Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5010/01 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 332/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 33/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. August 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob weitere Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 26. Februar 2000 anzuerkennen sind und dem Kläger Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1948 geborene Kläger verletzte sich am 26. Februar 2000 beim Absägen eines umgestürzten Baumes. Dieser federte nach den Angaben des Klägers in der Unfallanzeige so aus, dass er ihn an der rechten Schulter traf und zu Boden warf. Der Kläger stürzte auf die linke Schulter. Er gab als verletzte Körperteile die rechte Schulter und die Halswirbelsäule (HWS) an. Er suchte am 28. Februar 2000 den Durchgangsarzt Dr. H. auf, der eine knöcherne Verletzung sowie eine Rotatorenmanschettenläsion der rechten Schulter ausschloss, jedoch eine Prellung der rechten Schulter diagnostizierte. Der Neurologe Dr. D. berichtete am 25. März 2000 von Restbeschwerden nach Schädelprellung, HWS-Prellung sowie HWS-Distorsion mit sekundären vertebragenen Myogelosen mit pseudoradiculärer Ausstrahlung sowie vertebragenem Tinnitus. Fassbare spinale oder cerebrale Schädigungen wurden nicht festgestellt. Eine cervicale Wurzelkompression schloss er aus. Dabei hatte der Kläger angegeben, der Baum habe ihn im linken Oberkörperbereich, linken Kopfbereich und linken HWS-Bereich getroffen. Dr. H. stellte am 30. März 2000 eine Wurzelreizung C 6 rechts nach anzunehmender Distorsion der HWS bzw. ein Carpaltunnelsyndrom rechts fest. Am 20. April 2000 berichtete der Kläger bei Dr. D. noch über pseudo-radiculäre Restbeschwerden sowie Paraesthesien im Bereich der rechten Hand, einen Tinnitus links, multiple Schmerzzustände und Schulter-Arm-Schmerzen. Der HNO-Arzt Dr. H. bestätigte am 24. Mai 2000 eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits, einen Tinnitus auris beidseits sowie einen Vertigo. Eine stationäre Behandlung führte nur zu einer geringgradigen Verbesserung der Beschwerden. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des Schädels vom 25. Juni 2000 zeigte keine krankhaften intracerebralen Befunde. Der Augenarzt Dr. B. stellte am 7. Juli 2000 ein Schwindelgefühl nach Unfall ohne Augenbeteiligung fest.
Die Beklagte holte ein HNO-ärztliches Gutachten des Dr. H. vom 2. August 2000 ein, wonach eine altersentsprechende Normalhörigkeit beidseits festgestellt wurde. Angegebene Ohrgeräusche beidseits könnten durch eine Schädigung der HWS erklärt werden. Falls eine Schädigung der HWS festgestellt werden könne, sei von einem Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis auszugehen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v.H. zu bewerten. Im Übrigen sei keine nachweisbare Schädigung bzw. Unfallfolge im HNO-Fachgebiet festzustellen.
Der Neurologe Dr. P. wies in seinem Zusatzgutachten vom 30. August 2000 darauf hin, dass sich die jetzt geltend gemachten Beschwerden wie Schwindel, Konzentrationsstörungen, Benommenheitsgefühl und Pelzigkeitsmissempfindungen an den Fingern I mit III rechts erst in den Wochen nach dem Unfall entwickelt hätten. Es handele sich um Restbeschwerden nach einer leichtgradigen HWS-Distorsion ohne Zeichen einer cervikalen Wurzelschädigung. Ein Carpaltunnelsyndrom mit Pelzigkeitsmissempfindungen an den Fingern I mit III sowie eine leichte Somatisierungsstörung seien als unfallunabhängig zu bewerten. Die MdE betrage ab Beginn der Arbeitsfähigkeit für weitere vier Wochen 20 v.H., danach 0 v.H.
Die Chirurgen Prof. Dr. B./Prof. Dr. H. gelangten zu der Auffassung, dass es durch das Unfallereignis zu einer Prellung beider Schultergelenke gekommen sei. Ab 8. April 2000 bestehe wieder Arbeitsfähigkeit, die MdE betrage 0 v.H. An den Schultergelenken seien keine wesentlichen Schäden aufgetreten. Im Bereich der HWS sei eine Beschwerdesymptomatik nicht sofort nach dem Unfall festgestellt worden, sondern erst im weiteren Verlauf. Auf den Röntgenaufnahmen zeigten sich verschleißbedingte Veränderungen, insbesondere bei C5/C6.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 lehnte die Beklagte daraufhin einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Den Widerspruch, den der Kläger mit dem beidseitigen Tinnitus sowie den bestehenden Gleichgewichtsstörungen begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2001 zurück.
Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg, das Befundberichte einholte und den Chirurgen Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte. Ein organischer Verletzungsbefund am Kopf sowie an der HWS habe danach nicht bestanden. Die dennoch eingetretene Beschwerdeexacerbation sei mit einer erneuten Episode einer psychosomatischen Symptombildung zu erklären, wie dies ausweislich der Unterlagen der Rentenversicherung bereits 1994 der Fall gewesen sei. Auch die aktuelle körperliche Untersuchung habe keinen Hinweis auf eine substantielle Gewebeschädigung an Schultern oder HWS ergeben. Vielmehr seien jeweils degenerative Erkrankungen gegeben. Bei fehlender unfallbedingter HWS-Verletzung scheide eine Unfallverursachung des Tinnitus auf jeden Fall aus. Unfallfolge seien somit lediglich Weichteilprellungen beider Schulterregionen, die zum Beginn der 27. Woche nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt seien.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte HNO-Arzt Prof. Dr. E. vertrat in seinem Gutachten vom 16. April 2003 die Auffassung, durch den Unfall sei es zu einer posturalen Instabilität bei Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi links, einem Tinnitus aurium beidseits sowie zu einer Otolithenfunktionsstörung links gekommen. Derzeit bestünden noch ein Schwindel und Ohrgeräusche. Die MdE betrage 20 v.H.
Die Beklagte legte eine HNO-ärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 6. November 2003 vor. Die Meinung von Prof. Dr. E. könne nicht nachvollzogen werden, da massive Gewalteinwirkungen auf den Schädel nicht nachgewiesen seien. Die Beschwerdeentwicklung über Wochen und Monate nach dem Unfall könne nur auf einer neurotischen Fehlverarbeitung eigentlich geringfügiger Unfallfolgen beruhen.
Prof. Dr. E. wies mit ergänzender Stellungnahme vom 23. Januar 2004 darauf hin, dass ein beschwerdefreies Intervall nach einem HWS-Trauma typisch sei. Die Progredienz der Beschwerden zeige die Chronifizierung der HWS-Weichteildistorsion.
Prof. Dr. J. verwies nochmals auf die verhältnismäßig geringe Gewalteinwirkung, die zudem im Bereich der Schultern eintrat, sowie darauf, dass der Kläger bereits vor dem Unfall Gleichgewichtsstörungen, einen Tinnitus und ein HWS-Syndrom mit psychosomatischer Ausgestaltung gehabt habe.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 17. August 2004 ab. Eine HWS-Verletzung sowie eine Kopfverletzung seien nicht als Unfallfolgen festgestellt worden. Das Gericht stützte sich dabei auf die klägerischen Angaben zum Unfallhergang in der Unfallanzeige sowie beim erstbehandelnden Arzt. Damit könne dem Gutachten des Prof. Dr. E. im Ergebnis nicht gefolgt werden. Im Übrigen sei auch keine massive Gewalteinwirkung auf den Kopf erkennbar. Insgesamt sei es wahrscheinlicher, dass die Beschwerden auf degenerative Veränderungen im Bereich der HWS zurückzuführen seien. Darüber hinaus habe der Kläger bereits 1990 an einem HWS-Syndrom sowie an ängstlich-phobischem Schwankschwindel gelitten; 1994 sei ein Tinnitus dokumentiert.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger vorgebracht, die Wucht des Schlages auf die rechte Schulter sei so stark gewesen, dass dies zu einer Erschütterung des ganzen Körpers einschließlich einer Torsion des Oberkörpers geführt habe. Durch diese Torsion sei es zu einer Distorsion im Bereich der HWS und zu einer Erschütterung des Labyrinths gekommen. Der Durchgangsarzt Dr. H. beschreibe in seinem Befundbericht vom 14. November 2001 einen Zustand nach Wurzelreiz C6 rechts nach Distorsion der HWS. Das Gutachten des Prof. Dr. E. sei deshalb überzeugend. Vor dem Unfall habe er nicht an Schwindelerscheinungen und Tinnitus gelitten, abgesehen von einem Begleittinnitus als medizinischer Nebenwirkung eines Medikaments 1994. Seine Beschwerden im HNO-Bereich und im Bereich des kraniozervikalen Übergangs seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Als Sportschütze habe er bis zum Unfall ein gutes Gleichgewicht gehabt.
Der Senat hat ein HNO-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 9. Mai 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 20. Juli 2007 eingeholt. Hierbei berichtete der Kläger, der Baumstamm habe ihn im rechten Nacken-/Schulterbereich getroffen. Es sei auch Bewusstlosigkeit aufgetreten. Prof. Dr. B. schloss daraus, der angegebene Unfallmechanismus und dessen Folgen seien in der Lage gewesen, einen beim Kläger bestehenden beidseitigen hochfrequenten posttraumatischen Tinnitus zu verursachen. Aufgrund der Tinnituseigenschaften von beidseits gleicher Frequenz und Lautstärke sei der vorbestehende Tinnitus rechts nicht von Bedeutung. Altersbedingt bestehe eine geringgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit (Hochtonbereich) beidseits. Der Schwindel sei cervicogen bzw. zentral. Die MdE für den Tinnitus betrage 5 v.H.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 30. August 2007 übersandt.
Der mit einem orthopädischen Gutachten beauftragte Dr. F. hat dargelegt, dass aufgrund des Unfallmechanismus einerseits und dem mehr als 24-stündigen schmerzfreien Intervall andererseits eine unfallbedingte HWS-Weichteildistorsion nicht anzunehmen ist. Eine Instabilität der HWS durch Unfallfolgen, insbesondere am Übergang von Schädel zu den ersten Halswirbelkörpern, sei aufgrund eines aktuellen Computertomogramms (CT) vom 4. Oktober 2007 auszuschließen. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe keine MdE messbaren Grades. Die Gesamt-MdE betrage aufgrund des im Gutachten des Prof. Dr. B. festgehaltenen beidseitigen posttraumatischen Tinnitus 5 v.H.
Der Kläger hat Einwendung vor allem gegen das Gutachten des Dr. F. erhoben und die Auswirkungen des Schwindels geschildert. Ferner hat er u.a. eine Bestätigung des Schützenvereins, einen Bericht über das CT vom 4. Oktober 2007 und einen Auszug der Techniker Krankenkasse über Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen übermittelt. Die für die Zeit vom 28. Februar bis 7. April 2000 gestellte Diagnose "Verstauchung und Zerrung der HWS" sei bereits am 28. Februar 2002 (richtig: 2000) durch den erstbehandelnden Arzt gemeldet worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. August 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm als weitere Unfallfolgen anzuerkennen: Posturale Instabilität bei Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi links, Tinnitus aurium beidseits und Otolithenfunktionsstörung links, und ihm ab dem 8. April 2000 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30. Mai 1988, a.a.O., Nr. 28).
Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Die Beklagte erkannte als Unfallfolge eine Prellung beider Schultergelenke an, die folgenlos ausgeheilt ist. Sie lehnte die Anerkennung u.a. von Verschleißerscheinungen der HWS sowie chronische Ohrgeräusche als Folgen des Unfalls vom 26. Februar 2000 ab. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Vor allem Dr. F. legte überzeugend dar, dass auf orthopädischem Fachgebiet keine Hinweise für eine Mitbeteiligung der HWS und insbesondere keine nachgewiesene Instabilität vorliegen. Dabei geht der Senat von einem Unfallhergang aus, wie er auch in der Berufungsbegründung beschrieben wird, d.h. der Kläger wurde von dem Baum an der rechten Schulter getroffen und stürzte auf die linke Schulter. Ein Schlag auf den Kopf oder die Wirbelsäule fand nicht statt. Dem entsprechen die Erstaufzeichnungen, wonach die Schulterregion rechts betroffen war, nicht jedoch die HWS oder der Kopf. Dr. H. diagnostizierte ausweislich der ärztlichen Unfallmeldung vom 28. Februar 2000 lediglich eine Prellung der rechten Schulter. Die gesamte Behandlung bezog sich auf die rechte Schulter. Nach der Anamnese berichtete der Kläger drei Tage nach dem Unfall auch nur von Schulterbeschwerden rechts. Erst einen Monat später, am 25. März 2000, wurden bei einer neurologischen Untersuchung Beschwerden im Bereich des linken Oberkörpers, des linken Kopfes und der linken HWS-Region dokumentiert. Ein schmerzfreies Intervall von einigen Tagen oder gar Wochen ist mit einer Distorsion der HWS des Schweregrades I nicht mehr zu vereinbaren (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 556).
Dem steht auch nicht der Auszug der Krankenkasse über die Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen entgegen. Dort wird für die Zeit vom 28. Februar 2000 bis 7. April 2000 neben der Prellung der Schulter und des Oberarms auch eine Verstauchung und Zerrung der HWS festgehalten. Dies entspricht auch den Tatsachen, da innerhalb dieses Zeitraums, alldings erst im März 2000, u.a. auch Beschwerden an der HWS dokumentiert sind und behandelt wurden.
Darüber hinaus ergab ein CT der HWS vom 4. Oktober 2007 leichte Verschleißerscheinungen; eine Subluxation der Wirbelkörper mit der Folge einer Instabilität ist danach nicht nachzuweisen. Dies gilt gerade auch für den Bereich des Übergangs vom Hinterhaupt zur HWS, in dem HNO-ärztlicherseits eine posturale Instabilität vermutet wurde. Im Übrigen ergaben bereits die Röntgenaufnahmen nach dem Unfall, dass die HWS bereits degenerativ vorgeschädigt war.
Die Beurteilung des Gutachters deckte sich dabei weitgehend mit der des Dr. L. , der ebenfalls nur von einer Prellung der rechten und linken Schulter ausging. Entsprechendes ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. B./Dr. H ... Beschwerden der HWS sind auf degenerative, unfallunabhängige Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Der Befund eines leichteren chronischen Impingement-Syndroms stellt eine degenerative Erkrankung der Rotatorenmanschette aus innerer Ursache dar. Die Prellung der rechten und linken Schulter war nach wenigen Wochen folgenlos ausgeheilt.
Der Senat folgt damit nicht dem Gutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. E. , der von einer HWS-Weichteildistorsion mit posturaler Instabilität ausgeht. Zum einen handelt es sich insoweit um eine für den Sachverständigen fachfremde Beurteilung, zum anderen ist, wie dargelegt, eine schwere Verletzung im Kopf- und HWS-Bereich nicht nachgewiesen. Auch nach der von Prof. Dr. E. vorgenommenen Anamnese wurde der Kläger von dem zurückfedernden Baum nur an der rechten Schulter, nicht am Kopf oder im Bereich der Wirbelsäule getroffen. Eine Instabilität kann im Übrigen durch das CT vom 4. Oktober 2007 ausgeschlossen werden.
Auf orthopädischem Fachgebiet ist damit ab 8. April 2000 keine MdE mehr gegeben.
Auch auf HNO-fachärztlichem Gebiet sind keine Unfallfolgen anzuerkennen. Das Sozialgericht führte bereits umfassend aus, dass sowohl der Tinnitus als auch der Schwindel nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sind. Dem Gutachten des Prof. Dr. E. vermag der Senat auch hinsichtlich des Vorliegens eines Schwindels und eines Tinnitus nicht zu folgen. Prof. Dr. E. leitete aus einem Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi eine Schädigung des kraniocervikalen Übergangs mit der Symptomatik eines lagerungsabhängigen Schwindels im Sinne einer Otolithenfunktionsstörung und beidseitigen Ohrgeräuschen ab. Wie dargelegt kann jedoch nicht von einer HWS-Weichteildistorsion ausgegangen werden. Zutreffend wies das Sozialgericht darauf hin, dass auch keine Commotio labyrinthi links nachgewiesen ist, da es dafür zu einer massiven Gewalteinwirkung auf den Kopf hätte kommen müssen, die vorliegend auszuschließen ist.
Soweit der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Prof. Dr. B. zu der Auffassung kam, dass ein beidseitiger posttraumatischer Tinnitus, ferner eine hereditäre Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie der Verdacht auf einen zentralen Schwindel als Unfallfolge anzuerkennen seien und der Tinnitus mit einer MdE von 5 v.H. zu bewerten sei, schloss sich der Senat dieser Einschätzung nicht an. Die Beklagte weist zutreffend, gestützt auf fachliche Stellungnahmen des Prof. Dr. J. , darauf hin, dass sich unmittelbar nach dem Unfall keine Zeichen einer Gewalteinwirkung am Nackenbereich und am Kopf finden. Dies deckt sich mit dem geschilderten Unfallhergang. Bereits dies spricht gegen einen Unfallzusammenhang der HNO-ärztlichen Beschwerden. Unzutreffend ist ferner die Annahme des Sachverständigen, dass bereits initial ein Schwankschwindel sowie ein Rauschen auf beiden Ohren bestand. Vielmehr ist der Tinnitus erst am 24. März 2000 durch den behandelnden Neurologen Dr. D. dokumentiert, der Schwindel am 22. Mai 2000. Erstmalig nach drei Monaten (24. Mai 2000) suchte der Kläger einen HNO-Facharzt auf; zwischen 7. April und 5. Juni 2000 arbeitete er. Eine Anerkennung der HNO-Beschwerden als Unfallfolgen stößt vor diesem Hintergrund auf erhebliche Bedenken, da bei Annahme eines Kausalzusammenhangs die Hauptsymptomatik bereits unmittelbar nach dem Unfall auf HNO-Fachgebiet gelegen hätte. Dies entspricht jedoch nicht der tatsächlichen ärztlichen Behandlung. Der Sachverständige berücksichtigt ferner nicht, dass bereits vor dem Unfall ein beidseitiger Tinnitus - nicht nur 1994, sondern auch später - und rezidivierende Schwindelzustände festgehalten sind und somit von einem Vorschaden auszugehen ist. Der Internist Dr. B. gab in seinem Befundbericht vom 17. April 2001 an, den Kläger seit Januar 1999 u.a. wegen arteriellem Hypertonus mit rezidivierendem Schwindel und leichter Innenohrhypakusis bei Tinnitus auris behandelt zu haben. Schließlich ergibt sich aus der langsamen Entwicklung dieser Folgeerscheinungen, dokumentiert durch die fachärztlich erhobenen Befunde, dass durch den Unfall auch keine Schädigung der Innenohren und des Gleichgewichtssinns eingetreten ist.
Ein Kausalzusammenhang zwischen den Gesundheitsbeeinträchtigungen auf HNO-ärztlichen Fachgebiet und dem Unfallereignis ist somit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben. Da, wie dargelegt, auch die Wirbelsäulenbeschwerden nicht als Unfallfolge anzuerkennen sind, kann der Senat dahin gestellt lassen, ob der Tinnitus und der Vertigo hiermit begründet werden können. Soweit als Ursache eine neurotische Fehlverarbeitung des Unfalls in Betracht kommt, wie dies Prof. Dr. J. annimmt, scheidet ebenfalls eine Anerkennung als Unfallfolge aus, da es sich nicht um ein Unfallereignis gehandelt hat, das als besonders dramatisch und psychisch schwer zu verarbeiten einzustufen sind. Auch erlitt der Kläger mit einer Schulterprellung nur geringfügige Unfallfolgen.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer posturalen Instabilität bei Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi, eines Tinnitus aurium beidseits und Otolithenfunktionsstörung links als Folgen des Unfallereignisses vom 26. Februar 2000 und auf Zahlung einer Verletztenrente hat. Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob weitere Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 26. Februar 2000 anzuerkennen sind und dem Kläger Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1948 geborene Kläger verletzte sich am 26. Februar 2000 beim Absägen eines umgestürzten Baumes. Dieser federte nach den Angaben des Klägers in der Unfallanzeige so aus, dass er ihn an der rechten Schulter traf und zu Boden warf. Der Kläger stürzte auf die linke Schulter. Er gab als verletzte Körperteile die rechte Schulter und die Halswirbelsäule (HWS) an. Er suchte am 28. Februar 2000 den Durchgangsarzt Dr. H. auf, der eine knöcherne Verletzung sowie eine Rotatorenmanschettenläsion der rechten Schulter ausschloss, jedoch eine Prellung der rechten Schulter diagnostizierte. Der Neurologe Dr. D. berichtete am 25. März 2000 von Restbeschwerden nach Schädelprellung, HWS-Prellung sowie HWS-Distorsion mit sekundären vertebragenen Myogelosen mit pseudoradiculärer Ausstrahlung sowie vertebragenem Tinnitus. Fassbare spinale oder cerebrale Schädigungen wurden nicht festgestellt. Eine cervicale Wurzelkompression schloss er aus. Dabei hatte der Kläger angegeben, der Baum habe ihn im linken Oberkörperbereich, linken Kopfbereich und linken HWS-Bereich getroffen. Dr. H. stellte am 30. März 2000 eine Wurzelreizung C 6 rechts nach anzunehmender Distorsion der HWS bzw. ein Carpaltunnelsyndrom rechts fest. Am 20. April 2000 berichtete der Kläger bei Dr. D. noch über pseudo-radiculäre Restbeschwerden sowie Paraesthesien im Bereich der rechten Hand, einen Tinnitus links, multiple Schmerzzustände und Schulter-Arm-Schmerzen. Der HNO-Arzt Dr. H. bestätigte am 24. Mai 2000 eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits, einen Tinnitus auris beidseits sowie einen Vertigo. Eine stationäre Behandlung führte nur zu einer geringgradigen Verbesserung der Beschwerden. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des Schädels vom 25. Juni 2000 zeigte keine krankhaften intracerebralen Befunde. Der Augenarzt Dr. B. stellte am 7. Juli 2000 ein Schwindelgefühl nach Unfall ohne Augenbeteiligung fest.
Die Beklagte holte ein HNO-ärztliches Gutachten des Dr. H. vom 2. August 2000 ein, wonach eine altersentsprechende Normalhörigkeit beidseits festgestellt wurde. Angegebene Ohrgeräusche beidseits könnten durch eine Schädigung der HWS erklärt werden. Falls eine Schädigung der HWS festgestellt werden könne, sei von einem Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis auszugehen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v.H. zu bewerten. Im Übrigen sei keine nachweisbare Schädigung bzw. Unfallfolge im HNO-Fachgebiet festzustellen.
Der Neurologe Dr. P. wies in seinem Zusatzgutachten vom 30. August 2000 darauf hin, dass sich die jetzt geltend gemachten Beschwerden wie Schwindel, Konzentrationsstörungen, Benommenheitsgefühl und Pelzigkeitsmissempfindungen an den Fingern I mit III rechts erst in den Wochen nach dem Unfall entwickelt hätten. Es handele sich um Restbeschwerden nach einer leichtgradigen HWS-Distorsion ohne Zeichen einer cervikalen Wurzelschädigung. Ein Carpaltunnelsyndrom mit Pelzigkeitsmissempfindungen an den Fingern I mit III sowie eine leichte Somatisierungsstörung seien als unfallunabhängig zu bewerten. Die MdE betrage ab Beginn der Arbeitsfähigkeit für weitere vier Wochen 20 v.H., danach 0 v.H.
Die Chirurgen Prof. Dr. B./Prof. Dr. H. gelangten zu der Auffassung, dass es durch das Unfallereignis zu einer Prellung beider Schultergelenke gekommen sei. Ab 8. April 2000 bestehe wieder Arbeitsfähigkeit, die MdE betrage 0 v.H. An den Schultergelenken seien keine wesentlichen Schäden aufgetreten. Im Bereich der HWS sei eine Beschwerdesymptomatik nicht sofort nach dem Unfall festgestellt worden, sondern erst im weiteren Verlauf. Auf den Röntgenaufnahmen zeigten sich verschleißbedingte Veränderungen, insbesondere bei C5/C6.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 lehnte die Beklagte daraufhin einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Den Widerspruch, den der Kläger mit dem beidseitigen Tinnitus sowie den bestehenden Gleichgewichtsstörungen begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2001 zurück.
Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg, das Befundberichte einholte und den Chirurgen Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte. Ein organischer Verletzungsbefund am Kopf sowie an der HWS habe danach nicht bestanden. Die dennoch eingetretene Beschwerdeexacerbation sei mit einer erneuten Episode einer psychosomatischen Symptombildung zu erklären, wie dies ausweislich der Unterlagen der Rentenversicherung bereits 1994 der Fall gewesen sei. Auch die aktuelle körperliche Untersuchung habe keinen Hinweis auf eine substantielle Gewebeschädigung an Schultern oder HWS ergeben. Vielmehr seien jeweils degenerative Erkrankungen gegeben. Bei fehlender unfallbedingter HWS-Verletzung scheide eine Unfallverursachung des Tinnitus auf jeden Fall aus. Unfallfolge seien somit lediglich Weichteilprellungen beider Schulterregionen, die zum Beginn der 27. Woche nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt seien.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte HNO-Arzt Prof. Dr. E. vertrat in seinem Gutachten vom 16. April 2003 die Auffassung, durch den Unfall sei es zu einer posturalen Instabilität bei Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi links, einem Tinnitus aurium beidseits sowie zu einer Otolithenfunktionsstörung links gekommen. Derzeit bestünden noch ein Schwindel und Ohrgeräusche. Die MdE betrage 20 v.H.
Die Beklagte legte eine HNO-ärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 6. November 2003 vor. Die Meinung von Prof. Dr. E. könne nicht nachvollzogen werden, da massive Gewalteinwirkungen auf den Schädel nicht nachgewiesen seien. Die Beschwerdeentwicklung über Wochen und Monate nach dem Unfall könne nur auf einer neurotischen Fehlverarbeitung eigentlich geringfügiger Unfallfolgen beruhen.
Prof. Dr. E. wies mit ergänzender Stellungnahme vom 23. Januar 2004 darauf hin, dass ein beschwerdefreies Intervall nach einem HWS-Trauma typisch sei. Die Progredienz der Beschwerden zeige die Chronifizierung der HWS-Weichteildistorsion.
Prof. Dr. J. verwies nochmals auf die verhältnismäßig geringe Gewalteinwirkung, die zudem im Bereich der Schultern eintrat, sowie darauf, dass der Kläger bereits vor dem Unfall Gleichgewichtsstörungen, einen Tinnitus und ein HWS-Syndrom mit psychosomatischer Ausgestaltung gehabt habe.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 17. August 2004 ab. Eine HWS-Verletzung sowie eine Kopfverletzung seien nicht als Unfallfolgen festgestellt worden. Das Gericht stützte sich dabei auf die klägerischen Angaben zum Unfallhergang in der Unfallanzeige sowie beim erstbehandelnden Arzt. Damit könne dem Gutachten des Prof. Dr. E. im Ergebnis nicht gefolgt werden. Im Übrigen sei auch keine massive Gewalteinwirkung auf den Kopf erkennbar. Insgesamt sei es wahrscheinlicher, dass die Beschwerden auf degenerative Veränderungen im Bereich der HWS zurückzuführen seien. Darüber hinaus habe der Kläger bereits 1990 an einem HWS-Syndrom sowie an ängstlich-phobischem Schwankschwindel gelitten; 1994 sei ein Tinnitus dokumentiert.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger vorgebracht, die Wucht des Schlages auf die rechte Schulter sei so stark gewesen, dass dies zu einer Erschütterung des ganzen Körpers einschließlich einer Torsion des Oberkörpers geführt habe. Durch diese Torsion sei es zu einer Distorsion im Bereich der HWS und zu einer Erschütterung des Labyrinths gekommen. Der Durchgangsarzt Dr. H. beschreibe in seinem Befundbericht vom 14. November 2001 einen Zustand nach Wurzelreiz C6 rechts nach Distorsion der HWS. Das Gutachten des Prof. Dr. E. sei deshalb überzeugend. Vor dem Unfall habe er nicht an Schwindelerscheinungen und Tinnitus gelitten, abgesehen von einem Begleittinnitus als medizinischer Nebenwirkung eines Medikaments 1994. Seine Beschwerden im HNO-Bereich und im Bereich des kraniozervikalen Übergangs seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Als Sportschütze habe er bis zum Unfall ein gutes Gleichgewicht gehabt.
Der Senat hat ein HNO-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 9. Mai 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 20. Juli 2007 eingeholt. Hierbei berichtete der Kläger, der Baumstamm habe ihn im rechten Nacken-/Schulterbereich getroffen. Es sei auch Bewusstlosigkeit aufgetreten. Prof. Dr. B. schloss daraus, der angegebene Unfallmechanismus und dessen Folgen seien in der Lage gewesen, einen beim Kläger bestehenden beidseitigen hochfrequenten posttraumatischen Tinnitus zu verursachen. Aufgrund der Tinnituseigenschaften von beidseits gleicher Frequenz und Lautstärke sei der vorbestehende Tinnitus rechts nicht von Bedeutung. Altersbedingt bestehe eine geringgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit (Hochtonbereich) beidseits. Der Schwindel sei cervicogen bzw. zentral. Die MdE für den Tinnitus betrage 5 v.H.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 30. August 2007 übersandt.
Der mit einem orthopädischen Gutachten beauftragte Dr. F. hat dargelegt, dass aufgrund des Unfallmechanismus einerseits und dem mehr als 24-stündigen schmerzfreien Intervall andererseits eine unfallbedingte HWS-Weichteildistorsion nicht anzunehmen ist. Eine Instabilität der HWS durch Unfallfolgen, insbesondere am Übergang von Schädel zu den ersten Halswirbelkörpern, sei aufgrund eines aktuellen Computertomogramms (CT) vom 4. Oktober 2007 auszuschließen. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe keine MdE messbaren Grades. Die Gesamt-MdE betrage aufgrund des im Gutachten des Prof. Dr. B. festgehaltenen beidseitigen posttraumatischen Tinnitus 5 v.H.
Der Kläger hat Einwendung vor allem gegen das Gutachten des Dr. F. erhoben und die Auswirkungen des Schwindels geschildert. Ferner hat er u.a. eine Bestätigung des Schützenvereins, einen Bericht über das CT vom 4. Oktober 2007 und einen Auszug der Techniker Krankenkasse über Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen übermittelt. Die für die Zeit vom 28. Februar bis 7. April 2000 gestellte Diagnose "Verstauchung und Zerrung der HWS" sei bereits am 28. Februar 2002 (richtig: 2000) durch den erstbehandelnden Arzt gemeldet worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. August 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm als weitere Unfallfolgen anzuerkennen: Posturale Instabilität bei Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi links, Tinnitus aurium beidseits und Otolithenfunktionsstörung links, und ihm ab dem 8. April 2000 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30. Mai 1988, a.a.O., Nr. 28).
Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Die Beklagte erkannte als Unfallfolge eine Prellung beider Schultergelenke an, die folgenlos ausgeheilt ist. Sie lehnte die Anerkennung u.a. von Verschleißerscheinungen der HWS sowie chronische Ohrgeräusche als Folgen des Unfalls vom 26. Februar 2000 ab. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Vor allem Dr. F. legte überzeugend dar, dass auf orthopädischem Fachgebiet keine Hinweise für eine Mitbeteiligung der HWS und insbesondere keine nachgewiesene Instabilität vorliegen. Dabei geht der Senat von einem Unfallhergang aus, wie er auch in der Berufungsbegründung beschrieben wird, d.h. der Kläger wurde von dem Baum an der rechten Schulter getroffen und stürzte auf die linke Schulter. Ein Schlag auf den Kopf oder die Wirbelsäule fand nicht statt. Dem entsprechen die Erstaufzeichnungen, wonach die Schulterregion rechts betroffen war, nicht jedoch die HWS oder der Kopf. Dr. H. diagnostizierte ausweislich der ärztlichen Unfallmeldung vom 28. Februar 2000 lediglich eine Prellung der rechten Schulter. Die gesamte Behandlung bezog sich auf die rechte Schulter. Nach der Anamnese berichtete der Kläger drei Tage nach dem Unfall auch nur von Schulterbeschwerden rechts. Erst einen Monat später, am 25. März 2000, wurden bei einer neurologischen Untersuchung Beschwerden im Bereich des linken Oberkörpers, des linken Kopfes und der linken HWS-Region dokumentiert. Ein schmerzfreies Intervall von einigen Tagen oder gar Wochen ist mit einer Distorsion der HWS des Schweregrades I nicht mehr zu vereinbaren (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 556).
Dem steht auch nicht der Auszug der Krankenkasse über die Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen entgegen. Dort wird für die Zeit vom 28. Februar 2000 bis 7. April 2000 neben der Prellung der Schulter und des Oberarms auch eine Verstauchung und Zerrung der HWS festgehalten. Dies entspricht auch den Tatsachen, da innerhalb dieses Zeitraums, alldings erst im März 2000, u.a. auch Beschwerden an der HWS dokumentiert sind und behandelt wurden.
Darüber hinaus ergab ein CT der HWS vom 4. Oktober 2007 leichte Verschleißerscheinungen; eine Subluxation der Wirbelkörper mit der Folge einer Instabilität ist danach nicht nachzuweisen. Dies gilt gerade auch für den Bereich des Übergangs vom Hinterhaupt zur HWS, in dem HNO-ärztlicherseits eine posturale Instabilität vermutet wurde. Im Übrigen ergaben bereits die Röntgenaufnahmen nach dem Unfall, dass die HWS bereits degenerativ vorgeschädigt war.
Die Beurteilung des Gutachters deckte sich dabei weitgehend mit der des Dr. L. , der ebenfalls nur von einer Prellung der rechten und linken Schulter ausging. Entsprechendes ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. B./Dr. H ... Beschwerden der HWS sind auf degenerative, unfallunabhängige Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Der Befund eines leichteren chronischen Impingement-Syndroms stellt eine degenerative Erkrankung der Rotatorenmanschette aus innerer Ursache dar. Die Prellung der rechten und linken Schulter war nach wenigen Wochen folgenlos ausgeheilt.
Der Senat folgt damit nicht dem Gutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. E. , der von einer HWS-Weichteildistorsion mit posturaler Instabilität ausgeht. Zum einen handelt es sich insoweit um eine für den Sachverständigen fachfremde Beurteilung, zum anderen ist, wie dargelegt, eine schwere Verletzung im Kopf- und HWS-Bereich nicht nachgewiesen. Auch nach der von Prof. Dr. E. vorgenommenen Anamnese wurde der Kläger von dem zurückfedernden Baum nur an der rechten Schulter, nicht am Kopf oder im Bereich der Wirbelsäule getroffen. Eine Instabilität kann im Übrigen durch das CT vom 4. Oktober 2007 ausgeschlossen werden.
Auf orthopädischem Fachgebiet ist damit ab 8. April 2000 keine MdE mehr gegeben.
Auch auf HNO-fachärztlichem Gebiet sind keine Unfallfolgen anzuerkennen. Das Sozialgericht führte bereits umfassend aus, dass sowohl der Tinnitus als auch der Schwindel nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sind. Dem Gutachten des Prof. Dr. E. vermag der Senat auch hinsichtlich des Vorliegens eines Schwindels und eines Tinnitus nicht zu folgen. Prof. Dr. E. leitete aus einem Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi eine Schädigung des kraniocervikalen Übergangs mit der Symptomatik eines lagerungsabhängigen Schwindels im Sinne einer Otolithenfunktionsstörung und beidseitigen Ohrgeräuschen ab. Wie dargelegt kann jedoch nicht von einer HWS-Weichteildistorsion ausgegangen werden. Zutreffend wies das Sozialgericht darauf hin, dass auch keine Commotio labyrinthi links nachgewiesen ist, da es dafür zu einer massiven Gewalteinwirkung auf den Kopf hätte kommen müssen, die vorliegend auszuschließen ist.
Soweit der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Prof. Dr. B. zu der Auffassung kam, dass ein beidseitiger posttraumatischer Tinnitus, ferner eine hereditäre Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie der Verdacht auf einen zentralen Schwindel als Unfallfolge anzuerkennen seien und der Tinnitus mit einer MdE von 5 v.H. zu bewerten sei, schloss sich der Senat dieser Einschätzung nicht an. Die Beklagte weist zutreffend, gestützt auf fachliche Stellungnahmen des Prof. Dr. J. , darauf hin, dass sich unmittelbar nach dem Unfall keine Zeichen einer Gewalteinwirkung am Nackenbereich und am Kopf finden. Dies deckt sich mit dem geschilderten Unfallhergang. Bereits dies spricht gegen einen Unfallzusammenhang der HNO-ärztlichen Beschwerden. Unzutreffend ist ferner die Annahme des Sachverständigen, dass bereits initial ein Schwankschwindel sowie ein Rauschen auf beiden Ohren bestand. Vielmehr ist der Tinnitus erst am 24. März 2000 durch den behandelnden Neurologen Dr. D. dokumentiert, der Schwindel am 22. Mai 2000. Erstmalig nach drei Monaten (24. Mai 2000) suchte der Kläger einen HNO-Facharzt auf; zwischen 7. April und 5. Juni 2000 arbeitete er. Eine Anerkennung der HNO-Beschwerden als Unfallfolgen stößt vor diesem Hintergrund auf erhebliche Bedenken, da bei Annahme eines Kausalzusammenhangs die Hauptsymptomatik bereits unmittelbar nach dem Unfall auf HNO-Fachgebiet gelegen hätte. Dies entspricht jedoch nicht der tatsächlichen ärztlichen Behandlung. Der Sachverständige berücksichtigt ferner nicht, dass bereits vor dem Unfall ein beidseitiger Tinnitus - nicht nur 1994, sondern auch später - und rezidivierende Schwindelzustände festgehalten sind und somit von einem Vorschaden auszugehen ist. Der Internist Dr. B. gab in seinem Befundbericht vom 17. April 2001 an, den Kläger seit Januar 1999 u.a. wegen arteriellem Hypertonus mit rezidivierendem Schwindel und leichter Innenohrhypakusis bei Tinnitus auris behandelt zu haben. Schließlich ergibt sich aus der langsamen Entwicklung dieser Folgeerscheinungen, dokumentiert durch die fachärztlich erhobenen Befunde, dass durch den Unfall auch keine Schädigung der Innenohren und des Gleichgewichtssinns eingetreten ist.
Ein Kausalzusammenhang zwischen den Gesundheitsbeeinträchtigungen auf HNO-ärztlichen Fachgebiet und dem Unfallereignis ist somit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben. Da, wie dargelegt, auch die Wirbelsäulenbeschwerden nicht als Unfallfolge anzuerkennen sind, kann der Senat dahin gestellt lassen, ob der Tinnitus und der Vertigo hiermit begründet werden können. Soweit als Ursache eine neurotische Fehlverarbeitung des Unfalls in Betracht kommt, wie dies Prof. Dr. J. annimmt, scheidet ebenfalls eine Anerkennung als Unfallfolge aus, da es sich nicht um ein Unfallereignis gehandelt hat, das als besonders dramatisch und psychisch schwer zu verarbeiten einzustufen sind. Auch erlitt der Kläger mit einer Schulterprellung nur geringfügige Unfallfolgen.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer posturalen Instabilität bei Zustand nach HWS-Weichteildistorsion und Commotio labyrinthi, eines Tinnitus aurium beidseits und Otolithenfunktionsstörung links als Folgen des Unfallereignisses vom 26. Februar 2000 und auf Zahlung einer Verletztenrente hat. Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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