L 8 AS 1190/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 633/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 1190/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 11. März 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 11.03.2008, der das SG nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Beschluss den - noch streitigen - Antrag des Klägers vom 27.02.2008 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 4 AS 633/08 ER) zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).

Streitgegenstand ist nur noch der Anspruch des Antragstellers auf Übernahme höherer Kosten der Unterkunft im Falle der Anmietung einer neuen Wohnung und entsprechender Direktleistung an ihn selbst. Nicht mehr Streitgegenstand ist der Antrag des Antragstellers auf Zahlung von Wohngeld durch den Antragsgegner. Insoweit hat der Antragsteller das einstweilige Anordnungsverfahren mit Schreiben vom 05.04.2008 für erledigt erklärt, sodass hierüber nicht mehr zu entscheiden ist.

Ausgehend von den eingangs genannten Grundsätzen besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund für die vom Antragsteller erstrebte einstweilige Regelung. Der Antragsteller macht damit Ansprüche auf zukünftige Leistungen geltend, für die weder eine gesetzliche Grundlage noch gegenwärtig eine Notwendigkeit besteht. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Daraus folgt, dass die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bereits entstanden sein müssen bzw. deren Entstehung unmittelbar bevorsteht, um einen entsprechenden Leistungsanspruch auslösen zu können. Eventuelle zukünftige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung können keinen entsprechenden Anspruch begründen. Soweit der Antragsteller also die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 500,00 EUR für die Anmietung einer neuen Wohnung beansprucht, handelt es sich um Aufwendungen, die noch nicht entstanden sind und auch nur möglicherweise zukünftig entstehen werden. Ein Leistungsanspruch kann hierauf nicht gestützt werden.

Auch ein Anordnungsgrund ist nicht ersichtlich. Ein solcher ist (nur) gegeben, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Diese Notwendigkeit - und damit auch die erforderliche Eilbedürftigkeit - liegt aber nicht vor, wenn - wie hier - eine neue Wohnung noch gar nicht angemietet ist. Dass die zuständige Gerichtsvollzieherin für den 06.05.2008 die Zwangsräumung der bisherigen Wohnung des Antragstellers angekündigt hat, vermag hieran nichts zu ändern. Diese kann mit der vom Antragsteller beantragten einstweiligen Anordnung nicht verhindert werden. Im Übrigen wurden dem Antragsteller vom Antragsgegner mit Bescheid vom 06.02.2008 Kosten der Unterkunft bis 30.06.2008 bewilligt. Zudem beruht der Räumungsanspruch des Vermieters des Antragstellers auf einem Räumungsvergleich, dem auch der Antragsteller zugestimmt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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