L 16 B 1139/07 AS PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 768/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 1139/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 5. November 2007 aufgehoben.
II. Auf ihren Antrag vom 20.04.2007 wird der Klägerin mit Wirkung ab Antragstellung für das Verfahren vor dem Sozialgericht München (Az. S 13 AS 768/07) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A.W., beigeordnet. III. Die Klägerin hat keine Raten zu bezahlen.

Gründe:

I.

In dem Klageverfahren waren die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 11.05.2005 bis 30.04.2006 und die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von EUR 5.413,35 streitig.

Die 1972 geborene Klägerin, rumänische Staatsangehörige, hatte in ihrer Heimat in Rumänien das Studium der Kommunikationswissenschaft erfolgreich abgeschlossen. Sie wohnte mit ihrem im Dezember 2003 geborenen Sohn in F. und studierte in dem streitigen Zeitraum an der Universität Salzburg Kommunikationswissenschaft.

Die Beklagte gewährte ihr mit Bescheiden vom 18.07.2005, 10.08.2005, 29.09.2005, 15.11.2005 und 04.10.2006 in diesem Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach Bekanntwerden des Studiums an der Universität Salzburg hob die Beklagte, die zunächst von einem gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in Österreich ausgegangen war, die vorgenannten Bescheide mit Bescheid vom 03.07.2006 für den streitigen Zeitraum gemäß § 48 SGB X auf und forderte die entstandene Überzahlung zurück. Während des sich anschließenden Widerspruchsverfahren hob die Beklagte, die nunmehr einen gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in Deutschland annahm, mit Bescheid vom 21.02.2007 gemäß § 45 SGB X, den sie gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens machte, vorgenannte Bewilligungsbescheide sowie den Neufeststellungsbescheid vom 03.07.2006 auf und machte einen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin wegen der überzahlten Leistungen in Höhe von EUR 5.413,35 geltend. Zur Begründung führte sie aus, dass die Bewilligungsbescheide rechtswidrig gewesen seien. Denn das Studium der Klägerin in Salzburg sei grundsätzlich eine nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildung gewesen. Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, hätten gemäß § 7 Abs.5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auch wenn sie tatsächlich keine Leistungen nach dem BAföG erhalten hätten. Die Klägerin habe entgegen ihrer Mitteilungspflicht das Studium nicht mitgeteilt, so dass die Voraussetzungen des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt seien. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren trug die Klägerin zur Begründung vor, dass ihr Studium in Salzburg schon dem Grunde nach nicht förderfähig nach dem BAföG gewesen sei. Denn die Voraussetzungen der §§ 8, 10, 5 BAföG seien nicht erfüllt gewesen (Studium im Ausland, rumänische Staatsangehörigkeit und Lebensalter von mehr als 30 Jahren) zu. Die Beklagte hielt für die Anwendung von § 7 Abs.5 SGB II allein die abstrakte Förderfähigkeit einer Ausbildung für entscheidend.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Rechtsanwältin W. vom 19.04.2007, eingegangen beim Sozialgericht am 20.04.2007, lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 5. November 2007 ab, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Da das Studium der Klägerin in Salzburg grundsätzlich förderungsfähig nach dem BAföG sei, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ein besonderer Härtefall nach § 7 Abs.5 Satz 2 SGB II, der zur Gewährung eines Darlehens berechtige, liege nicht vor. Auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach § 40 Abs.2 SGB II in Verbindung mit § 45 Abs.2 Satz 3 SGB II seien erfüllt.

Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2007, der Klägerin zugestellt am 26.11.2007, abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Mit der gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 5. November 2007 eingelegten Beschwerde trägt die Klägerin vor, dass eine höchstrichterliche Klärung der hier streitigen Rechtsfrage noch ausstehe, die zu entscheidende Rechtsfrage daher völlig offen und somit die hinreichende Erfolgsaussicht gegeben sei. Derzeit sei zu dieser Frage unter dem Az. B 14/7b AS 36/06 R ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20.01.2006, Az. L 7 AS 6/05 anhängig.

Das Sozialgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Bg, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und in der Sache begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht der Klägerin Prozesskostenhilfe ab Antragstellung ohne Ratenzahlung zu. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und Rechtsanwältin W. im Wege der Prozesskostenhilfe beizuordnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 f. ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Prozesskostenhilfe war der Klägerin ohne Ratenzahlung zu bewilligen, weil diese die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Auszugehen war von einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 1.371,10. Hiervon waren monatliche Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 264,-, Lohnsteuer in Höhe von EUR 49,50, Kosten für die Unterkunft und Mietnebenkosten in Höhe von insgesamt EUR 460,- sowie ein Freibetrag für die Klägerin und deren Sohn in Höhe von insgesamt EUR 646,- abzuziehen. Nach der Tabelle zu § 115 Abs.1 ZPO ergibt sich hieraus keine Ratenzahlung.

Die am 19.04.2007 erhobene Klage hatte nach summarischer Prüfung zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 20.04.2007 eine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zu diesem Zeitpunkt die im Hauptsacheverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob es auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung oder auf individuelle Versagungsgründe ankomme, noch nicht höchstrichterlich geklärt, aber klärungsbedürftig war (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.06.2006, Az. 2 BvR 626/06 und 2 BvR 656/06, Beschluss vom 20.02.2002, Az. 1 BvR 1450/00 und Beschluss vom 13.03.1990, Az. 2 BvR 94/88). Das Bundessozialgericht hat erst mit seinem Urteil vom 06.09.2007, Az.14/7b AS 36/06 R unter ausführlicher Darlegung des Wortsinns des § 7 Abs.5 Satz 1 SGB II, der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie der objektiv-teleologischen Kriterien entschieden, dass es lediglich auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung ankommt. Diese Rechtsfrage ist auch nicht als einfach und unumstritten zu beurteilen, weil es hierzu eine unterschiedliche Rechtsprechung der verschiedenen Landessozialgerichte gibt (s. etwa Thüringer LSG, Beschluss vom 08.03.2006, Az. L 7 AS 63/06 ER) und eine Übertragung der Rechtsprechung zu dem früheren § 26 BSHG nicht eindeutig war. Schließlich ließ das LSG in o.g. Verfahren wegen dieser Rechtsfrage die Revision zu.

Für das Vorliegen von Mutwilligkeit bestanden keine Anhaltspunkte. Die Beiordnung der Rechtsanwältin war geboten, da es sich um eine rechtlich und tatsächlich nicht einfache Sache handelte.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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