S 15 AS 449/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Regensburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 449/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 73/08 NZB
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die mit Bescheid des Klägers vom 13.06.2005 bewilligte Wohnungserstausstattung für Herrn in Höhe von 700,00 EUR zu erstatten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist ein Erstattungsanspruch wegen einer Wohnungserstausstattung.

Der Kläger gewährte dem Hilfeempfänger (HE) entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 25.08.2004 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß dem BSHG/SGB XII. Der HE bewohnte dabei ein Wohnheim der L. Einrichtungen in N.

Mit Schreiben vom 03.03.2005 beantragte der Betreuer des HE die Kostenübernahme für Betreutes Einzelwohnen bei dem Kläger. Der HE hätte bei der B. e.V., N. eine vorläufige Aufnahmezusage für den Zeitpunkt nach der Entlassung aus dem Wohnheim erhalten. Da die Hilfe durch das Betreute Einzelwohnen für den HE zur Ermöglichung des selbständigen Wohnens notwendig sei, werde die Kostenübernahme durch den Kläger vorab beantragt.

Mit weiterem Schreiben vom 03.05.2005 beantragte der HE bei dem Kläger die Übernahme der ersten Monatsmiete in Höhe von 300,00 EUR sowie die Kaution auf Darlehensbasis in Höhe von 460,00 EUR. Des Weiteren wurde (neben den Maklerkosten) eine Wohnungserstausstattung beantragt. Diese Wohnungserstausstattung wurde mit Bescheid vom 24.05.2005 gemäß § 31 Abs.1 Nr.1 SGB XII als einmalige Beihilfe in Höhe von 300,00 EUR bewilligt.

Erstausstattung in Höhe von 300,00 EUR nicht ausreiche, um die Wohnung (Bezugstermin: 01.07.2005) ausreichend einzurichten. Die Beklagte lehne die Gewährung einer Erstausstattung ab, da man dort davon ausginge, dass die Zuständigkeit des Klägers gegeben sei. Wenn die komplette Wohnungseinrichtung nicht sichergestellt sei, werde ein Umzug ausgeschlossen.

Anlässlich eines Telefonats vom gleichen Tage bestätigte die Beklagte dem HE, dass ein Zuschuss zu einer Erstausstattung nicht gewährt werden könne, da ausschließlich die Zuständigkeit des Klägers gegeben sei. Die in § 31 SGB XII genannte Erstausstattung einschließlich Haushaltsgeräten umfasse nicht nur die in den ersten Tagen notwendige Einrichtung, sondern die komplette Erstausstattung für eine Wohnung.

Um sicherzustellen, dass der HE tatsächlich zum 30.06.2005 aus dem Wohnheim ausziehen könne (mit der Vermeidung von Mehrkosten für den Kläger), gewährte der Kläger mit Bescheid vom 13.06.2005 dem HE weitere 700,00 EUR als einmalige Beihilfe zur Beschaffung der erforderlichen Erstausstattung (Gesamtbetrag damit 1.000,00 EUR). Diese Leistungsgewährung erfolgte nur vorläufig, da von einer Zuständigkeit der Beklagten ausgegangen wurde.

Dementsprechend machte der Kläger mit Schreiben vom 13.06.2005 bei der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 700,00 EUR (gemäß § 104 SGB X) geltend. Mit dem Auszug aus dem Wohnheim zum 01.07.2005 ende die Zuständigkeit des Bezirks. Dieser sei damit für alle weiteren Einrichtungsgegenstände, die nicht schon vor dem Einzug zwingend notwendig wären, leistungspflichtig (hier: 700,00 EUR).

Mit Bescheid vom 29.08.2005 gewährte die Beklagte dem HE Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 (Juli: Regelsatz in Höhe von 345,00 EUR; August bis Dezember: Regelsatz in Höhe von 345,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 295,00 EUR).

Den Kostenerstattungsanspruch des Klägers in Höhe von 700,00 EUR lehnte die Beklagte jedoch mit Schreiben vom 11.11.2005 ab. Die Wohnungserstausstattung werde sowohl in § 31 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB XII als auch in § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB II geregelt. Dies bedeute, dass der Leistungsumfang im SGB II und im SGB XII identisch wäre mit der Folge, dass durch den zuständigen Leistungsträger die bedarfsdeckenden Leistungen zu gewähren wären und nach einem Zuständigkeitswechsel keine Möglichkeit mehr bestünde, aufstockende Leistungen zu bewilligen. Da die Wohnungserstausstattung bereits vor dem Einzug in die Wohnung bewilligt werden musste, sei allein der Kläger leistungspflichtig. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 21.11.2005. Die Sozialverwaltung sei nur für die Hilfen zuständig, die gleichzeitig mit der Wohnheimbetreuung anfallen würden. Es wären keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Einrichtungsgegenstände bereits während des Aufenthaltes im Wohnheim beschafft werden mussten. Vielmehr wäre die Anschaffung dieser Gegenstände erst mit dem Einzug in die leerstehende Wohnung erforderlich geworden, so dass erst ab diesem Zeitpunkt eine Notlagensituation für den HE entstanden sei. Die Zuständigkeit der Sozialverwaltung sei eng auszulegen, d.h. nur für den Bedarf der Erstausstattung, der noch während der Wohnheimbetreuung anfalle. Ein darüber hinausgehender Bedarf sei im Rahmen des SGB II von der Beklagten sicherzustellen. Dementsprechend werde im Rahmen der Vorleistungen die Kostenerstattung nach § 102 SGB X geltend gemacht.

Am 13.12.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Gemäß § 97 Abs.4 SGB XII umfasse die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch alle Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen wären. Entscheidend sei, welche Leistungen zur Wohnungserstausstattung noch vor dem Einzug, also gleichzeitig mit dem Heimaufenthalt zu erbringen wären. Für einen künftigen, erst mit dem Bezug einer neuen Wohnung auftretenden Bedarf, sei derjenige Träger zuständig, der mit dem Einzug in die neue Wohnung eine Erstausstattung zu gewähren habe. Der für die stationäre Maßnahme zuständige Sozialhilfeträger habe jedoch über § 97 Abs.4 SGB XII nicht auch die Anschaffungen zu übernehmen, die erst nach dem Einzug gebraucht werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2007 beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger die mit Bescheid des Klägers vom 13.06.2005 bewilligte Wohnungserstausstattung für Herrn in Höhe von 700,00 EUR zu erstatten.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Sachverhaltsergänzung wird auf die vorliegenden Verwaltungsunterlagen der Beteiligten sowie die Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Rechtsweg zu der Sozialgerichtsbarkeit ist kraft unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung gemäß § 17 Abs.5 Gerichtsverfassungsgesetz gegeben. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs.5 SGG statthaft. Bei dem vorliegenden Erstattungsstreit handelt es sich um einen Streit zwischen zwei Sozialleistungsträgern. Es handelt sich damit um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Damit war auch ein Vorverfahren nicht durchzuführen, auch die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (Meyer-Ladewig, SGG, § 54, Randnr.41 mwN).

Streitig ist ausweislich des zuletzt gestellten Sachantrags nur die Erstattung der vom Kläger mit Bescheid vom 13.06.2005 aufgewandten Wohnungserstausstattung in Höhe von 700,00 EUR.

Der streitige Anspruch ist nach § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begründet.

Hat danach ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Leistungen erbracht, so ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig (§ 102 Abs.1 SGB X). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 102 Abs.2 SGB X).

Nachdem die Beklagte ihre Zuständigkeit zur Leistungserbringung abgelehnt hat (Telefonat vom 09.06.2005 mit dem Kläger) hat der Kläger entsprechend § 43 Abs.1 Satz 1 u. 2 SGB I als zuerst angegangener Leistungsträger vorläufige Leistungen im Sinne dieser Vorschrift erbracht. Die nunmehr im Wege der Kostenerstattung geltend gemachte Wohnungserstausstattung in Höhe von 700,00 EUR unterfällt auch nicht gemäß § 97 Abs.4 SGB XII dem Zuständigkeitsbereich des Klägers.

Zuständig für die Gewährung von Leistungen zur Wohnungserstausstattung ist der Leistungsträger, in dessen Zuständigkeitsbereich die auszustattende Wohnung liegt. Der Bedarf für die Erstausstattung der Wohnung entsteht dabei erst in dem Moment, wo der Hilfebedürftige in die auszustattende Wohnung tatsächlich einzieht. Maßgeblich ist deshalb nicht, wann der Hilfebedürftige die Leistung beantragt hat bzw. wann der Mietvertrag für die neue Wohnung abgeschlossen wurde. Die unbedingte Notwendigkeit für die Ausstattung einer Wohnung entsteht vielmehr erst beim Bezug der Wohnung selbst, vorher ist das Vorhandensein von Mobiliar und sonstigen Einrichtungsgegenständen in der Wohnung nicht erforderlich. Der Zeitpunkt der Bedarfsentstehung für die Wohnungserstausstattung ist damit mit dem Zeitpunkt des Bezugs der Wohnung (hier: 01.07.2005) identisch, so dass mit dem Zeitpunkt des Bezugs der Wohnung der neue Leistungsträger (hier die Beklagte) zur Erbringung der notwendigen Wohnungserstausstattung verpflichtet ist.

Der Kläger hat auch entsprechend § 43 SGB I als zuerst angegangener Leistungsträger die Leistungen erbracht. Dies ergibt sich auch aus dem Zweck der Vorschrift, die ausschließlich im Interesse des Hilfesuchenden geschaffen wurde. Ein Zuständigkeitsstreit unter mehreren Leistungsträgern soll nicht im Ergebnis zu Lasten des Hilfebedürftigen ausgetragen werden, so dass im Interesse des Hilfebedürftigen der erstangegangene Leistungsträger gemäß § 43 Abs.1 Satz 2 SGB I zur Leistung verpflichtet ist.

Das Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass für den Fall, dass der Kläger nicht entsprechend § 43 SGB I geleistet hätte, das Gericht im Falle eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Kläger zur vorläufigen Leistung verpflichtet hätte, mit der Folge, dass gemäß § 102 SGB X ein Kostenerstattungsanspruch bestünde.

Dass der Kläger im Rahmen des § 97 Abs.4 SGB XII zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage Teil-Leistungen zur Wohnungserstausstattung erbracht hat, kann letztlich nicht zu Lasten des Klägers gehen, zumal der streitgegenständliche Bedarf (wie oben ausgeführt) erst mit dem Bezug der Wohnung entstanden ist.

Die Höhe der zu erstattenden Kosten ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wurde entsprechend § 111 SGB X rechtzeitig angemeldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Satz 1 SGG, 154 Abs.1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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