L 16 R 397/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 246/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 397/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. April 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung auf den Antrag vom 13.10.2005.

Der am.1970 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger, ist am 01.01.1986 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. In der Türkei hatte er bei einem "Goldschmied" gearbeitet. Nach dem im Juli 1988 erworbenen Hauptschulabschluss hat er in Deutschland keine Berufsausbildung absolviert. Er war ab Mai 1989 bis Oktober 2000 - mit erheblichen Unterbrechungszeiten durch Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit - überwiegend im Lager und als Fahrer, zuletzt als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit März 2001 ist er arbeitslos gemeldet (derzeit ohne Bezug von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit). Nach dem Schwerbehindertengesetz ist bei ihm ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt.

Aus der von der Beklagten in den Monaten Februar/März 2004 gewährten Kurmaßnahme wegen einer psychovegetativen Erschöpfung im Rahmen eines chronisch dekompensierten Tinnitus und eines rezidivierenden Wirbelsäulensyndroms wurde der Kläger für den allgemeinen Arbeitsmarkt als voll arbeitsfähig entlassen. Der erneute Antrag des Klägers vom 05.07.2006 auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 17.08.2006 abgelehnt, weil die erforderliche Vier-Jahresfrist seit Gewährung der letzten Maßnahme noch nicht abgelaufen und eine vorzeitige Leistung nicht dringend erforderlich sei.

Am 13.10.2005 beantragte er bei der Beklagten wegen seiner Kopfgeräusche, Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen, Schlafstörungen und Krämpfe die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Untersuchung durch den Internisten Dr. H. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten ergab, dass der Kläger ab Antragstellung an einer somatoformen Störung, an einem Verschleiß der Wirbelsäule mit Minderbelastbarkeit, Bewegungseinschränkung sowie Schmerzausstrahlungen, an einer Minderbelastbarkeit sowie Gefühlsstörungen des linken Beines, an einer chronischen Atemwegserkrankung mit beginnender Belüftungsstörung und an einer Neigung zu Herzrhythmusstörungen leide. Im Vordergrund stehe für den Kläger der Tinnitus; Hinweise auf eine relevante Beeinträchtigung der Vitalität sowie der Gestaltungsmöglichkeiten hätten sich aber nicht ergeben. Der Kläger könne nur noch körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besondere nervliche Belastungen und ohne Anforderungen an die Verantwortung sowie an das Hörvermögen im Wechselrhythmus mindestens 6 h täglich verrichten. Auszuschließen seien häufiges Heben, Bewegen und Tragen von Lasten mit mehr als 5 kg, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, häufiges Klettern und Steigen, Knien und Hocken sowie Tätigkeiten über Schulterhöhe, mit Pressdruckbelastung, mit Absturz- und Verletzungsgefahr und Tätigkeiten mit einer Gefährdung durch inhalatorische Schadstoffe (Gutachten vom 13.12.2005). Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.12.2005 mit der Begründung ab, dass der Kläger noch mindestens 6 h täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger unter Vorlage eines Attestes seiner behandelnden praktischen Ärztin Dr. A. mit Arztbriefen vor, dass er wegen unheilbarer Krankheiten nicht mehr arbeiten könne. Nach Auswertung dieser ärztlichen Unterlagen durch ihren sozialmedizinischen Dienst wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2006 als unbegründet zurück. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg verfolgte der Kläger sein Ziel der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung weiter, dass seine Gesundheitsbeeinträchtigungen auf nervenärztlichem Fachgebiet und die Störungen in Bezug auf den Haltungsapparat nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Im Vordergrund ständen die somatoforme Störung und die Tinnitussymptomatik sowie die damit zusammenhängende Depression; er leide daher insbesondere unter Schlafstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen und fühle sich müde und antriebslos. Zu berücksichtigen seien auch der Verschleiß der Wirbelsäule, die Sensibilitätsstörungen im linken Bein und die chronische Bronchitis.

Das Sozialgericht zog zur Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte der behandelnden Hausärztin Dr. A. und des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. bei und holte ein Gutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A1. ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 02.01.2007, basierend auf einer Untersuchung des Klägers, zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger auf nervenfachärztlichem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen vorlägen: - Wirbelsäulensyndrom mit Betonung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit vertebragener Wurzelreizsymptomatik ohne neurologische Ausfälle. - Spannungskopfschmerzen. - Tinnitus mit psychosomatischer Komponente, Innenohrschwerhörigkeit beidseits. - Dysthymie. Bei vorherrschender Schmerzsymptomatik ohne ausreichend erklärende Organerkrankungen sowie zugleich erheblicher emotionaler Störung und psychosozialer Problematik sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung zu diagnostizieren. Es habe sich bei der asthenischen, zur Selbstbeobachtung neigenden Persönlichkeitsstruktur des Klägers eine leicht bis mäßiggradige depressive Erkrankung entwickelt. Seit ca. einem Jahr würden weder eine nervenärztliche Behandlung noch eine antidepressive Medikation durchgeführt werden; ein allzu hoher Leidensdruck des Klägers bestehe daher nicht. Durch eine konsequente nervenärztliche Behandlung einschließlich des Einsatzes eines potenten Antidepressivums sowie einer erneuten begleitenden psychotherapeutischen Mitbehandlung sei in absehbarer Zeit eine wesentliche Verbesserung der depressiven Beschwerden und der Schmerzsymptomatik erreichbar. Schließlich würden die Angaben des Klägers zur üblichen Tagesgestaltung keinen Rückschluss auf eine Minderung der zeitlichen Leistungsfähigkeit auf weniger als 6 h täglich zulassen. Dr. A1. bestätigte das von Dr. H. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers für die Zeit ab der Antragstellung mit der Ergänzung, dass wegen des Tinnitus Arbeiten mit Lärmexposition und wegen der Dysthymie Arbeiten mit Zeitdruck, Nachtschicht und besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen wie an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit zu vermeiden seien. Der Kläger könne viermal täglich eine Strecke von mehr als 500 m in ca. 20 Minuten zurücklegen.

Der Kläger wandte gegen dieses Gutachten ein, dass die quantitativen und qualitativen Funktionseinschränkungen infolge der zutreffend beschriebenen Grunderkrankungen nicht zutreffend berücksichtigt worden seien. Entgegen der Ansicht des Gutachters sei die private Lebensführung durch seine Beschwerden stark eingeschränkt. Auf Grund des Tinnitus bzw. der Kopfschmerzen leide er ständig unter Schlafstörungen und müsse über den Tag verteilt mehrere Ruhepausen einlegen. Die nervenärztliche Behandlung bei Dr. Schietzsch habe er wegen der Erfolglosigkeit der Behandlung beendet.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 23. April 2007 ab. Denn nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. A1. sei der Kläger nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Diese Einschätzung finde ihre Bestätigung im Alltagsverhalten des Klägers, der auf Grund der Berufstätigkeit seiner Ehefrau den Haushalt führe (Reinigungsarbeiten, Zubereiten des Mittagessens, Erledigung aller notwendigen Dinge im Haushalt) und die drei Kinder (mit 12, 9 und 5 Jahren) betreue (Abholen vom Kindergarten, Überwachen der Hausaufgaben der Kinder etc.). Im Hinblick auf die abendlichen Treffen mit Freunden und Bekannten liege keine auffällige Rückzugstendenz vor. Auch die fehlende nervenärztliche Behandlung lasse den Schluss auf einen nicht allzu hohen Leidensdruck zu; der dagegen erhobene Einwand des Klägers bezüglich der Beendigung dieser Behandlung wegen Erfolglosigkeit könne vorgenannte Schlussfolgerung nicht widerlegen. Schließlich liege auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Dagegen hat der Kläger unter Vorlage ärztlicher Unterlagen Berufung eingelegt mit der Begründung, dass seit dem Herbst 2006 verstärkt Brustschmerzen - trotz Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung - und Beschwerden im Magen- und Bauchbereich aufgetreten seien und die Schilddrüsenfunktion gestört sei.

Der Senat hat einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin Dr. A. mit zahlreichen Fremdbefunden beigezogen und über den Gesundheitszustand und das berufliche Leistungsvermögen des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Psychiatrie und öffentliches Gesundheitswesen Dr. V ... Dieser bestätigt in seinem Gutachten vom 22.10.2007 im Wesentlichen die von Dr. A1. festgestellten Gesundheitsstörungen - mit dem Zusatz einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung - und in vollem Umfang das von Dr. A1. angenommene Leistungsvermögen des Klägers mit den von ihm genannten qualitativen Einsatzbeschränkungen. Der Kläger sei auch in der Lage, sich auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umzustellen. Therapeutisch seien die Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft. Bei der Durchführung ambulanter psychotherapeutischer Maßnahmen sowie einer speziellen Schmerztherapie sei mit einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers zu rechnen.

Gegen dieses Gutachten wendet der Kläger ein, dass zwar seine im Vordergrund stehenden Beschwerden zutreffend festgestellt worden seien, aber die Auswirkungen des Tinnitus und der Schlaflosigkeit nicht in ausreichendem Umfang berücksichtigt worden seien. Auch sei er bereits erheblich in der privaten Lebensführung beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.04.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.11.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Ergebnisse der eingeholten Gutachten.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von dem Kläger form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit seinem Urteil vom 23.04.2007 hat das Sozialgericht zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2006 abgewiesen, weil der Kläger nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung im Sinn des § 43 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) hat. Da er den Rentenantrag nach dem 31.03.2001 gestellt hat und Rente für Zeiten nach dem 01.01.2001 begehrt, ist gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI vorgenanntes Recht anwendbar.

Nach § 43 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht allesamt erfüllt. Er hat zwar zum Zeitpunkt der Antragstellung die Wartezeit sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, er ist jedoch nicht voll erwerbsgemindert im Sinn von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB, weil er noch mindestens 6 h täglich erwerbstätig sein kann.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Nach der in Rechtsfortbildung der Versicherungsfälle der verminderten Erwerbsfähigkeit durch das Bundessozialgericht entwickelten und vom Gesetzgeber auch durch das EMRefG gebilligten (vgl. § 43 Abs.3 SGB VI) Arbeitsmarktrente ist der Versicherte darüber hinaus auch voll erwerbsgemindert, wenn das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist und der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, weil der Versicherte keinen zumutbaren Arbeitsplatz innehält (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, SozR 3-2600 § 44 Nr.8).

Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt. Er kann seit der Antragstellung am 13.10.2005 nur noch leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne besondere nervliche Belastungen (Zeitdruck, Nachtschicht), ohne besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen und ohne Anforderungen an die Verantwortung sowie an das Hörvermögen im Wechselrhythmus mindestens 6 h täglich verrichten. Auszuschließen sind häufiges Heben, Bewegen und Tragen von Lasten mit mehr als 5 kg, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, häufiges Klettern und Steigen, Knien und Hocken sowie Tätigkeiten über Schulterhöhe, mit Pressdruckbelastung, mit Absturz- und Verletzungsgefahr, mit Lärmexposition und Tätigkeiten mit einer Gefährdung durch inhalatorische Schadstoffe.

Dieses Leistungsvermögen ergibt sich aus dem vom Senat von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr. V., das im Wesentlichen in Einklang mit dem vom Sozialgericht erholten Gutachten von Dr. A1. und dem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. H. steht. Die von dem gerichtlichen Sachverständigen abgegebene Beurteilung ist überzeugend, weil sie sich folgerichtig aus den nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft auf Grund der anamnestischen Angaben des Klägers und der vorliegenden klinischen Untersuchungsbefunde unter Berücksichtigung aller vorliegenden ärztlichen Unterlagen erfolgten Feststellungen über den Gesundheitszustand des Klägers ergibt. Der Senat schließt sich daher dieser schlüssigen Beurteilung an.

Im Vordergrund der Beschwerden des Klägers stehen unstreitig die in der Vergangenheit nicht genügend behandelte Dysthymie und anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Es besteht schon seit vielen Jahren eine Schmerzsymptomatik. Die von orthopädischer Seite und in bildgebenden Verfahren beschriebenen Veränderungen der Wirbelsäule sind nicht geeignet, die vom Kläger angegebene Schmerzsymptomatik vollständig zu erklären. Anamnestisch bestand eine Reihe seelisch belastender Faktoren, die die Schmerzsymptomatik wesentlich beeinflussten, so dass eine somatoforme Schmerzstörung anzunehmen ist. Denn es liegt zum einen eine lange, durch organische Veränderungen nicht ausreichend erklärbare Schmerzanamnese vor, und zum anderen sind die Schmerzen nicht Ausdruck einer weiteren psychiatrischen Störung (wie zum Beispiel einer Neurose oder schweren Persönlichkeitsstörung). Die depressive Symptomatik des Klägers ist als Dysthymie einzuordnen, weil es sich um eine chronische depressive Verstimmung handelt, die nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden nicht die Beschreibungen und Leitlinien einer leichten oder mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung erfüllt. Denn der Kläger hat zusammenhängende Perioden von Tagen oder Wochen mit einem guten Befinden, fühlt sich aber meist - oft monatelang - müde und depressiv. Bei den Untersuchungen durch Dr. V. und Dr. A1. wirkte er nicht tiefergehend depressiv.

Eine echte psychische Erkrankung oder ein echter Versagenszustand mit Krankheitswert, den der Kläger weder unter eigener zumutbarer Willensanstrengung noch unter ärztlicher Mithilfe in absehbarer Zeit überwinden kann, ist aber nicht nachgewiesen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (etwa SozR Nr. 38, 3 9, 4 5, 76 zu § 1246 RVO; BSG, Urteil vom 12.09.1990, Az. 5 RJ 88 / 98) sind psychische Erkrankungen nur dann wie körperliche Krankheiten anzusehen, wenn sie durch Willensentschlüsse des Betroffenen nicht mehr zu beheben sind. Maßgeblich ist daher, ob der Versicherte die seelischen Hemmungen entweder aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann. Da der Kläger seit 2006 keine psychiatrische, psychotherapeutische oder pharmakologische Behandlung mehr durchführt, obwohl nach Ansicht aller Sachverständigen bei der Durchführung ambulanter psychotherapeutischer Maßnahmen sowie einer speziellen Schmerztherapie mit einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers zu rechnen ist, unddie Inanspruchnahme ärztlicher Mithilfe dem Kläger auch zumutbar ist, ist die Unüberwindbarkeit der Dysthymie des Klägers nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Bei der beschriebenen Kopfschmerz-Symptomatik handelt es sich diagnostisch um einen Spannungskopfschmerz oder hinsichtlich der Einnahme von Analgetika um einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz, der jeweils lediglich zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit führt.

Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Auswirkungen des Tinnitus und der Schlaflosigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet in ausreichendem Umfang berücksichtigt worden.

Aufgrund der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens auf internistischem Fachgebiet. Denn in dem Entlassungsbericht der Stiftsklinik Augustinum München vom 8. November 2006 wird nach Durchführung einer erfolgreichen HF-Isthmus-Ablation von einer kardialen beschwerdefreien Entlassung des Klägers nach Vorhofflattern berichtet. Die Herzkatheteruntersuchung am 30. April 2007 bestätigt den Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung. Nach Auskunft des behandelnden Internisten und Kardiologen Dr. Ostermaier vom 04.05.2007 ist die Rhythmusstörung erfolgreich therapiert worden. Auch der Internist und Gastroenterologe Prof. Dr. Bartram stellte am 06.03.2007 nach einer Gastroskopie und Coloskopie außer Zeichen einer Gastritis und einer reizlosen Cardiainsuffizienz keinen auffälligen Befund nach Abtragung von Polypen fest.

Da der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen wegen Erwerbsminderung hat, war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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