsvorbereitung" eingereicht.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass der VEB KfL in der Systematik der Planwirtschaft der Wirtschaftgruppe 15489 (Reparatur und Montagebetriebe des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus" und damit nicht zu den volkseigenen Produktionsbetrieben gezählt habe. Maßgeblich sei der Hauptzweck.
Das SG hat u. a. das Statut des VEB Kombinat Landtechnik C beigezogen. Danach gehörten zum Kombinat 11 Kreisbetriebe, wie der VEB KfL L sowie der VEB landtechnische Anlagen C sowie der VEB materiell-technische Versorgung der Landwirtschaft C. Es hat in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2006 die ehemaligen Mitarbeiter des KfL L A Tund GS als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine ingenieurtypische Tätigkeit beim VEB KfL L ausgeübt. Er sei nach eigenem Vorbringen überwiegend mit der Materialplanung beschäftigt gewesen. Eine konstruktive und schöpferisch verantwortliche Tätigkeit mit hervorragendem Einfluss auf die Herstellungsvorgänge habe nicht vorgelegen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er habe sehr wohl hervorragenden Einfluss auf die Produktion genommen. Er habe Materialbestellungen und Lieferung so organisieren müssen, dass der Produktionsfluss nicht unterbrochen habe werden müssen. Zu seiner Arbeit habe es gehört, den Materialbedarf zu ermitteln. Er sei u. a. für die Zuschnittpläne zuständig gewesen. Im Gegensatz zu seinem Betrieb sei der Kombinationsbetrieb VEB Landtechnischer Anlagenbau für die Erstellung von Kuh- und Schweineställen zuständig gewesen.
Der Kläger führt aktuell keinen Rechtstreit um die Rentenhöhe.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2003 zu verpflichten, die Zeit vom 1. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der VEB KfL L sei bereits nach dem Sprachgebrauch nur ein Betrieb für die Instandhaltung der Landtechnik gewesen. Die Kreisbetriebe hätten in erster Linie die Verfügbarkeit der homogenen Landtechnik gewährleistet. Hauptarbeit und Profil dieser Betriebe sei auf Dienstleistungen beschränkt gewesen, nicht auf Produktion. Bei den Kreislandwirtschaftsbetrieben sei durchaus auf Änderungen im Hauptzweck der Betriebe in den Jahren 1978 bis 1989 reagiert worden sei. Vielen Kreislandwirtschaftsbetrieben seien ab 1981 Produktionsaufgaben zugewiesen worden, gekennzeichnet durch die Wirtschaftsgruppe 15510. Der VEB KfL L habe aber (nach wie vor) zur Wirtschaftsgruppe 15489 (Reparatur- und Montagebetriebe des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus) gehört. Der Betrieb habe nicht in dem vom Zeugen T angegebenen Umfang produziert. Sie hat ferner auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. September 2006 (Az. B 4 RA 47/05) und vom 26.10.2004 (Az. B 4 RA 23/04 R) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen einschließlich der eingeführten Materialien verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Die Klage hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 AAÜG auf Feststellung der im Tenor aufgeführten Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG.
Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG ist gegeben. Der Kläger war zwar am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft in der AVItech im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte – unstreitig – bis zum 30. Juni 1990 eine diesbezügliche Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. § 1 Abs. 1 AAÜG ist jedoch im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), welcher der Senat folgt, hängt der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Versorgungsberechtigung im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab (vgl. u. a. BSG Urteil vom 12. Juni 2001 -B 4 RA 117/00 R-, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Urteil vom 10. April 2002 -B 4 RA 10/02 R- SozR 3-8570 § 1 Nr. 5; Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Der Betroffene muss - berechtigt gewesen sein, eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufsbezeich¬nungen zu führen, und - eine diesem Beruf entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben und zwar - für einen Arbeitgeber, der ein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der In¬dustrie oder des Bauwesens oder der einem solchen Betrieb durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellt worden war.
Die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung eines Betroffenen in die AVItech zum 1. August 1991 ist nur erfüllt, wenn der VEB ein Produktionsbetrieb der In¬dustrie oder des Bauwesens war. Materiell-rechtlich kommt es allein darauf an, ob der vom arbeitgebenden VEB tatsächlich verfolgte Hauptzweck auf die industrielle Fertigung (Fabrika¬tion, Herstellung, Produktion) von Sachgütern ausgerichtet war. Die Frage, was der tatsächliche Hauptzweck eines bestimmten VEB war, ist keine Rechtsfrage; sie betrifft vielmehr die Haupttatsache, von deren Vorliegen die Erfüllung der o. g. betrieblichen Voraussetzung abhängt. Welche Aufgabe dem VEB faktisch das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (BSG, Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich beim VEB KfL L bis zum Stichtag 30. Juni 1990 um einen Betrieb gehandelt hat, dessen wesentliches Gepräge die industrielle Produktion von Sachgütern war. Entgegen dem Wortlaut des Namens hat es sich nicht nur um einen Dienstleistungs- bzw. Reparaturbetrieb gehandelt. Der Betrieb war vielmehr jedenfalls maßgeblich –quantifiziert: zu mehr als der Hälfte- auch von der Produktion von Traktoren (UT 082) und anderen landwirtschaftlichen Maschinen sowie Stahlbauerzeugnissen im erheblichen Umfang geprägt Dies folgt aus den unbestrittenen Aussagen des Klägers selbst, den Zeugenaussagen und aus weiteren Indizien, insbesondere der Zahl der Beschäftigten in der Produktion. Die anders lautende Einordnung des Betriebes in der Systematik der Planwirtschaft und der Umstand, dass es sich nur um einen von vielen Kreisbetrieben des Kombinates gehandelt hat, können diese Einschätzung nicht maßgeblich erschüttern. Der KfL war noch am 30. Juni 1990 ein mit Betriebsmitteln ausgestatteter volkseigener Betrieb. Er hat eine Abschlussbilanz per 30. Juni 1990 (und nicht per 29. Juni 1990) erstellt. Für das nachfolgende Unternehmen Landtechnik und Fahrzeug-GmbH L erfolgte die Eröffnungsbilanz per 1. Juli 1990. Unmaßgeblich ist danach, dass die Formulierung in der Übertragungserklärung selbst "zum Stichtag" 30. Juni 1990" nach dem Wortlaut nicht eindeutig ist.
Der Kläger erfüllt am Stichtag auch die sachlichen Voraussetzungen.
Das BSG hat im Urteil vom 18. Oktober 2007 (Az. B 4 RS 17/07 R) in einem obiter dictum (Juris Rn 43 f) klargestellt, dass mit der sachlichen Voraussetzung eine weitere Einschränkung nur in den Fällen erreicht werden soll, in welchen Versicherte mit förmlichem Berufsabschluss des § 1 Abs. 1 der 2. DB in einem Produktionsbetrieb fachfremd eingesetzt worden seien. Dagegen solle die fiktive Einbeziehung in die AVItech nicht auf solche Versicherte beschränkt werden, die Tätigkeiten in ganz bestimmten Bereichen des Produktionsprozesses wahrgenommen hätten. Auch Tätigkeiten in leitungs- und produktionssichernden Bereichen, bei Beschaffung und Absatz sowie bei der Betriebssicherheit könnten der Qualifikation entsprechen. Es ist danach zu fragen, ob der Versicherte im Schwerpunkt eine diesem durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Dies ist für die Tätigkeit des Klägers als Leiter der Materialwirtschaft zu bejahen. Zur Aufrechterhaltung der Produktion im Rahmen der normalen lang- und kurzfristigen Materialbeschaffung der Kläger zur Überzeugung des Senats auf die Fachkenntnisse angewiesen. Er wurde nicht im Wesentlichen berufsfremd eingesetzt.
Für welche Zeiten konkret die Zugehörigkeit zum Versorgungswerk festzustellen ist, bemisst sich nach § 5 Abs. 1 AAÜG. Diese Norm ordnet die Gleichstellung mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung an, in denen der "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt (notwendig vor dem 1. Juli 1990) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 im AAÜG aufgelistet ist (so BSG, Urteil vom 26. 10. 2004 – B 4 RA 40/04 R – SozR 4 – 8570 § 5 Nr. 6 Rn. 15 m. w. N.). "Ihrer Art nach von einem Versorgungssystem" erfasst ist diejenige entgeltliche Beschäftigung, für die §§ 1 und 5 der VO AVItech einschlägig sind (BSG, a.a.O., Rn. 16 ff.). Hier ist für den gesamten beantragten Zeitraum davon auszugehen, dass der Kläger in die AVItech hätte einbezogen werden müssen. Auch beim vorangegangenen Arbeitsgeber VEB Baumechanik hat es sich um einen Produktionsbetrieb gehandelt, der Bewehrungsmaschinen und Stahlbauerzeugnisse produzierte. Als Technologe bzw. Ingenieur, der auch als solcher eingesetzt wurde, sind auch die persönlichen Voraussetzungen beim Kläger erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Zu entscheiden war über den konkreten Einsatz des Klägers bei seinen konkreten Arbeitgeber.
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