L 16 B 1079/07 AS PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 661/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 1079/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 8. Oktober 2007 aufgehoben.
II. Auf seinen Antrag vom 06.11.2006 wird dem Kläger mit Wirkung ab Antragstellung für das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (Az. S 13 AS 661/06) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin M.S. beigeordnet.
III. Der Kläger hat keine Raten zu zahlen.

Gründe:

I.

In dem Klageverfahren war die Rechtmäßigkeit der Kürzung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch die Beschwerdegegnerin (Bg) für den Zeitraum von 01.06.2006 bis 30.06.2006 wegen Ersparnissen des Beschwerdeführers (Bf) auf Grund eines stationären Krankenhausaufenthaltes vom 26.06.2006 bis 27.06.2006 streitig.

Die Bg hob mit Bescheid vom 28.08.2006 die Bescheide vom 21.02.2006 und vom 25.04.2006 für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von monatlich EUR 8,05 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X teilweise auf. Der Kläger habe sich vom 26.06.2006 bis 27.06.2006 in stationärer Behandlung befunden und volle Verpflegung erhalten. Da die Verpflegung als Einkommen im Sinn des § 11 Abs.1 SGB II zu berücksichtigen sei, sei die Regelleistung bei voller Verpflegung pauschal um 35 v.H. zu kürzen. Der überzahlte Betrag in Höhe von EUR 8,05 sei vom Bf zu erstatten.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2006 zurückgewiesen, weil die anteilige Kürzung zu Recht erfolgt sei (EUR 345,- x 35 %: 30 Tage x 2 Tage).

Im anschließenden Klageverfahren trug der Bf unter Hinweis auf einige erstinstanzlichen Urteile zur Begründung vor, dass es für die von der Bg vorgenommene Kürzung keine Rechtsgrundlage gebe. Die freie Verpflegung sei nicht als Einkommen anzurechnen. Auch eine entsprechende Anrechnung über § 2b Alg II - Verordnung sei nicht möglich, weil die Krankenhausverpflegung keinen Geld- bzw. Marktwert habe.

Den Antrag des Bf vom 06.11.2006 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 08.10.2007 ab, weil ein Bemittelter in der Lage des unbemittelten Bf vernünftigerweise keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragte hätte. Denn der Streitwert in Höhe von EUR 8,05 liege in einem groben Missverhältnis zu den durch eine Vertretung durch einen Anwalt in der ersten Instanz entstehenden Kosten. Das Kostenrisiko betrage dabei leicht bis zum 100-fachen des vorliegenden Streitwerts.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2007 unter Bezugnahme auf die Gründe des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19.06.2007, Az. L 11 AS 4/07 ab.

Sowohl der Gerichtsbescheid als auch der Beschluss vom 08.10.2007 wurden dem Prozessbevollmächtigten des Bf gleichzeitig am 19.10.2007 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss hat der Bf Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in diesem Fall erforderlich gewesen sei. Denn die Rechtslage bei der Kürzung von Leistungen wegen stationären Aufenthalts sei bei den Sozialgerichten und Landessozialgerichten außerordentlich umstritten und schwierig. Derzeit sei beim BSG in dieser Frage ein Verfahren unter dem Aktenzeichen B 14 AS 22/07 R anhängig. Auch sei diese Rechtsfrage für ihn - zur Vermeidung weiterer Verfahren - für die Zukunft von Bedeutung, weil er depressiv sei und damit rechnen müsse häufiger stationär behandelt zu werden.

Das Sozialgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Bg, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und in der Sache begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht dem Kläger Prozesskostenhilfe ab Antragstellung ohne Ratenzahlung zu. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und Rechtsanwältin S. im Wege der Prozesskostenhilfe beizuordnen.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 f. ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Prozesskostenhilfe war dem Kläger ohne Ratenzahlung zu bewilligen, weil dieser die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Auszugehen war von einem monatlichen Arbeitslosengeld II in Höhe von EUR 642. Hiervon waren Kosten für die Unterkunft und Mietnebenkosten in Höhe von insgesamt EUR 305 sowie ein Freibetrag für den Kläger in Höhe von EUR 380 abzuziehen. Nach der Tabelle zu § 115 Abs.1 ZPO ergibt sich hieraus keine Ratenzahlung.

Die am 06.11.2006 erhobene Klage hatte nach summarischer Prüfung zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 03.07.2007 eine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zu diesem Zeitpunkt die im Hauptsacheverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob die kostenlose Verpflegung in einem Krankenhaus Einkommen (in der Form der Sachleistung) im Sinn des § 11 SGB II sei, noch nicht höchstrichterlich geklärt, aber klärungsbedürftig war (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.06.2006, Az. 2 BvR 626/06 und 2 BvR 656/06, Beschluss vom 20.02.2002, Az. 1 BvR 1450/00 und Beschluss vom 13.03.1990, Az. 2 BvR 94/88). Das Bundessozialgericht hat diese Frage noch nicht mit seinem Urteil vom 06.09.2007, Az.14/7b AS 16/07 R, in dem die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen wurde, abschließend entschieden. Diese Rechtsfrage ist auch nicht als einfach und unumstritten zu beurteilen, weil es hierzu eine unterschiedliche Rechtsprechung der verschiedenen Landessozialgerichte gibt (s. etwa LSG Baden - Württemberg, Urteil vom 26.10.2007, Az. L 8 AS 4065/07; LSG Nordrhein - Westfalen, Urteil vom 03.12.2007, Az. L 20 AS 2/07 etc.) und die Landessozialgerichte in diesen Verfahren jeweils wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zuließen.

Die Rechtsverfolgung ist auch nicht mutwillig. Eine Rechtsverfolgung ist dann als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO anzusehen, wenn eine nicht Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung der Umstände von der konkret beabsichtigten Prozessführung absehen würde (so etwa Stein-Jonas-Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rdnr. 27 m.w.N.). Maßgebend sind die eigenen Interessen des Antragstellers. Sie fehlen etwa, wenn der Prozess wirtschaftlich ausschließlich im Interesse anderer Personen liegt, die den Prozess auch selbst führen könnten. Ein Indiz für die Mutwilligkeit kann auch die Verletzung prozessualer Pflichten seien (vgl. Brock a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind für den Bf nicht nachgewiesen. Der Bf, der aufgrund seiner depressiven Erkrankung in der Zukunft mit weiteren stationären Aufenthalten rechnen muss, hat ein Interesse an der Klärung und Entscheidung der hier anhängigen Rechtsfrage. Ein verständiger Beteiligter, für den die Entscheidung der anhängigen Rechtsfrage auch für die Zukunft von wesentlicher Bedeutung ist, würde auch ohne Prozesskostenhilfe sein Recht in gleicher Weise verfolgen. Auf Grund der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage ist das Prozessrisiko erheblich reduziert.

Allein der wirtschaftliche Wert des Streitgegenstandes ist kein taugliches Kriterium für die Qualifizierung einer Rechtsverfolgung als mutwillig. Dies ergibt sich bereits aus den von der Literatur gebildeten Fallgruppen für Anzeichen einer Mutwilligkeit (vgl. statt vieler: Bork a.a.O. § 114 Rdn. 28 ff.): Der Antragsteller kann sein Klageziel einfacher und kostengünstiger erreichen, er hat seine Hilfsbedürftigkeit selbst verschuldet oder die Klageerhebung veranlasst, jegliche Vollstreckungsaussichten fehlen oder bei Nichterlangung des Urteils würde kein nennenswerter wirtschaftlicher Nachteile entstehen; diese Voraussetzungen erfüllt der Bf nicht. Auch darauf die objektive Voraussetzung der fehlenden Mutwilligkeit nicht über die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes des Streitgegenstandes ausgeweitet werden auf eine weitere, vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich normierte Voraussetzung der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dies wäre nicht mit dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch des Antragstellers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar. Denn die Prozesskostenhilfe ist Bestandteil der Rechtsschutzgewährung (s. Bork a.a.O. vor § 114 Rdnr. 7 ff.).

Die Beiordnung der Rechtsanwältin war geboten, da es sich um eine rechtlich nicht einfache Sache handelte.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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