Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 5215/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4422/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.07.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Gewährung von Arbeitslosengeld II im Streit.
Der 1951 geborene Kläger lebte gemeinsam mit der 1960 geborenen Frau G. in einer 93 qm großen Wohnung zur Miete. Im September 2004 beantragte der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er lebe in einer Wohngemeinschaft und zahle hierbei für die Benutzung eines einzelnen Zimmers als Untermieter einen Mietkostenbeitrag von 250 EUR (150,50 EUR Miete zuzgl. 61,15 EUR Nebenkosten, 15 EUR Telefongebühren und 32 EUR Haftpflichtversicherung, wozu er eine Bescheinigung für seine Vermieterin vorlegte).
Daraufhin bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2004 für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 in Höhe von monatlich 693,56 EUR (Januar und Februar) bzw. 627,95 EUR (März) sowie 620,65 EUR (April). Auf den Fortzahlungsantrag vom 12.04.2005 erfolgte für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2005 die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 599,35 EUR (Mai) bzw. 617,65 EUR (Juni bis Oktober).
Als der Kläger im September 2005 seinen zweiten Fortzahlungsantrag stellte, nahm die Beklagte erstmalig Einsicht in den Hauptmietvertrag der 1960 geborenen Frau G. und teilte dem Kläger darauf hin mit, dass möglicherweise von dem Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Frau G. auszugehen sei. Daraufhin gaben der Kläger und Frau G. gemeinsam an, dass der Kläger bereits 1998 in die von G. angemietete Wohnung eingezogen sei. Eine Beziehung habe nicht vorgelegen, ebenso kein gemeinsames Konto oder gemeinsame Vermögensgegenstände. Lediglich die Küchen- und Badbenutzung sei gemeinsam erfolgt, im übrigen habe jeder ein Zimmer für sich gehabt.
Im Anschluss an diese Aussagen bewilligte die Beklagte zunächst weitere Leistungen bis April und dann bis Oktober 2006.
Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 14.09.2006 ließ die Beklagte durch ihren Mitarbeiter Sz. einen Hausbesuch in der Wohnung des Klägers durchführen; auf den Bericht des Außendienstmitarbeiters vom 20.09.2006 wird Bezug genommen. Hierin ist unter anderem angegeben, dass unstreitig Sachen der G. (Hochzeitsbilder, Dekofiguren, Aktenordner, Kleidungsstücke) im Zimmer des Klägers vorgefunden worden sind. Umgekehrt gab der Kläger an, dass seine Kleidungsstücke in einem Schrank im Zimmer der G. aufbewahrt würden; für das in seinem Zimmer stehende Fernsehgerät zahle G. die GEZ-Gebühren.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10.10.2006 mit, dass ab sofort nicht mehr von einer Wohngemeinschaft, sondern von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werde. Nach der Neuregelung des § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bestehe eine gesetzliche Vermutung dafür, dass er mit Frau G. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebe. Des weiteren fühle sich die Beklagte durch den Hausbesuch bei dem Kläger darin bestärkt, dass vorliegend eine eheähnliche Gemeinschaft gegeben sei. Dem Kläger wurde die Gelegenheit gegeben, dies zu widerlegen.
Der Kläger legte dagegen ausdrücklich Widerspruch ein. Er trat den Behauptungen der Beklagten entgegen und bestand darauf, dass lediglich eine Wohngemeinschaft bestehe. Er benutze lediglich ein Zimmer und teilweise Küche und Bad, jeder sei für seinen Lebensunterhalt selbst zuständig.
Die Beklagte nahm daraufhin Kontakt mit dem Mieter- und Bauverein K. auf, der der Beklagten ein Schreiben übersandte, mit dem Frau B. im Juli 1998 die Aufnahme ihres "Lebensgefährten" - gemeint ist der Kläger - in die Wohnung beantragt hatte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und verwies darauf, dass nach der Gesamtwürdigung der Sach- und Rechtslage von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Frau G. auszugehen sei. Über die Gewährung von Leistungen könne erst dann entschieden werden, wenn auch G. ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt habe.
Der Kläger hat am 08.11.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Az. S 6 AS 5216/06 ER hat das SG am 20.11.2006 eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt und G. als Zeugin vernommen; auf die Niederschrift des SG wird Bezug genommen. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG mit Beschluss vom 23.11.2006 mit der Begründung abgelehnt, es fehle an einem Anordnungsanspruch. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 15.01.2007 zurückgewiesen (L 8 AS 6019/06 ER-B).
Während des Klageverfahrens vor dem SG wurde eine Probeberechnung gemacht, nach der bei der Zugrundelegung einer EU-Rente von Frau G. in Höhe von 27.58 EUR und eine Witwenrente von 618,85 EUR kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestünde, wenn das Einkommen von Frau G. anzurechnen wäre.
Kurz darauf, am 15.02.2007, ist der Kläger bei Frau G. ausgezogen und wohnt seitdem in einer eigenen Wohnung, für die die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 08.03.2007 wieder Leistungen nach dem SGB II in Gesamthöhe von 513,25 EUR monatlich bewilligt hat. Der Kläger trug im Hauptverfahren vor dem SG vor, während des Zusammenlebens mit Frau G. einige Male Beziehungen mit anderen Personen gehabt zu haben. Die Dekorationsgegenstände der Frau G. in seinem Zimmer habe er lediglich dort belassen, wo sie waren, da er selbst nicht über solche Gegenstände verfüge. Da er keinen Kleiderschrank besessen habe, habe er leihweise eine Kleiderstange der Frau G. in deren Zimmer benutzt.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 31.07.2007 hat das SG erneut Frau G. als Zeugin sowie die Schwester des Klägers E. H. als Zeugin vernommen; auf diese Sitzungsniederschrift wird ebenfalls Bezug genommen.
Anschließend hat das SG mit Urteil vom 31.07.2007 die Klage als unbegründet abgewiesen, da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und der Beweisaufnahme vom Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin G. auszugehen sei. Neben der Dauer des Zusammenlebens bestünden weitere gewichtige Indizien, welche für eine Einstandsgemeinschaft sprächen. So seien die Lebensbereiche in der Wohnung nicht genau getrennt worden, da Gegenstände des Klägers bei der Zeugin G. und Gegenstände der Zeugin G. im Zimmer des Klägers vorhanden gewesen seien. Jeder habe auch das jeweilige Zimmer des anderen regelmäßig benutzen müssen, weil sonst kein Zugriff auf die eigenen Sachen möglich gewesen wäre. In geringem Umfang habe auch ein gemeinsames Wirtschaften, nämlich durch das gemeinsame Befüllen eines Sparschweins für die Kosten von Kaffee, Waschmittel und gemeinsam verbrauchte Güter, vorgelegen. Nach außen hin seien der Kläger und die Zeugin damit als Paar aufgetreten und hätten gemeinsame Verantwortung für die Wohnung - auch gegenüber dem Mieter und Bauverein, übernommen. Schließlich habe der Kläger auch die Zeugin G. dadurch begünstigt, dass er sie als Bezugsberechtigte seiner im Jahre 2005 abgeschlossenen Förderrente habe eintragen lassen. In der Gesamtschau seien daher - auch wenn insbesondere die beiden Zeuginnen überwiegend glaubhaft das Vorliegen einer Wohngemeinschaft bekundet hätten - von einem eheähnlichen Lebensverhältnis auszugehen. Da das Einkommen der Zeugin G. ausgereicht habe, den Gesamtbedarf des Klägers und der Zeugin G. für Lebensunterhalt und Unterkunft vollständig abzudecken (unter Hinweis auf die Probeberechnung der Beklagten auf Bl. 277 der Verwaltungsakte), sei die Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vorliegend zu Recht erfolgt. Zwar sei es schwer, das eigentlich als Anhörung konzipierte Schreiben der Beklagten vom 10.10.2006 als Ablehnungsbescheid einzustufen, jedoch sei eindeutig ein Widerspruchsverfahren durchgeführt und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2006 als solcher gemeint und erkennbar gewesen. Soweit das Antragsverfahren an einem formellen Fehler gelitten haben sollte, dass nämlich gar kein Ablehnungsbescheid erlassen worden sei, sei dieser Fehler durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden. Das Urteil des SG wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 15.08.2007 zugestellt.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat deswegen am 10.09.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Beide Zeuginnen hätten in der ersten Instanz bestätigt, dass weder eine eheähnliche Gemeinschaft noch eine Einstandsgemeinschaft vorgelegen habe. Auch nach der Gesetzesänderung liegt keine formelle Beweislast zu lasten des Klägers vor, sondern das Amtsermittlungsprinzip gelte. Jedenfalls dann, wenn der Hilfesuchende durch Zeugen beweisen könne, dass keine Einstandsgemeinschaft vorliege, seien die nach dem SGB II beantragten Leistungen zu bewilligen. Das SG habe nicht ausreichend gewürdigt, dass der Kläger und die Zeugin G. so gut wie keine gemeinsamen Freizeitaktivitäten gehabt hätten, nie gemeinsam in Urlaub gefahren seien, nur selten zusammen gegessen hätten, wenig Einblick in die persönliche Lebensgestaltung des anderen gehabt hätten. Das SG habe es auch prinzipiell für glaubhaft gehalten, dass der Kläger bei der Zeugin G. aufgrund einer Zweckgemeinschaft eingezogen sei und der Kläger Obdach gesucht habe, wohingegen die Zeugin G. eine nach dem Tod ihres Mannes zu große und teuere Wohnung besessen habe. Schließlich habe der Kläger sich in Notfällen auch nicht von der Zeugin G., sondern von seiner Schwester Geld geliehen. Insgesamt sei vom Fehlen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auszugehen. Der Tatsache, dass Kaffee und Waschmittel gemeinsam gekauft und verbraucht worden seien, habe das SG zu große Bedeutung beigemessen, da dies bei einer Wohngemeinschaft üblich sei. Im Hinblick auf sämtliche anderen Verbrauchsartikel habe ein getrenntes Wirtschaften vorgelegen und jeder im Kühlschrank und im Badezimmer auch ein eigenes Fach bzw. einen eigenen Bereich belegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.07.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2006 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 14.02.2007 Leistungen nach dem SGB II einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Streitgegenstand ist die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 14.02.2007, da der Kläger vor und nach diesem Zeitraum Leistungen nach dem SGB II erhalten hat, deren zutreffende Höhe nicht bestritten wird.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.
Das SG weist danach zu Recht darauf hin, dass nach der Neufassung des § 7 SGB II in dessen Abs. 3 a ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Die lange Dauer des Zusammenlebens von neun Jahren und das - wenn auch begrenzte - gemeinsame Wirtschaften sind starke Indizien für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Darüber hinaus ist es in Wohngemeinschaften absolut unüblich, einen Mitbewohner als Begünstigten einer Rentenleistung zu bestimmen oder persönliche Gegenstände wie Kleidung oder Ordner im Zimmer eines Mitbewohners aufzubewahren. Vorliegend hat die G. zudem selbst gegenüber dem Mieter- und Bauverein K. die Aufnahme des Klägers als ihres "Lebensgefährten" in die Wohnung beantragt.
Ist einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3 a SGB II erfüllt, trifft den Anspruchsteller nach der gesetzlichen Regelung die Darlegungslast, dass der entsprechende Sachverhalt nicht vorliegt. Für eine Widerlegung der Vermutung genügen unsubstantiierte Behauptungen der Partner nicht, insbesondere wenn sie widersprüchlich sind oder in Gegensatz zu früheren Angaben stehen. Mit den oben genannten Indizien, insbesondere der langen Dauer des Zusammenlebens, dem Auftreten nach außen als Lebensgemeinschaft und der Begünstigung der G. in der Förderrente des Klägers ist die Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB II nicht ausreichend durch die Darlegungen des Klägers erschüttert.
Die Ausführungen des Klägers, es seien keine gemeinsamen Aktivitäten unternommen worden und er habe Beziehungen während des Zusammenlebens mit der G. gehabt, sind hierfür nicht ausreichend. Da die G. aufgrund ihrer Erkrankung wenig aktiv ist, steht dies einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht entgegen. Auch sprechen enge persönliche Beziehungen zu anderen Personen nicht gegen das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.
Nicht ausschlaggebend ist zudem die subjektive Sicht der betroffenen Personen oder die von ihnen vertretene Ansicht zu der Frage, ob eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt; entscheidend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung ein wechselseitiger Wille der Partner, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, unter objektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Zur Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft reicht lediglich eine bloße Wohngemeinschaft nicht aus (vgl. BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr. 17), ebenso wenig eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. auch Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. a)).
An dieser Beurteilung ändern auch die mit dem Schriftsatz vom 21.04.2008 vorgetragenen Argumente nichts, wonach der Kläger sofort nach Erhalt des Widerspruchsbescheides ausgezogen sei und inzwischen auch Frau G. nicht mehr als Bezugsberechtigte seiner Förderrente begünstige. Diese beiden Ereignisse liegen nach dem streitigen Zeitraum und sind daher nur schwache Indizien gegen die gesetzliche Vermutung, dass zuvor ein Einstandswillen füreinander bestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Gewährung von Arbeitslosengeld II im Streit.
Der 1951 geborene Kläger lebte gemeinsam mit der 1960 geborenen Frau G. in einer 93 qm großen Wohnung zur Miete. Im September 2004 beantragte der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er lebe in einer Wohngemeinschaft und zahle hierbei für die Benutzung eines einzelnen Zimmers als Untermieter einen Mietkostenbeitrag von 250 EUR (150,50 EUR Miete zuzgl. 61,15 EUR Nebenkosten, 15 EUR Telefongebühren und 32 EUR Haftpflichtversicherung, wozu er eine Bescheinigung für seine Vermieterin vorlegte).
Daraufhin bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2004 für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2005 in Höhe von monatlich 693,56 EUR (Januar und Februar) bzw. 627,95 EUR (März) sowie 620,65 EUR (April). Auf den Fortzahlungsantrag vom 12.04.2005 erfolgte für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2005 die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 599,35 EUR (Mai) bzw. 617,65 EUR (Juni bis Oktober).
Als der Kläger im September 2005 seinen zweiten Fortzahlungsantrag stellte, nahm die Beklagte erstmalig Einsicht in den Hauptmietvertrag der 1960 geborenen Frau G. und teilte dem Kläger darauf hin mit, dass möglicherweise von dem Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Frau G. auszugehen sei. Daraufhin gaben der Kläger und Frau G. gemeinsam an, dass der Kläger bereits 1998 in die von G. angemietete Wohnung eingezogen sei. Eine Beziehung habe nicht vorgelegen, ebenso kein gemeinsames Konto oder gemeinsame Vermögensgegenstände. Lediglich die Küchen- und Badbenutzung sei gemeinsam erfolgt, im übrigen habe jeder ein Zimmer für sich gehabt.
Im Anschluss an diese Aussagen bewilligte die Beklagte zunächst weitere Leistungen bis April und dann bis Oktober 2006.
Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 14.09.2006 ließ die Beklagte durch ihren Mitarbeiter Sz. einen Hausbesuch in der Wohnung des Klägers durchführen; auf den Bericht des Außendienstmitarbeiters vom 20.09.2006 wird Bezug genommen. Hierin ist unter anderem angegeben, dass unstreitig Sachen der G. (Hochzeitsbilder, Dekofiguren, Aktenordner, Kleidungsstücke) im Zimmer des Klägers vorgefunden worden sind. Umgekehrt gab der Kläger an, dass seine Kleidungsstücke in einem Schrank im Zimmer der G. aufbewahrt würden; für das in seinem Zimmer stehende Fernsehgerät zahle G. die GEZ-Gebühren.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10.10.2006 mit, dass ab sofort nicht mehr von einer Wohngemeinschaft, sondern von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werde. Nach der Neuregelung des § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bestehe eine gesetzliche Vermutung dafür, dass er mit Frau G. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebe. Des weiteren fühle sich die Beklagte durch den Hausbesuch bei dem Kläger darin bestärkt, dass vorliegend eine eheähnliche Gemeinschaft gegeben sei. Dem Kläger wurde die Gelegenheit gegeben, dies zu widerlegen.
Der Kläger legte dagegen ausdrücklich Widerspruch ein. Er trat den Behauptungen der Beklagten entgegen und bestand darauf, dass lediglich eine Wohngemeinschaft bestehe. Er benutze lediglich ein Zimmer und teilweise Küche und Bad, jeder sei für seinen Lebensunterhalt selbst zuständig.
Die Beklagte nahm daraufhin Kontakt mit dem Mieter- und Bauverein K. auf, der der Beklagten ein Schreiben übersandte, mit dem Frau B. im Juli 1998 die Aufnahme ihres "Lebensgefährten" - gemeint ist der Kläger - in die Wohnung beantragt hatte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und verwies darauf, dass nach der Gesamtwürdigung der Sach- und Rechtslage von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Frau G. auszugehen sei. Über die Gewährung von Leistungen könne erst dann entschieden werden, wenn auch G. ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt habe.
Der Kläger hat am 08.11.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Az. S 6 AS 5216/06 ER hat das SG am 20.11.2006 eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt und G. als Zeugin vernommen; auf die Niederschrift des SG wird Bezug genommen. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG mit Beschluss vom 23.11.2006 mit der Begründung abgelehnt, es fehle an einem Anordnungsanspruch. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 15.01.2007 zurückgewiesen (L 8 AS 6019/06 ER-B).
Während des Klageverfahrens vor dem SG wurde eine Probeberechnung gemacht, nach der bei der Zugrundelegung einer EU-Rente von Frau G. in Höhe von 27.58 EUR und eine Witwenrente von 618,85 EUR kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestünde, wenn das Einkommen von Frau G. anzurechnen wäre.
Kurz darauf, am 15.02.2007, ist der Kläger bei Frau G. ausgezogen und wohnt seitdem in einer eigenen Wohnung, für die die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 08.03.2007 wieder Leistungen nach dem SGB II in Gesamthöhe von 513,25 EUR monatlich bewilligt hat. Der Kläger trug im Hauptverfahren vor dem SG vor, während des Zusammenlebens mit Frau G. einige Male Beziehungen mit anderen Personen gehabt zu haben. Die Dekorationsgegenstände der Frau G. in seinem Zimmer habe er lediglich dort belassen, wo sie waren, da er selbst nicht über solche Gegenstände verfüge. Da er keinen Kleiderschrank besessen habe, habe er leihweise eine Kleiderstange der Frau G. in deren Zimmer benutzt.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 31.07.2007 hat das SG erneut Frau G. als Zeugin sowie die Schwester des Klägers E. H. als Zeugin vernommen; auf diese Sitzungsniederschrift wird ebenfalls Bezug genommen.
Anschließend hat das SG mit Urteil vom 31.07.2007 die Klage als unbegründet abgewiesen, da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und der Beweisaufnahme vom Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin G. auszugehen sei. Neben der Dauer des Zusammenlebens bestünden weitere gewichtige Indizien, welche für eine Einstandsgemeinschaft sprächen. So seien die Lebensbereiche in der Wohnung nicht genau getrennt worden, da Gegenstände des Klägers bei der Zeugin G. und Gegenstände der Zeugin G. im Zimmer des Klägers vorhanden gewesen seien. Jeder habe auch das jeweilige Zimmer des anderen regelmäßig benutzen müssen, weil sonst kein Zugriff auf die eigenen Sachen möglich gewesen wäre. In geringem Umfang habe auch ein gemeinsames Wirtschaften, nämlich durch das gemeinsame Befüllen eines Sparschweins für die Kosten von Kaffee, Waschmittel und gemeinsam verbrauchte Güter, vorgelegen. Nach außen hin seien der Kläger und die Zeugin damit als Paar aufgetreten und hätten gemeinsame Verantwortung für die Wohnung - auch gegenüber dem Mieter und Bauverein, übernommen. Schließlich habe der Kläger auch die Zeugin G. dadurch begünstigt, dass er sie als Bezugsberechtigte seiner im Jahre 2005 abgeschlossenen Förderrente habe eintragen lassen. In der Gesamtschau seien daher - auch wenn insbesondere die beiden Zeuginnen überwiegend glaubhaft das Vorliegen einer Wohngemeinschaft bekundet hätten - von einem eheähnlichen Lebensverhältnis auszugehen. Da das Einkommen der Zeugin G. ausgereicht habe, den Gesamtbedarf des Klägers und der Zeugin G. für Lebensunterhalt und Unterkunft vollständig abzudecken (unter Hinweis auf die Probeberechnung der Beklagten auf Bl. 277 der Verwaltungsakte), sei die Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vorliegend zu Recht erfolgt. Zwar sei es schwer, das eigentlich als Anhörung konzipierte Schreiben der Beklagten vom 10.10.2006 als Ablehnungsbescheid einzustufen, jedoch sei eindeutig ein Widerspruchsverfahren durchgeführt und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2006 als solcher gemeint und erkennbar gewesen. Soweit das Antragsverfahren an einem formellen Fehler gelitten haben sollte, dass nämlich gar kein Ablehnungsbescheid erlassen worden sei, sei dieser Fehler durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden. Das Urteil des SG wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 15.08.2007 zugestellt.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat deswegen am 10.09.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Beide Zeuginnen hätten in der ersten Instanz bestätigt, dass weder eine eheähnliche Gemeinschaft noch eine Einstandsgemeinschaft vorgelegen habe. Auch nach der Gesetzesänderung liegt keine formelle Beweislast zu lasten des Klägers vor, sondern das Amtsermittlungsprinzip gelte. Jedenfalls dann, wenn der Hilfesuchende durch Zeugen beweisen könne, dass keine Einstandsgemeinschaft vorliege, seien die nach dem SGB II beantragten Leistungen zu bewilligen. Das SG habe nicht ausreichend gewürdigt, dass der Kläger und die Zeugin G. so gut wie keine gemeinsamen Freizeitaktivitäten gehabt hätten, nie gemeinsam in Urlaub gefahren seien, nur selten zusammen gegessen hätten, wenig Einblick in die persönliche Lebensgestaltung des anderen gehabt hätten. Das SG habe es auch prinzipiell für glaubhaft gehalten, dass der Kläger bei der Zeugin G. aufgrund einer Zweckgemeinschaft eingezogen sei und der Kläger Obdach gesucht habe, wohingegen die Zeugin G. eine nach dem Tod ihres Mannes zu große und teuere Wohnung besessen habe. Schließlich habe der Kläger sich in Notfällen auch nicht von der Zeugin G., sondern von seiner Schwester Geld geliehen. Insgesamt sei vom Fehlen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auszugehen. Der Tatsache, dass Kaffee und Waschmittel gemeinsam gekauft und verbraucht worden seien, habe das SG zu große Bedeutung beigemessen, da dies bei einer Wohngemeinschaft üblich sei. Im Hinblick auf sämtliche anderen Verbrauchsartikel habe ein getrenntes Wirtschaften vorgelegen und jeder im Kühlschrank und im Badezimmer auch ein eigenes Fach bzw. einen eigenen Bereich belegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.07.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2006 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 14.02.2007 Leistungen nach dem SGB II einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Streitgegenstand ist die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 14.02.2007, da der Kläger vor und nach diesem Zeitraum Leistungen nach dem SGB II erhalten hat, deren zutreffende Höhe nicht bestritten wird.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.
Das SG weist danach zu Recht darauf hin, dass nach der Neufassung des § 7 SGB II in dessen Abs. 3 a ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Die lange Dauer des Zusammenlebens von neun Jahren und das - wenn auch begrenzte - gemeinsame Wirtschaften sind starke Indizien für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Darüber hinaus ist es in Wohngemeinschaften absolut unüblich, einen Mitbewohner als Begünstigten einer Rentenleistung zu bestimmen oder persönliche Gegenstände wie Kleidung oder Ordner im Zimmer eines Mitbewohners aufzubewahren. Vorliegend hat die G. zudem selbst gegenüber dem Mieter- und Bauverein K. die Aufnahme des Klägers als ihres "Lebensgefährten" in die Wohnung beantragt.
Ist einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3 a SGB II erfüllt, trifft den Anspruchsteller nach der gesetzlichen Regelung die Darlegungslast, dass der entsprechende Sachverhalt nicht vorliegt. Für eine Widerlegung der Vermutung genügen unsubstantiierte Behauptungen der Partner nicht, insbesondere wenn sie widersprüchlich sind oder in Gegensatz zu früheren Angaben stehen. Mit den oben genannten Indizien, insbesondere der langen Dauer des Zusammenlebens, dem Auftreten nach außen als Lebensgemeinschaft und der Begünstigung der G. in der Förderrente des Klägers ist die Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB II nicht ausreichend durch die Darlegungen des Klägers erschüttert.
Die Ausführungen des Klägers, es seien keine gemeinsamen Aktivitäten unternommen worden und er habe Beziehungen während des Zusammenlebens mit der G. gehabt, sind hierfür nicht ausreichend. Da die G. aufgrund ihrer Erkrankung wenig aktiv ist, steht dies einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht entgegen. Auch sprechen enge persönliche Beziehungen zu anderen Personen nicht gegen das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.
Nicht ausschlaggebend ist zudem die subjektive Sicht der betroffenen Personen oder die von ihnen vertretene Ansicht zu der Frage, ob eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt; entscheidend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung ein wechselseitiger Wille der Partner, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, unter objektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Zur Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft reicht lediglich eine bloße Wohngemeinschaft nicht aus (vgl. BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr. 17), ebenso wenig eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. auch Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. a)).
An dieser Beurteilung ändern auch die mit dem Schriftsatz vom 21.04.2008 vorgetragenen Argumente nichts, wonach der Kläger sofort nach Erhalt des Widerspruchsbescheides ausgezogen sei und inzwischen auch Frau G. nicht mehr als Bezugsberechtigte seiner Förderrente begünstige. Diese beiden Ereignisse liegen nach dem streitigen Zeitraum und sind daher nur schwache Indizien gegen die gesetzliche Vermutung, dass zuvor ein Einstandswillen füreinander bestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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