L 7 AL 3172/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 884/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 3172/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Mai 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der am 1960 geborene Kläger war ab 15. November 2003 als Küchenhelfer bei der Firma Pizza Service "D. N. " in V. versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 12. Januar 2004 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog in der Folgezeit Krankengeld bis zur Aussteuerung am 10. Juli 2005. Im Anschluss wurde ihm von der Beklagten mit Bescheid vom 14. Juli 2005 ab dem 11. Juli 2005 Alg für die Dauer von 240 Tagen bewilligt.

In einem Gutachten vom 2. August 2005 hatte der Ärztliche Dienst der Beklagten zunächst die Leistungsfähigkeit des Klägers festgestellt und dieser hatte sich dementsprechend dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Wegen neuer medizinischer Befunde stellte Medizinaldirektor Dr. W. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Heidelberg in einem Gutachten vom 23. September 2005 nach Aktenlage fest, dass der Kläger wegen einer ausgeprägten Herzmuskelerkrankung mit hochgradiger Einschränkung der Herzfunktion und Bypassoperation nur für weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig sei und dass diese Einschränkung voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werde. Es bestehe keine ausreichende Belastbarkeit für eine regelmäßige berufliche Tätigkeit.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 übersandte die Beklagte der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV)) den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Rehabilitation und teilte die sozialmedizinische Beurteilung ihre Ärztlichen Dienstes mit; es sei daher nach § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) die Nahtlosigkeitsregelung anzuwenden. Falls Leistungen zur Rehabilitation nicht in Betracht kämen, werde um Bestätigung der Erwerbsminderung des Klägers gebeten. Die DRV teilte daraufhin mit Schreiben vom 17. November 2005 der Beklagten mit, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht erbracht werden könnten, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht erfüllt seien. Die Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Es bestehe auch aus anderen Gründen kein Rehabilitationsbedarf nach den Vorschriften des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs. Das Schreiben enthält ferner den Hinweis, dass nach den Feststellungen der DRV die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vorlägen.

Mit Bescheid vom 24. November 2005 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 1. Dezember 2005 auf, weil der Kläger außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig zu sein. Nachdem der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 17. November 2005 festgestellt habe, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vorlägen, seien die Voraussetzungen nach § 125 SGB III nicht mehr gegeben. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2006 zurückgewiesen.

Am 15. März 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, ein Bescheid des Rentenversicherungsträgers über eine vermeintliche verminderte Erwerbsfähigkeit sei nicht bestandskräftig geworden, insbesondere würden darin lediglich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt. Es liege keine Feststellung vor, dass er für weniger als 15 Stunden wöchentlich leistungsfähig sei.

Mit Urteil vom 3. Mai 2007 hat das SG den Bescheid vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2006 aufgehoben; in den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger weiterhin Alg zu gewähren, auch nachdem der Ärztliche Dienst der Beklagten im Gutachten von Dr. W. zu der Auffassung gelangt sei, dass der Kläger für eine regelmäßige berufliche Tätigkeit von mindestens drei Stunden täglich nicht ausreichend belastbar sei und diese Leistungseinschränkung voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werde. Eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), die die Beklagte berechtigen würde, die Bewilligung der Leistung aufzuheben, sei nicht eingetreten. Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 125 Abs. 1 SGB III. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege eine Feststellung im Sinne des § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III durch die DRV als den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vor. Die im Anschreiben der Beklagten vom 19. Oktober 2005 ausdrücklich erbetene Feststellung der Erwerbsminderung des Klägers sei nicht getroffen worden. Die Mitteilung der DRV vom 17. November 2005 stelle eine solche Feststellung nicht dar, denn die Wiederholung des Gesetzestextes des § 10 SGB VI und die Verneinung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ließen eine solche Feststellung nicht erkennen. Auch der Hinweis, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vorlägen, beinhalte keine Feststellung einer Leistungsminderung. Eine ausdrückliche Feststellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit beim Kläger vorliege, wie sie vom Ärztlichen Dienst der Beklagten angenommen worden sei, sei von der Beklagten auch nicht im Laufe des Widerspruchs- oder Klageverfahrens eingeholt worden.

Gegen das ihr am 5. Juni 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. Juni 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Beklagten, mit welcher sie geltend gemacht hat, entgegen der Auffassung des SG liege eine Feststellung der Rentenversicherung bezüglich der Erwerbsminderung im Sinne des § 125 Abs. 1 S. 2 SGB III vor. Die Auffassung des SG, dass sich aus der Verneinung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation eine solche Feststellung nicht erkennen lasse bzw. dass sich die Mitteilung auf eine Wiederholung des Gesetzestextes des § 10 SGB VI beschränke, sei unzutreffend. Entgegen der Ansicht des SG sei die verminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die DRV zweifelsfrei festgestellt worden. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, die Leistungsbewilligung gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X für die Zukunft, d.h. ab dem 1. Dezember 2005 aufzuheben. Unstreitig sei, dass die sogenannte Sperrwirkung des § 125 SGB III erst dann entfalle, nachdem der Rentenversicherungsträger eine positive Feststellung über das Vorliegen verminderter Erwerbsfähigkeit getroffen habe. Die Regelung des § 125 SGB III setze für die "Feststellung" der verminderten Erwerbsfähigkeit indes keine bestimmte Form oder ein bestimmtes Verfahren voraus. Insbesondere könne die Feststellung über die verminderte Erwerbsfähigkeit auch anlässlich der Ablehnung eines Rehaantrages erfolgen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung folge dies schon aus der engen rechtlichen Verzahnung von Reha und Rentengewährung. Die Feststellung, ob Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU), nunmehr verminderte Erwerbsfähigkeit, vorliege, könne jedenfalls so lange von dem für die Reha zuständigen Rentenversicherungsträger getroffen werden, als nur ein Rehaantrag gestellt sei. Vorliegend habe der Kläger - entsprechend der schriftlichen Aufforderung der Beklagten - nur einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gestellt. Die DRV habe daraufhin der Beklagten im November 2005 mitgeteilt, dass der diesbezügliche Antrag abgelehnt worden sei, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt bzw. hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Diese Auskunft habe zum einen entgegen den Ausführungen des Sozialgerichtes nicht die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes des § 10 SGB VI beinhaltet. Zum Anderen sei durch diese Mitteilung zweifelsfrei dokumentiert worden, dass im Falle des Klägers eine nicht mehr behebbare verminderte Erwerbsfähigkeit vorliege. Ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers sei für die Anwendung der Norm des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III daher kein Raum mehr geblieben. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 1. Dezember 2005 gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei deshalb zu Recht erfolgt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt dazu aus, die Beklagte habe in ihrem Anschreiben an die DRV vom 19. Oktober 2005 eine ausdrückliche Entscheidung zur Frage erbeten, ob beim Kläger eine Erwerbsminderung vorliege. Eine solche Feststellung sei der Mitteilung der DRV vom 17. November 2005 gerade nicht zu entnehmen. Nach Ansicht des Klägers könne dies nur so verstanden werden, dass eine Änderung seiner Erwerbsfähigkeit durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht erreicht werden könne. Ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Kläger tatsächlich vorgelegen habe bzw. vorliege, sei dieser Mitteilung ebenso so wenig zu entnehmen wie einer sonstigen Einschätzung des Rentenversicherungsträgers zum Gesundheitszustand des Klägers.

Der Senat hat am 7. Februar 2008 durch den Berichterstatter einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten durchgeführt. Die Beteiligten haben sich darin mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 124 Abs. 2, § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle des Senats ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung entscheiden (§ 155 Abs. 3 und Abs. 4, § 124 Abs. 2 SGG). Der Berichterstatter macht von der ihm durch die genannten Vorschriften eingeräumten Befugnis, als sog. konsentierter Einzelrichter und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens Gebrauch, da eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung oder eine Divergenz i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG - als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2007, B 9/9a SB 3/06 R (juris)).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als EUR 500,00 beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist auch begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagte die Alg-Bewilligung vom Bescheid vom 14. Juli 2005 zu Recht ab 1. Dezember 2005 aufheben durfte. Bei einer Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 würde dem Kläger der Restanspruch aus der erfolgten Alg-Bewilligung für 240 Tage zustehen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 1. Dezember 2005 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Letzteres ist der Fall, wenn die Änderung im Vergleich zur Rechts- und Sachlage bei Erlass des maßgeblichen Verwaltungsakts dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den ergangenen Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Die Voraussetzungen einer Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft sind erfüllt.

Nach der hier maßgeblichen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch den für das Rehabilitationsverfahren zuständigen Rentenversicherungsträger durfte dem Kläger Alg nicht weiterbewilligt werden. Denn ihm stand ein solcher Anspruch weder nach § 117 Abs. 1 Nr. 1, § 118 Nr. 1 SGB III noch nach § 125 SGB III (jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848) zu. Ein Anspruch auf Alg setzt nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 SGB III voraus, dass der Betreffende (u. a.) objektiv verfügbar ist, d. h. eine zumutbare, nach §§ 24 ff. SGB III die Beitragspflicht begründende Beschäftigung im Umfang von mindestens 15 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III). Dies war beim Kläger nicht der Fall, da er ausweislich des schlüssig begründeten und von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Gutachtens von Medizinaldirektor Dr. W. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Heidelberg vom 23. September 2005 nur für weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig war und diese Einschränkung voraussichtlich länger als sechs Monate andauerte. Es fehlte daher - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - für einen Anspruch nach §§ 117, 118 SGB III an der objektiven Verfügbarkeit des Klägers.

Auch die Voraussetzungen für die Alg-Gewährung nach § 125 SGB III liegen nicht vor. Nach § 125 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Alg auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht unter den Bedingungen arbeiten kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die DRV war zuständiger Rentenversicherungsträger i.S. von § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Dies kann auch der für die Durchführung des Rehabilitationsverfahrens zuständige Rentenversicherungsträger sein, wenn er - wie hier - aufgrund eines Rehabilitationsantrages die erste (eindeutige) Feststellung trifft, dass der Arbeitslose erwerbsunfähig ist (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 125 Rdnr. 6). Wer zuständiger Rentenversicherungsträger i.S von § 125 SGB III ist, ist nicht in dieser Vorschrift bestimmt, sondern ergibt sich aus den rentenversicherungsrechtlichen Regelungen über die allgemeine Zuständigkeitsaufteilung in §§ 125 ff. SGB VI (entsprechend BSG SozR 3-4100 § 105a Nr. 5 zu § 105a Abs. 1 Satz 2 AFG).

Entgegen der Auffassung des SG liegt eine Feststellung, dass verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, vor; sie ist in der Mitteilung der DRV vom 17. November 2005 an die Beklagte zu sehen. Das erkennende Gericht teilt die Auffassung der Beklagten, dass dem Schreiben der DRV an die Beklagte vom 17. November 2005 die hinreichend deutliche Aussage zu entnehmen ist, dass bei dem Kläger eine relevante Erwerbsminderung vorliegt. Dies kommt bereits durch die darin wiedergegebene Begründung für die Ablehnung des Rehabilitationsantrags, die Erwerbsfähigkeit des Klägers könne durch medizinische Rehabilitationsmaßnahmen nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden, deutlich zum Ausdruck gebracht. Denn mit dieser Formulierung wird ersichtlich an die - im Schreiben wiedergegebenen - persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) SGB VI (Teilhabeleistungen bei geminderter Erwerbsfähigkeit) angeknüpft. Die demgegenüber von der Klägerseite vertretene Auffassung, dem Schreiben könne nur der Erklärungswert entnommen werden, dass eine Änderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht erreicht werden könne, nicht aber, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege, vermag unter diesen Umständen nicht zu überzeugen. Diese Interpretation der Klägerseite ist auch mit Blick auf den dem Schreiben vom 17. November 2005 angefügten Hinweis, dass nach den Feststellungen der DRV die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vorlägen, wenig zwingend. Dieser Hinweis erschließt sich vor dem Hintergrund der engen rechtlichen Verzahnung von Rehabilitation und Rentengewährung, wie sie sowohl im SGB III als auch im SGB VII normiert ist. So hat die Agentur für Arbeit nach § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB III den Arbeitslosen unverzüglich aufzufordern, innerhalb eines Monats einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation (oder zur Teilhabe am Arbeitsleben) zu stellen. Stellt der Arbeitslose diesen Antrag fristgemäß, so gilt er im Zeitpunkt des Antrags auf Alg als gestellt (§ 125 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Die Bestimmung des § 116 Abs. 2 SGB VI wiederum statuiert eine Antragsfiktion bei aussichtsloser oder erfolgloser Reha (vgl. dazu Niesel in Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 116 Rdnr. 3 m.w.N.). Danach gilt der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte u. a. erwerbsunfähig sind und u. a. eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist (§ 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Aufgrund dieses Regelungszusammenhangs und unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB VI - Rehabilitation geht vor Rente - stellt sich die Ablehnung eines Rehabilitationsantrags wegen nicht mehr behebbarer Erwerbsminderung gleichsam als notwendiger Zwischenschritt auf dem Weg von der Gewährung von Alg zur Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente gemäß § 43 SGB VI dar, der zugleich eine zeitliche Reihenfolge des zuständigen Rentenversicherungsträgers nach § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III erkennen lässt. Die nach dieser Regelung zu treffende Feststellung, ob eine relevante Erwerbsminderung vorliegt, kann jedenfalls so lange von dem für die Rehabilitation zuständigen Rentenversicherungsträger getroffen werden, als - wie hier - nur ein Rehabilitationsantrag gestellt ist. Sobald ein Rentenantrag gestellt bzw. das Rehabilitationsverfahren abgeschlossen ist, ist der für das Rentenverfahren zuständige Rentenversicherungsträger auch für die Feststellung i. S. von § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III zuständig (s. entsprechend zu § 125 Abs. 1 Satz 2 AFG, BSG a.a.O.).

Hiervon ausgehend unterstreicht der dem Schreiben der DRV vom 17. November 2005 angefügte Hinweis auf das Nichtvorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, dass die DRV - entsprechend der Begründung der Ablehnung des Rehaantrages - von der Fiktion eines Rentenantrages nach § 116 Abs. 2 SGB VI ausgegangen ist, was - wie ausgeführt - nach den gesetzlichen Voraussetzungen voraussetzt, dass eine erfolgreiche Reha nicht zu erwarten ist, da der Versicherte vermindert erwerbsfähig ist. Ansonsten hätte keine Veranlassung bestanden, sich im Rahmen des Reha-Bescheides mit dem einer Rentengewährung entgegen stehenden Nichtvorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu befassen. Dieser Hinweis in Verbindung mit den vorgenannten Gründen für die Ablehnung des Rehaantrages genügt ohne Weiteres für die von der Beklagten mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 erbetene gesonderte Feststellung der Erwerbsminderung des Klägers.

Mit der somit anzunehmenden Feststellung der DRV, dass der Kläger vermindert erwerbsfähig sei, waren die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III entfallen, so dass die Beklagte die Alg-Bewilligung aufheben durfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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