L 6 AL 79/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 1336/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 AL 79/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2008 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat sich mit seiner vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Anfechtungsklage gegen die von der Beklagten verfügte Teilaufhebung einer Bewilligung von Lehrgangsgebühren und die damit in Zusammenhang stehende Erstattungsforderung iH von 2.493,28 EUR (Bescheide vom 29. August 2006 und 19. Februar 2007; bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2007) gewandt. Diese Klage hat das SG abgewiesen (Urteil des vom 17. Januar 2008). Das Urteil, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, ist ausweislich der Postzustellungsurkunde am 31. Januar 2008 dem Kläger zugestellt worden.

Am 03. März 2008 (einem Montag) hat der Kläger hiergegen mit Schriftsatz vom 01. März 2008 Berufung eingelegt.

Der Vorsitzende des Senats hat den Kläger darauf hingewiesen (Schreiben vom 13. März 2008), dass die Berufung nicht fristgemäß erhoben worden sei, da die einmonatige Berufungsfrist am 01. Februar 2008 begonnen und am 29. Februar 2008 geendet habe. Da es sich dabei um einen Wochentag gehandelt habe, sei eine Verschiebung des Fristendes nicht eingetreten. Der Kläger möge überprüfen, ob Wiedereinsetzungsgründe vorlägen und geltend gemacht werden sollten (§ 67 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Für eine Stellungnahme sei eine Frist von einem Monat notiert.

Der Kläger hat am 14. April 2008 (Schreiben vom selben Tag) dem Senat gegenüber erklärt, dass er die Rechtsauffassung zur Nichteinhaltung der Berufungsfrist nicht teile. Ohne juristische Spezialkenntnisse sei eine Berechnung der Berufungsfrist nicht möglich. Eine Verlängerung der Berufungsfrist sei schon deshalb recht und billig, weil er wegen des aufgrund seines Bandscheibenleidens in unregelmäßigen Abständen auftretenden Schmerzsyndroms die gesetzliche Berufungsfrist nicht durchgängig habe nutzen können.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Berlin 17. Januar 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 29. August 2006 und 19. Februar 2007, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Verwerfung, hilfsweise, die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg bzw beim SG Berlin eingelegt worden (§§ 151 Abs 1 und 2 Satz 1 SGG) und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG). Die Entscheidung kann durch Beschluss ergeben (§ 158 Satz 2 SGG).

Das Urteil des SG wurde am 31. Januar 2008 im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 63 Abs 2 SGG iVm § 180 Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt, was vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt wird.

Nach § 64 Abs 1 SGG begann der Lauf der Monatsfrist am 01. Februar 2008, nach dem Tage der Zustellung des Urteils (31. Januar 2008). Die Berufungsfrist endete mit Ablauf des 29. Februar 2008, einem Freitag. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 64 Abs 2 SGG, wonach eine nach Monaten bestimmte Frist - hier: die Berufungsfrist - mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats endet, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in dem das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (Satz 1 aaO) bzw in dem Fall, in dem – wie hier – dem letzten Monat der entsprechende Tag fehlt, mit dem Ablauf dieses Monats (Satz 2 aaO). Die Berufungsschrift des Klägers ist jedoch ausweislich des Eingangsstempels erst am 03. März 2008, also drei Tage zu spät, beim Senat eingegangen.

An die Stelle der Monatsfrist, innerhalb derer die Berufung bei Gericht eingehen muss, ist auch nicht die Jahresfrist des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG getreten. Denn das angefochtene Urteil des SG enthielt eine Rechtsmittelbelehrung über die Erhebung der Berufung, die weder unrichtig noch unvollständig war. Die Rechtsmittelbelehrung hat den Kläger darüber belehrt, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne. Weiter erfolgte eine Belehrung über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist und den Sitz dieses Gericht (LSG Berlin-Brandenburg, Försterweg 2-6,14482 Potsdam, oder SG Berlin, Invalidenstr 52, 10557 Berlin). Schließlich wurde der Kläger über die einzuhaltende Frist (schriftlich) belehrt. Denn in der Rechtsmittelbelehrung heißt es unzweideutig, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils (schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) einzulegen ist. Dies ist ausreichend. Beginnt die Frist mit der Zustellung, wie hier, muss dies zwar gesagt werden (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, RdNr 8 zu § 66 mwN). Die Fristberechnung im Einzelnen ist aber Sache der Beteiligten, da kaum möglich aber auch nicht erforderlich ist, in einer Rechtsmittelbelehrung auf sämtliche Modalitäten einer Fristberechnung hinzuweisen (so schon Bundesverfassungsgericht (2. Senat) Beschluss vom 27. Juli 1971, 2 BvR 118/71, BVerfGE 31, 388); es genügt der Hinweis, "binnen eines Monats". Insbesondere bedarf es keines Hinweises über die Besonderheiten des Fristablaufs die mit der Kürze des Monats Februar zusammenhängen (vgl Keller, aaO, RdNr 9 mwN).

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht ersichtlich. Nach § 67 Abs 1 SGG ist eine Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn jemand unverschuldet verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Berufungsfrist ist nur ohne Verschulden nicht eingehalten, wenn diejenige Sorgfalt angewendet wird, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist, so dass auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft Prozessführenden die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein muss (Keller, aaO, RdNr 3 zu § 67 mwN, insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)).

Hieran gemessen ist dem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen. Abgesehen davon, dass die Gestaltung der Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG den Kläger über die erforderlichen Schritte, die im Falle einer Anfechtung des Urteils einzuhalten sind, nicht im Unklaren ließ, hätte er gegebenenfalls bestehende Zweifel oder Unsicherheiten bezüglich der einzuhaltenden Schritte ggf durch Nachfrage bei einem Anwalt oder einer sonst sachkundigen Stelle ausräumen können (vgl Keller, aaO, RdNr 7d zu § 67). Soweit der Kläger vorträgt, wegen des in unregelmäßigen Abständen auftretenden Schmerzsyndroms nicht durchgängig in der Lage gewesen zu sein, die Berufungsfrist zu nutzen, stellt dies keinen eine Wiedereinsetzung begründenden Sachverhalt dar. Denn bei einer Erkrankung ist zu verlangen, dass der Betroffene außerstande ist, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen oder einen Dritten hiermit zu beauftragen (BSG, Beschluss vom 25. Februar 1992 – 9a BVg 10/91, juris). Eine derartige Handlungsunfähigkeit hat der Kläger aber nicht behauptet.

Der Senat, der wegen der Unzulässigkeit der Berufung daran gehindert ist zu prüfen, ob der von der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung der streitigen Bescheide zu Recht besteht, mithin die von ihm erhobene Anfechtungsklage vom SG zutreffend abgewiesen worden ist, weist jedoch abschließend darauf hin, dass der Kläger nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch bei der Beklagten den Antrag stellen kann, die von ihr getroffenen - bestandskräftig gewordene - Verwaltungsentscheidungen zu überprüfen (vgl hierzu: BSG (7. Senat) SozR 3-4100 § 101 Nr 10 und SozR 3-4300 § 143 Nr 4 sowie BSG (14. Senat) SozR 3-1300 § 44 Nr 21), um gegebenenfalls auf diese Weise die Möglichkeit zur Klage neu zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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