Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 U KN 16/07 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung einer Rente wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Kläger ist 1941 geboren. Er bezieht eine Unfallrente nach einer MdE um 20 % in Folge einer Beckenverletzung. Seit 01.01.2001 ist er Altersrentner.
HNO-Arzt Dr. N. erstattete am 01.01.2005 BK-Anzeige wegen einer Schwerhörigkeit beidseits nach Tätigkeit als Maschinensteiger 1956 bis 1998. Der Kläger bemerkt einen Hörverlust seit 1988/89, stetig zunehmend.
Nach Mitteilung der Personalabteilung des EBV war der Kläger dort von November 1957 bis März 1987 unter Lärmbelastungen von 85 bis 94 dBA tätig, zuletzt als Maschinensteiger untertage. Seit April 1987 bis zu seiner Abkehr im März 1998 war er freigestelltes Betriebsratsmitglied. Der technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten nahm deshalb ab April 1987 keine Lärmgefährdung mehr an.
Die Beklagte forderte die vorhandenen arbeitsmedizinischen Unterlagen über Vorsorgeuntersuchungen und Tonschwellenaudiogramme des Klägers an. Unter dem 10.05.1975 ist erstmals ein deutlicher Steilabfall bei 4000 Hz als Ausdruck einer Lärmschädigung dokumentiert, noch ohne Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), jedoch sei Vorsicht bei weiterer Lärmexposition geboten. Auch spätere Audiogramme lassen Hochtonsenken erkennen. Das Audiogramm vom 21.06.1995 zeigt einen Hörverlust von rechts 5, links 10 % und vermerkt: "aktuell keine Lärmbelastung". Eine am 22.08.1997 angefertigte Hörkurve bot nach Einschätzung des Arbeitsmediziners M. das Bild einer beginnenden Lärmschädigung, aus Sicherheitsgründen werde verstärkter persönlicher Lärmschutz empfohlen.
Die Beklagte holte mit Einverständnis des Klägers ein Gutachten von HNO-Arzt Dr. V. ein (Gutachten vom 08.07.2005). Dieser ging von einer Lärmbelastung entsprechend den Angaben des TAD nur bis März 1987 aus. Unter Berücksichtigung des zeitnächsten Audiogrammes vom 20.08.1987 habe ein Hörverlust von 15 % rechts und 20 % links bestanden, der sich nach Beendigung der Lärmexposition nicht mehr beruflich bedingt habe weiter Verschlechtern können. Die beruflich bedingte MdE sei damit auf "knapp" 10 % einzustufen.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Aktenbegutachtung durch Prof. C. (Aktengutachten vom 19.09.2005). Dieser teilte die Auffassung, dass bei nur bis März 1987 bestehender Lärmbelastung die nach diesem Zeitpunkt fortschreitende Schwerhörigkeit nicht mehr der BK zugerechnet werden könne. Aus der 3-Frequenz-Tabelle von Röser im Königsteiner Merkblatt ergebe sich bei Auswertung des Audiogrammes vom 20.08.1987 eine MdE von unter 10 %. Die von Dr. V. gewählte Formulierung "knapp" 10 % weise ebenfalls darauf hin, dass eine MdE um 10 % nicht erreicht werde. Wohl bestehe eine berufliche Lärmschwerhörigkeit im Sinne der BK 2301.
Die Beklagte beschied den Kläger dahingehend, dass eine BK 2301 (Lärmschwerhörigkeit) bei ihm vorliege, jedoch eine Rente mangels rentenberechtigender MdE um wenigstens 10 % nicht gezahlt werde (Bescheid vom 15.11.2005).
Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, er sei auch als Betriebsratsmitglied weiter lärmexponiert gewesen. Der EBV teilte mit, Belege über Befahrungen während der Betriebsratstätigkeit des Klägers hätten sich nicht gefunden; der TAD sah deshalb eine Lärmbelastung des Klägers während seiner Zeit als Betriebsrat nicht als nachgewiesen an. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 17.08.2006).
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger insbesondere weiter geltend macht, dass die Beklagte zu unrecht davon ausgehe, seine lärmschädigende Tätigkeit habe im März 1987 geendet. Es sei seine Hauptaufgabe gewesen, Befahrungen über und unter Tage durchzuführen und er sei auch während dieser Zeit Dauerlärm ausgesetzt gewesen. Als Betriebsratsmitglied habe er vier Mal in der Woche eine sechs-stündige Befahrung machen müssen. Er sei Techniker. Als der Angestellte im Betriebsrat mit dem meisten technischen Wissen habe er mehr Befahrungen über Tage und unter Tage machen müssen, als Tätigkeiten im Büro zu verrichten. Er habe auch neue Anlagen schon vor der Montage bis zum Einsatz begleitet. Er habe die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften überwachen und Beschwerden und Anregungen nachgehen müssen. Die Einholung des Aktengutachtens von Prof. C. beanstande er nicht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Folgen der anerkannten BK 2301 eine Unfallrente zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Lärmgefährdung habe nach März 1987 nicht mehr bestanden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung mehrerer Zeugen sowie Anhörung des Sachverständigen Dr. K. und des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten zu der Frage, ob beim Kläger nach März 1987 noch eine Lärmgefährdung bestand. Es hat außerdem ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. L. eingeholt (vom 24.10.2006) mit ergänzender Stellungnahme vom 28.01.2008. Auf den Inhalt dieses Gutachtens und der Stellungnahme wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme steht dem Kläger wegen der bei ihm anerkannten BK 2301 (Lärmschwerhörigkeit) keine Rente zu. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind deshalb rechtmäßig.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge einer BK (§ 7 Abs. 1 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Berufskrankheiten (BKen) sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet. Besteht - wie beim Kläger - eine MdE um wenigstens 10 % aus einem anderen Arbeitsunfall oder einer anderen BK, so besteht ein Rentenanspruch auch bei einer MdE um nur 10 % (§ 56 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB VII).
Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 9 SGB VII Rdnr. 3; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar], E § 9 SGB VII Rdnr. 14). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität müssen nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - = HVBG INFO 2000, 2811 f.; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Rdnr. 26). Das ist dann der Fall, wenn unter Zugrundelegung der herrschenden arbeitsmedizinischen Lehrauffassung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 203, 209; 43, 110, 113; BSG SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 67).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger Rente wegen der von der Beklagten anerkannten BK 2301 nicht zu. Dabei kann die Kammer offen lassen, ob der Kläger nur bis März 1987 lärmgefährdend arbeitete oder ob auch seine anschließende Tätigkeit als freigestellter Betriebsrat eine ausreichende Lärmbelastung im Sinne der BK 2301 mit sich brachte. Denn auch wenn letzteres der Fall ist, verursacht die beim Kläger bestehende Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 10 %. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten von Dr. L. nebst ergänzender Stellungnahme. Denn Dr. L. führt für die Kammer überzeugend und nachvollziehbar aus, dass auch unter der Annahme, dass bis März 1998 lärmschädigende Tätigkeit ausgeübt worden sei, die Auswertung des dem Ende der lärmschädigenden Tätigkeit dann nächstliegenden Audiogrammes vom 22.08.1997 nicht zur Annahme einer MdE um wenigstens 10 % führt. Ausweislich des Gutachtens von Dr. L. beträgt die aktuelle MdE, die beim Kläger besteht, ohne nach berufsbedingten und nicht berufsbedingten Anteilen zu differenzieren, 10 %. Auch nach Beendigung seiner Betriebsratstätigkeit ist aber das Hörvermögen des Klägers deutlich weiter abgesunken. Dies ergibt der Vergleich des Hörtestes vom 22.08.1997 mit den von Dr. L. erhobenen heutigen Befunden. Ersterer zeigt rechts einen 25 %igen, links einen 30 %igen Hörverlust, jedoch links "schon eine Schallleitungsschwerhörigkeit bis maximal 30 dB" (Gutachtenseite 9). Hingegen besteht aktuell rechts ein Hörverlust von 35 und links von 55 %, wobei linksseitig die Hörschwelle durchgehend ab 500 Hz unterhalb 30 dB bis maximal 70 dB bei 2 KHz liegt. Hieraus ist ohne weiteres Erkennbar, dass auch nach Beendigung der lärmschädigenden Tätigkeit eine weitere Verschlechterung eingetreten ist. Es kommt hinzu, dass das Hörvermögen beim Kläger links geringer ist als rechts. Dies ist auffällig, da nicht davon auszugehen ist, dass das linke Ohr des Klägers stärker vom Lärm betroffen war als das rechte. So weist auch Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass eine bei dem Kläger im Audiogramm am 22.08.1997 festgestellte Schallübertragungsstörung nicht der BK 2301 zugerechnet werden könne, da sie nicht die äußeren Haarzellen der Hörschnecke betrifft. Insoweit besteht also ein nicht der beruflichen Belastung zuzurechnender Schaden am linken Ohr. Ergibt aber die heutige Beeinträchtigung des Klägers eine MdE von insgesamt 10 %, so ist es nachvollziehbar, wenn Dr. L. zu dem Ergebnis kommt, dass die seinerzeit noch geringere Beeinträchtigung und die Tatsache, dass linksseitig nicht durch die berufliche Exposition verursachte Beeinträchtigungen bestehen, dazu führen, dass die beruflich verursachte MdE auf unter 10 % eingeschätzt werden muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung einer Rente wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Kläger ist 1941 geboren. Er bezieht eine Unfallrente nach einer MdE um 20 % in Folge einer Beckenverletzung. Seit 01.01.2001 ist er Altersrentner.
HNO-Arzt Dr. N. erstattete am 01.01.2005 BK-Anzeige wegen einer Schwerhörigkeit beidseits nach Tätigkeit als Maschinensteiger 1956 bis 1998. Der Kläger bemerkt einen Hörverlust seit 1988/89, stetig zunehmend.
Nach Mitteilung der Personalabteilung des EBV war der Kläger dort von November 1957 bis März 1987 unter Lärmbelastungen von 85 bis 94 dBA tätig, zuletzt als Maschinensteiger untertage. Seit April 1987 bis zu seiner Abkehr im März 1998 war er freigestelltes Betriebsratsmitglied. Der technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten nahm deshalb ab April 1987 keine Lärmgefährdung mehr an.
Die Beklagte forderte die vorhandenen arbeitsmedizinischen Unterlagen über Vorsorgeuntersuchungen und Tonschwellenaudiogramme des Klägers an. Unter dem 10.05.1975 ist erstmals ein deutlicher Steilabfall bei 4000 Hz als Ausdruck einer Lärmschädigung dokumentiert, noch ohne Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), jedoch sei Vorsicht bei weiterer Lärmexposition geboten. Auch spätere Audiogramme lassen Hochtonsenken erkennen. Das Audiogramm vom 21.06.1995 zeigt einen Hörverlust von rechts 5, links 10 % und vermerkt: "aktuell keine Lärmbelastung". Eine am 22.08.1997 angefertigte Hörkurve bot nach Einschätzung des Arbeitsmediziners M. das Bild einer beginnenden Lärmschädigung, aus Sicherheitsgründen werde verstärkter persönlicher Lärmschutz empfohlen.
Die Beklagte holte mit Einverständnis des Klägers ein Gutachten von HNO-Arzt Dr. V. ein (Gutachten vom 08.07.2005). Dieser ging von einer Lärmbelastung entsprechend den Angaben des TAD nur bis März 1987 aus. Unter Berücksichtigung des zeitnächsten Audiogrammes vom 20.08.1987 habe ein Hörverlust von 15 % rechts und 20 % links bestanden, der sich nach Beendigung der Lärmexposition nicht mehr beruflich bedingt habe weiter Verschlechtern können. Die beruflich bedingte MdE sei damit auf "knapp" 10 % einzustufen.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Aktenbegutachtung durch Prof. C. (Aktengutachten vom 19.09.2005). Dieser teilte die Auffassung, dass bei nur bis März 1987 bestehender Lärmbelastung die nach diesem Zeitpunkt fortschreitende Schwerhörigkeit nicht mehr der BK zugerechnet werden könne. Aus der 3-Frequenz-Tabelle von Röser im Königsteiner Merkblatt ergebe sich bei Auswertung des Audiogrammes vom 20.08.1987 eine MdE von unter 10 %. Die von Dr. V. gewählte Formulierung "knapp" 10 % weise ebenfalls darauf hin, dass eine MdE um 10 % nicht erreicht werde. Wohl bestehe eine berufliche Lärmschwerhörigkeit im Sinne der BK 2301.
Die Beklagte beschied den Kläger dahingehend, dass eine BK 2301 (Lärmschwerhörigkeit) bei ihm vorliege, jedoch eine Rente mangels rentenberechtigender MdE um wenigstens 10 % nicht gezahlt werde (Bescheid vom 15.11.2005).
Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, er sei auch als Betriebsratsmitglied weiter lärmexponiert gewesen. Der EBV teilte mit, Belege über Befahrungen während der Betriebsratstätigkeit des Klägers hätten sich nicht gefunden; der TAD sah deshalb eine Lärmbelastung des Klägers während seiner Zeit als Betriebsrat nicht als nachgewiesen an. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 17.08.2006).
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger insbesondere weiter geltend macht, dass die Beklagte zu unrecht davon ausgehe, seine lärmschädigende Tätigkeit habe im März 1987 geendet. Es sei seine Hauptaufgabe gewesen, Befahrungen über und unter Tage durchzuführen und er sei auch während dieser Zeit Dauerlärm ausgesetzt gewesen. Als Betriebsratsmitglied habe er vier Mal in der Woche eine sechs-stündige Befahrung machen müssen. Er sei Techniker. Als der Angestellte im Betriebsrat mit dem meisten technischen Wissen habe er mehr Befahrungen über Tage und unter Tage machen müssen, als Tätigkeiten im Büro zu verrichten. Er habe auch neue Anlagen schon vor der Montage bis zum Einsatz begleitet. Er habe die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften überwachen und Beschwerden und Anregungen nachgehen müssen. Die Einholung des Aktengutachtens von Prof. C. beanstande er nicht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Folgen der anerkannten BK 2301 eine Unfallrente zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Lärmgefährdung habe nach März 1987 nicht mehr bestanden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung mehrerer Zeugen sowie Anhörung des Sachverständigen Dr. K. und des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten zu der Frage, ob beim Kläger nach März 1987 noch eine Lärmgefährdung bestand. Es hat außerdem ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. L. eingeholt (vom 24.10.2006) mit ergänzender Stellungnahme vom 28.01.2008. Auf den Inhalt dieses Gutachtens und der Stellungnahme wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme steht dem Kläger wegen der bei ihm anerkannten BK 2301 (Lärmschwerhörigkeit) keine Rente zu. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind deshalb rechtmäßig.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge einer BK (§ 7 Abs. 1 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Berufskrankheiten (BKen) sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet. Besteht - wie beim Kläger - eine MdE um wenigstens 10 % aus einem anderen Arbeitsunfall oder einer anderen BK, so besteht ein Rentenanspruch auch bei einer MdE um nur 10 % (§ 56 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB VII).
Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 9 SGB VII Rdnr. 3; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar], E § 9 SGB VII Rdnr. 14). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität müssen nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - = HVBG INFO 2000, 2811 f.; Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Rdnr. 26). Das ist dann der Fall, wenn unter Zugrundelegung der herrschenden arbeitsmedizinischen Lehrauffassung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 203, 209; 43, 110, 113; BSG SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 67).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger Rente wegen der von der Beklagten anerkannten BK 2301 nicht zu. Dabei kann die Kammer offen lassen, ob der Kläger nur bis März 1987 lärmgefährdend arbeitete oder ob auch seine anschließende Tätigkeit als freigestellter Betriebsrat eine ausreichende Lärmbelastung im Sinne der BK 2301 mit sich brachte. Denn auch wenn letzteres der Fall ist, verursacht die beim Kläger bestehende Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 10 %. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten von Dr. L. nebst ergänzender Stellungnahme. Denn Dr. L. führt für die Kammer überzeugend und nachvollziehbar aus, dass auch unter der Annahme, dass bis März 1998 lärmschädigende Tätigkeit ausgeübt worden sei, die Auswertung des dem Ende der lärmschädigenden Tätigkeit dann nächstliegenden Audiogrammes vom 22.08.1997 nicht zur Annahme einer MdE um wenigstens 10 % führt. Ausweislich des Gutachtens von Dr. L. beträgt die aktuelle MdE, die beim Kläger besteht, ohne nach berufsbedingten und nicht berufsbedingten Anteilen zu differenzieren, 10 %. Auch nach Beendigung seiner Betriebsratstätigkeit ist aber das Hörvermögen des Klägers deutlich weiter abgesunken. Dies ergibt der Vergleich des Hörtestes vom 22.08.1997 mit den von Dr. L. erhobenen heutigen Befunden. Ersterer zeigt rechts einen 25 %igen, links einen 30 %igen Hörverlust, jedoch links "schon eine Schallleitungsschwerhörigkeit bis maximal 30 dB" (Gutachtenseite 9). Hingegen besteht aktuell rechts ein Hörverlust von 35 und links von 55 %, wobei linksseitig die Hörschwelle durchgehend ab 500 Hz unterhalb 30 dB bis maximal 70 dB bei 2 KHz liegt. Hieraus ist ohne weiteres Erkennbar, dass auch nach Beendigung der lärmschädigenden Tätigkeit eine weitere Verschlechterung eingetreten ist. Es kommt hinzu, dass das Hörvermögen beim Kläger links geringer ist als rechts. Dies ist auffällig, da nicht davon auszugehen ist, dass das linke Ohr des Klägers stärker vom Lärm betroffen war als das rechte. So weist auch Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass eine bei dem Kläger im Audiogramm am 22.08.1997 festgestellte Schallübertragungsstörung nicht der BK 2301 zugerechnet werden könne, da sie nicht die äußeren Haarzellen der Hörschnecke betrifft. Insoweit besteht also ein nicht der beruflichen Belastung zuzurechnender Schaden am linken Ohr. Ergibt aber die heutige Beeinträchtigung des Klägers eine MdE von insgesamt 10 %, so ist es nachvollziehbar, wenn Dr. L. zu dem Ergebnis kommt, dass die seinerzeit noch geringere Beeinträchtigung und die Tatsache, dass linksseitig nicht durch die berufliche Exposition verursachte Beeinträchtigungen bestehen, dazu führen, dass die beruflich verursachte MdE auf unter 10 % eingeschätzt werden muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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