L 12 AL 44/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 60 AL 4253/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 44/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Weiterzahlung von Arbeitslosenhilfe für 6 Wochen ab dem 9. Juli 2002.

Der 1946 geborene Kläger stand langjährig im Leistungsbezug der Beklagten. Vor dem 8. Juli 2002 bewilligte sie ihm zuletzt Arbeitslosenhilfe in Höhe von 87,71 Euro wöchentlich bis zum 29. August 2002. Am 8. Juli 2002 meldete sich der Kläger persönlich zum 10. Juli 2002 aus dem Leistungsbezug bei der Beklagten ab, nachdem er bereits brieflich darauf hingewiesen hatte, dass er ab dem 15. Juli 2002 eine Arbeit aufnehmen werde. Die für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis 9. Juli 2002 noch zu leistende Arbeitslosenhilfe in Höhe von 110,70 Euro erhielt er als Barauszahlung. Durch Bescheid vom 11. Juli 2002 hob die Beklagte die Bewilligung von
Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 10. Juli 2002 auf.

Am 18. Juli 2002 wurde der Kläger von seinem behandelnden Arzt Dr. L wegen Dupuytren’scher Kontraktur arbeitsunfähig krank geschrieben und der DRK - Klinik W zur Abklärung der Notwendigkeit einer Operation überwiesen. Am selben Tag erschien der Kläger bei der Beklagten und meldete sich arbeitslos. Die Beklagte wies darauf hin, dass für Krankge-schriebene die Meldung nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 22. Juli 2002 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Juli 2002 und führte aus, dass er sich zum 10. Juli 2002 habe freistellen lassen, weil er zunächst davon ausgegangen sei, innerhalb von 24 Stunden in Westdeutschland zu sein, wo er am 15. Juli 2002 eine Arbeit habe aufnehmen wollen. Nach dem Auftreten von Schmerzen in der linken Hand habe er dann doch nicht fahren können, arbeitsunfähig erkrankt wäre er (auch) in Westdeutschland nicht eingestellt worden. Der Beginn der Erkrankung sei nicht vorhersehbar gewesen, deswegen sei die Abmeldung als hinfällig anzusehen und die Leistung entsprechend der ursprünglichen Bewilligung weiter zu zahlen.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. August 2002). Der Kläger habe sich selbst abgemeldet, sei deswegen ab dem 10. Juli 2002 nicht mehr arbeitslos gewesen. Wegen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen habe die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe aufgehoben werden dürfen.

Der Kläger bezog Krankengeld vom 18. Juli 2002 bis 9. August 2002, danach vom Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt. Vom 27. bis 29. August 2002 wurde er in der DRK-Klinik W behandelt, die Hand wurde operiert. Am 14. Oktober 2002 meldete sich der Kläger (nach Ende der Krankschreibung zum 11. Oktober 2002) erneut arbeitslos bei der Beklagten und erhielt ab diesem Tag wieder Leistungen. Mit der am 13. September 2002 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt der Kläger die (Weiter-)Zahlung von Arbeitslosenhilfe für sechs Wochen ab dem 9. Juli 2002. Das Sozialgericht hat bei dem behandelnden Arzt Dr. L einen Befundbericht eingeholt und bei den DRK-Klinken W wegen einer Arbeitsunfähigkeit bereits am 9.Juli 2002 angefragt. Dr. L und die DRK-Klinik haben beide angegeben, dass sie eine Arbeitsunfähigkeit vor dem 18. Juli 2002 nicht bestätigen könnten.

Durch Urteil vom 22. April 2004 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 11. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2002 insoweit aufgehoben, als die Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung bereits ab dem 10. Juli 2002 erfolgt ist, und die Beklagte verurteilt, Arbeitslosenhilfe im Rahmen der Leistungsfortzahlung für 6 Wochen nach dem 8. Juli 2002 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei unschädlich, dass der Kläger sich die Arbeitslosigkeit nicht bereits am 9. Juli 2002, sondern erst am 18. Juli 2002 habe ärztlich bestätigen lassen. § 311 Satz 1 Nr. 1, 2 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB III - habe nur Ordnungscharakter. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass die am 27. August 2002 operierte Dupuytren’sche Kontraktur bereits am 9. Juli 2002 zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Das ergebe sich aus dem vorgetragenen Geschehensablauf. Die Erkrankung sei ein sich beständig verstärkendes, schleichendes Krankheitsgeschehen gewesen, so dass bereits für den 9. Juli 2002 anzunehmen sei, dass ein Arzt die Notwendigkeit einer Operation gesehen hätte.

Gegen das ihr am 25. Mai 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Juni 2004 eingegangene Berufung der Beklagten. Die Berufung sei zulässig, insbesondere statthaft, da der Streitwert 513,73 Euro betrage (87,71 Euro wöchentlich x 6 Wochen abzüglich der bereits für den 9. Juli 2002 gewährten 12,53 Euro). Das Sozialgericht habe ohne entsprechende ärztliche Bestätigung nicht davon ausgehen dürfen, dass bereits am 8. Juli 2002 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Nach der ärztlichen Bescheinigung sei die Arbeitsunfähigkeit erst nach dem Ende des Leistungsbezugs eingetreten. In seinem Widerspruchsschreiben vom 22. Juli 2002 habe der Kläger noch über kleinere Beschwerden am 10. Juli 2002 berichtet. Erst 10 Tage nach dem 9. Juli 2002 habe er einen Arzt aufgesucht und angegeben, dass die Krankheit plötzlich auftrete.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen und nicht vertreten gewesen. Er beantragt (nach dem Sinn seines Vorbringens),

die Berufung zurückzuweisen.

Für die Handoperation habe Dringlichkeit bestanden. Das werde sich auch aus den Unterlagen seiner Krankenkasse über den Krankenhausaufenthalt ergeben. Allerdings sei in der DRK-Klinik W die Operation fehlerhaft ausgeführt worden und keine ordentliche Dokumentation erfolgt. Eine Nachoperation habe vorgenommen werden müssen. Der Senat solle den Chefarzt der DRK- Klinik Dr. S sowie die Oberärzte Dr. K und Dr. M und den Stationsarzt Dr. T als Zeugen hören. Sie würden bestätigen, dass die Krankheit bereits vor dem 9. Juli 2002 mit Arbeitsunfähigkeit und OP-Bedarf vorgelegen habe. Das ergebe sich aus der Schwere des Befundes bei der Aufnahme in das Krankenhaus. Gegebenenfalls sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dem Senat werde anheim gestellt, auch die behandelnden Ärzte Dr. L sowie Dr. F anzuhören. Es seien die Krankenunterlagen bei Dr. F, Dr. L, der DRK-Klinik W und die Akten der Krankenkasse anzufordern. Der Inhalt des von Dr. L erstellten Befundberichtes sei möglicherweise dadurch zu erklären, dass er – der Kläger – den behandelnden Arzt gewechselt habe. Die Beklagte wolle ihn offenbar in die Frühverrentung drängen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Vorgang betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers im Termin verhandeln und entscheiden, worauf er in der Terminsmitteilung hingewiesen worden ist.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Berufung ist zulässig. Die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG - von 500 Euro ist erreicht. Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, weitere 6 Wochen Arbeitslosenhilfe beginnend ab dem 9. Juli 2002 zu gewähren. Durch die Verurteilung für den 9. Juli 2002 ist die Beklagte nicht beschwert, weil sie insoweit bereits geleistet hat. Danach verbleiben 5 Wochen und 6 Tage, für die sich aus dem bisherigen Leistungssatz von 87, 71 Euro wöchentlich die (bereits von der Beklagten errechnete) Summe von 513,73 Euro ergibt. Daran ändert es nichts, dass der Kläger für den streitigen Zeitraum bereits teilweise Krankengeld erhalten hat, da die Beklagte den vollen Leistungsbetrag zu erbringen (und der Krankenkasse teilweise das Krankengeld zu erstatten) hätte.

Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Arbeitslosenhilfe im Wege der Leistungsfortzahlung für 6 Wochen nach dem 8. Juli 2002 zu zahlen. Ein Anspruch auf Fortzahlung der
Arbeitslosenhilfe bei Krankheit setzt nach den §§ 126, 198 SGB III voraus, dass der Arbeitslose während des Bezugs von Arbeitslosenhilfe erkrankt ist. Die Rechtsfolgen der Vorschriften beschränken sich indessen darauf, dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verloren geht. Sie sehen nicht vor, dass ein Arbeitsloser im Falle der Krankheit Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ohne Rücksicht auf die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen hat. Dem geltend gemachten Leistungsanspruch steht danach jedenfalls entgegen, dass der Kläger ab dem 10. Juli 2002 nicht mehr arbeitslos gemeldet war. Auf die von dem Sozialgericht (und der Beklagten in ihrem Berufungsvorbringen) erörterte Frage, ob angenommen werden könne, dass der Kläger schon ab dem 9. Juli 2002 arbeitsunfähig war, kommt es danach nicht an.

Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben nach § 190 SGB III (in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung) Arbeitnehmer, wenn sie 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, 3. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben 4. in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und 5. bedürftig sind. Ab dem 10. Juli 2002 hat keine Arbeitslosmeldung im Sinne des § 122 SGB III (mehr) vorge-legen. Der Kläger hat sich am 8. Juli 2002 persönlich mit Wirkung ab dem 10. Juli 2002 aus dem Leistungsbezug abgemeldet. Eine Abmeldung ist zwar kein im SGB III ausdrücklich geregeltes Rechtsinstitut. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist aber eine Erklärung des Inhalts, ab einem bestimmten Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung zu stehen, als Tatsachenerklärung anzusehen, die dazu führt, dass eine vorherige Arbeitslosmeldung zeitlich beschränkt wird und so ihre Wirkung verliert (BSG, Urt. v. 7. Sep-tember 2000 – B 7 AL 2/00 R -). Insoweit liegt ein weiterer Erlöschensgrund vor, der neben die in § 122 Abs. 2 SGB III ausdrücklich geregelten Tatbestände tritt. Der Kläger hat gegen-über der Beklagten bei seiner Vorsprache am 8. Juli 2002 zum Ausdruck gebracht, dass er ihren Vermittlungsbemühungen ab dem 10. Juli 2002 nicht mehr zur Verfügung stehen will. Damit stimmt überein, dass er sich die Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 1. bis 9. Juli 2002 umgehend auszahlen ließ. Er hat danach die Wirkung seiner Arbeitslosmeldung auf den Zeitraum bis einschließlich 9. März 2002 beschränkt.

Die danach für die Zeit ab dem 10. Juli 2002 fehlende Arbeitslosmeldung ist eine formelle Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Deren Fehlen wird durch eine später erneuerte Arbeitslosmeldung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit geheilt (BSG, Urt. v. 7. September 2000 – B 7 AL 2/00 R -). Auch § 126 SGB III vermag über den Mangel des Vorlie-gens einer Arbeitslosmeldung nicht hinwegzuhelfen, da die Vorschrift nur verhindern soll, dass der Arbeitslose wegen fehlender Verfügbarkeit seinen Anspruch verliert, dagegen nicht Ansprüche begründen will, die auch bei Fortbestehen der Arbeitsfähigkeit nicht gegeben wären. Mit Recht hat die Beklagte daher die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 10. Juli 2002 wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse nach den §§ 330 SGB III, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab der erneuten Arbeitslosmeldung am 18. Juli 2002, da er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verfügbar war und deshalb kein neuer Anspruch entstehen konnte (vgl. BSG, Urt. v. 7. Februar 2002 - B 7 AL 28/01 R - ).

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG, sie berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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