L 2 B 111/08 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 3678/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 111/08 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. § 86 Abs 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes verfassungskonform im Falle von das Existenzminimum sichernden Leistungen dahin auszulegen, dass die Bereitschaft des Anspruchstellers, gegen die leistungsgewährende Behörde vorzugehen, sich entweder durch Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen oder durch unmissverständliches Festhalten an seiner Position im von der Behörde eingeleiteten Beschwerdeverfahren ergeben muss. Ein solches ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Anspruchsteller innerhalb der vom Gericht gesetzten (im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig kurzen) Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde der Behörde Stellung nimmt und damit die Ernsthaftigkeit seines Anliegens erneut deutlich macht.

2. § 929 ZPO ist eine Norm, die nach ihrer ursprünglichen gesetzgeberischen, der ZPO zugrunde liegenden Konzeption regelmäßig zwischen zwei privaten Parteien anzuwenden war. Anders ist die Situation im sozialgerichtlichen Verfahren. Hier kann sich der Bürger grundsätzlich darauf verlassen, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts, zu der ein Landkreis zählt, sich wegen der in Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Vollstreckungsdruck gesetzestreu verhält.

3. Zudem dienen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Ein derartiges Leben zu gewährleisten, ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot des Schutzes der Menschenwürde gemäß Artikel 1 Abs. 1, 3 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 1, 3 GG folgt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005
– BvR 569/05 -, zitiert nach Juris, Rn. 28 m.w.N.).
Ziel der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betriebenen Streitigkeiten um Leistungen nach dem SGB II ist regelmäßig die Verhinderung der Verletzung des grundgesetzlich gewährleisteten Existenzminimums und damit die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 19; Geiger, a.a.O. S. 243; Krodel, NZS 2006, S.
637 ff.).
Eine uneingeschränkte Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO auch in derartigen Verfahren hätte zur Folge, dass ein Anspruchsteller nach Erlangung einer sein Begehren stützenden einstweiligen Anordnung durch das erstinstanzliche Gericht, der auf die Bindung der öffentlichen Verwaltung an Recht und Gesetz (vgl. unter a)) vertraut und daher Maßnahmen nach § 929 Abs. 2 ZPO unterlässt, darauf verwiesen würde, zur Durchsetzung seiner Rechte eine neue einstweilige Anordnung beim erstinstanzlichen Gericht zu erwirken (so Säch-sisches LSG, Beschluss vom 24.01.2008
L 3 B 610/07 AS-ER –; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.01.2007
L 11 B 509/06 AS-ER –, zitiert nach Juris,
Rdnrn. 2, 3; LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom
20.11.2007 – L 7 AY 5173/07 ER-B –). Bis zu dieser erneuten einstweiligen Anordnung des erstinstanzlichen Gerichts vergingen wiederum regelmäßig Wochen, in denen das Existenzminimum nicht gesichert wäre. Die damit verbundene erhebliche Beeinträchtigung der genannten Grundrechte könnte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei derartiger Verfahrensweise nachträglich nicht mehr (adäquat) ausgeglichen werden, weil der „elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden (kann), in dem er entsteht“.

4. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss gemäß Artikel 19 Abs.
4 GG vielmehr so ausgestaltet sein, dass schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen – auch vorübergehender Art – nicht eintreten. Die Gerichte sind daher verpflichtet, sich unter Beachtung dessen schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen. Das gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Es besteht daher die Verpflichtung der Gerichte, eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur zeitweilig andauert, zu verhindern (BVerfG, a.a.O., Rn. 26).

5. Im Rahmen der Hilfebedürftigkeit kann nur tatsächlich vorhandenes Einkommen und Vermögen berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung von fiktivem Einkommen und Vermögen sieht das SGB II nicht vor.

6. In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
Ein fortbestehender schwerer unzumutbarer Nachteil aus der Nichtgewährung der Leistungen ist gegeben, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, d. h.
wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit auch in Zukunft fortwirkt und noch eine weiterhin gegenwärtige, die einstweilige Anordnung rechtfertigenden Notlage begründet. Dies kann gegeben sein, wenn der Ast. zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren Tilgung unmittelbar bevorsteht. Es ist ferner denkbar, dass vorangegangene Einsparungen nachwirken, beispielsweise, wenn die Verweigerung der (darlehensweisen) Bewilligung von Kosten der Schülerbeförderung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zum gegenwärtigen Ausschluss des betroffenen Kindes von der Schülerbeförderung führt.
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 19.01.2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 19.12.2007 bis 31.12.2007 in Höhe von 79,89 EUR und für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis 31.05.2008, in Höhe von 199,72 EUR/Monat zu gewähren sind.
II. Der Antragsgegner trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Bewilligung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 19.12.2007 bis 31.05.2008.

Der 1947 geborene Antragsteller (Ast.) steht seit 01.01.2005 im Leistungsbezug des Antragsgegners (Ag.). Aufgrund einer Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses des Ast. zahlte der Erwerber des vom Ast. als Mieter bewohnten Gebäudegrundstücks an ihn am 23.06.2007 einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR und am 26.06.2007 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.000,00 EUR.

Auf den Fortzahlungsantrag des Ast. vom 01.11.2007 bewilligte der Ag. dem Ast. mit Bescheid vom 08.11.2007 für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 446,45 EUR/Monat. Bei der Bedarfsermittlung stellte er dem sich aus Regelleistung in Höhe von 347,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 299,17 EUR errechneten Gesamtbedarf ein Einkommen in Höhe von 199,72 EUR/Monat gegenüber. Dieses ermittelte der Ag. auf der Grundlage der Einnahme von 3.000,00 EUR im Juni 2007, die er auf zwölf Monate aufteilte. Von dem so ermittelten Betrag von monatlich 250,00 EUR setzte er eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR sowie Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 20,28 EUR ab. Den Widerspruch des Ast. wies der Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 zurück. Sein Begehren hat der Ast. mit der am 19.12.2007 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt.

Gleichzeitig hat er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er sei einkommenslos. Von den gezahlten 3.000,00 EUR habe er 2.500,00 EUR für eine Altverbindlichkeit verwendet. Er habe Anfang 2007 eine Pizzeria eröffnen wollen und hierfür Räumlichkeiten angemietet und Waren eingekauft. Er habe hierfür am 07.05.2007 von S. ein Darlehen in Höhe von 5.000,00 EUR aufgenommen. Den Darlehensvertrag und eine Quittung über die Begleichung von 2.500,00 EUR am 23.08.2007 hat er vorgelegt. Darüber hinaus sei sein Pkw im Zusammenhang mit seinem Umzug beschädigt worden. Für die Reparatur und die Beschaffung von Einzelteilen habe er 200,00 EUR aufwenden müssen. Die restlichen 300,00 EUR habe er für die Anmietung von Fahrzeugen und Containern bezüglich des Umzugs verwendet. Ihm seien daher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ungekürzt zu gewähren.

Das SG hat mit Beschluss vom 19.01.2008 den Ag. verpflichtet, dem Ast. vorläufig bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache, längstens für die Zeit vom 19.12.2007 bis 31.05.2008 "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe des SGB II" zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Der Ast. habe für den Zeitraum vom 19.12.2007 bis 31.05.2008 einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihm stünden nach summarischer Prüfung Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 646,17 EUR/Monat zu. Der Anspruch resultiere aus § 19 SGB II. Danach erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung als Arbeitslosengeld II, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen der Träger der Grundsicherung nach dem SGB II mindere. Diese Voraussetzungen erfülle der Ast. im streitgegen-ständlichen Zeitraum. Insbesondere sei er hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II, weil er seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern könne und die nötige Hilfe auch nicht von anderen erhalte. Sein Bedarf umfasse die Regelleistung in Höhe von 347,00 EUR zuzüglich der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Dem so ermittelten Gesamtbedarf stehe kein berücksichtigungsfähiges Einkommen gegenüber. Dem Gesetzgeber des SGB II sei es mit der Grundsicherung für Arbeitssuchende neben der Reintegration der Leistungsempfänger in den Arbeitsmarkt vor allem um die Existenzsicherung der Hilfebedürftigen gegangen. Maßgeblich könne daher nur sein, ob der normativ bestimmte Bedarf auch tatsächlich gedeckt sei. Für eine fiktive Einkommensanrechnung bleibe kein Raum. Selbst wenn der Hilfebedürftige Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindere, die Voraussetzungen für die Gewährung oder für einen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld II herbeizuführen, könnten lediglich nach § 31 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 SGB II eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II erfolgen und nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 Ersatzansprüche hinsichtlich der erbrachten Leistungen entstehen. Unter Zugrundelegung dessen seien die dem Ast. im Juni 2007 zugeflossenen Einnahmen nicht als Einkommen anzurechnen. Der Ast. habe glaubhaft gemacht, dass er über dieses Geld nicht mehr verfüge, nachdem er es für die Erfüllung von Verbindlichkeiten verbraucht habe. Der Ast. habe auch einen Anordnungsgrund ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim SG glaubhaft gemacht. Seinen Bedarf könne er durch die bewilligten Leistungen nicht decken. Für den dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vorausgehenden Zeitraum vom 01.12.2007 bis 18.12.2007 fehle es an einem Anordnungsgrund, weil insoweit Leistungen für die Vergangenheit erstrebt würden.

Gegen den dem Ag. am 29.01.2008 zugestellten Beschluss hat er am 13.02.2008 Beschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Das SG gehe zu Unrecht davon aus, dass die dem Ast. im Juni 2007 zugeflossenen Einnahmen kein Einkommen im Sinne des § 11 SGB II darstellten. Die Auffassung des SG führe zu nicht gesetzeskonformen Ergebnissen. Wäre eine solche Sichtweise richtig, wäre der erwerbsfähige Hilfebedürftige grundsätzlich gehalten, sämtliche Einnahmen schnell aufzubrauchen, um anschließend einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II geltend machen zu können. Der Gesetzgeber habe jedoch eine eindeutige Festlegung dahin getroffen, dass alles das als Einkommen zu berücksichtigen ist, was eine Einnahme in Geld oder Geldeswert darstellt. Bei den dem Ast. zugeflossenen 3.000,00 EUR handle es sich um Einnahmen in Geld. Ob und inwieweit der Ast. mit dem zugeflossenen Geld etwaige Verbindlichkeiten getilgt habe, ändere an dem Charakter der Zahlung als Einkommen nichts. Soweit das SG in diesem Zusammenhang von fiktivem Einkommen ausgegangen sei, verkenne es § 2 Abs. 3 in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bzw. § 2 Abs. 4 in der ab 01.01.2008 in Kraft befindlichen Fassung der Verordnung zur Berücksichtigung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V). Dort sei nämlich geregelt, wie Einkommen anzurechnen sei, das einmalig zufließe. Zudem hat er sich auf das Urteil des Bayerischen LSG vom 13.04.2007 – L 7 AS 309/06 – gestützt. Ferner sei die Beschwerde bereits deswegen begründet, weil aus dem Beschluss des SG gem. § 86 b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht mehr vollstreckt werden könne.

Der Ast. erachtet den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend. Der Ag. habe aufgrund des Beschlusses des SG bisher keine Leistungen erbracht. Vollstreckungsmaßnahmen habe er nicht eingeleitet. Ein Anordnungsgrund liege vor. Er habe seit 19.12.2007 seine Strom- und Gasrechnungen nicht mehr begleichen können. Deshalb habe der Stromlieferant mit Schreiben vom 09.03.2008 die Sperrung der Stromzufuhr angedroht. Auch habe er die fällige GEZ-Gebühr nicht begleichen können. Zudem bestehe aufgrund seiner Selbstständigkeit eine offene Rechnung des Landkreises Zwickauer Land in Höhe von 280,00 EUR. Das Landratsamt habe bereits schriftlich die Zwangsvollstreckung angedroht. Zur Glaubhaftmachung dessen hat er entsprechende Belege vorgelegt.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Ag. vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.

II.

Die zulässige Beschwerde des Ag. ist unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 19.01.2008 den Ag. verpflichtet, dem Ast. vorläufig vom 19.12.2007 bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.05.2008, wei-tere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen. Die Höhe der vorläufig zu bewilligenden Leistungen beträgt für den Zeitraum vom 19.12.2007 bis 31.12.2007 79,89 EUR und für den Zeitraum ab 01.01.2008 199,72 EUR/Monat.

Dem Ast. steht für den im Beschwerdeverfahren streitgegenständlichen Zeitraum vom 19.12.2007 bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis 31.05.2008, ein Anspruch auf vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 646,17 EUR/Monat zu.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86 b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anord-nungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG ist § 929 ZPO entsprechend anzuwenden.

1. Die Entscheidung des SG ist – entgegen dem Ag. – nicht deswegen aufzuheben, weil die Vollziehung des Beschlusses des SG unstatthaft wäre. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist.

Die Bedeutung der Vollziehungsfrist wird allgemein darin gesehen, dass der Gläubiger mit ihr seine unmissverständliche Bereitschaft bekundet, gegen den Schuldner vorzugehen (Geiger, info also 2007, S. 243). Die Frist soll verhindern, dass der Arrest bzw. die einstweilige Verfügung unter wesentlich veränderten Umständen vollzogen wird, als unter de-nen, die seiner Anordnung zugrunde gelegen haben, und umgekehrt sicherstellen, dass der Arrest-(Verfügungs-)Grund im Zeitpunkt der Vollziehung noch fortwirkt, der Vollstreckungsschuldner also nicht "überrumpelt" wird (vgl. BGHZ 112, 361 ff.; OLG Frankfurt, OLGZ 87, 480; Geiger, a.a.O.).

a) § 929 ZPO ist eine Norm, die nach ihrer ursprünglichen gesetzgeberischen, der ZPO zugrunde liegenden Konzeption regelmäßig zwischen zwei privaten Parteien anzuwenden war. Anders ist die Situation im sozialgerichtlichen Verfahren. Hier kann sich der Bürger grundsätzlich darauf verlassen, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts, zu der ein Landkreis zählt, sich wegen der in Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Vollstreckungsdruck gesetzestreu verhält. Dieser Erwartung hat der Ag. nicht entsprochen. Er leistete ohne Rechtsgrund der einstweiligen Anordnung des SG entgegen § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht Folge. Nach der genannten Norm war die ergangene einstweilige Anordnung sofort vollstreckbar. Die vom Ag. fristgerecht eingelegte Beschwerde hatte gemäß § 175 SGG keine aufschiebende Wirkung. Erst recht entfaltete die bloße Möglichkeit, innerhalb der Monatsfrist des § 173 SGG Beschwerde gegen den Beschluss des SG einlegen zu können, keine aufschiebende Wirkung. Der Ag. beantragte auch weder beim SG, den Vollzug des Beschlusses gemäß § 175 Satz 3 SGG einstweilig auszusetzen, noch beim Beschwerdegericht gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG, die Vollstreckung aus dem Beschluss durch einstweilige Anordnung auszusetzen. Der Ag. kam damit rechtsgrundlos seiner Pflicht, die Leistungsverpflichtung aus der einstweiligen Anordnung des SG zu erfüllen, nicht nach (ebenso: Sächsisches LSG, Beschluss vom 24.01.2008 – L 3 B 610/07 AS-ER
.)
b) Zudem dienen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Ein derartiges Leben zu gewährleisten, ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot des Schutzes der Menschenwürde gemäß Artikel 1 Abs. 1, 3 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 1, 3 GG folgt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – BvR 569/05 -, zitiert nach Juris, Rn. 28 m.w.N.). Ziel der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betriebenen Streitigkeiten um Leistungen nach dem SGB II ist regelmäßig – wie vorliegend – die Verhinderung der Verletzung des grundgesetzlich gewährleisteten Existenzminimums und damit die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 19; Geiger, a.a.O. S. 243; Krodel, NZS 2006, S. 637 ff.).

Eine uneingeschränkte Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO auch in derartigen Verfahren hätte zur Folge, dass ein Anspruchsteller nach Erlangung einer sein Begehren stützenden einstweiligen Anordnung durch das erstinstanzliche Gericht, der auf die Bindung der öffentlichen Verwaltung an Recht und Gesetz (vgl. unter a)) vertraut und daher Maßnahmen nach § 929 Abs. 2 ZPO unterlässt, darauf verwiesen würde, zur Durchsetzung seiner Rechte eine neue einstweilige Anordnung beim erstinstanzlichen Gericht zu erwirken (so Säch-sisches LSG, Beschluss vom 24.01.2008 – L 3 B 610/07 AS-ER –; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.01.2007 – L 11 B 509/06 AS-ER –, zitiert nach Juris, Rdnrn. 2, 3; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.11.2007 – L 7 AY 5173/07 ER-B –). Bis zu dieser erneuten einstweiligen Anordnung des erstinstanzlichen Gerichts vergingen wiederum regelmäßig Wochen, in denen das Existenzminimum nicht gesichert wäre. Die damit verbundene erhebliche Beeinträchtigung der genannten Grundrechte könnte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei derartiger Verfahrensweise nachträglich nicht mehr (adäquat) ausgeglichen werden, weil der "elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden (kann), in dem er entsteht". Dieses "Gegenwärtigkeitsprinzip" ist Teil des Bedarfsdeckungsgrundsatzes für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BVerfG, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.; Krodel, a.a.O.; vgl. auch Spelbrink, Sozialrecht aktuell 2007, S. 1, 2 ff.). Damit wäre bei einer uneingeschränkten Anwendung des § 929 Abs. 2 ZPO ein effektiver Rechtsschutz im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze nicht gewährleistet, weil der Ast. sein Begehren nicht ohne Verletzung seiner Grundrechte wirkungsvoll durchsetzen könnte (BVerfG, a.a.O., Rn. 23).

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss gemäß Artikel 19 Abs. 4 GG vielmehr so ausgestaltet sein, dass schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen – auch vorübergehender Art – nicht eintreten (BVerfG, a.a.O., Rn. 24). Die Gerichte sind daher verpflichtet, sich unter Beachtung dessen schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen (BVerfG, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.). Das gilt ganz besonders, wenn es – wie hier – um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Es besteht daher die Verpflichtung der Gerichte, eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur zeitweilig andauert, zu verhindern (BVerfG, a.a.O., Rn. 26).

c) Ferner haben die Zivil- und Arbeitsgerichte ausgehend vom oben genannten Schutzzweck des § 929 Abs. 2 ZPO Fallkonstellationen entwickelt, in denen an der Ernsthaftigkeit des Anliegens des Eilantragstellers keine Zweifel bestehen und daher das Verlangen zusätzlicher Aktivitäten zur Bekundung der Bereitschaft, gegen den Schuldner vorzugehen, bloße überflüssige Förmelei wäre (u.a. LAG Nürnberg, Urteil vom 05.09.2006 – 6 SA 458/06 -; Geiger, a.a.O., S. 243).

d) In Anbetracht dieser Grundsätze und der in § 86 Abs. 2 Satz 4 SGG angeordneten "entsprechenden" Anwendung des § 929 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sind die genannten Normen verfassungskonform im Falle von das Existenzminimum sichernden Leistungen dahin auszulegen, dass die Bereitschaft des Anspruchstellers, gegen die leistungsgewährende Behörde vorzugehen, sich entweder durch Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen oder durch unmissverständliches Festhalten an seiner Position im von der Behörde eingeleiteten Beschwerdeverfahren ergeben muss. Ein solches ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Anspruchsteller innerhalb der vom Gericht gesetzten (im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig kurzen) Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde der Behörde Stellung nimmt und damit die Ernsthaftigkeit seines Anliegens erneut deutlich macht.

Das war vorliegend der Fall. Dem Ast. ist mit gerichtlichem Schreiben vom 15.02.2008 eine Frist zur Stellungnahme zur Beschwerde der Ag. bis zum 29.02.2008 gesetzt worden. Am 25.02.2008 ist seine Stellungnahme beim Beschwerdegericht eingegangen. Darin hat er unmissverständlich erklärt, er hält an seinem Begehren fest. In Anbetracht dessen ist der Beschluss des SG nicht deshalb aufzuheben, weil die Vollziehung unstatthaft wäre (ebenso: Geiger, a.a.O.; a.A. Sächsisches LSG, Beschluss vom 24.01.2008 – L 3 B 610/07 AS-ER –; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.01.2006 – L 7 SO 4891/05 ER-B – und Beschluss vom 20.11.2007 – L 7 AY 5173/07 ER-B –; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.01.2007 – L 11 B 509/06 AS-ER –, zitiert nach Juris, Rdnr. 2 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2007 – L 14 B 633/07 AS-ER –, zitiert nach Juris, Rdnr. 1; Adolf, in: Hennig, SGG, Stand 8/2007, § 86b Rdnr. 103; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 46; Groth, NJW 2007, S. 2294, 2297).

e) Im Übrigen dürfte der erstinstanzliche Beschluss nicht vollstreckbar gewesen sein, weil im Tenor keine exakte Leistungshöhe ausgewiesen war.

2. Zu Recht hat das SG das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auf die begehrte einstweilige Anordnung bejaht.

Dem Ast. steht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung gemäß § 19 SGB II ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu. Gemäß der genannten Norm erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen des Trägers der Grundsicherung mindert.

Der Ast. ist – wie vom SG zutreffend ausgeführt – ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. Er erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II. Er ist auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II, weil er seinen Lebensunterhalt nicht hinreichend aus eigener Kraft und aus eigenen Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält.

a) Sein Bedarf umfasst – wie vom SG ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise angenommen – gemäß § 19 Satz 1 SGB II die Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 347,00 EUR/Monat und die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese betragen vorliegend 299,17 EUR/Monat.

b) Er kann seinen Lebensunterhalt nicht hinreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern. Es kann dahinstehen, ob die im Juni 2006 zugeflossene Barzahlung von 3.000,00 EUR Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II oder Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II darstellt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Bestimmung des sozialhilferechtlichen Einkommens (BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 – 5 C 35.97 –, BVerwGE 108, 296) und des Bundessozialgerichts – BSG –(Urteil vom 11.02.1976 – 7 RAr 159/74 –, BSGE 41, 187; Urteil vom 09.08.2001 – B 11 AL 15/01 R –, BSGE 88, 258) zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe ist Einkommen das, was dem Leistungsberechtigten in dem Be-darfszeitraum zufließt, Vermögen hingegen das, was der Hilfebedürftige in der Bedarfszeit bereits hat (vgl. Haaske, in: Estelmann, Stand: 12/2007, SGB II, § 11 Rdnr. 20; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 19; Brühl, in: Münder, SGB II, 2. Auflage, § 11 Rdnr. 7). Dabei ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, dass rechtlich ein anderer Zufluss maßgeblich ist (normativer Zufluss; vgl. Mecke, a.a.O., § 12 Rdnr. 18). Auf die exakte Qualifikation der dem Ast. zugeflossenen 3.000,00 EUR als Vermögen oder Einkommen kommt es vorliegend nicht an.

Berücksichtigt werden kann – wie vom SG ebenfalls zutreffend angenommen – nur tatsächlich vorhandenes Einkommen und Vermögen. Eine Berücksichtigung von fiktivem Einkommen und Vermögen sieht das SGB II nicht vor (Mecke, a.a.O., § 12 Rdnr. 21, § 11 Rdnr. 13). Mit der Formulierung in § 12 Abs. 1 SGB II, dass das Vermögen verwertbar sein muss, um den Anspruch auf Geldleistungen nach dem SGB II entgegengehalten werden zu können, verlangt der Gesetzgeber vom Anspruchsteller nur den Einsatz des Vermögens, auf das er tatsächlich Zugriff hat und das ihm deswegen aus seiner aktuellen Notlage, die vor allem durch das Fehlen von Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts gekennzeichnet ist, heraushelfen kann. Genauso wie Einkommen tatsächlich zur Verfügung stehen muss, damit vom Anspruchsteller erwartet werden kann, dass er für seinen Bedarf selbst aufkommt, wird mit dem Erfordernis der Verwertbarkeit des Vermögens ausgeschlossen, dass einem bestehenden Bedarf fiktives, nicht realisierbares Vermögen entgegengehalten wird. Auch wenn das Vermögen – gegebenenfalls unmittelbar – vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwendet wurde, ist keine Berücksichtigung mehr möglich (Haaske, a.a.O., § 12 Rdnr. 10; Mecke, a.a.O., § 12 Rdnr. 21; a.A. Bayrisches LSG, Beschluss vom 13.04.2007 – L 7 AS 309/06 –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19 ff.). Selbst in dem Fall, in dem das Vermögen in Kenntnis der dann bevorstehenden Bedürftigkeit verbraucht wird, kann es nicht als ein die Bedürftigkeit ausschließender Berechnungsposten berücksichtigt werden (so auch das BSG bei leichtfertigem Verbrauch: BSG, Urteil vom 04.09.1979 – 7 RAr 63/78 –, SozR 4100 § 134 Nr. 16). Das Gesetz knüpft weder für die Vermögensbetrachtung noch für die Einkommensbetrachtung an eine subjektive Vorwerfbarkeit der Bedürftigkeit an und lässt den Gedanken, ob der Hilfebedürftige seine Bedürftigkeit verschuldet hat, außer Acht (Haaske, a.a.O.; Mecke, a.a.O.).

Selbst wenn der Hilfebedürftige Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert hat, die Voraussetzungen für die Gewährung oder für einen höheren Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts herbeizuführen, können lediglich nach § 31 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 SGB II eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II erfolgen und nach Maßgabe des § 34 SGB II Ersatzansprüche hinsichtlich der erbrachten Leistungen entstehen (Mecke, a.a.O., § 12 Rdnr. 21; Haaske, a.a.O., § 12 Rdnr. 10; im Ergebnis ebenso: Brühl, a.a.O., § 12 Rdnr. 9).

Da der Ag. vorliegend weder einen auf § 31 Abs. 4 Nrn. 1 bzw. 2 SGB II gestützten Absenkungsbescheid erlassen noch Ersatzansprüche nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB II geltend gemacht hat, ist das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen nicht zu prüfen.

Weil der Ast. kein tatsächlich vorhandenen Einkommen hat, kommt § 2 Abs. 3 bzw. 4 Alg II-V vorliegend nicht zur Anwendung.

3. Der Ast. hat auch einen Anordnungsgrund seit 19.12.2007 glaubhaft gemacht. Ein solcher besteht, wenn der Betroffene bei Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können, oder gegenwärtige schwere unzumutbare rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenlage des Betroffenen – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessenslage des Ag., der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – muss es unzumutbar erscheinen lassen, den Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.

In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeent-scheidung (Sächsisches LSG, Beschluss vom 06.02.2008 – L 2 B 601/07 AS-ER – m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.01.2008 – L 28 B 2130/07 AS-ER –, zitiert nach Juris, Rdnr. 3; Berlit, info also 2005 S. 3, 10; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 42; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: 9/2007, § 123 Rdnr. 165, 167; a.A. Spellbrink, Sozialrecht aktuell 2007, S. 1, 3).

a) Sofern Leistungen für einen zu diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit liegenden Zeitraum geltend gemacht werden (hier: 19.12.2007 bis 21.04.2008), ist ein Anordnungsgrund nur dann zu bejahen, wenn noch ein gegenwärtiger schwerer unzumutbarer Nachteil besteht, der glaubhaft gemacht wird (Sächsisches LSG, Beschluss vom 06.02.2008, a.a.O; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2006 – L 10 B 136/06 AS-ER –; Schoch, a.a.O.; Berlit, a.a.O.).

Einen fortbestehenden schweren unzumutbaren Nachteil aus der Nichtgewährung der Leistungen für den zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung in der Vergangenheit liegenden Zeitraum hat der Ast. vorliegend glaubhaft gemacht. Ein solcher ist gegeben, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, d. h. wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit auch in Zukunft fortwirkt und noch eine weiterhin gegenwärtige, die einstweilige Anordnung rechtfertigenden Notlage begründet (Berlit, a.a.O., S. 11; Schoch, a.a.O.; Phillip, NVWZ 1984, S. 498; Knorr, DÖV 1981, S. 79; Sächsisches OVG, Beschluss vom 19.08.1993 – 2 S 183/93 – , SächsVBl. 1994, S. 114, 115; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.05.1980 – 8 B 1376/79 –, DÖV 1981, S. 302). Dies kann gegeben sein, wenn der Ast. zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren Tilgung unmittelbar bevorsteht (Sächsisches LSG, Beschluss vom 21.01.2008 – L 2 B 621/07 AS-ER –; Sächsisches OVG, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Schoch, a.a.O.; Phillip, a.a.O.; Knorr, a.a.O.). Es ist ferner denkbar, dass vorangegangene Einsparungen nachwirken (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Sächsisches OVG, a.a.O.), beispielsweise, wenn die Verweigerung der (darlehensweisen) Bewilligung von Kosten der Schülerbeförderung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zum gegenwärtigen Ausschluss des betroffenen Kindes von der Schülerbeförderung führt (Sächsisches LSG, Beschluss vom 06.02.2008 – L 2 B 601/07 AS-ER –).

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist vorliegend ein Anordnungsgrund für den Zeitraum vom 19.12.2007 bis zum 21.04.2008 zu bejahen. Für diesen Zeitraum hat der Ag. lediglich Leistungen in Höhe von 446,45 EUR/Monat bei einem errechneten Gesamtbedarf in Höhe von 646,17 EUR/Monat bewilligt. Aus der Nichtgewährung einer den vollständigen Bedarf deckenden Leistung in der Vergangenheit hat der Ast. einen fortbestehenden schweren unzumutbaren Nachteil glaubhaft gemacht. Er hat seine Strom- und Gaslieferungen für den genannten Zeitraum nicht begleichen können, weshalb der Stromlieferant mit Schreiben vom 09.03.2008 die Sperrung der Stromzufuhr angedroht hat. Ferner hat er sowohl die GEZ-Gebühr als auch eine Verbindlichkeit des Landratsamtes Zwickauer Land nicht be-gleichen können, weshalb dieses die Zwangsvollstreckung angedroht hat.

b) Sofern der streitgegenständliche Zeitraum zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch nicht abgelaufen ist, ist ein Anordnungsgrund angesichts der den laufenden Bedarf des Ast. nicht deckenden bewilligten Leistungen gegeben.

4. Der Beschluss des SG war lediglich hinsichtlich der Höhe der zu bewilligenden Leistungen zu korrigieren. Angesichts von insgesamt zustehenden Leistungen in Höhe von 646,17 EUR/Monat und der Tatsache, dass der Ag. hiervon bereits 446,45 EUR bewilligt hat, war der Ag. für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.05.2008, zur vorläufigen Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 199,72 EUR/Monat zu verpflichten. Für den Monat Dezember 2007, für den das SG eine vorläufige Verpflichtung zur Leistung erst ab 19.12.2007 ausgesprochen hat, war der Ag. unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer anteiligen Bewilligung zu verpflichten.

Nach alledem war die Beschwerde des Ag. mit der genannten Maßgabe zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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