S 12 KA 174/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 174/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den vier Quartalen I bis IV/02 in Höhe von insgesamt 15.154,04 EUR.

Die 1948 und jetzt 59 Jahre alte Klägerin ist als Fachärztin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe mit Praxissitz in A-Stadt seit 01.07.1994 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

In den streitbefangenen Quartalen ergaben sich folgende Abrechnungswerte der Klägerin im Vergleich mit ihrer Fachgruppe (VG):

I/02 II/02 III/02 IV/02
Fallzahl Kl/VG 1.477 1.359 1.608 1.385 1.633 1.358 1.567 1.348 Rentneranteil Kl/VG 21 % 15 % 23 % 17 % 23 % 17 % 24 % 18 % Fallwert gesamt Kl/VG 27,62 25,28 27,69 25,21 28,41 25,41 28,02 26,83
Nr. 17 auf 100 Fälle Kl/VG Überschreitung 25 10 150 % 29 11 163 % Nr. 17 in Punkten pro Fall Kl/VG Überschreitung 62,2 24,3 158 % 68,4 25,2 171 %
Nr. 851 auf 100 Fälle Kl/VG Überschreitung 16 6 166 % 21 8 163 % 18 8 125 % 13 3 333 %
Nr. 851 in Punkten pro Fall Kl/VG Überschreitung 70,0 19,5 259 % 69,8 20,3 244 % 58,6 13,5 334 %

Auf Antrag der Beigeladenen führte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den streitbefangenen Quartalen ein Prüfverfahren durch.

Der Prüfungsausschuss setzte für das Quartal I/02 mit Prüfungsbescheid vom 29.09.2002 eine Honorarkürzung im Bereich der Nr. 851 EBM in Höhe von 1.331,67 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 18.12.2002 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, das Zusatzbudget für die Nrn. 850 und 851 EBM betrage 70 Punkte pro Fall. Die Genehmigung hierfür sei aufgrund nachgewiesener Praxisbedürfnisse und somit Praxisbesonderheiten erfolgt. Im Quartal I/02 seien lediglich 70,6 Punkte pro Fall errechnet worden. Hieraus ergebe sich eine Überschreitung von 8,57% und nicht 308%. Sie hätte mit der Gruppe der Ärzte, für die die Ziffer 850 und 851 EBM genehmigt worden sei, verglichen werden müssen. Die Menge der Patientinnen, die in einem Quartal eine verbale Intervention oder eine differentialdiagnostische Klärung der psychosomatischen Krankheitszustände benötigten, ließe sich leider nicht beeinträchtigen. So hätte sie in den Quartalen II und III/01 Punkte eingespart und im Quartal IV/01 weitere Punkte zusätzlich gebraucht.

Der Beklagte ließ einen Prüfbericht durch den Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. med. PP. mit Datum vom 11.07.2006 erstellen.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 22.11.2006, ausgefertigt am 04.04.2007 und der Klägerin am 07.04. zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Abrechnungswerte der Ziffer 851 EBM lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, der bei Überschreitungen der Abrechnungswerte der Vergleichsgruppe um ca. 40% bis 50% vorliege. Trotz Anscheins einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise habe er einen Fachkollegen mit der Prüfung von Einzelfällen beauftragt, um anhand dieser medizinischen Betrachtung von zufällig ausgewählten Beispielsfällen der Frage nachgehen zu können, ob sich hinsichtlich der Praxisführung, Patientenstruktur oder Behandlungsweise atypische Besonderheiten aufzeigen ließen. Danach seien die Überschreitungswerte nicht auf Besonderheiten in der Behandlungsausrichtung oder im Praxisklientel, sondern auf ein Abrechnungs- und Behandlungsverhalten zurückzuführen, das mit dem Grundsatz einer wirtschaftlichen Behandlungsweise nicht in vollem Umfang in Übereinstimmung zu bringen sei. Dem erhöhten Rentneranteil sei keine Bedeutung beizumessen, da bei den Rentnerfällen insgesamt die Abrechnung bzw. Erbringung der Nr. 851 EBM eher als unterdurchschnittlich anzusehen sei. Pauschale Ersparnisse seien nicht ersichtlich. Die Leistungslegende der Ziff. 851 laute: "Verbale Intervention" bei psychosomatischen Krankheitszuständen unter systematischer Nutzung der Arzt/Patienten-Interaktion, je Sitzungsdauer, mindestens 15 Minuten". Damit setze die Leistungserbringung voraus, dass es sich um einen "psychosomatischen Krankheitszustand" handele. Die Klägerin habe sehr häufig die "ICD-Diagnose-Kodierung "F99" = psychische Störung ohne nähere Angaben, sowie "F33.9" = rezidivierende depressive Störung oder "F 41.1" = generalisierte Angststörung verwandt. Das seien Diagnosen, die per se keine psychosomatischen Krankheitsbilder bezeichneten. Folglich seien diese Diagnosen keine Indikation für eine verbale Intervention einer psychosomatischen Krankheit und rechtfertigten damit keine Abrechnung einer Leistung nach der Ziffer 851 EBM. In der überwiegenden Anzahl der geprüften Einzelfälle sei davon auszugehen, dass die jeweils diagnostizierte psychiatrische bzw. psychotische bzw. neurotische Krankheit der Patientinnen einem Therapieversuch – oft wiederholt im Quartal – mit einem Verfahren der psychosomatischen Medizin zu unterziehen, eine nicht sachgerechte Behandlung bzw. nicht indizierte Behandlung und damit unwirtschaftliche Behandlung darstelle. Es treffe nicht zu, dass eine verbale Intervention nach Ziff. 851 EBM und eine differentialdiagnostische Klärung nach Ziff. 850 EBM vor ambulanten Operationen unentbehrlich seien. Es könne nicht unterstellt werden, dass alle Patientinnen, die zu einer ambulanten Operation anstünden, auch an einer psychosomatischen Erkrankung litten. Beispielhaft werde hier der Fall I. H. genannt, wo neben einer Notoperation an einem Freitag um 21:30 Uhr – Hysteroskopie und Abrasio – die Ziff. 851 EBM abgerechnet worden sei, oder dass bei fünf Patientenkontakten im Quartal eine "psychosomatische Diagnose" angegeben worden wäre. Insgesamt schließe sich der Beklagte dem Ergebnis der Prüfung des Fachreferenten voll inhaltlich an. Die aufgelisteten Fälle, bei denen seiner Ansicht nach der Ansatz der Ziff 851 EBM nicht gerechtfertigt erscheine, sei Bestandteil des Prüfberichts, der wiederum Bestandteil der Verfahrensakte sei und auf den insoweit verwiesen werde. Die Kürzung des Prüfungsausschusses sei zu bestätigen. Es habe keiner weitergehenden Quantifizierung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes bedurft, da der Klägerin ein Mehraufwand verbleibe, der im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liege. Es bleibe ihr ein Mehr von 6 mal pro 100 Fälle, was 100% absolut entspreche.

Für die Quartale II und III/02 trug die Klägerin vor, aufgrund der Budgetierungsmaßnahmen würden viele Leistungen nicht bezahlt werden. Kompensatorische Einsparungen ergäben sich im Arzneimittelbereich. Ferner wies sie erneut auf ihr Zusatzbudget hin.

Der Prüfungsausschuss setzte mit Prüfungsbescheid vom 17.09.2003 für die Quartale II und III/02 eine Honorarkürzung der Nrn. 17 und 851 EBM in Höhe von 6.380,77 EUR bzw. 7.389,28 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 08.10.2003 Widerspruch ein. Sie trug vor, der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Bei der Entscheidung sei der Ausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt worden. Zudem lasse er das durchgeführte Prüfverfahren nicht in der gebotenen Eindeutigkeit erkennen. Darüber hinaus sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Bei einer statistischen Vergleichsprüfung habe der Ausschuss nicht ihre Praxisbesonderheiten sowie kompensatorischen Einsparungen hinreichend gewürdigt. Gehe man von einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung aus, so habe der Prüfungsausschuss die aufgestellten Prüfkriterien nicht eingehalten. Sie überreiche Patientenlisten derjenigen Patienten, bei denen sie die Ziffer 851 angesetzt habe. Die Listen enthielten neben dem Namen, dem Geburtsdatum und der Krankenkasse des behandelten Patienten zum einen eine Diagnose nach ICD 10 sowie eine Einteilung der Patienten in verschiedene Strukturgruppen. Zur Erläuterung der Patientenlisten überreiche sie die von ihr aufgestellte "Präambel und Methodik zur EBM-Nr. 851". Aus diesen Listen sei die Begründung für den Ansatz der Nr. 851 ersichtlich. Zur Nr. 17 EBM gelte Gleiches. Auch hier überreiche sie entsprechende Patientenlisten sowie eine "Präambel und Methodik zur EBM-Nr. 17". Der Ansatz der Nr. 17 EBM sei zusammengefasst bei folgenden lebensbedrohlichen und/oder lebensverändernden Krankheiten erfolgt, bei Krebspatientinnen im Quartal II/02 31-mal und im Quartal III/02 14 mal, bei Unfruchtbarkeit (30/28), Verlust des Geschlechtsorgans (35/71), Urininkontinenz (0/39), Rez. Schmerzzustände (16/24), insgesamt 112-mal bzw. 176-mal. Sie überreiche weitere Patientenlisten. Es handele sich ausschließlich um Krebskranke und um Patienten mit Fertilitätsstörungen. Diese Patienten habe sie im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Arzneimitteln nach Richtgrößen gemäß der Anlage 3 zur Richtgrößenvereinbarung zusammengestellt und mit den entsprechenden Kennziffern gekennzeichnet. Bei diesen Patienten sei der Ansatz der Nr. 17 und 851 jedenfalls berechtigt. Sie stelle in den von ihr eingereichten Anlagen dar, welche Leistungsziffern bzw. Medikamente sie durch den Ansatz der Ziffern 17 und 851 EBM habe einsparen können. Diese Listen wiesen konkrete EUR-Beträge auf, die in ihrer Summe um ein Vielfaches über den ausgesprochenen Kürzungsbeträgen lägen. Der erhöhte Ansatz der Nr. 17 EBM werde durch Einsparungen bei den Ziffern 1, 2, 5, 18 und 19 EBM kompensiert. Bei den von ihr angegebenen Diagnosen handele es sich zweifellos um psychosomatische Krankheitszustände. Die Behauptung, die Diagnose "psychische Störung ohne nähere Angabe" sei dem Verständnis nicht dienlich und es sei vielmehr möglich, mit Hilfe des ICD-Schlüssels eine genauere Diagnose zu liefern, biete keine Begründung für einen unwirtschaftlichen Ansatz der Nr. 851 EBM. Die Begründungen des Prüfungsausschusses seien pauschal und schematisch.

Der Beklagte ließ einen Prüfbericht durch Dr. med. PP. (mit Datum vom 11.07.2006) erstellen.

Der Beklagte wies mit weiterem Beschluss vom 22.11.2006, ausgefertigt am 04.04.2007 und der Klägerin am 07.04 zugestellt, den Widerspruch weitgehend als unbegründet zurück. Er half ihm für das Quartal II/02 insoweit ab, als er die Kürzung der Ziffer 851 EBM auf 3.840,13 EUR reduzierte. Er ging vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses für beide Leistungsbereiche aus. Die durchgeführte repräsentative Einzelfallprüfung zeige deutlich auf, dass die Überschreitungswerte in beiden Leistungsbereichen nicht auf eine besondere Praxisstruktur, sondern auf ein unwirtschaftliches Behandlungs- und Abrechnungsverhalten zurückzuführen sei. Bezüglich der Nr. 851 EBM kam der Beklagte zu gleichen Ergebnissen wie im Bescheid für das Vorquartal. Bezüglich der Nr. 17 EBM führte er aus, die Leistungslegende laute: "Intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung, ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen und fremdanamnestischen Angaben, Dauer mind. 10 Minuten". Es müsse also eine Erkrankung vorliegen. Eine Schwangerschaft stelle keine Erkrankung dar. Folglich könne die Erörterung von Schwangerschaftsbelangen die Leistungslegende nicht erfüllen. Auch Risikoschwangerschaften gehörten nicht hierzu. Sie begründeten erweiterte und intensive Kontrolluntersuchungen. Ohne Angabe einer Diagnose, die belege, dass sich das bestehende Risiko tatsächlich in einer Erkrankung (streng genommen nur der Mutter) manifestiert habe, sei eine Leistung nach der Ziffer 17 EBM nicht indiziert und damit unwirtschaftlich. Weiterhin sei aufgefallen, dass gerade bei Schwangerschaften gehäuft neben CTG Leistungen nach der Ziffer 118 wechselnd eine Abrechnung der Ziffern 17 und 851 EBM erfolgt sei, gerade so, als substituiere die eine Ziffer die andere, was jedoch nicht zulässig sei. Kausale Ersparnisse seien nicht festzustellen gewesen. Für das Quartal II/02 habe die durchgeführte repräsentative Einzelfallprüfung insgesamt ein Einsparpotential bezogen auf die Ziffer 17 EBM in Höhe von 997,02 EUR (20%) ergeben, hochgerechnet ergebe sich damit abzüglich eines Sicherheitsabschlages von 25% ein Kürzungsbetrag von 3.746,64 EUR, insgesamt 2,33 EUR pro Fall, so dass der vom Prüfungsausschuss festgesetzte Kürzungsbetrag zu bestätigen gewesen sei. Für die Ziffer 851 EBM habe sich ein Einsparpotential von 1.081,38 EUR (20%) ergeben, hochgerechnet und abzüglich eines Sicherheitsabschlages von 4.052,16 EUR insgesamt bzw. 2,52 EUR pro Fall, so dass die vom Prüfungsausschuss bereits vorgenommene Korrektur auf 3.840,13 EUR ebenfalls zu bestätigen gewesen sei. Für das Quartal III/02 habe sich hochgerechnet ein Kürzungsbetrag von 3.674,25 EUR bzw. 2,25 EUR pro Fall ergeben, für die Ziffer 17 und für die Ziffer 851 von 3.886,16 EUR bzw. 2,48 EUR pro Fall, so dass die Kürzungen des Prüfungsausschusses ebenfalls zu bestätigen gewesen seien.

Für das Quartal IV/02 setzte der Prüfungsausschuss mit Prüfungsbescheid vom 20.02.2004 im Bereich der Ziffer 851 EBM eine Honorarkürzung von 3.883,35 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 01.04.2004 Widerspruch mit ähnlicher Begründung wie zu den Vorquartalen ein.

Mit weiterem Beschluss vom 22.11.2006, ausgefertigt am 04.04.2007 und der Klägerin am 07.04. zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Mit weitgehend gleicher Begründung wie in den Vorquartalen. Den Kürzungsbetrag begründete er erneut mit der durchgeführten repräsentativen Einzelfallprüfung für das Quartal IV/02 und entsprechender Hochrechnung.

Gegen alle Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 07.05.2007 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 16.04.2007 alle drei Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte berücksichtige nicht ihre Praxisbesonderheiten. Sie habe frühzeitig die Anerkennung der psychosomatischen Leistungen als Praxisbesonderheit beantragt. Dieser Antrag sei jedoch nie beantwortet worden. Sie führe etliche qualitätsgebundene Leistungen durch, die von weniger als 50% der Vergleichsgruppe erbracht würden. Ihre ambulanten Operationen seien überhaupt nicht berücksichtigt worden. Da ihr Honorarvolumen nur zu 87% anerkannt werde, liege ihr Scheinwert tatsächlich unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Der ICD sei mehrfach geändert worden. Sie sei von der zu 1) beigeladenen KV Hessen nicht darüber informiert worden, dass diese ihr Verhalten bezüglich Diagnosen als falsch einstufe. Sie bilde sich ständig im Bereich der Psychosomatik fort. Der Beklagte würdige nicht ihre Gesamttätigkeit. Sie hätte vorher beraten werden müssen. Der Bescheid basiere auf einem Prüfantrag ohne Datum und nenne nicht die zu prüfenden Ärzte. Der Bescheid lasse das durchgeführte Prüfverfahren nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen. Eine Kürzung hätte wegen des Vorliegens von Praxisbesonderheiten sowie kompensatorischen Einsparungen nicht erfolgen dürfen. Die Begründungen seien Standardbegründungen. Sie dürfe nicht doppelt belastet werden. Budgetierte Leistungen dürften folglich nur mit dem Wert abgezogen werden, den sie im Budget gehabt hätten. Die statistische Aufbereitung sei nicht richtig. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin mit Datum vom 23.05.2007 und 10.03.2008 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der drei Beschlüsse des Beklagten vom 22.11.2006 sie über ihre Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, im Rahmen der durchgeführten statistischen Vergleichsprüfung gebe es keine Kennziffer für etwaige anzuerkennende Praxisbesonderheiten. Es gebe auch keine Richtlinie zur Anerkennung der Psychosomatik als Praxisbesonderheit. An einem substantiierten Nachweis hierfür fehle es. Für die Durchführung eines Einzelleistungsvergleiches sei eine ausreichend große Anzahl von abrechnenden Ärzten, wobei ein Anteil von 50% der abrechnenden Mitglieder ausreichend sei, und eine ausreichende Häufigkeit der Leistungserbringung der Einzelziffer notwendig. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Sie habe die Gesamtumstände hinreichend gewürdigt. Auch die Psychotherapie-Vereinbarung verweise auf die Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung. Eine vorhergehende Beratung sei infolge des Überschreitens der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis nicht erforderlich gewesen. Der Prüfantrag sei ordnungsgemäß gestellt worden. Die weiteren formellen Einwendungen bezögen sich auf den Bescheid des Prüfungsausschusses. Gegenstand sei aber der Bescheid des Beschwerdeausschusses. Die Honorarkürzung sei zunächst nur vor Quotierung festgesetzt worden. Die Honoraranforderung werde zunächst um den Kürzungsbetrag aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung berichtigt und werde erst dann der Budgetierung zugeführt. Im Übrigen verweist er auf die Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze mit Datum vom 15.02. und 18.02.2008 verwiesen.

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Mit Beschluss vom 09.05.2007 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die drei angefochtenen Beschlüsse des Beklagten vom 22.11.2006 sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses. Die Klage war daher abzuweisen.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).

Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106. Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris Rdnr. 23).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Prüfgremien ferner berechtigt, u. a. eine eingeschränkte Einzelfallprüfung durchzuführen. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersuchen die Prüfinstanzen - ebenfalls regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen Ärzten - Behandlungsfälle eines Arztes aufgrund von dessen Behandlungsangaben und Behandlungsunterlagen. Die strenge Einzelfallprüfung unterscheidet sich von der eingeschränkten demnach dadurch, dass bei der letzteren der Prüfung der Behandlungsweise die Indikationsbeurteilung des geprüften Arztes zugrunde gelegt wird. Es handelt sich damit nicht um eine "wirkliche" Einzelfallprüfung, sondern im Kern um eine bloße Schlüssigkeitsprüfung. Sie kommt - nur - dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn aussagekräftigere Beweismittel und -methoden nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Das Ergebnis einer eingeschränkten Einzelfallprüfung ist in seiner Aussagefähigkeit ebenfalls begrenzt. Da bei ihr die Angaben des zu prüfenden Arztes der Prüfung zugrunde gelegt werden, kann mit ihr zwar nicht der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt werden. Die Ergebnisse können aber geeignete Grundlage einer wertenden Entscheidung der Prüfgremien sein, dass die Behandlung eines Arztes unwirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urt. v. 08.04.1992 - 6 RKa 27/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 10 = BSGE 70, 246 = NZS 1992, 113 = SGb 1993, 124 = NJW 1993, 1549 = USK 92154, juris Rdnr. 38).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Der Beschluss ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Übersendung des Prüfberichts mit der Möglichkeit zur Stellungnahme lagen hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X). Hierbei ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang die Klägerin sich dazu geäußert hat, da dies insoweit ihre freie Entscheidung war.

Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Beklagte bzgl. der Prüfung im Leistungsbereich nach Nr. 851 EBM im Quartal I/02 einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen hat, bei der Prüfung der übrigen Quartale und Leistungen aber eine sog. eingeschränkte Einzelfallprüfung. Die Kammer hegt aber keine Bedenken gegen die Durchführung eines statistischen Kostenvergleichs der Leistungen nach Nr. 851 EBM im Quartal I/02. Diese Leistung ist ausweislich der Frequenzstatistik von 497 Praxen der aus 603 Praxen bestehenden Vergleichsgruppe abgerechnet worden. Wenn sich auch bezüglich der Zahl der Abrechner im Vergleich mit den Folgequartalen erhebliche Schwankungen ergeben, so war für die Kammer allein entscheidend, in welchem Umfang die Leistung im Prüfquartal von der Fachgruppe erbracht wird. Wenn auch grundsätzlich vom Vorrang eines statistischen Kostenvergleichs auszugehen ist, so war der Beklagte dennoch im Hinblick auf die geringe Abrechnungsfrequenz in den Folgequartalen berechtigt, die eingeschränkte Einzelfallprüfung durchzuführen. Die Kammer geht ferner davon aus, dass im Bereich der Prüfung von Einzelleistungen es noch vom Beurteilungsspielraum des Beklagten gedeckt ist, wenn er, auch im Hinblick auf geringe Abrechnungsfrequenzen, der Methode der eingeschränkten Einzelfallprüfung den Vorrang gibt, da insofern nach der angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts diese Methode geeignet ist, die Unwirtschaftlichkeit nachzuweisen.

Allein aufgrund der Zuerkennung eines psychosomatischen Zusatzbudgets folgt keine Berechtigung, immer im Umfang des zuerkannten Zusatzbudgets auch diese Leistungen abzurechnen. Die Wirtschaftlichkeit muss in jedem Einzelfall vorliegen, unabhängig davon, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Zusatz- oder Praxisbudget zuerkannt wird. Insofern war für die Kammer auch nicht nachvollziehbar, inwiefern im Bereich der Psychosomatik eine Praxisbesonderheit vorliegen sollte. Der Beklagte hat insoweit auf die diagnostischen Angaben hingewiesen, die die Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der Leistungen nach Nr. 851 EBM nicht belegten. Im Bereich der eingeschränkten‚ Einzelfallprüfung liegt demgegenüber eine Prüfung von Einzelfällen vor und kommt es nicht darauf an, ob abstrakt eine Praxisbesonderheit anerkannt wurde. Nicht nachvollziehbar für die Kammer waren die Hinweise der Klägerin auf ihre ambulanten Operationen. Unerheblich ist auch, in welchem Umfang eine Honorierung aufgrund Budgetierungsmaßnahmen der zu 1) beigeladenen KVH erfolgt. Die wirtschaftliche Erbringung von Leistungen ist grundsätzlich unabhängig davon, in welchem Umfang eine Honorierung erfolgt bzw. zu welchen quotierten Werten. Soweit die Klägerin darauf hinweist, die zu 1) beigeladene KV habe sie nicht darüber informiert, dass ihr Verhalten bezüglich Diagnosen als falsch eingestuft werde, so besteht keine Kompetenz der KV für solche Vorgaben, da für Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Prüfgremien zuständig sind. Soweit Überschreitungen im Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses liegen, besteht auch generell keine Informationspflicht vor Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Der Arzt ist insoweit für die Wirtschaftlichkeit seiner Leistungserbringung selbst verantwortlich. Eine Beratung vor Regress ist nicht zwingend erforderlich. Soweit die Klägerin auf ihre Gesamttätigkeit hinweist, wird nicht hinreichend dargelegt, was damit belegt werden soll. Der Beklagte ist auch im Rahmen des statistischen Kostenvergleichs den Anforderungen an eine intellektuelle Prüfung nachgekommen, indem er verschiedene Einzelfälle durchgesehen hat. Soweit die Klägerin weiter vorträgt, der Bescheid basiere auf einem Prüfantrag ohne Datum und nenne nicht die prüfenden Ärzte und lasse das durchgeführte Prüfverfahren nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, so gilt dies nicht für die streitgegenständlichen Beschlüsse des Beklagten, sonder beruht auf der Kritik gegenüber dem Prüfungsausschuss, die aber in dieser Form nicht auf die Beschlüsse des Beklagten zu übertragen ist. Dies gilt auch für den Vorwurf der Verwendung von Standardbegründungen. Wie bereits ausgeführt hat der Beklagte in allen Beschlüssen im Einzelnen dargelegt, worin er Unwirtschaftlichkeiten sieht, dies gilt auch für das Quartal I/02 im Rahmen des statistischen Kostenvergleichs. Eine doppelte Belastung erfolgte nicht. Die Kürzung des Beklagten erfolgte unquotiert, das heißt, auch wenn die Kürzung in Eurobeträgen ausgeworfen wird, so handelt es sich um Beträge auf rechnerischer Grundlage und bedeutet, dass eigentlich nur ein Punktezahlvolumen festgestellt wird. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt, welche tatsächlichen Beträge den Kürzungsbeträgen entsprechen, in welchem Umfang also – nach Quotierung – gekürzt wird. Die tatsächlich quotierten Beträge sind allerdings nicht Gegenstand dieses Verfahrens, da der Beklagte ausschließlich Beträge zur Kürzung vor Quotierung festsetzt. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die statistische Aufbereitung unrichtig sein sollte. Kompensatorische Einsparungen werden von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Dies gilt auch für die Praxisbesonderheit im Bereich der Psychosomatik, wie bereits dargelegt.

Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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