Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3571/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 566/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.12.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1949 geborene Klägerin t. Staatsangehörigkeit hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und lebt seit 1975 in Deutschland. Sie war zuletzt bis Oktober 2003 als Näherin tätig. Seither ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin leidet vorrangig an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom, einer lumbalen Spinalkanalstenose, einem chronischen Zervikalsyndrom mit Cephalgien, einer Insuffizienz der Rücken- und Rumpfmuskulatur, einem Schulter-Arm-Syndrom, einer Coxalgie rechts, einer Kniegelenksarthrose rechts und Senk-Spreizfüßen beidseits sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 08.02.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.02.2005 und Widerspruchsbescheid vom 30.09.2005 ab. Dem lag ein Entlassungsbericht über ein stationäres Heilverfahren in der F. Bad B. im März/April 2004 (Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten unter Vermeidung von häufigem Heben und Tragen sowie Bewegen von mittelschweren Lasten und Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen) und ein Gutachten der Internistin Dr. M. (Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Näherin, hingegen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne vermehrten Zeitdruck, ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken und häufige Über-Kopf-Arbeiten) zu Grunde.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.10.2005 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und geltend gemacht, der behandelnde Arzt für Chirurgie Dr. B. halte sie für erwerbsunfähig. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte, u. a. Dr. B. (die Klägerin könne nur leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter drei Stunden täglich verrichten) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. B. eingeholt. Dieser hat ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Arbeiten in gebückter bzw. vorn übergebeugter Haltung oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, ohne Arbeiten mit ständiger oder häufiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft, ohne ständig stehende und gehende Tätigkeiten, ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne Arbeiten in kniender oder hockender Stellung sowie Arbeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten festgestellt. Das Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Näherin liege unter drei Stunden täglich. Die Klägerin könne Wegstrecken von mindestens 500 Metern viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurücklegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung zusammenfassend ausgeführt, die Klägerin sei nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. M. weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 SGB VI.
Gegen den am 05.01.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 01.02.2007 Berufung eingelegt und unter Vorlage eines Attests der Ärztin für Anästhesie Dr. M. (chronisch therapieresistentes HWS-Syndrom, biomechanische Funktionsstörung der HWS, Foramenstenose C5/6, Protrusion C4/5, cervicogene Kopfschmerzen, chronisch therapieresistentes Lumbalsyndrom, Spondylarthrosen, chronischer Schmerz) geltend gemacht, bei Gesamtschau der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei davon auszugehen, dass ihr Leistungsvermögen reduziert bzw. aufgehoben sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.12.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 28.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, ab dem 01.02.2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. D. eingeholt. Dieser hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein Syndrom der lumbalen Spinalkanalstenose und ein chronisches Zervikalsyndrom diagnostiziert und ausgeführt, die Klägerin könne ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere psychische Beanspruchung (z. B. Akkord-, Schicht-, Nachtarbeit, Arbeit mit erhöhter Eigenverantwortung, Arbeit mit ständigem Publikumsverkehr) und unter Berücksichtigung der von Dr. B. beschriebenen qualitativen Einschränkungen weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Längere Fußwege (über 500 m) sollten ihr auf dem Weg zur Arbeit nicht zugemutet werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der o. a. Vorschriften. Vielmehr ist sie nach Überzeugung des Senats weiterhin in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Arbeiten in gebückter bzw. vorn übergebeugter Haltung oder sonstiger Zwangshaltung, keine Arbeiten mit ständiger oder häufiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft, keine ständig stehenden oder gehenden Tätigkeiten, keine Über-Kopf-Arbeiten, keine Arbeiten im Knien oder Hocken, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine Tätigkeiten mit besonderer psychischer Beanspruchung [z. B. Akkord-, Schicht-, Nachtarbeit, Arbeit mit erhöhter Eigenverantwortung, Arbeit mit ständigem Publikumsverkehr]) in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. D.
Der Sachverständige Dr. B. hat auf orthopädischem Fachgebiet ein chronisches Wirbelsäulensyndrom mit geringen funktionellen Einschränkungen bei Wirbelsäulenfehlstatik und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen einschließlich zervikaler Bandscheibenprotrusionen sowie zervikaler und lumbaler Foramenstenosen und lumbaler Spinalstenose ohne objektivierbare neurologische Ausfälle der Extremitäten, eine ausgeprägte Insuffizienz der Rücken- und Rumpfmuskulatur, einen Verdacht auf eine Cervicocephalgie und vertebragene Vertigo, ein Schulter-Arm-Syndrom rechts ohne wesentliche funktionelle Einschränkung, eine Coxalgie rechts ohne funktionelle Einschränkung, eine retropatellar betonte Gonarthrose rechts und eine Senk-Spreizfuss-Deformität beidseits festgestellt. Dr. B. hat nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar gewisse, bereits oben genannte qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind, eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht darüber hinaus jedoch nicht festzustellen ist und insbesondere die tatsächlich bestehenden funktionellen Einschränkungen die Einschätzung des behandelnden Chirurgen Dr. B. (Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich auch für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) nicht rechtfertigen. Die Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenprotrusionen, Neuroforamenstenosen und lumbaler Spinalkanalstenose führen - so Dr. B. - zu keinen objektivierbaren motorischen Ausfallerscheinungen der oberen und unteren Extremitäten. Auch liegen bis auf nicht objektivierbare diffuse und nicht dermatombezogen einzuordnende sensible Störungen am rechten Arm und rechten Bein keine objektivierbaren sensiblen Ausfälle vor, die auf degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule zurückzuführen wären. Dr. B. hat in seinem Gutachten unter Darlegung des Verhaltens der Klägerin während der Untersuchung nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Klägerin geschilderten sensiblen Störungen vorwiegend aggraviert bzw. psychogen überlagert sind. Wesentliche, durch die Wirbelsäule bedingte, funktionelle Einschränkungen hat Dr. B. nicht festgestellt. Auch die zervikal bzw. vertebragen bedingten Kopfschmerzen und der von der Klägerin geschilderte Schwindel stehen - so Dr. B. - einer vollschichtigen beruflichen Tätigkeit nicht im Wege. Die muskuläre Insuffizienz und die Hüftgelenksbeschwerden führen - so Dr. B. - ebenso wenig wie die Senk-Spreizfuss-Deformität zu funktionellen Einschränkungen. Das Schulter-Arm-Syndrom kann durch den Ausschluss von Über-Kopf-Arbeiten sowie Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen hinreichend berücksichtigt werden. Wegen der Kniegelenksarthrose können keine ständig stehenden und gehenden Tätigkeiten sowie keine Arbeiten im Knien und Hocken und mit Besteigen von Leitern und Gerüsten ausgeübt werden, darüber hinaus besteht aber - so nachvollziehbar Dr. B. - keine quantitative Minderung des Leistungsvermögens. Insgesamt hat Dr. B. somit schlüssig dargelegt, dass die Klägerin auf Grund der bei ihr vorliegenden Beschwerden - hierbei hat Dr. B. auch eine psychosomatische Störung mit Schmerzfehlverarbeitung berücksichtigt - zwar nicht mehr in der Lage ist, die rein sitzende Tätigkeit als Näherin auszuüben, wohl aber leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Leistungseinschränkungen.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet hat der Sachverständige Dr. D. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine lumbale Spinalkanalstenose und ein chronisches Zervikalsyndrom bei degenerativen HWS-Veränderungen festgestellt. Einen wesentlichen pathologischen Befund hat Dr. D. bei der neurologischen Untersuchung nicht erhoben. Vielmehr steht - so Dr. D. - eine psychogene Überlagerung der Symptomatik im Vordergrund. Dr. D. hat nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund der bestehenden Gesundheitsstörungen zwar gewisse qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind (keine besonderen psychischen Beanspruchungen wie z. B. Akkord-, Schicht-, Nachtarbeit, Arbeit mit erhöhter Eigenverantwortung oder Arbeit mit ständigem Publikumsverkehr), eine Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte körperliche Tätigkeiten in quantitativer Hinsicht jedoch nicht besteht. Eine schwerergradige Einschränkung ergibt sich - so nachvollziehbar Dr. D. - auf Grund der mit gewissen Einschränkungen weiterhin erhaltenen Alltagsstruktur und Erfüllung der Alltagspflichten und den nur leichtgradig eingeschränkten sozialen Kompetenzen nicht. Ein erheblicher Leidensdruck ist bei der Klägerin insoweit auch nicht erkennbar, da eine konsequente nervenärztliche Behandlung bislang nicht in Anspruch genommen wurde. Insgesamt hat der Sachverständige Dr. D. - ausdrücklich unter Einbeziehung der sich aus orthopädischer Sicht ergebenden Einschränkungen - nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin weiterhin in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, wenn die o. a. qualitativen Einschränkungen berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt somit auch eine Gesamtschau der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen keine Leistungsminderung in quantitativer Hinsicht. Auch aus dem von ihr vorgelegten Attest der Ärztin für Anästhesiologie Dr. M. ergibt sich nichts Anderes, da darin keine von den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und Dr. D. abweichenden Befunde enthalten sind.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist wegen der qualitativen Leistungseinschränkungen nicht erforderlich. Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 J 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).
Allerdings kann nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung.
Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats in der Lage, die üblichen Wegstrecken zu einer Arbeitsstelle zurückzulegen. Eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit hat weder Dr. B. noch Dr. D. festgestellt; die Klägerin macht nach eigenen Angaben auch weiterhin Spaziergänge. Bei der Untersuchung durch Dr. B. hat sich ein zwar betont langsames, aber hinkfreies und flüssiges Gangbild gezeigt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat Dr. B. auf Grund seines Untersuchungsbefundes nicht festgestellt. Unter Berücksichtigung dieser Befunde hält der Senat die von Dr. D. angegebene Einschränkung, dass längere Fußwege (über 500 m) der Klägerin auf dem Weg zur Arbeit nicht zugemutet werden sollten, nicht für nachvollziehbar.
Auch wenn die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Näherin nicht mehr verrichten kann, führt dies nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI. Denn die Klägerin verfügt - da sie keinen Beruf erlernt hat und als ungelernte Arbeiterin beschäftigt war - über keinen Berufsschutz. Dies hat die Klägerin konsequenter Weise auch nicht geltend gemacht. Die Klägerin ist somit als ungelernte Arbeiterin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1949 geborene Klägerin t. Staatsangehörigkeit hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und lebt seit 1975 in Deutschland. Sie war zuletzt bis Oktober 2003 als Näherin tätig. Seither ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin leidet vorrangig an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom, einer lumbalen Spinalkanalstenose, einem chronischen Zervikalsyndrom mit Cephalgien, einer Insuffizienz der Rücken- und Rumpfmuskulatur, einem Schulter-Arm-Syndrom, einer Coxalgie rechts, einer Kniegelenksarthrose rechts und Senk-Spreizfüßen beidseits sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 08.02.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.02.2005 und Widerspruchsbescheid vom 30.09.2005 ab. Dem lag ein Entlassungsbericht über ein stationäres Heilverfahren in der F. Bad B. im März/April 2004 (Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten unter Vermeidung von häufigem Heben und Tragen sowie Bewegen von mittelschweren Lasten und Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen) und ein Gutachten der Internistin Dr. M. (Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Näherin, hingegen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne vermehrten Zeitdruck, ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken und häufige Über-Kopf-Arbeiten) zu Grunde.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.10.2005 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und geltend gemacht, der behandelnde Arzt für Chirurgie Dr. B. halte sie für erwerbsunfähig. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte, u. a. Dr. B. (die Klägerin könne nur leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter drei Stunden täglich verrichten) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. B. eingeholt. Dieser hat ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Arbeiten in gebückter bzw. vorn übergebeugter Haltung oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, ohne Arbeiten mit ständiger oder häufiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft, ohne ständig stehende und gehende Tätigkeiten, ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne Arbeiten in kniender oder hockender Stellung sowie Arbeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten festgestellt. Das Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Näherin liege unter drei Stunden täglich. Die Klägerin könne Wegstrecken von mindestens 500 Metern viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurücklegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung zusammenfassend ausgeführt, die Klägerin sei nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. M. weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 SGB VI.
Gegen den am 05.01.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 01.02.2007 Berufung eingelegt und unter Vorlage eines Attests der Ärztin für Anästhesie Dr. M. (chronisch therapieresistentes HWS-Syndrom, biomechanische Funktionsstörung der HWS, Foramenstenose C5/6, Protrusion C4/5, cervicogene Kopfschmerzen, chronisch therapieresistentes Lumbalsyndrom, Spondylarthrosen, chronischer Schmerz) geltend gemacht, bei Gesamtschau der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei davon auszugehen, dass ihr Leistungsvermögen reduziert bzw. aufgehoben sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.12.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 28.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, ab dem 01.02.2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. D. eingeholt. Dieser hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein Syndrom der lumbalen Spinalkanalstenose und ein chronisches Zervikalsyndrom diagnostiziert und ausgeführt, die Klägerin könne ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere psychische Beanspruchung (z. B. Akkord-, Schicht-, Nachtarbeit, Arbeit mit erhöhter Eigenverantwortung, Arbeit mit ständigem Publikumsverkehr) und unter Berücksichtigung der von Dr. B. beschriebenen qualitativen Einschränkungen weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Längere Fußwege (über 500 m) sollten ihr auf dem Weg zur Arbeit nicht zugemutet werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der o. a. Vorschriften. Vielmehr ist sie nach Überzeugung des Senats weiterhin in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Arbeiten in gebückter bzw. vorn übergebeugter Haltung oder sonstiger Zwangshaltung, keine Arbeiten mit ständiger oder häufiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft, keine ständig stehenden oder gehenden Tätigkeiten, keine Über-Kopf-Arbeiten, keine Arbeiten im Knien oder Hocken, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine Tätigkeiten mit besonderer psychischer Beanspruchung [z. B. Akkord-, Schicht-, Nachtarbeit, Arbeit mit erhöhter Eigenverantwortung, Arbeit mit ständigem Publikumsverkehr]) in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. D.
Der Sachverständige Dr. B. hat auf orthopädischem Fachgebiet ein chronisches Wirbelsäulensyndrom mit geringen funktionellen Einschränkungen bei Wirbelsäulenfehlstatik und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen einschließlich zervikaler Bandscheibenprotrusionen sowie zervikaler und lumbaler Foramenstenosen und lumbaler Spinalstenose ohne objektivierbare neurologische Ausfälle der Extremitäten, eine ausgeprägte Insuffizienz der Rücken- und Rumpfmuskulatur, einen Verdacht auf eine Cervicocephalgie und vertebragene Vertigo, ein Schulter-Arm-Syndrom rechts ohne wesentliche funktionelle Einschränkung, eine Coxalgie rechts ohne funktionelle Einschränkung, eine retropatellar betonte Gonarthrose rechts und eine Senk-Spreizfuss-Deformität beidseits festgestellt. Dr. B. hat nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar gewisse, bereits oben genannte qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind, eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht darüber hinaus jedoch nicht festzustellen ist und insbesondere die tatsächlich bestehenden funktionellen Einschränkungen die Einschätzung des behandelnden Chirurgen Dr. B. (Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich auch für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) nicht rechtfertigen. Die Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenprotrusionen, Neuroforamenstenosen und lumbaler Spinalkanalstenose führen - so Dr. B. - zu keinen objektivierbaren motorischen Ausfallerscheinungen der oberen und unteren Extremitäten. Auch liegen bis auf nicht objektivierbare diffuse und nicht dermatombezogen einzuordnende sensible Störungen am rechten Arm und rechten Bein keine objektivierbaren sensiblen Ausfälle vor, die auf degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule zurückzuführen wären. Dr. B. hat in seinem Gutachten unter Darlegung des Verhaltens der Klägerin während der Untersuchung nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Klägerin geschilderten sensiblen Störungen vorwiegend aggraviert bzw. psychogen überlagert sind. Wesentliche, durch die Wirbelsäule bedingte, funktionelle Einschränkungen hat Dr. B. nicht festgestellt. Auch die zervikal bzw. vertebragen bedingten Kopfschmerzen und der von der Klägerin geschilderte Schwindel stehen - so Dr. B. - einer vollschichtigen beruflichen Tätigkeit nicht im Wege. Die muskuläre Insuffizienz und die Hüftgelenksbeschwerden führen - so Dr. B. - ebenso wenig wie die Senk-Spreizfuss-Deformität zu funktionellen Einschränkungen. Das Schulter-Arm-Syndrom kann durch den Ausschluss von Über-Kopf-Arbeiten sowie Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen hinreichend berücksichtigt werden. Wegen der Kniegelenksarthrose können keine ständig stehenden und gehenden Tätigkeiten sowie keine Arbeiten im Knien und Hocken und mit Besteigen von Leitern und Gerüsten ausgeübt werden, darüber hinaus besteht aber - so nachvollziehbar Dr. B. - keine quantitative Minderung des Leistungsvermögens. Insgesamt hat Dr. B. somit schlüssig dargelegt, dass die Klägerin auf Grund der bei ihr vorliegenden Beschwerden - hierbei hat Dr. B. auch eine psychosomatische Störung mit Schmerzfehlverarbeitung berücksichtigt - zwar nicht mehr in der Lage ist, die rein sitzende Tätigkeit als Näherin auszuüben, wohl aber leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Leistungseinschränkungen.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet hat der Sachverständige Dr. D. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine lumbale Spinalkanalstenose und ein chronisches Zervikalsyndrom bei degenerativen HWS-Veränderungen festgestellt. Einen wesentlichen pathologischen Befund hat Dr. D. bei der neurologischen Untersuchung nicht erhoben. Vielmehr steht - so Dr. D. - eine psychogene Überlagerung der Symptomatik im Vordergrund. Dr. D. hat nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund der bestehenden Gesundheitsstörungen zwar gewisse qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind (keine besonderen psychischen Beanspruchungen wie z. B. Akkord-, Schicht-, Nachtarbeit, Arbeit mit erhöhter Eigenverantwortung oder Arbeit mit ständigem Publikumsverkehr), eine Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte körperliche Tätigkeiten in quantitativer Hinsicht jedoch nicht besteht. Eine schwerergradige Einschränkung ergibt sich - so nachvollziehbar Dr. D. - auf Grund der mit gewissen Einschränkungen weiterhin erhaltenen Alltagsstruktur und Erfüllung der Alltagspflichten und den nur leichtgradig eingeschränkten sozialen Kompetenzen nicht. Ein erheblicher Leidensdruck ist bei der Klägerin insoweit auch nicht erkennbar, da eine konsequente nervenärztliche Behandlung bislang nicht in Anspruch genommen wurde. Insgesamt hat der Sachverständige Dr. D. - ausdrücklich unter Einbeziehung der sich aus orthopädischer Sicht ergebenden Einschränkungen - nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin weiterhin in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, wenn die o. a. qualitativen Einschränkungen berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt somit auch eine Gesamtschau der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen keine Leistungsminderung in quantitativer Hinsicht. Auch aus dem von ihr vorgelegten Attest der Ärztin für Anästhesiologie Dr. M. ergibt sich nichts Anderes, da darin keine von den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und Dr. D. abweichenden Befunde enthalten sind.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist wegen der qualitativen Leistungseinschränkungen nicht erforderlich. Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 J 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).
Allerdings kann nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung.
Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats in der Lage, die üblichen Wegstrecken zu einer Arbeitsstelle zurückzulegen. Eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit hat weder Dr. B. noch Dr. D. festgestellt; die Klägerin macht nach eigenen Angaben auch weiterhin Spaziergänge. Bei der Untersuchung durch Dr. B. hat sich ein zwar betont langsames, aber hinkfreies und flüssiges Gangbild gezeigt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat Dr. B. auf Grund seines Untersuchungsbefundes nicht festgestellt. Unter Berücksichtigung dieser Befunde hält der Senat die von Dr. D. angegebene Einschränkung, dass längere Fußwege (über 500 m) der Klägerin auf dem Weg zur Arbeit nicht zugemutet werden sollten, nicht für nachvollziehbar.
Auch wenn die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Näherin nicht mehr verrichten kann, führt dies nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI. Denn die Klägerin verfügt - da sie keinen Beruf erlernt hat und als ungelernte Arbeiterin beschäftigt war - über keinen Berufsschutz. Dies hat die Klägerin konsequenter Weise auch nicht geltend gemacht. Die Klägerin ist somit als ungelernte Arbeiterin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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