Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AS 1542/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 1138/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 13. September 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer (Bf) gegen die Beschwerdegegnerin (Bg) über den 31.10.2007 hinaus einen Anspruch auf vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.
Der 1952 geborene Bf, der am 27.07.2007 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde und sich als obdachlos bezeichnete, beantragte am 01.08.2007 bei der Bg die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Antrag ist bislang noch nicht verbeschieden, weil der Bf nach Ansicht der Bg trotz wiederholter Vorsprachen ihr wichtige Unterlagen nicht vorgelegt habe.
Am 03.08.2007 beantragte der Bf beim Sozialgericht München, der Bg im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm einen Vorschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen, weil er ohne Geld und Obdach sei. Die angebotene Notunterkunft habe er mangels Schlüsselgebühr nicht beziehen können.
Das Sozialgericht verpflichtete die Bg, dem Bf vorläufig ab 03.08.2007 bis 31.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Bf habe sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Aus den zwischenzeitlich vom Bf eingereichten Unterlagen ergebe sich, dass er derzeit weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Seine Hilfebedürftigkeit habe er glaubhaft gemacht. Da der Bf offensichtlich gegenwärtig nicht das zum Leben Unerlässliche zur Verfügung habe, sei auch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine Eilbedürftigkeit der begehrten Anordnung sei grundsätzlich frühestens ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht, das heißt hier ab dem 03.08.2007, anzunehmen. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seien daher in der gesetzlichen Höhe ab dem 03.08.2007 bis zum 31.10.2007, um dem Bf ausreichend Zeit zum Nachreichen der noch fehlenden Unterlagen zu geben, zu gewähren.
Dagegen hat der Bf Beschwerde eingelegt. Da er sich zur Zeit in Untersuchungshaft befindet, beantragt er mit Schriftsatz vom 25.01.2008 das Ruhen des Verfahrens. Auf Anfrage teilt er mit, dass er seit Ende Dezember 2007 auf unabsehbare Zeit in Untersuchungshaft sei. Der letzte Haftbefehl datiere vom 28.01.2008, wobei die beiden vorangegangen Haftbefehle zusammengefasst worden seien.
Das Sozialgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Beigezogen wurden die Akten der Bg sowie des Sozialgerichts, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) Beschwerde des Bf hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bf hat keinen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über den 31.10.2007 hinaus, weil er keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu einer abschließenden Hauptsacheentscheidung durch eine Zwischenregelung überbrücken und auf diese Weise den Rechtsstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig erhalten. Voraussetzung für deren Erlass ist, dass sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Glaubhaftmachung begnügt sich bei der Ermittlung des Sachverhalts als Gegensatz zum vollen Beweis mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, das heißt die Intensität der rechtlichen Prüfung, grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist grundsätzlich das materielle Recht, das voll zu prüfen ist.
Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so verlangt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz eine Eilentscheidung anhand einer umfassenden Güter- und Folgenabwägung (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05).
1. Für die Gewährung von Leistungen ab dem 01.11.2007 bis zum Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung ist der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn eine besondere Dringlichkeit ist bereits durch Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Bf zumutbar. Im Übrigen ist er seit Dezember 2007 in Untersuchungshaft, so dass keine besondere Eilbedürftigkeit für die Gewährung der beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mehr besteht. Effektiver Rechtsschutz kann dem Bf noch im Hauptsacheverfahren gewährt werden, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache keine Fakten zu seinem Nachteil geschaffen worden sind, die durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig gemacht werden können.
2. Für die Zeit ab der Zustellung dieser Entscheidung ist der Antrag des Bf auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen abzulehnen, weil weder ein Anordnungsanspruch besteht noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist.
Da sich der Kläger seit Dezember 2007 auf unabsehbare Zeit in Untersuchungshaft befindet, erhält er als Vollzugsinsasse nach § 7 Abs.4 Satz 2 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II. Er hat keinen Anspruch.
Auch entfällt für die Zeit der Untersuchungshaft die besondere Eilbedürftigkeit der Anordnung vorläufiger Maßnahmen, so dass der Bf keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Dies wird im übrigen vom Bf durch seinen Antrag auf Ruhen des Verfahrens bestätigt. Dem Bf ist daher ein Zuwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zuzumuten.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG entsprechend beruht auf der Erwägung, dass die Beschwerde keinen Erfolg hatte.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer (Bf) gegen die Beschwerdegegnerin (Bg) über den 31.10.2007 hinaus einen Anspruch auf vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.
Der 1952 geborene Bf, der am 27.07.2007 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde und sich als obdachlos bezeichnete, beantragte am 01.08.2007 bei der Bg die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Antrag ist bislang noch nicht verbeschieden, weil der Bf nach Ansicht der Bg trotz wiederholter Vorsprachen ihr wichtige Unterlagen nicht vorgelegt habe.
Am 03.08.2007 beantragte der Bf beim Sozialgericht München, der Bg im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm einen Vorschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen, weil er ohne Geld und Obdach sei. Die angebotene Notunterkunft habe er mangels Schlüsselgebühr nicht beziehen können.
Das Sozialgericht verpflichtete die Bg, dem Bf vorläufig ab 03.08.2007 bis 31.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Bf habe sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Aus den zwischenzeitlich vom Bf eingereichten Unterlagen ergebe sich, dass er derzeit weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Seine Hilfebedürftigkeit habe er glaubhaft gemacht. Da der Bf offensichtlich gegenwärtig nicht das zum Leben Unerlässliche zur Verfügung habe, sei auch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine Eilbedürftigkeit der begehrten Anordnung sei grundsätzlich frühestens ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht, das heißt hier ab dem 03.08.2007, anzunehmen. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seien daher in der gesetzlichen Höhe ab dem 03.08.2007 bis zum 31.10.2007, um dem Bf ausreichend Zeit zum Nachreichen der noch fehlenden Unterlagen zu geben, zu gewähren.
Dagegen hat der Bf Beschwerde eingelegt. Da er sich zur Zeit in Untersuchungshaft befindet, beantragt er mit Schriftsatz vom 25.01.2008 das Ruhen des Verfahrens. Auf Anfrage teilt er mit, dass er seit Ende Dezember 2007 auf unabsehbare Zeit in Untersuchungshaft sei. Der letzte Haftbefehl datiere vom 28.01.2008, wobei die beiden vorangegangen Haftbefehle zusammengefasst worden seien.
Das Sozialgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Beigezogen wurden die Akten der Bg sowie des Sozialgerichts, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) Beschwerde des Bf hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bf hat keinen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über den 31.10.2007 hinaus, weil er keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu einer abschließenden Hauptsacheentscheidung durch eine Zwischenregelung überbrücken und auf diese Weise den Rechtsstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig erhalten. Voraussetzung für deren Erlass ist, dass sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Glaubhaftmachung begnügt sich bei der Ermittlung des Sachverhalts als Gegensatz zum vollen Beweis mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, das heißt die Intensität der rechtlichen Prüfung, grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist grundsätzlich das materielle Recht, das voll zu prüfen ist.
Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so verlangt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz eine Eilentscheidung anhand einer umfassenden Güter- und Folgenabwägung (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05).
1. Für die Gewährung von Leistungen ab dem 01.11.2007 bis zum Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung ist der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn eine besondere Dringlichkeit ist bereits durch Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Bf zumutbar. Im Übrigen ist er seit Dezember 2007 in Untersuchungshaft, so dass keine besondere Eilbedürftigkeit für die Gewährung der beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mehr besteht. Effektiver Rechtsschutz kann dem Bf noch im Hauptsacheverfahren gewährt werden, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache keine Fakten zu seinem Nachteil geschaffen worden sind, die durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig gemacht werden können.
2. Für die Zeit ab der Zustellung dieser Entscheidung ist der Antrag des Bf auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen abzulehnen, weil weder ein Anordnungsanspruch besteht noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist.
Da sich der Kläger seit Dezember 2007 auf unabsehbare Zeit in Untersuchungshaft befindet, erhält er als Vollzugsinsasse nach § 7 Abs.4 Satz 2 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II. Er hat keinen Anspruch.
Auch entfällt für die Zeit der Untersuchungshaft die besondere Eilbedürftigkeit der Anordnung vorläufiger Maßnahmen, so dass der Bf keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Dies wird im übrigen vom Bf durch seinen Antrag auf Ruhen des Verfahrens bestätigt. Dem Bf ist daher ein Zuwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zuzumuten.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG entsprechend beruht auf der Erwägung, dass die Beschwerde keinen Erfolg hatte.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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