Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 812/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 993/07 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 17. September 2007 abgeändert.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe die Beschwerdeführerin (Bf) dem Beschwerdegegner (Bg) außergerichtliche Kosten zu erstatten hat.
In dem beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Verfahren begehrte der Bg von der Bf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für den Zeitraum ab Antragstellung am 11.02.2003.
Der Bg hatte im November 1999 einen Fersenbeintrümmerbruch links als Arbeitsunfall erlitten. Anschließend war er arbeitsunfähig erkrankt und arbeitslos. Er bezieht von der Bau-BG hierfür eine Unfallrente nach einer MDE von 30 v.H. und nach dem Schwerbehindertengesetz sind bei ihm ein Grad der Behinderung von 50 sowie das Merkzeichen "G" zuerkannt.
Der Rentenantrag des Bg vom 11.02.2003 wurde von der Bf nach Einholung eines Gutachtens unter Berücksichtigung des beigezogenen MDK-Gutachtens vom 27.01.2003 mit Bescheid vom 08.04.2003 abgelehnt. Der Widerspruch, den der Bg insbesondere mit seinem chronischen Schmerzzustand begründete, wurde nach Einholung eines orthopädischen (auf der Grundlage einer Untersuchung am 09.06.2004) sowie internistischen Gutachtens (auf Grund einer Untersuchung am 11.01.2005) mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Denn der Bg könne insbesondere trotz der Minderbelastbarkeit des linken Beines mit Beinmuskelschwäche und Beinverkürzung bei mäßiggradigem Hüftgelenksverschleiß nach Hüftkopfkappenabrutsch links von 1966, der Minderbelastbarkeit des linken Fußes und Sprunggelenks mit Wadenmuskelverschmächtigung nach Fersenbeinbruch im November 1999, der Muskelreizerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Verschleiß und Zustand nach Bandscheibenoperation von 1998 und der Durchblutungsstörungen beider Beine noch mindestens 6 h täglich leichte Arbeiten im Wechselrhythmus, überwiegend sitzend, verrichten. Auch wenn seine Wegefähigkeit auf 300 m abgesunken sei, könne er noch sein eigenes Kfz benutzen.
Dagegen erhob der Bg Klage beim Sozialgericht Augsburg, eingegangen am 30.11.2005. Nach Beiziehung von Befundberichten des Chirurgen Dr. Tsantilas, des HNO-Arztes Dr. Schertel und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Maischberger forderte das Sozialgericht den Bg zur Stellungnahme bis 31.05.2006, verlängert bis 26.07.2005 auf, ob er im Hinblick auf seine letzte ambulante Behandlung im März 2005 die Klage aufrechterhalte. Der Bg teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 21.09.2006 dem Sozialgericht mit, dass eine Besserung seiner Leiden nicht mehr möglich und er daher nicht mehr in ärztlicher Behandlung sei. Da der Schwerpunkt seiner Gesundheitsstörungen auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie liege, werde das Sozialgericht gebeten ein entsprechendes Gutachten einzuholen. Auch sei zu berücksichtigen, dass er einen Berufsschutz als Facharbeiter genieße und den Pkw, den er nicht mehr benutze, auf seine Ehefrau übertragen und seinen Führerschein zurückgegeben habe.
Das Sozialgericht holte zur Ermittlung des Sachverhalts eine Auskunft des Landratsamtes D., wonach dem Bg im März 1999 der Führerschein nach einem Entzug neu erteilt worden sei, und ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. E. ein. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 02.11.2006, basierend auf einer Untersuchung des Bg am 31.10.2006, folgende Gesundheitsstörungen fest:
- schwere, destruierende Hüftgelenksarthrose links - schwere Arthrose des oberen und unteren Sprunggelenks links - Beinverkürzung 3 cm zu ungunsten des linken Beines - ausgeprägtes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Bevorzugung der LWS - chronisch venöse Insuffizienz im Bereich beider Beine - arterielle Verschlusskrankheit mit Gehstrecke von 100 m. Die Beschwerden im Bereich der Beine hätten, bedingt durch die arterielle Verschlusskrankheit, zugenommen. Der Bg könne daher seit Anfang 2006 nicht mehr mindestens 6 h täglich leichte Tätigkeiten verrichten. Auch wenn die Gehstrecke des Bg nur noch ca. 100 m betrage, so könne er noch einen Pkw mit Automatikgetriebe fahren. Da die Problematik zu einem großen Teil auf dem gefäßchirurgischen Gebiet liege, werde eine weitere Begutachtung durch einen Gefäßchirurgen empfohlen.
Dieses Gutachten wurde der Bf am 20.11.2006 zur Stellungnahme übersandt. Diese gab mit Schriftsatz vom 13.12.2006 folgendes Teilanerkenntnis ab: Sie erkenne das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit, nachgewiesen durch die Untersuchung am 31.10.2006, und einen Anspruch des Bg auf die entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung ab 01.05.2007 bis einschließlich 31.10.2008 an. Denn nach der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. W. seien jetzt zusätzliche leistungslimitierende Faktoren in Form einer schweren Arthrose des linken Hüftgelenks und des oberen wie unteren Sprunggelenkes links zu berücksichtigen. Dadurch sinke das Leistungsvermögen des Bg auf 3 bis unter 6 h am Tag. Diese Leistungsbeeinträchtigung sei erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. E. am 31.10.2006 nachgewiesen. Da diese Gesundheitsstörungen grundsätzlich besserbar seien, werde eine zeitlich befristete Gewährung der Rente empfohlen. Dieses Teilanerkenntnis nahm der Bg mit Schriftsatz vom 30.04.2007 an.
Der Bg beantragte mit Schriftsatz vom 30.05.2007, ihm die außergerichtlichen Kosten zu erstatten, weil dies im Hinblick auf das Anerkenntnis der Bf gerechtfertigt und geboten sei. Da es sich um ein normales Kostenrisiko handle, befreie auch ihr sofortiges Anerkenntnis die Bf nicht von ihrer Erstattungspflicht.
Die Bf vertrat die Ansicht, dass der Bg keinen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten habe, weil der geltend gemachte Rentenanspruch erst in der Zukunft begründet sei und sie den Rentenanspruch des Bg nach Eingang des Gutachtens (sofort) anerkannt habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. September 2007 entschied das Sozialgericht Augsburg, dass die Bf die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Bg zu tragen habe. Neben den Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits seien auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen. Im Fall der Erledigung des Rechtsstreits nach Beweisaufnahme befreie ein sofortiges Anerkenntnis die Beklagte in der Regel nicht von der Erstattungspflicht, weil es sich insoweit um ein normales Kostenrisiko handle. Da dem Bg nicht bereits ab Antragstellung im Jahr 2003, sondern erst für die Zukunft befristet Rente gewährt werde, sei nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Bg zu erstatten. Bei der Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes und insbesondere der Erfolgsaussichten der Klage sei vor allem die Einschätzung des Gutachters Dr. E. von Bedeutung, wonach die Erfolgsaussicht der Klage hinsichtlich des Zeitraums vor dem Jahr 2006 nur gering gewesen sei. Auch sei die Bereitschaft der Bf, die Änderung des Erkenntnisstandes zu honorieren, zu berücksichtigen.
Gegen diesen Beschluss hat die Bf Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2005 keinerlei Anhaltspunkte für ein eingeschränktes Leistungsvermögen des Bg ergeben hätten. Auch seien zwischen der Klageerhebung am 30.11.2005 bis zu deren schlüssiger Begründung durch den Prozessbevollmächtigten der Bg mit Schreiben vom 21.09.2006 bereits 10 Monate vergangen; ein derartiges Verhalten eines Bevollmächtigten dürfe nicht zu Lasten der Bf ausgelegt werden. Schließlich sei auch die Kostenteilung nicht angemessen, weil dem Bg unter Zugrundelegung des Erfolgsprinzips lediglich ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten zustände. Denn streitig sei der Zeitraum von März 2003 bis längstens März 2016 (Anspruch auf Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres) gewesen und der Bg erhalte nur für 18 Monate eine Rentenleistung.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt, weil es nicht allein auf das Erfolgsprinzip ankomme; die Bf gehe insoweit zu schematisch vor. Es komme auch nicht auf den langen Zeitraum zwischen Klageerhebung und Klagebegründung, an die in Fällen von Renten wegen Erwerbsminderung keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien, an, sondern maßgeblich sei die Abgrenzung vor/nach der Beweiserhebung. Die erfolgte Kostenteilung sei daher angemessen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie hat in der Sache auch zum Teil Erfolg. Die Bf hat dem Bg nur ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird (§ 193 Abs. 1 SGG). Im sozialgerichtlichen Verfahren ist über die Frage der Kostenerstattung nach freiem richterlichen Ermessen unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze, wie sie in anderen Verfahrensordnungen ausdrücklich niedergelegt sind, d.h. unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streit- standes, aller konkreten Umstände des Einzelfalles sowie unter Beachtung des Gedankens der Billigkeit zu entscheiden (Rechtsgedanke des § 91a ZPO und des § 161 Abs. 2 VwGO).
Dabei ist grundsätzlich in einem ersten Schritt zunächst auf den tatsächlichen bzw. vermutlichen Verfahrensausgang abzustellen (Erfolgsprinzip), so dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 und 10). Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob das Erfolgsprinzip im Einzelfall durch das Veranlassungsprinzip (Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung) zu korrigieren ist (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr. 12a ff. m.w.N.). Es ist etwa angemessen, die Beklagte zu einer (ggf. auch teilweisen) Kostenerstattung zu verpflichten, wenn sie durch ihr Verhalten den Rechtsstreit veranlasst (etwa notwendige Ermittlungen nicht durchgeführt) hat. Die teilweise oder vollständige Freistellung des Klägers von den ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten entspricht in einem solchen Fall dem Gedanken der Billigkeit (vgl. BSGE 17,84). Berücksichtigt werden kann ferner z.B., ob die Kosten durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind (so etwa Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O. § 193 Rdnr. 13c).
Besondere Bedeutung kommt hier der in Literatur und Rechtsprechung strittigen Frage zu, inwieweit der Kläger (hier der Bg) über den Umfang des Unterliegens hinaus Kosten zu tragen hat, wenn während des gerichtlichen Verfahrens eine wesentliche Änderung eintritt und die Beklagte (hier Bf) dem unverzüglich durch ein Teilanerkenntnis oder ein Vergleichsangebot Rechnung trägt.
Die Regelung des § 93 ZPO (§ 156 VwGO) bestimmt abweichend vom Erfolgsprinzip, dass ausnahmsweise der obsiegende Kläger die Kostenlast trägt, wenn die sofort anerkennende Beklagte nicht durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat. Diese Vorschrift schützt den leistungswilligen Beklagten vor den Kosten und gestaltet den Grundsatz des § 91 ZPO dahin aus, dass derjenige, der ohne Anlass vor Gericht geht, die Kosten zu tragen hat (s. statt vieler Thomas-Putzo, ZPO, 27. Auflage, § 93 Rdnr. 1). Hat der Kläger daher ein von vorneherein vermeidbares oder überflüssiges gerichtliches Verfahren eingeleitet, obwohl er seinen Anspruch auch außerprozessual - auf einfacherem Wege - hätte durchsetzen können, so hat er selbst seine Kosten zu tragen. Die Beklagte darf sich vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht so verhalten haben, dass der Kläger - unter der Voraussetzung eines bestehenden fälligen Anspruchs auf Leistungen gegen die Beklagte - annehmen musste, nur durch einen Prozess sein Ziel erreichen zu können. Hierfür trägt die Beklagte die Beweislast (so die herrschende Meinung; s. etwa Thomas-Putzo a.a.O. § 93 Rdnr. 4).
Dabei ist ein gerichtliches Verfahren nicht schon deshalb als unnötig zu qualifizieren, weil der Kläger auch einen Neufeststellungsantrag bei der Beklagten hätte stellen können. Denn der gerichtliche Rechtsschutz gegen den ablehnenden Leistungsbescheid, der durch die Erhebung einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht wird (§ 54 Abs. 4 SGG) und bei deren Entscheidung materiell-rechtlich die Tatsachen bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung des BSG - etwa BSGE 89,294; es handelt sich insoweit um keine Frage des Prozessrechts, sondern des materiellen Rechts: so BVerwG NVwZ 1991, 360), würde dann in unzulässiger Weise eingeschränkt werden; dies verbietet der Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz. Es kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die geänderten tatsächlichen Verhältnisse von sich aus und ohne nachfolgendes Gerichtsverfahren in demselben Umfang anerkannt hätte wie nach einer gerichtlichen Beweisaufnahme (s. hierzu BayLSG, Beschluss vom 23.03.2005, Az. L 18 SB 86/99 m.w.N.).
Die Beklagte hat dann keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, wenn unzweifelhaft feststeht, dass allein durch den Eintritt neuer Tatsachen im gerichtlichen Verfahren der Anspruch (teilweise) begründet worden ist und dies zu einem sofortigen (Teil-) Anerkenntnis bzw. Vergleichsangebot der Beklagten geführt hat.
Die Beklagte hat jedoch den Rechtsstreit veranlasst, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen bzw. nicht auszuschließen ist, dass die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse bereits ganz oder teilweise schon vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung vorlagen. Dies kann insbesondere bei Ansprüchen, die auf progredient verlaufenden Gesundheitsstörungen beruhten, gelten. Der einem Teilanerkenntnis oder Vergleich zu Grunde gelegte Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - nicht selten auf einer materiellen Beweislastentscheidung zu Lasten des Klägers beruhend - wird als "spätester" Zeitpunkt gewählt wird und kommt faktisch einem Nachgeben des Klägers bei einer ungewissen Tatsachen- und Beweislage nahe (s. hierzu etwa BayLSG, Beschluss vom 10.10.1996, Breithaupt 1998, 454; vgl. auch BayLSG, Beschluss vom 09.08.1985, Az. L 13 B 0026/85 und Beschluss vom 10.10.1996, Az. L 5 B 198/95).
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Bf dem Bg nur ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Denn der Bg war in dem anhängigen Rentenverfahren nur für den Zeitraum von Mai 2007 bis August 2008, d.h. für 16 Monate erfolgreich, während sich der streitgegenständliche Zeitraum von der Antragstellung am 11.02.2003 bis mindestens Oktober 2008 (68 Monate) erstreckte. Von einem Gesamtzeitraum der begehrten Rente wegen Erwerbsminderung bis zum 65. Lebensjahr wird nicht ausgegangen, weil dies weder vom Bg ausdrücklich in seinem Klageantrag beantragt war noch im Hinblick auf die meist nur befristet gewährten Renten wegen Erwerbsminderung angemessen erscheint.
Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO gebietet keine Korrektur dieser Kostenteilung nach dem Veranlassungsprinzip. Auch wenn die Bf ca. 3 Wochen nach der Übersendung des Gutachtens ein entsprechendes Teilanerkenntnis abgegeben hat, so wird sie dadurch nicht von ihrer Kostenpflicht frei. Die Bf hat nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sie nicht durch ihr Verhalten, nämlich die Ablehnung des Rentenantrags des Bg durch Erlass ihres Bescheides vom 08.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2005, den Bg zur Erhebung der Klage veranlasst hat, weil Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Leistungsfalls der Erwerbsminderung vor der Klageerhebung am 30.11.2005 vorliegen. Die Unerweislichkeit dieser Tatsache geht entsprechend der o.g. Beweislastregelung zu Lasten der Bf.
Zum einen ist hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer Erwerbsminderung des Bg der Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt. Die zur abschließenden Beurteilung des Sachverhalts als von Dr. E. notwendig erachtete Einholung eines gefäßchirurgischen Gutachtens ist nicht erfolgt. Zum anderen bestehen im Hinblick auf die von der Bf durchgeführte orthopädische Begutachtung am 09.06.2004 und der Annahme eines Leistungsfalls der Erwerbsminderung durch Dr. E. bereits Anfang 2006 - ca. ein Monat nach Klageerhebung - Anhaltspunkte dafür, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung vor der Klageerhebung am 30.11.2005 eingetreten ist. Denn bei den die Erwerbsminderung des Bg begründenden Gesundheitsstörungen handelt es sich um progrediente Verlaufsformen von Krankheiten. Während Dr. E. das seiner Ansicht nach ab Anfang 2006 auf unter 6 h herabgesunkene Leistungsvermögen des Bg mit der schweren arteriellen Durchblutungsstörung begründet, nimmt der sozialmedizinische Dienst der Bf als Grund für die Erwerbsminderung die schwere Arthrose des linken Hüftgelenks und des unteren Sprunggelenkes an. Sowohl bei der Arthrose als auch bei der arteriellen Verschlusskrankheit handelt es sich um progrediente, sich ständig verschlechternde Krankheiten, deren Ausmaß zum Zeitpunkt der letzten von der Bf veranlassten orthopädischen Untersuchung am 09.06.2004 - fast 1,5 Jahre vor Klageerhebung - noch keine quantitative Leistungseinschränkung begründete (nur mäßiggradiger Hüftgelenksverschleiß, Minderbelastbarkeit des linken Fußes und Sprunggelenkes und Durchblutungsstörungen beider Beine). Die Verlaufsform dieser Krankheiten beim Bg ist hinsichtlich ihrer konkreten Funktionsauswirkungen zeitlich nicht mehr aufklärbar, so dass letztlich nicht auszuschließen ist, dass sie bereits vor dem 30.11.2005 in einem rentenberechtigendes Ausmaß vorlagen.
Es erscheint auch billig, hier keine Korrektur des Erfolgsprinzips durch das Veranlassungsprinzip vorzunehmen. Denn das generelle Risiko der späten Feststellung von Tatsachen, deren zeitnahe umfassende Feststellung nicht mit Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgt - der Widerspruchsbescheid der Bf erging fast 1,5 Jahre nach Einholung des orthopädischen Gutachtens - soll im gerichtlichen Verfahren nicht allein der Kläger tragen. Zur Garantie der Durchsetzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs des Bg auf effektiven Rechtsschutz ist bei der Verteilung des Kostenrisikos eine wertende Sichtweise anzustellen.
Keine Bedeutung für die Verteilung der Kostenlast kommt schließlich der erst nach 10 Monaten nach Klageerhebung eingereichten Klagebegründung des Prozessbevollmächtigten des Bg zu. Denn das Sozialgericht begann bereits unmittelbar nach Klageeingang mit den Ermittlungen. Auch kommt es nur auf das vorprozessuale Verhalten der Beteiligten an.
Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände eine Erstattung eines Viertels der außergerichtlichen Kosten des Bg für angemessen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe die Beschwerdeführerin (Bf) dem Beschwerdegegner (Bg) außergerichtliche Kosten zu erstatten hat.
In dem beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Verfahren begehrte der Bg von der Bf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für den Zeitraum ab Antragstellung am 11.02.2003.
Der Bg hatte im November 1999 einen Fersenbeintrümmerbruch links als Arbeitsunfall erlitten. Anschließend war er arbeitsunfähig erkrankt und arbeitslos. Er bezieht von der Bau-BG hierfür eine Unfallrente nach einer MDE von 30 v.H. und nach dem Schwerbehindertengesetz sind bei ihm ein Grad der Behinderung von 50 sowie das Merkzeichen "G" zuerkannt.
Der Rentenantrag des Bg vom 11.02.2003 wurde von der Bf nach Einholung eines Gutachtens unter Berücksichtigung des beigezogenen MDK-Gutachtens vom 27.01.2003 mit Bescheid vom 08.04.2003 abgelehnt. Der Widerspruch, den der Bg insbesondere mit seinem chronischen Schmerzzustand begründete, wurde nach Einholung eines orthopädischen (auf der Grundlage einer Untersuchung am 09.06.2004) sowie internistischen Gutachtens (auf Grund einer Untersuchung am 11.01.2005) mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Denn der Bg könne insbesondere trotz der Minderbelastbarkeit des linken Beines mit Beinmuskelschwäche und Beinverkürzung bei mäßiggradigem Hüftgelenksverschleiß nach Hüftkopfkappenabrutsch links von 1966, der Minderbelastbarkeit des linken Fußes und Sprunggelenks mit Wadenmuskelverschmächtigung nach Fersenbeinbruch im November 1999, der Muskelreizerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Verschleiß und Zustand nach Bandscheibenoperation von 1998 und der Durchblutungsstörungen beider Beine noch mindestens 6 h täglich leichte Arbeiten im Wechselrhythmus, überwiegend sitzend, verrichten. Auch wenn seine Wegefähigkeit auf 300 m abgesunken sei, könne er noch sein eigenes Kfz benutzen.
Dagegen erhob der Bg Klage beim Sozialgericht Augsburg, eingegangen am 30.11.2005. Nach Beiziehung von Befundberichten des Chirurgen Dr. Tsantilas, des HNO-Arztes Dr. Schertel und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Maischberger forderte das Sozialgericht den Bg zur Stellungnahme bis 31.05.2006, verlängert bis 26.07.2005 auf, ob er im Hinblick auf seine letzte ambulante Behandlung im März 2005 die Klage aufrechterhalte. Der Bg teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 21.09.2006 dem Sozialgericht mit, dass eine Besserung seiner Leiden nicht mehr möglich und er daher nicht mehr in ärztlicher Behandlung sei. Da der Schwerpunkt seiner Gesundheitsstörungen auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie liege, werde das Sozialgericht gebeten ein entsprechendes Gutachten einzuholen. Auch sei zu berücksichtigen, dass er einen Berufsschutz als Facharbeiter genieße und den Pkw, den er nicht mehr benutze, auf seine Ehefrau übertragen und seinen Führerschein zurückgegeben habe.
Das Sozialgericht holte zur Ermittlung des Sachverhalts eine Auskunft des Landratsamtes D., wonach dem Bg im März 1999 der Führerschein nach einem Entzug neu erteilt worden sei, und ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. E. ein. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 02.11.2006, basierend auf einer Untersuchung des Bg am 31.10.2006, folgende Gesundheitsstörungen fest:
- schwere, destruierende Hüftgelenksarthrose links - schwere Arthrose des oberen und unteren Sprunggelenks links - Beinverkürzung 3 cm zu ungunsten des linken Beines - ausgeprägtes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Bevorzugung der LWS - chronisch venöse Insuffizienz im Bereich beider Beine - arterielle Verschlusskrankheit mit Gehstrecke von 100 m. Die Beschwerden im Bereich der Beine hätten, bedingt durch die arterielle Verschlusskrankheit, zugenommen. Der Bg könne daher seit Anfang 2006 nicht mehr mindestens 6 h täglich leichte Tätigkeiten verrichten. Auch wenn die Gehstrecke des Bg nur noch ca. 100 m betrage, so könne er noch einen Pkw mit Automatikgetriebe fahren. Da die Problematik zu einem großen Teil auf dem gefäßchirurgischen Gebiet liege, werde eine weitere Begutachtung durch einen Gefäßchirurgen empfohlen.
Dieses Gutachten wurde der Bf am 20.11.2006 zur Stellungnahme übersandt. Diese gab mit Schriftsatz vom 13.12.2006 folgendes Teilanerkenntnis ab: Sie erkenne das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit, nachgewiesen durch die Untersuchung am 31.10.2006, und einen Anspruch des Bg auf die entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung ab 01.05.2007 bis einschließlich 31.10.2008 an. Denn nach der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. W. seien jetzt zusätzliche leistungslimitierende Faktoren in Form einer schweren Arthrose des linken Hüftgelenks und des oberen wie unteren Sprunggelenkes links zu berücksichtigen. Dadurch sinke das Leistungsvermögen des Bg auf 3 bis unter 6 h am Tag. Diese Leistungsbeeinträchtigung sei erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. E. am 31.10.2006 nachgewiesen. Da diese Gesundheitsstörungen grundsätzlich besserbar seien, werde eine zeitlich befristete Gewährung der Rente empfohlen. Dieses Teilanerkenntnis nahm der Bg mit Schriftsatz vom 30.04.2007 an.
Der Bg beantragte mit Schriftsatz vom 30.05.2007, ihm die außergerichtlichen Kosten zu erstatten, weil dies im Hinblick auf das Anerkenntnis der Bf gerechtfertigt und geboten sei. Da es sich um ein normales Kostenrisiko handle, befreie auch ihr sofortiges Anerkenntnis die Bf nicht von ihrer Erstattungspflicht.
Die Bf vertrat die Ansicht, dass der Bg keinen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten habe, weil der geltend gemachte Rentenanspruch erst in der Zukunft begründet sei und sie den Rentenanspruch des Bg nach Eingang des Gutachtens (sofort) anerkannt habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. September 2007 entschied das Sozialgericht Augsburg, dass die Bf die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Bg zu tragen habe. Neben den Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits seien auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen. Im Fall der Erledigung des Rechtsstreits nach Beweisaufnahme befreie ein sofortiges Anerkenntnis die Beklagte in der Regel nicht von der Erstattungspflicht, weil es sich insoweit um ein normales Kostenrisiko handle. Da dem Bg nicht bereits ab Antragstellung im Jahr 2003, sondern erst für die Zukunft befristet Rente gewährt werde, sei nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Bg zu erstatten. Bei der Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes und insbesondere der Erfolgsaussichten der Klage sei vor allem die Einschätzung des Gutachters Dr. E. von Bedeutung, wonach die Erfolgsaussicht der Klage hinsichtlich des Zeitraums vor dem Jahr 2006 nur gering gewesen sei. Auch sei die Bereitschaft der Bf, die Änderung des Erkenntnisstandes zu honorieren, zu berücksichtigen.
Gegen diesen Beschluss hat die Bf Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2005 keinerlei Anhaltspunkte für ein eingeschränktes Leistungsvermögen des Bg ergeben hätten. Auch seien zwischen der Klageerhebung am 30.11.2005 bis zu deren schlüssiger Begründung durch den Prozessbevollmächtigten der Bg mit Schreiben vom 21.09.2006 bereits 10 Monate vergangen; ein derartiges Verhalten eines Bevollmächtigten dürfe nicht zu Lasten der Bf ausgelegt werden. Schließlich sei auch die Kostenteilung nicht angemessen, weil dem Bg unter Zugrundelegung des Erfolgsprinzips lediglich ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten zustände. Denn streitig sei der Zeitraum von März 2003 bis längstens März 2016 (Anspruch auf Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres) gewesen und der Bg erhalte nur für 18 Monate eine Rentenleistung.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt, weil es nicht allein auf das Erfolgsprinzip ankomme; die Bf gehe insoweit zu schematisch vor. Es komme auch nicht auf den langen Zeitraum zwischen Klageerhebung und Klagebegründung, an die in Fällen von Renten wegen Erwerbsminderung keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien, an, sondern maßgeblich sei die Abgrenzung vor/nach der Beweiserhebung. Die erfolgte Kostenteilung sei daher angemessen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie hat in der Sache auch zum Teil Erfolg. Die Bf hat dem Bg nur ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird (§ 193 Abs. 1 SGG). Im sozialgerichtlichen Verfahren ist über die Frage der Kostenerstattung nach freiem richterlichen Ermessen unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze, wie sie in anderen Verfahrensordnungen ausdrücklich niedergelegt sind, d.h. unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streit- standes, aller konkreten Umstände des Einzelfalles sowie unter Beachtung des Gedankens der Billigkeit zu entscheiden (Rechtsgedanke des § 91a ZPO und des § 161 Abs. 2 VwGO).
Dabei ist grundsätzlich in einem ersten Schritt zunächst auf den tatsächlichen bzw. vermutlichen Verfahrensausgang abzustellen (Erfolgsprinzip), so dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 und 10). Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob das Erfolgsprinzip im Einzelfall durch das Veranlassungsprinzip (Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung) zu korrigieren ist (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr. 12a ff. m.w.N.). Es ist etwa angemessen, die Beklagte zu einer (ggf. auch teilweisen) Kostenerstattung zu verpflichten, wenn sie durch ihr Verhalten den Rechtsstreit veranlasst (etwa notwendige Ermittlungen nicht durchgeführt) hat. Die teilweise oder vollständige Freistellung des Klägers von den ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten entspricht in einem solchen Fall dem Gedanken der Billigkeit (vgl. BSGE 17,84). Berücksichtigt werden kann ferner z.B., ob die Kosten durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind (so etwa Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O. § 193 Rdnr. 13c).
Besondere Bedeutung kommt hier der in Literatur und Rechtsprechung strittigen Frage zu, inwieweit der Kläger (hier der Bg) über den Umfang des Unterliegens hinaus Kosten zu tragen hat, wenn während des gerichtlichen Verfahrens eine wesentliche Änderung eintritt und die Beklagte (hier Bf) dem unverzüglich durch ein Teilanerkenntnis oder ein Vergleichsangebot Rechnung trägt.
Die Regelung des § 93 ZPO (§ 156 VwGO) bestimmt abweichend vom Erfolgsprinzip, dass ausnahmsweise der obsiegende Kläger die Kostenlast trägt, wenn die sofort anerkennende Beklagte nicht durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat. Diese Vorschrift schützt den leistungswilligen Beklagten vor den Kosten und gestaltet den Grundsatz des § 91 ZPO dahin aus, dass derjenige, der ohne Anlass vor Gericht geht, die Kosten zu tragen hat (s. statt vieler Thomas-Putzo, ZPO, 27. Auflage, § 93 Rdnr. 1). Hat der Kläger daher ein von vorneherein vermeidbares oder überflüssiges gerichtliches Verfahren eingeleitet, obwohl er seinen Anspruch auch außerprozessual - auf einfacherem Wege - hätte durchsetzen können, so hat er selbst seine Kosten zu tragen. Die Beklagte darf sich vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht so verhalten haben, dass der Kläger - unter der Voraussetzung eines bestehenden fälligen Anspruchs auf Leistungen gegen die Beklagte - annehmen musste, nur durch einen Prozess sein Ziel erreichen zu können. Hierfür trägt die Beklagte die Beweislast (so die herrschende Meinung; s. etwa Thomas-Putzo a.a.O. § 93 Rdnr. 4).
Dabei ist ein gerichtliches Verfahren nicht schon deshalb als unnötig zu qualifizieren, weil der Kläger auch einen Neufeststellungsantrag bei der Beklagten hätte stellen können. Denn der gerichtliche Rechtsschutz gegen den ablehnenden Leistungsbescheid, der durch die Erhebung einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht wird (§ 54 Abs. 4 SGG) und bei deren Entscheidung materiell-rechtlich die Tatsachen bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung des BSG - etwa BSGE 89,294; es handelt sich insoweit um keine Frage des Prozessrechts, sondern des materiellen Rechts: so BVerwG NVwZ 1991, 360), würde dann in unzulässiger Weise eingeschränkt werden; dies verbietet der Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz. Es kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die geänderten tatsächlichen Verhältnisse von sich aus und ohne nachfolgendes Gerichtsverfahren in demselben Umfang anerkannt hätte wie nach einer gerichtlichen Beweisaufnahme (s. hierzu BayLSG, Beschluss vom 23.03.2005, Az. L 18 SB 86/99 m.w.N.).
Die Beklagte hat dann keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, wenn unzweifelhaft feststeht, dass allein durch den Eintritt neuer Tatsachen im gerichtlichen Verfahren der Anspruch (teilweise) begründet worden ist und dies zu einem sofortigen (Teil-) Anerkenntnis bzw. Vergleichsangebot der Beklagten geführt hat.
Die Beklagte hat jedoch den Rechtsstreit veranlasst, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen bzw. nicht auszuschließen ist, dass die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse bereits ganz oder teilweise schon vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung vorlagen. Dies kann insbesondere bei Ansprüchen, die auf progredient verlaufenden Gesundheitsstörungen beruhten, gelten. Der einem Teilanerkenntnis oder Vergleich zu Grunde gelegte Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - nicht selten auf einer materiellen Beweislastentscheidung zu Lasten des Klägers beruhend - wird als "spätester" Zeitpunkt gewählt wird und kommt faktisch einem Nachgeben des Klägers bei einer ungewissen Tatsachen- und Beweislage nahe (s. hierzu etwa BayLSG, Beschluss vom 10.10.1996, Breithaupt 1998, 454; vgl. auch BayLSG, Beschluss vom 09.08.1985, Az. L 13 B 0026/85 und Beschluss vom 10.10.1996, Az. L 5 B 198/95).
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Bf dem Bg nur ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Denn der Bg war in dem anhängigen Rentenverfahren nur für den Zeitraum von Mai 2007 bis August 2008, d.h. für 16 Monate erfolgreich, während sich der streitgegenständliche Zeitraum von der Antragstellung am 11.02.2003 bis mindestens Oktober 2008 (68 Monate) erstreckte. Von einem Gesamtzeitraum der begehrten Rente wegen Erwerbsminderung bis zum 65. Lebensjahr wird nicht ausgegangen, weil dies weder vom Bg ausdrücklich in seinem Klageantrag beantragt war noch im Hinblick auf die meist nur befristet gewährten Renten wegen Erwerbsminderung angemessen erscheint.
Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO gebietet keine Korrektur dieser Kostenteilung nach dem Veranlassungsprinzip. Auch wenn die Bf ca. 3 Wochen nach der Übersendung des Gutachtens ein entsprechendes Teilanerkenntnis abgegeben hat, so wird sie dadurch nicht von ihrer Kostenpflicht frei. Die Bf hat nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sie nicht durch ihr Verhalten, nämlich die Ablehnung des Rentenantrags des Bg durch Erlass ihres Bescheides vom 08.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2005, den Bg zur Erhebung der Klage veranlasst hat, weil Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Leistungsfalls der Erwerbsminderung vor der Klageerhebung am 30.11.2005 vorliegen. Die Unerweislichkeit dieser Tatsache geht entsprechend der o.g. Beweislastregelung zu Lasten der Bf.
Zum einen ist hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer Erwerbsminderung des Bg der Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt. Die zur abschließenden Beurteilung des Sachverhalts als von Dr. E. notwendig erachtete Einholung eines gefäßchirurgischen Gutachtens ist nicht erfolgt. Zum anderen bestehen im Hinblick auf die von der Bf durchgeführte orthopädische Begutachtung am 09.06.2004 und der Annahme eines Leistungsfalls der Erwerbsminderung durch Dr. E. bereits Anfang 2006 - ca. ein Monat nach Klageerhebung - Anhaltspunkte dafür, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung vor der Klageerhebung am 30.11.2005 eingetreten ist. Denn bei den die Erwerbsminderung des Bg begründenden Gesundheitsstörungen handelt es sich um progrediente Verlaufsformen von Krankheiten. Während Dr. E. das seiner Ansicht nach ab Anfang 2006 auf unter 6 h herabgesunkene Leistungsvermögen des Bg mit der schweren arteriellen Durchblutungsstörung begründet, nimmt der sozialmedizinische Dienst der Bf als Grund für die Erwerbsminderung die schwere Arthrose des linken Hüftgelenks und des unteren Sprunggelenkes an. Sowohl bei der Arthrose als auch bei der arteriellen Verschlusskrankheit handelt es sich um progrediente, sich ständig verschlechternde Krankheiten, deren Ausmaß zum Zeitpunkt der letzten von der Bf veranlassten orthopädischen Untersuchung am 09.06.2004 - fast 1,5 Jahre vor Klageerhebung - noch keine quantitative Leistungseinschränkung begründete (nur mäßiggradiger Hüftgelenksverschleiß, Minderbelastbarkeit des linken Fußes und Sprunggelenkes und Durchblutungsstörungen beider Beine). Die Verlaufsform dieser Krankheiten beim Bg ist hinsichtlich ihrer konkreten Funktionsauswirkungen zeitlich nicht mehr aufklärbar, so dass letztlich nicht auszuschließen ist, dass sie bereits vor dem 30.11.2005 in einem rentenberechtigendes Ausmaß vorlagen.
Es erscheint auch billig, hier keine Korrektur des Erfolgsprinzips durch das Veranlassungsprinzip vorzunehmen. Denn das generelle Risiko der späten Feststellung von Tatsachen, deren zeitnahe umfassende Feststellung nicht mit Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgt - der Widerspruchsbescheid der Bf erging fast 1,5 Jahre nach Einholung des orthopädischen Gutachtens - soll im gerichtlichen Verfahren nicht allein der Kläger tragen. Zur Garantie der Durchsetzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs des Bg auf effektiven Rechtsschutz ist bei der Verteilung des Kostenrisikos eine wertende Sichtweise anzustellen.
Keine Bedeutung für die Verteilung der Kostenlast kommt schließlich der erst nach 10 Monaten nach Klageerhebung eingereichten Klagebegründung des Prozessbevollmächtigten des Bg zu. Denn das Sozialgericht begann bereits unmittelbar nach Klageeingang mit den Ermittlungen. Auch kommt es nur auf das vorprozessuale Verhalten der Beteiligten an.
Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände eine Erstattung eines Viertels der außergerichtlichen Kosten des Bg für angemessen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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