Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 127 AS 29249/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 745/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2008 aufgehoben Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 05. März 2008 verpflichtet, die Energiekostenschulden der Antragstellerin bei der G zuzüglich Kosten für die erneute Gaszähleröffnung durch direkte Überweisung von 1.470,95 Euro auf das Konto der G zu begleichen. Dieser Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Antragstellerin, dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt, am 14. März 2008 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat den Beschluss nicht umgesetzt. Sie hat am 25. März 2008 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin hat keine Maßnahmen im Hinblick auf eine Vollstreckung aus dem Beschluss ergriffen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung des Beschlusses des SG Berlin vom 05. März 2008, denn er ist nicht innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe vollzogen bzw. die Vollziehung ist nicht einmal eingeleitet worden. Dies folgt aus § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf eine nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ergangene einstweilige Anordnung anwendbar ist (vgl. schon Beschluss des Senats vom 11. Juli 2007 - L 10 B 1002/07 unter Hinweis auf Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 04. Januar 2007 – L 11 B 509/06 AS und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Januar 2006 – L 7 SO 4891/05 ER-B, jeweils veröffentlicht in juris und m w Nachw aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, § 86b RdNr 46 m w Nachw). Dies vertritt der Senat weiterhin jedenfalls für den Fall, dass der betreffende Antragsteller – wie hier – anwaltlich vertreten ist. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach Zustellung des Beschlusses des SG Berlin am 12. März 2008 bei der Antragsgegnerin bzw. 14. März 2008 bei der Antragstellerin hätte die Antragstellerin spätestens am 14. April 2008 die Vollstreckung einleiten müssen. Das ist nicht geschehen. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat in seinem telefonischen Kontakt mit dem Vorsitzenden der Kammer des SG nach Erhalt des Beschlusses lediglich auf die fehlerhafte Heftung der beiden zugestellten Beschlüsse hingewiesen. Auch dem Schreiben vom 02. April 2008 kann ein Vollstreckungsantrag nicht entnommen werden. Die Vollstreckungsfrist des § 929 Abs 2 ZPO beginnt nicht erst dann, wenn der jeweilige Antragsteller erkennen kann, dass die Behörde der einstweiligen Anordnung nicht folgen will (so aber entgegen der ganz überwiegenden Ansicht zu § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung OVG Lüneburg Beschluss vom 8. Dezember 1987 - 6 B 90/87, veröffentlicht in juris). Gegen diese Auffassung sprechen der eindeutige Wortlaut des § 929 Abs. 2 ZPO und die Erwägung, dass es ansonsten zu Rechtsunsicherheiten käme, die gerade im Vollstreckungsrecht vermieden werden soll.
Ist die Vollziehung der einstweiligen Anordnung unstatthaft, so hat sie ihren Regelungsgehalt verloren. Sie ist demzufolge nach Fristablauf auf Antrag aufzuheben (Keller aaO m w Nachw) und der Antrag ist mangels Rechtschutzbedürfnis abzulehnen, wobei es der Antragstellerin frei steht, einen neuen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem zuständigen SG zu stellen (zum Ganzen Hessischer VGH, Beschluss vom 07. September 2004 – 10 TG 1498/04, veröffentlicht in juris).
Die Kostenentscheidung entspricht billigem Ermessen (vgl. § 193 SGG). Der Senat hat berücksichtigt, dass er im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung voraussichtlich keinen Anlass gesehen hätte, den Beschluss des SG Berlin aufzuheben, die Beschwerde also nur wegen des Ablaufs der Frist aus § 929 Abs. 2 ZPO erfolgreich war. Ausschlaggebend ist dabei zum einen, dass nach der Auffassung des Senats eine Absperrung der Gasversorgung eine der drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbare Situation begründen dürfte, auch wenn sie außerhalb der Kernheizperiode stattfindet, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass zu dem Haushalt der Antragstellerin noch ein gerade erst neunjähriges Mädchen gehört. Ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, die Kosten der Unterkunft für die innegehaltene Wohnung seien unangemessen, mit der Folge, dass der Erhalt der Wohnung durch Übernahme von Energieschulden nicht angezeigt sei, ist nicht ohne weitere Sachaufklärung zu beantworten. Bei (rechtlich zwingend gebotener) Anwendung der Produkttheorie (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06R, www.bundessozialgericht.de RdNr 24) dürfte nicht fern liegend sein, dass die Angemessenheitskriterien in der bewohnten Genossenschaftswohnung ebenso erfüllt sind, wie nach der AV-Wohnen (Ausführungsvorschriften zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 7. Juni 2005 (zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006)), die für Fälle der vorliegenden Art (ohne weitere Einschränkungen) nach 4(5) einen Betrag von 488,40 Euro, der nach der Berechnung der Antragsgegnerin nicht überschritten wird, vorsehen. Das Obsiegen der Antragstellerin wegen des Ablaufs der Vollziehungsfrist steht einer Belastung der Antragsgegnerin mit Kosten nicht entgegen, da sie, indem sie die – vollziehbare – einstweilige Anordnung nicht ausgeführt hat, zunächst nicht rechtmäßig agiert hat. Der erst nach Ablauf der Vollziehungsfrist gestellte Prozesskostenhilfeantrag für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung war zurückzuweisen (§ 73a Abs. 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 05. März 2008 verpflichtet, die Energiekostenschulden der Antragstellerin bei der G zuzüglich Kosten für die erneute Gaszähleröffnung durch direkte Überweisung von 1.470,95 Euro auf das Konto der G zu begleichen. Dieser Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Antragstellerin, dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt, am 14. März 2008 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat den Beschluss nicht umgesetzt. Sie hat am 25. März 2008 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin hat keine Maßnahmen im Hinblick auf eine Vollstreckung aus dem Beschluss ergriffen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung des Beschlusses des SG Berlin vom 05. März 2008, denn er ist nicht innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe vollzogen bzw. die Vollziehung ist nicht einmal eingeleitet worden. Dies folgt aus § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf eine nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ergangene einstweilige Anordnung anwendbar ist (vgl. schon Beschluss des Senats vom 11. Juli 2007 - L 10 B 1002/07 unter Hinweis auf Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 04. Januar 2007 – L 11 B 509/06 AS und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Januar 2006 – L 7 SO 4891/05 ER-B, jeweils veröffentlicht in juris und m w Nachw aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, § 86b RdNr 46 m w Nachw). Dies vertritt der Senat weiterhin jedenfalls für den Fall, dass der betreffende Antragsteller – wie hier – anwaltlich vertreten ist. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach Zustellung des Beschlusses des SG Berlin am 12. März 2008 bei der Antragsgegnerin bzw. 14. März 2008 bei der Antragstellerin hätte die Antragstellerin spätestens am 14. April 2008 die Vollstreckung einleiten müssen. Das ist nicht geschehen. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat in seinem telefonischen Kontakt mit dem Vorsitzenden der Kammer des SG nach Erhalt des Beschlusses lediglich auf die fehlerhafte Heftung der beiden zugestellten Beschlüsse hingewiesen. Auch dem Schreiben vom 02. April 2008 kann ein Vollstreckungsantrag nicht entnommen werden. Die Vollstreckungsfrist des § 929 Abs 2 ZPO beginnt nicht erst dann, wenn der jeweilige Antragsteller erkennen kann, dass die Behörde der einstweiligen Anordnung nicht folgen will (so aber entgegen der ganz überwiegenden Ansicht zu § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung OVG Lüneburg Beschluss vom 8. Dezember 1987 - 6 B 90/87, veröffentlicht in juris). Gegen diese Auffassung sprechen der eindeutige Wortlaut des § 929 Abs. 2 ZPO und die Erwägung, dass es ansonsten zu Rechtsunsicherheiten käme, die gerade im Vollstreckungsrecht vermieden werden soll.
Ist die Vollziehung der einstweiligen Anordnung unstatthaft, so hat sie ihren Regelungsgehalt verloren. Sie ist demzufolge nach Fristablauf auf Antrag aufzuheben (Keller aaO m w Nachw) und der Antrag ist mangels Rechtschutzbedürfnis abzulehnen, wobei es der Antragstellerin frei steht, einen neuen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem zuständigen SG zu stellen (zum Ganzen Hessischer VGH, Beschluss vom 07. September 2004 – 10 TG 1498/04, veröffentlicht in juris).
Die Kostenentscheidung entspricht billigem Ermessen (vgl. § 193 SGG). Der Senat hat berücksichtigt, dass er im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung voraussichtlich keinen Anlass gesehen hätte, den Beschluss des SG Berlin aufzuheben, die Beschwerde also nur wegen des Ablaufs der Frist aus § 929 Abs. 2 ZPO erfolgreich war. Ausschlaggebend ist dabei zum einen, dass nach der Auffassung des Senats eine Absperrung der Gasversorgung eine der drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbare Situation begründen dürfte, auch wenn sie außerhalb der Kernheizperiode stattfindet, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass zu dem Haushalt der Antragstellerin noch ein gerade erst neunjähriges Mädchen gehört. Ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, die Kosten der Unterkunft für die innegehaltene Wohnung seien unangemessen, mit der Folge, dass der Erhalt der Wohnung durch Übernahme von Energieschulden nicht angezeigt sei, ist nicht ohne weitere Sachaufklärung zu beantworten. Bei (rechtlich zwingend gebotener) Anwendung der Produkttheorie (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06R, www.bundessozialgericht.de RdNr 24) dürfte nicht fern liegend sein, dass die Angemessenheitskriterien in der bewohnten Genossenschaftswohnung ebenso erfüllt sind, wie nach der AV-Wohnen (Ausführungsvorschriften zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 7. Juni 2005 (zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006)), die für Fälle der vorliegenden Art (ohne weitere Einschränkungen) nach 4(5) einen Betrag von 488,40 Euro, der nach der Berechnung der Antragsgegnerin nicht überschritten wird, vorsehen. Das Obsiegen der Antragstellerin wegen des Ablaufs der Vollziehungsfrist steht einer Belastung der Antragsgegnerin mit Kosten nicht entgegen, da sie, indem sie die – vollziehbare – einstweilige Anordnung nicht ausgeführt hat, zunächst nicht rechtmäßig agiert hat. Der erst nach Ablauf der Vollziehungsfrist gestellte Prozesskostenhilfeantrag für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung war zurückzuweisen (§ 73a Abs. 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved