Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 SB 107/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 B 308/07 SB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. November 2007 aufgehoben.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Dem Kläger waren auf Grund der Folgen eines am 26. November 2002 erlittenen Verkehrsunfalls mit multiplen schwersten Verletzungen durch Bescheid vom 13. August 2004 ein Gesamt-Grad der Behinderung (GdB) von 80 und das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) zuerkannt worden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er einen Gesamt-GdB von 90 sowie die Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) begehrte. Der Beklagte wies den Widerspruch nach Auswertung der vom Kläger beigebrachten Unterlagen (Gutachten des Facharztes für Orthopädie Z in der Haftpflichtversicherungssache, Zwischenbericht des U B vom 9. September 2003, Berichte der C vom 8. Juli 2003 und vom 6. August 2004, Entlassungsberichte der H-U-Kliniken S über Behandlungen vom 17. November bis 22. Dezember 2003 und vom 6. bis 27. August 2004) nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Wi-derspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht einen Befundbericht der C vom 28. November 2005 eingeholt, aufgrund dessen der Beklagte einen GdB von 90 ab 30. Juni 2005 und die Nachteilsausgleiche "aG" und "B", jeweils ab 30. Juni 2005 (Datum des Ausbaus der Hüft-Totalendoprothese links) anerkannte. Der Kläger hat das Anerkenntnis angenommen, den Rechtsstreit für erledigt erklärt und Kostenantrag gestellt.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 21. November 2007 entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien, da der Beklagte nach Eintreten einer maßgeblichen Änderung ein Anerkenntnis abgegeben habe, was nicht zur Kostentragung führe.
Gegen diesen ihm am 29. November 2007 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 11. Dezember 2007 eingegangene Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Kläger trägt vor, dass das Anerkenntnis nicht nach Eintreten der maßgeblichen Änderung am 30. Juni 2005 abgegebenen worden sei, sondern erst während des Klageverfahrens.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden, wenn das Verfahren anders als durch Urteil erledigt wird. Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist nicht nur der tatsächliche oder mutmaßliche Verfahrensausgang von Bedeutung, heranzuziehen sind vielmehr auch sonstige Umstände wie beispielsweise, ob der Beklagte Veranlassung für den Rechtsstreit gegeben hat oder ob er auf Veränderungen im Laufe des Rechtstreits sachgerecht reagiert hat.
Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es sachgemäßem Ermessen, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Grundsätzlich führt es zwar, wie erstinstanzlich dargelegt, nicht zur Kostenerstattung, wenn die Zuerkennung eines höheren GdB oder von Merkzeichen lediglich auf nach Erlass des Widerspruchsbescheides eingetretenen Veränderungen beruht. Dem zuvor zuerkannten Gesamt-GdB von 80 hatten zugrunde gelegen eine Funktionsbehinderung des linken Beines (Einzel-GdB 60), eine Teillähmung des Arm-Plexus links, Funktionsbehinderung des linken Armes und Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links (50) (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 3. August 2004). Die Höherbewertung des Gesamt-GdB mit 90 erfolgte aufgrund einer Anhebung des Einzel-GdB für die Behinderung des Beines auf 80 infolge der Hüftgelenksproblematik. Die maßgebende Änderung, die zur Zuerkennung des höheren GdB und der begehrten Merkzeichen geführt hat, ist jedoch nicht erst am 30. Juni 2005 mit Explantation des künstlichen Hüftgelenkes links eingetreten, sondern bereits im Verlauf des Jahres 2004 und damit vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005. Dies folgt aus dem Befundbericht der C vom 28. November 2005, wonach bereits 2004 ein zunehmendes Implantatversagen aufgefallen sei, was die sich vorliegend äußerst aufwendig gestaltende Implantation einer Hüfttotalendoprothese links erforderlich gemacht habe mit in der Folge weiterhin komplexem Verlauf bei schließlich klinisch und laborchemischem Verdacht auf chronisch schleichenden Infekt. Bereits zu diesem früherem Zeitpunkt hätte nach den Vorgaben der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP 2004/2005, Nr. 28.18, Seite 118) die Hüftgelenksproblematik Berücksichtigung finden müsen.
Der Kostentragung steht vorliegend nicht entgegen, dass dem Beklagten die Hüftgelenksexplantation erst während des Klageverfahrens bekannt geworden ist. Die AHP sehen einen Einzel-GdB nicht erst bei Explantation einer Prothese vor, vielmehr sind auch bereits eingesetzte Endoprothesen und sonstige Einschränkungen im Hüftgelenksbereich zu bewerten (AHP, a.a.O). Der Kläger hatte in der Widerspruchsbegründung vom 27. August und 13. Sep-tember 2004 auf eine erneute Verschlimmerung seiner Leiden, die erfolgte Hüftgelenksversorgung und eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit ausdrücklich hingewiesen, was – auch in Anbetracht der Vielzahl schwerster und sich noch verschlimmernder Unfallfolgen - zu eigenen spezifischen medizinischen Ermittlungen, etwa durch Einholung eines Gutachtens, hätte Anlass geben müssen. Wenn der Beklagte, wie vorliegend, den Erlass des Widerspruchsbescheides erst lange nach Ablauf der in § 88 Abs. 3 SGG für den Erlass eines Widerspruchsbescheides vorgesehenen Frist lediglich auf der Grundlage mittlerweile älterer Entlassungsberichte vornimmt, kann dies nicht zur Entlastung bei der Kostentragung führen, weil ihm Veränderungen nicht bekannt geworden seien.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ergeht endgültig (§ 177 SGG).
Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Dem Kläger waren auf Grund der Folgen eines am 26. November 2002 erlittenen Verkehrsunfalls mit multiplen schwersten Verletzungen durch Bescheid vom 13. August 2004 ein Gesamt-Grad der Behinderung (GdB) von 80 und das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) zuerkannt worden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er einen Gesamt-GdB von 90 sowie die Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) begehrte. Der Beklagte wies den Widerspruch nach Auswertung der vom Kläger beigebrachten Unterlagen (Gutachten des Facharztes für Orthopädie Z in der Haftpflichtversicherungssache, Zwischenbericht des U B vom 9. September 2003, Berichte der C vom 8. Juli 2003 und vom 6. August 2004, Entlassungsberichte der H-U-Kliniken S über Behandlungen vom 17. November bis 22. Dezember 2003 und vom 6. bis 27. August 2004) nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Wi-derspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht einen Befundbericht der C vom 28. November 2005 eingeholt, aufgrund dessen der Beklagte einen GdB von 90 ab 30. Juni 2005 und die Nachteilsausgleiche "aG" und "B", jeweils ab 30. Juni 2005 (Datum des Ausbaus der Hüft-Totalendoprothese links) anerkannte. Der Kläger hat das Anerkenntnis angenommen, den Rechtsstreit für erledigt erklärt und Kostenantrag gestellt.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 21. November 2007 entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien, da der Beklagte nach Eintreten einer maßgeblichen Änderung ein Anerkenntnis abgegeben habe, was nicht zur Kostentragung führe.
Gegen diesen ihm am 29. November 2007 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 11. Dezember 2007 eingegangene Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Kläger trägt vor, dass das Anerkenntnis nicht nach Eintreten der maßgeblichen Änderung am 30. Juni 2005 abgegebenen worden sei, sondern erst während des Klageverfahrens.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden, wenn das Verfahren anders als durch Urteil erledigt wird. Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist nicht nur der tatsächliche oder mutmaßliche Verfahrensausgang von Bedeutung, heranzuziehen sind vielmehr auch sonstige Umstände wie beispielsweise, ob der Beklagte Veranlassung für den Rechtsstreit gegeben hat oder ob er auf Veränderungen im Laufe des Rechtstreits sachgerecht reagiert hat.
Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es sachgemäßem Ermessen, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Grundsätzlich führt es zwar, wie erstinstanzlich dargelegt, nicht zur Kostenerstattung, wenn die Zuerkennung eines höheren GdB oder von Merkzeichen lediglich auf nach Erlass des Widerspruchsbescheides eingetretenen Veränderungen beruht. Dem zuvor zuerkannten Gesamt-GdB von 80 hatten zugrunde gelegen eine Funktionsbehinderung des linken Beines (Einzel-GdB 60), eine Teillähmung des Arm-Plexus links, Funktionsbehinderung des linken Armes und Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links (50) (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 3. August 2004). Die Höherbewertung des Gesamt-GdB mit 90 erfolgte aufgrund einer Anhebung des Einzel-GdB für die Behinderung des Beines auf 80 infolge der Hüftgelenksproblematik. Die maßgebende Änderung, die zur Zuerkennung des höheren GdB und der begehrten Merkzeichen geführt hat, ist jedoch nicht erst am 30. Juni 2005 mit Explantation des künstlichen Hüftgelenkes links eingetreten, sondern bereits im Verlauf des Jahres 2004 und damit vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005. Dies folgt aus dem Befundbericht der C vom 28. November 2005, wonach bereits 2004 ein zunehmendes Implantatversagen aufgefallen sei, was die sich vorliegend äußerst aufwendig gestaltende Implantation einer Hüfttotalendoprothese links erforderlich gemacht habe mit in der Folge weiterhin komplexem Verlauf bei schließlich klinisch und laborchemischem Verdacht auf chronisch schleichenden Infekt. Bereits zu diesem früherem Zeitpunkt hätte nach den Vorgaben der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP 2004/2005, Nr. 28.18, Seite 118) die Hüftgelenksproblematik Berücksichtigung finden müsen.
Der Kostentragung steht vorliegend nicht entgegen, dass dem Beklagten die Hüftgelenksexplantation erst während des Klageverfahrens bekannt geworden ist. Die AHP sehen einen Einzel-GdB nicht erst bei Explantation einer Prothese vor, vielmehr sind auch bereits eingesetzte Endoprothesen und sonstige Einschränkungen im Hüftgelenksbereich zu bewerten (AHP, a.a.O). Der Kläger hatte in der Widerspruchsbegründung vom 27. August und 13. Sep-tember 2004 auf eine erneute Verschlimmerung seiner Leiden, die erfolgte Hüftgelenksversorgung und eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit ausdrücklich hingewiesen, was – auch in Anbetracht der Vielzahl schwerster und sich noch verschlimmernder Unfallfolgen - zu eigenen spezifischen medizinischen Ermittlungen, etwa durch Einholung eines Gutachtens, hätte Anlass geben müssen. Wenn der Beklagte, wie vorliegend, den Erlass des Widerspruchsbescheides erst lange nach Ablauf der in § 88 Abs. 3 SGG für den Erlass eines Widerspruchsbescheides vorgesehenen Frist lediglich auf der Grundlage mittlerweile älterer Entlassungsberichte vornimmt, kann dies nicht zur Entlastung bei der Kostentragung führen, weil ihm Veränderungen nicht bekannt geworden seien.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ergeht endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved