Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 1427/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 5675/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld (Alg) ab 25. Oktober 2005 und die Erstattung des bereits bezogenen Alg für den Zeitraum 25. bis 31. Oktober 2005 in Höhe von 157,08 EUR zuzüglich Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 51,76 EUR.
Die 1968 geborene Klägerin, zuletzt als Sekretärin und Rechtsanwaltsfachangestellte versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, meldete sich am 4. März 2005 bei der Arbeitsagentur N. (AA) unter der Anschrift "R. 7, N." arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte, die wegen der verspäteten Meldung nach Erhalt der fristlosen Kündigung des Arbeitsgebers vom 26. Januar 2005 eine Minderung des Alg-Anspruchs gemäß §§ 37b, 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verfügt hatte (vgl. Bescheid vom 21. Juni 2006 über eine Minderung des Alg-Anspruchs in Höhe von 1.050 EUR), bewilligte - wegen teilweiser noch fehlender Arbeitsbescheinigungen - mit Bescheid vom 25. Juli 2005 vorläufig im Hinblick auf Beginn und Höhe der Leistung Alg ab 4. März 2005 mit einem täglichen Leistungssatz von 26,59 EUR und - wegen der Minderung - einen täglichen Zahlbetrag von 13,30 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 26. Juli 2005 bewilligte das AA vorläufig Alg ab 23. Mai 2005 mit einem täglichen Leistungssatz gleich Zahlbetrag in Höhe von 26,59 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2005 bewilligte das AA schließlich Alg ab 23. Mai 2005 mit einem täglichen Leistungssatz von 26,18 EUR (zuletzt endgültige Bemessung).
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 lud das AA die Klägerin zu einem Gespräch über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation zum 25. Oktober 2005 unter der dem AA bekannten Anschrift zu einem Gespräch ein. Mit Fax vom 24. Oktober 2005 - versehen mit der Anschrift "RR. 7, 72622 N." - teilte die Klägerin daraufhin mit, sie habe für den 25. Oktober 2005 ein Vorstellungsgespräch bei einem potenziellen Arbeitgeber unter bitte daher, den Besprechungstermin beim AA zu verlegen. Mit gleichem Fax teilte die Klägerin mit, sie werde noch in diesem Jahr von N. wegziehen; sie bitte um Mitteilung dazu, was sie bezüglich Ab-, Um-, und Anmeldung und in welchem Zeitraum vor dem Umzug sie etwas zu unternehmen habe. Am 25. Oktober 2005 ging beim AA eine Anschriftenberichtigungskarte der Deutschen Post mit dem Vermerk ein: Empfänger verzogen, Einwilligung zur Weitergabe der Anschrift liegt nicht vor. Auf ein weiteres Einladungsschreiben des AA vom 26. Oktober 2005 für ein persönliches Gespräch am 10. November 2005 rief an diesem Tag die Mutter der Klägerin an und teile mit, dass diese den heutigen Termin nicht wahrnehmen könne, da sie sich noch bei einem Arzt befinde und nicht rechtzeitig zum Termin beim AA erscheinen könne. Eine Bestätigung des Arztes werde zum nächsten Termin mitgebracht. Auf das Einladungsschreiben des AA vom 10. November 2005 zu einem Gespräch über das Bewerberangebot und über die berufliche Situation der Klägerin am 25. November 2005 - gerichtet an die bekannte Anschrift der Klägerin - ging am 17. November 2005 eine Anschriftenberichtigungskarte der Deutschen Post beim AA ein mit dem Vermerk: Empfänger verzogen, Einwilligung zur Weitergabe der Anschrift liegt nicht vor. Nachdem die Klägerin zum Meldetermin am 25. November 2005 nicht erschienen war, verfügte das AA, welches noch das gesamte Alg für den Monat Oktober 2005 in Höhe von 785,40 EUR ausgezahlt hatte, zum 31. Oktober 2005 eine vorläufige Zahlungseinstellung. Mit Datum vom 25. November 2005 wurde eine weitere Einladung an die Klägerin zu einer persönlichen Vorsprache am 30. November 2005 gerichtet. Dazu ging am 28. November 2005 eine E-Mail der Klägerin beim AA ein mit dem Inhalt, ihren Umzug habe sie am 24. Oktober 2005 gemeldet. Laut BewA-Vermerk vom 30. November 2005 war eine Terminsabsage zum 25. November 2005 wegen Umzugs eingegangen und auf dem Fax die Anschrift "c/o M. O./F. H., K. 6, A." angegeben; am 30. November 2005 sei wegen Umzugs die Abmeldung und Leistungseinstellung verfügt worden.
Mit Fax vom 23. Dezember 2005 legte die Klägerin unter der Anschrift "K. 6, A." Widerspruch gegen die "Entscheidung gemäß Schreiben vom 25. November 2005" ein. Sie führte aus, sie habe bereits am 24. August 2005 bei einem Termin mit der Sachbearbeiterin des AA mitgeteilt, dass sie wegen fristloser Kündigung der Wohnung umziehen müsse bzw. höchstwahrscheinlich aus N. wegziehen werde. Ihre Frage, was hinsichtlich der Ab- und Ummeldung zu tun sei, sei unbeantwortet geblieben. Sie habe über Monate keine geeignete Wohnung gefunden. Auf ihr Fax vom 24. Oktober 2005 habe sie zwar entsprechend ihrer Bitte Unterlagen hinsichtlich einer Selbständigmachung als Ich-AG erhalten; auf ihre Mitteilung, dass sie umziehen werde und man ihr mitteilen möge, was sie dabei zu tun habe, habe sie jedoch keine Antwort erhalten. Die Arztbescheinigung dazu, dass sie den Meldetermin am 10. November 2005 nicht habe wahrnehmen können, habe sie am 13. November 2005 in den Hausbriefkasten des AA eingeworfen, ebenso wie die Mitteilung, dass sie in der Woche vom 21. bis 27. November 2005 umziehe. Da die in A. gefundene Wohnung erst ab Mitte Dezember frei geworden sei, habe sie, da die Wohnung in N. habe geräumt werden müssen, zunächst provisorisch unterkommen müssen. Sie sei für die AA immer erreichbar gewesen. Die Widerspruchsstelle des AA stellte dazu am 12. Januar 2006 fest, ein Bescheid vom 25. November 2005 befinde sich nicht in den Akten und ein Widerspruch gegen die vorläufige Zahlungseinstellung sei nicht möglich.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 25. Oktober 2005 auf; das für die Zeit vom 25. bis 31. Oktober 2005 bezogene Alg in Höhe von 157,08 EUR sowie die für diesen Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 51,76 EUR (Gesamtforderung 208,84 EUR) seien zu erstatten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 20. Februar 2006 zurück.
Am 18. April 2006 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bereits am 24. August 2005 habe sie auf ihren Umzug hingewiesen und erfolglos nachgefragt, was diesbezüglich zu tun sei. Auch mit Fax vom 24. Oktober 2005 habe sie mitgeteilt, dass sie aus N. wegziehen müsse und um Mitteilung gebeten, was sie zu veranlassen habe. Am 13. November 2005 habe sie in den Hausbriefkasten des AA eine Notiz eingeworfen, dass sie in der Woche vom 24. bis 28. November 2005 umziehen werde. Bis zu ihrem Umzug sei sie noch täglich in N. wohnhaft und erreichbar gewesen; Schreiben des AA hätten ihr ohne weiteres dort zugestellt werden können. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 30. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 25. Oktober 2005 aufgehoben. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sei eingetreten, weil die Klägerin ab diesem Datum nicht mehr erreichbar gewesen sei. Deswegen habe kein Anspruch auf Alg mehr bestanden.
Gegen das der Klägerin am 31. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat sie am 30. November 2007 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der SG-Akte sowie der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind in der Niederschrift über den Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 18. März 2008 darauf hingewiesen worden und hatten die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die frist- und formgerecht (vgl. § 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden der Arbeitsagentur N. die Bewilligungsentscheidung über Alg zu Recht wegen Wegfalls der Erreichbarkeit ab 25. Oktober 2005 zurückgenommen hat.
Der angegriffene Bescheid ist nicht nach § 24 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 42 Satz 2 SGB X rechtswidrig und aufzuheben. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingrifft, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung ist hier vor Erlass des Rücknahmebescheids zwar nicht erfolgt. Dieser Anhörungsmangel ist jedoch durch das Widerspruchsverfahren im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 25. Oktober 2005 ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Abs. 1 Satz 1). Diese soll - rückwirkend - ab dem Zeitpunkt der Änderung erfolgen, soweit unter anderem (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Insoweit ist entgegen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ("soll") nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III auch in atypischen Fällen keine Ermessensausübung geboten.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Eine die Aufhebung der Bewilligung von Alg rechtfertigende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist mit der nicht mehr vorhandenen Erreichbarkeit der Klägerin für das AA seit 25. Oktober 2005 eingetreten. Die Beklagte war berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung von Alg bereits rückwirkend ab diesem Zeitpunkt aufzuheben, nachdem die Klägerin ihre postalisch nicht mehr gegebene Erreichbarkeit unter der dem AA bekannten Anschrift ab diesem Zeitpunkt vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig nicht mitgeteilt hat, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen wäre (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltende Fristen sind gewahrt.
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit, Nr. 1), sich bemüht seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen, Nr. 2) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit, Nr. 3). Gemäß § 119 Abs. 5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2), bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben (Nr. 3), und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (Nr. 4). Der Tatbestand von § 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III ist in der aufgrund §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 2 des SGB III vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit erlassenen Erreichbarkeits-Verordnung vom 23. Oktober 1997, ANBA 1997 Seite 1685, in der Fassung vom 16. November 2001 (ANBA 2001 Seite 1476, in Kraft ab 1. Januar 2002) in § 1 Abs. 1 Nr. 1 dahingehend konkretisiert worden, dass der Arbeitslose in der Lage sein muss, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Der Arbeitslose hat deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (Abs. 1 Satz 2). Dies hat die Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, diesen Anforderungen entspreche ein Arbeitsloser, wenn er sich einmal werktäglich - zu einem beliebigen Zeitpunkt - in seiner Wohnung aufhalte, um die Briefpost in Empfang und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BSG SozR 3-4300 § 119 Nrn. 2,3 und 4). Nicht genügend ist die Einschaltung Dritter zur Weitergabe, Übermittlung oder Abholung von Posteingängen anstelle persönlichem Aufenthalt unter der angegebenen Anschrift, da nur durch letztere die Einhaltung des gesetzlichen Gebots der zeit- und ortsnahen Reaktion hinreichend gewährleistet ist. Unabdingbar ist somit, dass der Arbeitsagentur die Anschrift der tatsächlich bewohnten Wohnung bekannt ist und mit dieser Anschrift adressierte Sendung den Arbeitslosen dort erreichen; dieser muss in der Lage sein, an jedem Werktag nach Eingang der Briefpost an dieser bekannten Anschrift von etwaigen Mitteilung Kenntnis zu nehmen.
Diese Voraussetzung war im Hinblick auf die Klägerin jedenfalls ab 25. Oktober 2005 nicht mehr gegeben. Nachdem auf Betreiben der Klägerin die Arbeitsagentur erstmals am 25. Oktober 2005 per Anschriftenbenachrichtigungskarte der Deutschen Post darüber unterrichtet wurde, dass die Klägerin verzogen sei und keine Einwilligung zur Weitergabe der neuen Anschrift erteilt habe, war für die bisher zuständige AA N. ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erkennbar, dass die Klägerin angeblich noch weiterhin unter der von ihr im Leistungsantrag benannten Anschrift/Wohnung im Sinne von § 1 Erreichbarkeits-Verordnung unmittelbar erreichbar war. Von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe diesbezüglich wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen und auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG vom 30. August 2007 Bezug genommen, welche sich der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung voll inhaltlich zu eigen macht.
Die Beklagte war auch berechtigt, die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit ab 25. Oktober 2005 aufzuheben, denn die Klägerin ist der sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ergebenden Verpflichtung, Änderungen in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen mitzuteilen bzw. alles zu unterlassen, was aus Sicht der Beklagten der postalische Erreichbarkeit der Klägerin in der geschilderten Weise entgegenstehen könnte, nicht nachgekommen. Auch diesbezüglich wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die Urteilsgründe des Urteils des SG vom 30. August 2007 verwiesen, welche sich der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen macht.
Da somit die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 25. bis 31. Oktober 2005 zu Recht erfolgt ist, hat die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X für diese Zeit bereits gezahltes Alg in Höhe von 157,08 EUR zu erstatten. Die Erstattungspflicht umfasst auch die von der Beklagten im Erstattungszeitraum gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in Höhe 51,76 EUR (§ 335 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 SGB III). Auch insoweit begegnet die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Erstattungsforderung keinen rechtlichen Bedenken, wie sie sich aus der in der Verwaltungsakte enthaltenen Zahlungsübersicht und den ausgewiesenen Beitragssätzen zur gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich derjenigen zur sozialen Pflegeversicherung (vgl. AS 109 der Verwaltungsakte der Beklagten ) ergibt. Diesbezüglich hat die Klägerin, für die in diesem Zeitraum ein anderweitiges Krankenversicherungsverhältnis nicht bestanden hat, die Berechnung der Beklagten zur Höhe auch nicht beanstandet.
Auch aus § 331 Abs. 2 SGB III folgt für die Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Alg ab 31. Dezember 2005. Danach hat die Agentur für Arbeit eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist. Die Beklagte hat zum 31. Oktober 2005 die vorläufige Zahlungseinstellung des Alg verfügt. Allerdings hat sie erst mit Bescheid vom 19. Januar 2006 - und damit nicht gemäß § 331 Abs. 2 SGB III fristgemäß - die Bewilligung des Alg mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben. Dennoch konnte die Beklagte ihrerseits die Wiederaufnahme der Zahlung des Alg ab 31. Dezember 2005 verweigern, weil die Klägerin nicht fordern kann, weil sie alsbald wieder zurückgewähren muss. Die Beklagte war - wie dargelegt - aufgrund der nicht mehr vorhandenen Erreichbarkeit der Klägerin ab 25. Oktober 2005 und der damit eingetretenen wesentlichen Änderung in den Verhältnissen zur Aufhebung der Bewilligung von Alg berechtigt. Nach dem auch im öffentlichen Recht entsprechend geltenden, sich aus § 242 BGB als Form der unzulässigen Rechtsausübung ergebenden Grundsatz, dass nicht gefordert werden kann was alsbald wieder zurückgewährt werden muss (vgl. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 5. Februar 2007 - L 13 AS 64/07 ER-B - m.w.N.), kann die Klägerin Ansprüche aus dem Bewilligungsbescheid über Alg ab 1. November 2005 nicht mehr erheben; die Beklagte hat mit dem angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2006 danach alsbald die Bewilligung von Alg rechtmäßig aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld (Alg) ab 25. Oktober 2005 und die Erstattung des bereits bezogenen Alg für den Zeitraum 25. bis 31. Oktober 2005 in Höhe von 157,08 EUR zuzüglich Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 51,76 EUR.
Die 1968 geborene Klägerin, zuletzt als Sekretärin und Rechtsanwaltsfachangestellte versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, meldete sich am 4. März 2005 bei der Arbeitsagentur N. (AA) unter der Anschrift "R. 7, N." arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte, die wegen der verspäteten Meldung nach Erhalt der fristlosen Kündigung des Arbeitsgebers vom 26. Januar 2005 eine Minderung des Alg-Anspruchs gemäß §§ 37b, 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verfügt hatte (vgl. Bescheid vom 21. Juni 2006 über eine Minderung des Alg-Anspruchs in Höhe von 1.050 EUR), bewilligte - wegen teilweiser noch fehlender Arbeitsbescheinigungen - mit Bescheid vom 25. Juli 2005 vorläufig im Hinblick auf Beginn und Höhe der Leistung Alg ab 4. März 2005 mit einem täglichen Leistungssatz von 26,59 EUR und - wegen der Minderung - einen täglichen Zahlbetrag von 13,30 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 26. Juli 2005 bewilligte das AA vorläufig Alg ab 23. Mai 2005 mit einem täglichen Leistungssatz gleich Zahlbetrag in Höhe von 26,59 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2005 bewilligte das AA schließlich Alg ab 23. Mai 2005 mit einem täglichen Leistungssatz von 26,18 EUR (zuletzt endgültige Bemessung).
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 lud das AA die Klägerin zu einem Gespräch über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation zum 25. Oktober 2005 unter der dem AA bekannten Anschrift zu einem Gespräch ein. Mit Fax vom 24. Oktober 2005 - versehen mit der Anschrift "RR. 7, 72622 N." - teilte die Klägerin daraufhin mit, sie habe für den 25. Oktober 2005 ein Vorstellungsgespräch bei einem potenziellen Arbeitgeber unter bitte daher, den Besprechungstermin beim AA zu verlegen. Mit gleichem Fax teilte die Klägerin mit, sie werde noch in diesem Jahr von N. wegziehen; sie bitte um Mitteilung dazu, was sie bezüglich Ab-, Um-, und Anmeldung und in welchem Zeitraum vor dem Umzug sie etwas zu unternehmen habe. Am 25. Oktober 2005 ging beim AA eine Anschriftenberichtigungskarte der Deutschen Post mit dem Vermerk ein: Empfänger verzogen, Einwilligung zur Weitergabe der Anschrift liegt nicht vor. Auf ein weiteres Einladungsschreiben des AA vom 26. Oktober 2005 für ein persönliches Gespräch am 10. November 2005 rief an diesem Tag die Mutter der Klägerin an und teile mit, dass diese den heutigen Termin nicht wahrnehmen könne, da sie sich noch bei einem Arzt befinde und nicht rechtzeitig zum Termin beim AA erscheinen könne. Eine Bestätigung des Arztes werde zum nächsten Termin mitgebracht. Auf das Einladungsschreiben des AA vom 10. November 2005 zu einem Gespräch über das Bewerberangebot und über die berufliche Situation der Klägerin am 25. November 2005 - gerichtet an die bekannte Anschrift der Klägerin - ging am 17. November 2005 eine Anschriftenberichtigungskarte der Deutschen Post beim AA ein mit dem Vermerk: Empfänger verzogen, Einwilligung zur Weitergabe der Anschrift liegt nicht vor. Nachdem die Klägerin zum Meldetermin am 25. November 2005 nicht erschienen war, verfügte das AA, welches noch das gesamte Alg für den Monat Oktober 2005 in Höhe von 785,40 EUR ausgezahlt hatte, zum 31. Oktober 2005 eine vorläufige Zahlungseinstellung. Mit Datum vom 25. November 2005 wurde eine weitere Einladung an die Klägerin zu einer persönlichen Vorsprache am 30. November 2005 gerichtet. Dazu ging am 28. November 2005 eine E-Mail der Klägerin beim AA ein mit dem Inhalt, ihren Umzug habe sie am 24. Oktober 2005 gemeldet. Laut BewA-Vermerk vom 30. November 2005 war eine Terminsabsage zum 25. November 2005 wegen Umzugs eingegangen und auf dem Fax die Anschrift "c/o M. O./F. H., K. 6, A." angegeben; am 30. November 2005 sei wegen Umzugs die Abmeldung und Leistungseinstellung verfügt worden.
Mit Fax vom 23. Dezember 2005 legte die Klägerin unter der Anschrift "K. 6, A." Widerspruch gegen die "Entscheidung gemäß Schreiben vom 25. November 2005" ein. Sie führte aus, sie habe bereits am 24. August 2005 bei einem Termin mit der Sachbearbeiterin des AA mitgeteilt, dass sie wegen fristloser Kündigung der Wohnung umziehen müsse bzw. höchstwahrscheinlich aus N. wegziehen werde. Ihre Frage, was hinsichtlich der Ab- und Ummeldung zu tun sei, sei unbeantwortet geblieben. Sie habe über Monate keine geeignete Wohnung gefunden. Auf ihr Fax vom 24. Oktober 2005 habe sie zwar entsprechend ihrer Bitte Unterlagen hinsichtlich einer Selbständigmachung als Ich-AG erhalten; auf ihre Mitteilung, dass sie umziehen werde und man ihr mitteilen möge, was sie dabei zu tun habe, habe sie jedoch keine Antwort erhalten. Die Arztbescheinigung dazu, dass sie den Meldetermin am 10. November 2005 nicht habe wahrnehmen können, habe sie am 13. November 2005 in den Hausbriefkasten des AA eingeworfen, ebenso wie die Mitteilung, dass sie in der Woche vom 21. bis 27. November 2005 umziehe. Da die in A. gefundene Wohnung erst ab Mitte Dezember frei geworden sei, habe sie, da die Wohnung in N. habe geräumt werden müssen, zunächst provisorisch unterkommen müssen. Sie sei für die AA immer erreichbar gewesen. Die Widerspruchsstelle des AA stellte dazu am 12. Januar 2006 fest, ein Bescheid vom 25. November 2005 befinde sich nicht in den Akten und ein Widerspruch gegen die vorläufige Zahlungseinstellung sei nicht möglich.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 25. Oktober 2005 auf; das für die Zeit vom 25. bis 31. Oktober 2005 bezogene Alg in Höhe von 157,08 EUR sowie die für diesen Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 51,76 EUR (Gesamtforderung 208,84 EUR) seien zu erstatten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 20. Februar 2006 zurück.
Am 18. April 2006 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bereits am 24. August 2005 habe sie auf ihren Umzug hingewiesen und erfolglos nachgefragt, was diesbezüglich zu tun sei. Auch mit Fax vom 24. Oktober 2005 habe sie mitgeteilt, dass sie aus N. wegziehen müsse und um Mitteilung gebeten, was sie zu veranlassen habe. Am 13. November 2005 habe sie in den Hausbriefkasten des AA eine Notiz eingeworfen, dass sie in der Woche vom 24. bis 28. November 2005 umziehen werde. Bis zu ihrem Umzug sei sie noch täglich in N. wohnhaft und erreichbar gewesen; Schreiben des AA hätten ihr ohne weiteres dort zugestellt werden können. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 30. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 25. Oktober 2005 aufgehoben. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sei eingetreten, weil die Klägerin ab diesem Datum nicht mehr erreichbar gewesen sei. Deswegen habe kein Anspruch auf Alg mehr bestanden.
Gegen das der Klägerin am 31. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat sie am 30. November 2007 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der SG-Akte sowie der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind in der Niederschrift über den Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 18. März 2008 darauf hingewiesen worden und hatten die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die frist- und formgerecht (vgl. § 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden der Arbeitsagentur N. die Bewilligungsentscheidung über Alg zu Recht wegen Wegfalls der Erreichbarkeit ab 25. Oktober 2005 zurückgenommen hat.
Der angegriffene Bescheid ist nicht nach § 24 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 42 Satz 2 SGB X rechtswidrig und aufzuheben. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingrifft, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung ist hier vor Erlass des Rücknahmebescheids zwar nicht erfolgt. Dieser Anhörungsmangel ist jedoch durch das Widerspruchsverfahren im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 25. Oktober 2005 ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Abs. 1 Satz 1). Diese soll - rückwirkend - ab dem Zeitpunkt der Änderung erfolgen, soweit unter anderem (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Insoweit ist entgegen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ("soll") nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III auch in atypischen Fällen keine Ermessensausübung geboten.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Eine die Aufhebung der Bewilligung von Alg rechtfertigende wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist mit der nicht mehr vorhandenen Erreichbarkeit der Klägerin für das AA seit 25. Oktober 2005 eingetreten. Die Beklagte war berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung von Alg bereits rückwirkend ab diesem Zeitpunkt aufzuheben, nachdem die Klägerin ihre postalisch nicht mehr gegebene Erreichbarkeit unter der dem AA bekannten Anschrift ab diesem Zeitpunkt vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig nicht mitgeteilt hat, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen wäre (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltende Fristen sind gewahrt.
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit, Nr. 1), sich bemüht seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen, Nr. 2) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit, Nr. 3). Gemäß § 119 Abs. 5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2), bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben (Nr. 3), und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (Nr. 4). Der Tatbestand von § 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III ist in der aufgrund §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 2 des SGB III vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit erlassenen Erreichbarkeits-Verordnung vom 23. Oktober 1997, ANBA 1997 Seite 1685, in der Fassung vom 16. November 2001 (ANBA 2001 Seite 1476, in Kraft ab 1. Januar 2002) in § 1 Abs. 1 Nr. 1 dahingehend konkretisiert worden, dass der Arbeitslose in der Lage sein muss, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Der Arbeitslose hat deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (Abs. 1 Satz 2). Dies hat die Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, diesen Anforderungen entspreche ein Arbeitsloser, wenn er sich einmal werktäglich - zu einem beliebigen Zeitpunkt - in seiner Wohnung aufhalte, um die Briefpost in Empfang und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BSG SozR 3-4300 § 119 Nrn. 2,3 und 4). Nicht genügend ist die Einschaltung Dritter zur Weitergabe, Übermittlung oder Abholung von Posteingängen anstelle persönlichem Aufenthalt unter der angegebenen Anschrift, da nur durch letztere die Einhaltung des gesetzlichen Gebots der zeit- und ortsnahen Reaktion hinreichend gewährleistet ist. Unabdingbar ist somit, dass der Arbeitsagentur die Anschrift der tatsächlich bewohnten Wohnung bekannt ist und mit dieser Anschrift adressierte Sendung den Arbeitslosen dort erreichen; dieser muss in der Lage sein, an jedem Werktag nach Eingang der Briefpost an dieser bekannten Anschrift von etwaigen Mitteilung Kenntnis zu nehmen.
Diese Voraussetzung war im Hinblick auf die Klägerin jedenfalls ab 25. Oktober 2005 nicht mehr gegeben. Nachdem auf Betreiben der Klägerin die Arbeitsagentur erstmals am 25. Oktober 2005 per Anschriftenbenachrichtigungskarte der Deutschen Post darüber unterrichtet wurde, dass die Klägerin verzogen sei und keine Einwilligung zur Weitergabe der neuen Anschrift erteilt habe, war für die bisher zuständige AA N. ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erkennbar, dass die Klägerin angeblich noch weiterhin unter der von ihr im Leistungsantrag benannten Anschrift/Wohnung im Sinne von § 1 Erreichbarkeits-Verordnung unmittelbar erreichbar war. Von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe diesbezüglich wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen und auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG vom 30. August 2007 Bezug genommen, welche sich der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung voll inhaltlich zu eigen macht.
Die Beklagte war auch berechtigt, die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit ab 25. Oktober 2005 aufzuheben, denn die Klägerin ist der sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ergebenden Verpflichtung, Änderungen in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen mitzuteilen bzw. alles zu unterlassen, was aus Sicht der Beklagten der postalische Erreichbarkeit der Klägerin in der geschilderten Weise entgegenstehen könnte, nicht nachgekommen. Auch diesbezüglich wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die Urteilsgründe des Urteils des SG vom 30. August 2007 verwiesen, welche sich der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen macht.
Da somit die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 25. bis 31. Oktober 2005 zu Recht erfolgt ist, hat die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X für diese Zeit bereits gezahltes Alg in Höhe von 157,08 EUR zu erstatten. Die Erstattungspflicht umfasst auch die von der Beklagten im Erstattungszeitraum gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in Höhe 51,76 EUR (§ 335 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 SGB III). Auch insoweit begegnet die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Erstattungsforderung keinen rechtlichen Bedenken, wie sie sich aus der in der Verwaltungsakte enthaltenen Zahlungsübersicht und den ausgewiesenen Beitragssätzen zur gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich derjenigen zur sozialen Pflegeversicherung (vgl. AS 109 der Verwaltungsakte der Beklagten ) ergibt. Diesbezüglich hat die Klägerin, für die in diesem Zeitraum ein anderweitiges Krankenversicherungsverhältnis nicht bestanden hat, die Berechnung der Beklagten zur Höhe auch nicht beanstandet.
Auch aus § 331 Abs. 2 SGB III folgt für die Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Alg ab 31. Dezember 2005. Danach hat die Agentur für Arbeit eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist. Die Beklagte hat zum 31. Oktober 2005 die vorläufige Zahlungseinstellung des Alg verfügt. Allerdings hat sie erst mit Bescheid vom 19. Januar 2006 - und damit nicht gemäß § 331 Abs. 2 SGB III fristgemäß - die Bewilligung des Alg mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben. Dennoch konnte die Beklagte ihrerseits die Wiederaufnahme der Zahlung des Alg ab 31. Dezember 2005 verweigern, weil die Klägerin nicht fordern kann, weil sie alsbald wieder zurückgewähren muss. Die Beklagte war - wie dargelegt - aufgrund der nicht mehr vorhandenen Erreichbarkeit der Klägerin ab 25. Oktober 2005 und der damit eingetretenen wesentlichen Änderung in den Verhältnissen zur Aufhebung der Bewilligung von Alg berechtigt. Nach dem auch im öffentlichen Recht entsprechend geltenden, sich aus § 242 BGB als Form der unzulässigen Rechtsausübung ergebenden Grundsatz, dass nicht gefordert werden kann was alsbald wieder zurückgewährt werden muss (vgl. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 5. Februar 2007 - L 13 AS 64/07 ER-B - m.w.N.), kann die Klägerin Ansprüche aus dem Bewilligungsbescheid über Alg ab 1. November 2005 nicht mehr erheben; die Beklagte hat mit dem angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2006 danach alsbald die Bewilligung von Alg rechtmäßig aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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