L 19 B 24/08 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 11/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 24/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19.12.2007 geändert. Die von der Beklagten an die Staatskasse zu erstattenden Kosten werden auf 119,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Streitig ist die Höhe des auf die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übergegangenen Anspruchs auf Kostenerstattung.

Seit dem 01.01.2005 bezieht die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 29.08.2006 bewilligte die Stadt N der Klägerin Leistungen in Höhe von 183,67 EUR monatlich für den Zeitraum von September 2006 bis März 2007. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit Schreiben vom 07.09.2006 Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein zu hohes Einkommen ihres Lebenspartners berücksichtigt worden sei. Mit Schreiben vom 05.10.2006 teilte die Stadt N die Nichtabhilfe und Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsstelle der Beklagten mit. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 18.10.2006 den Eingang des Widerspruchs.

Am 26.01.2007 erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht (SG) Detmold mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihren Widerspruch vom 07.09.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Durch den Widerspruchsbescheid vom 03.04.2007 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als sie der Klägerin für den Bewilligungszeitraum zusätzliche Leistungen in Höhe von 37,72 EUR monatlich gewährte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Daraufhin erklärte die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 10.04.2007 den Rechtsstreit für erledigt. Mit Schreiben vom 30.09.2007 erkannte die Beklagte die Kosten des Verfahrens dem Grunde nach an.

Durch Beschluss vom 10.04.2007 hat das SG der Klägerin unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt. Am 20.04.2007 hat die beigeordnete Rechtsanwältin die Festsetzung einer Gebühr von 249,90 EUR gegen die Staatskasse beantragt, die sich wie folgt zusammensetzte:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 190,00 EUR
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 39,90 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.04.2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 121,38 EUR festgesetzt, die sich wie folgt zusammensetzten:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 85,00 EUR
Postgebührenpauschale Nr. 7002 VV RVG 17,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 19,38 EUR

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Verfahrensgebühr entstehe nach Nr. 3103 VV RVG, da die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren von der beigeordneten Rechtsanwältin vertreten worden sei. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei aus der Sicht eines objektiven Dritten als gering anzusehen. Streitgegenstand des Verfahrens sei die Untätigkeit, das Nichtbescheiden des Antrags der Klägerin gewesen. Das Interesse der Klägerin an der rechtsmittelfähigen Bescheidung eines Antrag könne nicht ihrem rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesse an der Gewährung der begehrten Leistung gleichgesetzt werden. Die Untätigkeitsklage sei als prozessuale Maßnahme zur Erzwingung einer zeitnahen Verwaltungsentscheidung nur vorbereitendes Element zur Abwägung, ob hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs, nach Prüfung des Widerspruchsbescheides, Klage erhoben werden solle. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei als gering zu bewerten. Das Verfahren habe nach Klageerhebung bis zur Erledigungserklärung etwa 3 Monate gedauert. Der anwaltliche Schriftwechsel umfasse die Klageschrift, einen weiteren Schriftsatz und die Erledigungserklärung vom 10.04.2007. Durchschnittlich zu bewertende Verfahren lägen nach Dauer und Umfang deutlich über dem Aufwand der vorliegenden Untätigkeitsklage.

Hiergegen legte die beigeordnete Rechtsanwältin Erinnerung ein und beantragte die Festsetzung eines Betrages von 285,60 EUR unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 125,00 EUR, einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG von 95,00 EUR, Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR sowie nach Nr. 7008 VV RVG von 45,60 EUR. Durch Beschluss vom 09.07.2007 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Antrag vom 12.06.2007 auf Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG zurück. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 12.09.2007 änderte das SG Detmold den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.04.2007 dahin ab, dass der Betrag der beigeordneten Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 172,55 EUR festgesetzt wurde. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle habe zu Unrecht eine Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG anstelle der Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Ansatz gebracht. Die Voraussetzungen der Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG lägen nicht vor. Denn der Untätigkeitsklage gehe kein Verwaltungsverfahren im Sinne von Nr. 3103 VV RVG voraus, da es sich um eine formelle Bescheidungsklage handele. Mit ihr solle gewährleistet werden, dass ein Beteiligter durch die Untätigkeit des Leistungsträgers nicht in seinen Rechten beeinträchtigt werde. Die Untätigkeitsklage gelte als Unterart der Verpflichtungsklage auf Bescheidung des Antrags bzw. des Widerspruches. Die Ratio der Absenkung des Gebührenrahmens in den Fällen der Nr. 3103 VV RVG sei der geringere Aufwand, der bei wiederholter Bearbeitung des gleichen Sachverhaltes anfalle. Ein solcher geringerer Aufwand ergebe sich jedoch im Falle der Untätigkeitsklage nicht. Denn im Verwaltungsverfahren sei die Sache selbst, bei der Untätigkeitsklage die Bescheidung als solches zu überprüfen. Hinsichtlich der Ausfüllung des Gebührenrahmens nach Nr. 3102 VV RVG sei der Gebührenansatz der beigeordneten Rechtsanwältin nicht verbindlich, da er unbillig sei. Es sei lediglich ein Gebührenansatz in Höhe der hälftigen Mittelgebühr angemessen, da das Verfahren insgesamt als deutlich unterdurchschnittlich anzusehen sei. Die Bedeutung der Angelegenheit stelle sich aufgrund der Einkommenslage der Klägerin und der persönlichen Dringlichkeit als leicht überdurchschnittlich dar. Das Interesse der Klägerin an der bloßen Bescheidung des Widerspruches könne jedoch dem Interesse an der Gewährung der begehrten Leistung selbst nicht gleichgestellt werden. Nach den übrigen Kriterien des § 14 RVG sei die Angelegenheit jedenfalls als erheblich unterdurchschnittlich anzusehen. Bei der Erhebung einer Untätigkeitsklage handele es sich um eine anwaltlich Tätigkeit einfacher Art. Die Einreichung einer solchen Klage sei von deutlich unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, da sie nur die Kenntnis der entsprechenden Vorschrift sowie der darin aufgeführten Frist voraussetze. Gemessen am durchschnittlichen Umfang der Tätigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren sei der Umfang der Tätigkeit der beigeordneten Rechtsanwältin gering gewesen.

Durch Kostenansatz vom 16.11.2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen Betrag von 172,55 EUR nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG gegenüber der Beklagten aus übergegangenem Kostenanspruch geltend gemacht. Gegen diesen Kostenansatz hat die Beklagte Erinnerung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, dass im vorliegenden Verfahren der Tatbestand der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG erfüllt sei, da die beigeordnete Rechtsanwältin für die Klägerin im Widerspruchsverfahren tätig gewesen sei. Des weiteren sei der Ansatz einer hälftigen Mittelgebühr nicht gerechtfertigt. Es sei schon fraglich, ob die persönliche Dringlichkeit der Angelegenheit, wie vom SG angenommen, bei der Bewertung der Bedeutung der Angelegenheit im Rahmen des § 14 RVG zu berücksichtigen sei. Denn der Zeitablauf sei bereits Zulässigkeitskriterium der Untätigkeitsklage. Eine dringliche Entscheidung könne eine Betroffene auch in aller Regel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes herbeiführen. Auch sei der durch das RVG vorgegebene Gebührenrahmen nach unten auszuschöpfen. Wenn bei einer Untätigkeitsklage bereits von der hälftigen Mittelgebühr ausgegangen werde, so stelle sich die Frage, in welchen Fällen dann dieser hälftige Mittelwert überhaupt noch unterschritten werden solle. Es widerspräche dem Sinn und Zweck der Regelung, den Gebührenrahmen im unteren Bereich praktisch leerlaufen zu lassen. Da bei einer Untätigkeitsklage praktisch ausschließlich die Fristüberschreitung zu prüfen und darzulegen sei, sei die halbe Mittelgebühr unbillig. Sie beantrage daher, den Erstattungsbetrag auf 1/3 der Mittelgebühr anzusetzen. Durch Beschluss vom 19.12.2007 hat das SG Detmold die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 28.12.2007 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 24.01.2008 Beschwerde eingelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 24.01.2008).

Die Beklagte hat im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Ergänzend führt sie aus, das Verfahren sei denkbar einfach gelagert gewesen. Es sei kein Verfahren denkbar, was weniger aufwändig und schwierig für einen Anwalt sei als eine Untätigkeitsklage. Auf jeden Fall sei der Gebührenrahmen auch im unteren Bereich auszuschöpfen. Es sei auch rein theoretisch nicht erkennbar, für welche Fallgestaltungen die hälftige Mittelgebühr noch unterschritten werden solle, wenn nicht in den Fällen einer Untätigkeitsklage. Da bei einer Untätigkeitsklage ausschließlich die Fristüberschreitung zu prüfen und darzulegen sei, sei die halbe Mittelgebühr unbillig. Dies könne sich anders darstellen, wenn weiter zur Unbegründetheit einer Untätigkeitsklage ausgeführt werden müsse und darüber Streit bestanden habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19.12.2007 zu ändern und die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung von 1/4 der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV VG, hilfsweise unter Berücksichtigung von 1/4 der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

II.

Die Beklagte wendet sich mit der Beschwerde gegen die Entscheidung des SG Detmold über eine Erinnerung gegen einen Kostenansatz nach § 59 Abs. 2 S. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), mit dem die Urkundsbeamtin der Geschäftstelle die Höhe der von der Beklagten an die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 S.1 RVG zu erstattenden Kosten auf 172,55 EUR festgesetzt hat (§ 59 Abs. 2 S. 1 RVG).

Die Beschwerde ist zulässig.

Nach § 59 Abs. 2 S. 3 RVG gilt für die Beschwerde gegen eine Erinnerungsentscheidung nach § 59 Abs. 2 RVG die Vorschrift des § 66 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach findet die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Erinnerung statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde zugelassen hat (§ 66 Abs. 2 S. 1 und S. 2 GKG). Das SG hat hier die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung zugelassen. Der Senat ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden (§§ 59 Abs. 2 S. 3 RVG, 66 Abs. 3 S. 4 GKG)

Die Beschwerde ist begründet.

Der Staatskasse steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe von 172, 55 EUR zu. Die Beklagte ist aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz, Abs. 3 SGG i.V.m. § 59 Abs. 1 S. 1 SGG verpflichtet, an die Staatskasse einen Betrag von 119,00 EUR zu zahlen.

Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe bestellten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht der Anspruch nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Die Beklagte ist aufgrund ihres Kostengrundanerkenntnisses verpflichtet, der Klägerin die gesetzliche Vergütung und die notwendigen Aufwendungen ihrer Prozessbevollmächtigten, die durch den Beschluss des SG Detmold vom 10.04.2007 im Wege der Prozesskostenhilfe der Klägerin im Verfahren beigeordnet worden ist, nach § 193 Abs. 1, 3 SGG zu erstatten (zum Charakter eines Kostengrundanerkenntnisses als prozessuale Kostengrundentscheidung i. S.v. § 193 SGG siehe BSG, Beschluss vom 26.03.1992, 7 RAr 104/09, SozR 3-1500 § 193 Nr. 4). Dieser Kostenerstattungsanspruch ist kraft Gesetzes auf die Staatskasse übergegangen, da die Staatskasse an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin als beigeordneter Rechtsanwältin eine Vergütung nach § 55 RVG in Höhe von 172,55 EUR gezahlt und damit den Vergütungsanspruch der Prozessbevollmächtigten als beigeordneter Rechtsanwältin befriedigt hat.

Die nach § 193 Abs. 3 SGG erstattungsfähigen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind auf 119,00 EUR festzusetzen. Nach § 193 Abs. 3 SGG sind die gesetzlichen Gebühren und die notwendigen Aufwendungen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig. Die durch den rechtskräftigen Beschluss vom 12.09.2007 getroffene Festsetzung des Vergütungsanspruchs der Prozessbevollmächtigten als beigeordneter Rechtsanwältin aus § 55 RVG auf 172,55 EUR ist für die Beteiligten im Beschwerdeverfahren nur insoweit bindend, als der auf die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG übergegangene Anspruch auf den Betrag der tatsächlich gezahlten Prozesskostenhilfevergütung der Höhe nach, hier also auf 172,55 EUR, begrenzt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.05.2006, 1 KSt 1/06). Der Beschluss des SG Detmold vom 12.09.2007, in dem die Höhe der von der Staatskasse zu zahlenden Vergütung auf 172,55 EUR festgesetzt wurde, entfaltet aber hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Kosten für die Beklagte keine Rechtskraftwirkung, da diese am Festsetzungsverfahren nach §§ 55,56 RVG nicht beteiligt gewesen ist.

Als gesetzliche Gebühr ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 80,00 EUR angefallen. Weitere Gebühren (Termins- und Erledigungsgebühr) sind nicht entstanden. Maßgebend für Bemessung der gesetzlichen Gebühren der Prozessbevollmächtigten sind die Bestimmungen des seit dem 01.07.2004 geltenden RVG. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei der Klägerin des Hauptsacheverfahrens, das auf die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung der Gewährungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gerichtet war, handelte es sich um eine Leistungsempfängerin und damit um eine kostenprivilegierte Beteiligte i.S.v. § 183 S.1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs.1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung und auch der Betragsrahmengebühren bestimmen sich nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (VV RVG).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist keine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG, sondern eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, angefallen. Da die Prozessbevollmächtigte im Hauptsacheverfahren erstinstanzlich tätig geworden ist, ist eine Verfahrensgebühr angefallen, deren Höhe sich nach Nr. 3102 VV RVG richtet. Die Bestimmung des Nr. 3102 VV RVG sieht einen Gebührenrahmen von 40,00 EUR bis 460,00 EUR vor.

Die Vorschrift der Nr. 3103 VV RVG, wonach sich der Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG auf 20,00 EUR bis 320,00 EUR mindert, wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren oder in einem weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, greift bei einer Untätigkeitsklage nicht ein (LSG NRW, Beschluss vom 07.04.2007, L 12 B 44/07 AS). Die Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG setzt voraus, dass Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein Verwaltungsakt ist, der zuvor Gegenstand eines behördlichen Verfahren - Verwaltungsverfahren und/oder Widerspruchsverfahren - war (a.A. SG Hamburg, Beschluss vom 05.07.2006, S 58 AS 329/05). Denn der Gesetzgeber hat bei der Einführung der Nr. 3103 VV RVG als Sondervorschrift zu Nr. 3102 VV RVG berücksichtigt, dass nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 RVG das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und das der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienende weitere Verwaltungsverfahren sowie das gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten bilden, die jeweils eigene Gebühren auslösen (BT-Drucks. 15/1971 S. 212). Die Verfahren – Verwaltungsverfahren, Widerspruchsverfahren und gerichtliches Verfahren - bauen aufeinander auf und haben denselben Verwaltungsakt zum Gegenstand. In einer solchen Fallkonstellation wird davon ausgegangen, dass ein Rechtsanwalt aufgrund der durch die vorausgegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren einen geringeren Aufwand hat und aufgrund dieses regelmäßig geringeren Aufwandes der niedrige Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG gerechtfertigt ist (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 18.01.2007, L 15 B 224/06 AS KO; BT-Drucks.15/1971, S. 212 zu Nr. 3102 und 3103).

Gegenstand des Hauptsacheverfahrens war im vorliegenden Fall nicht ein Verwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit überprüft werden sollte. Vielmehr handelt es bei der Klage um eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG, die als formelle Bescheidungsklage auf die bloße Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet ist (siehe BSG, Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 7/06 R, Rdz.16). Ein Untätigkeitsklage nach § 88 SGG setzt zwar die Einleitung eines Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren voraus, ist aber nicht auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt gerichtet. Deshalb ist ein "Synergieeffekt", der die Minderung des Gebührenrahmens nach den Vorstellungen des Gesetzgebers rechtfertigt, durch die anwaltliche Tätigkeit im behördlichen Verfahren, die auf die Abwehr eines Verwaltungsaktes oder den Erlass eines begehrten Verwaltungsaktes gerichtet ist und damit die Prüfung und Darlegung der materiellen Rechtslage erfordert, und dem gerichtlichen Verfahren, das von einem Rechtsanwalt die Prüfung der Einhaltung von Sperrfristen nach § 88 SGG und des Vorliegens eines zureichenden Grundes erfordert, nicht gegeben. Auch die Tatsache, dass ein Rechtsanwalt in einem Verwaltungsverfahren oder Widerspruchsverfahren die Fristen überwacht und somit ein Überschreiten der Sperrfrist - im Vergleich zu anderen Fällen, in denen ein Rechtsanwalt auf Informationen ihrer Mandanten angewiesen ist - einfacher feststellen kann, rechtfertigt nicht die Minderung des Gebührenrahmens der Verfahrensgebühr (so aber SG Hamburg, Beschluss vom 12.03.2007, S 51 AS 501/06). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass nach den Bestimmungen der VV RVG in Verfahren nach § 197a SGG, in denen Wertgebühren anfallen, eine Geschäftsgebühr nach den Nr. 2300 bis 2003 VV RVG (Vergütung für das Tätigwerden in einem Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren) auf die Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Verfahrens nach Nr. 3100 VV RVG zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, angerechnet wird, wenn sie wegen desselben Gegenstands entstanden sind (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG). Bei der Auslegung des Begriff "Gegenstand" wird - wie bei der Auslegung des prozessualen Begriffs des "Streitgegenstandes" - auf die Zielrichtung der in den jeweiligen Verfahren gestellten Anträge abgestellt. Unterschiedliche Gegenstände liegen vor, wenn ein Vergleich des behördlichen mit dem gerichtlichen Verfahrens ergibt, dass es im Wesentlichen nicht um denselben Streitgegenstand geht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.12.2007, 1 O 215/07 m.w.N.; VGH Bayern, Beschluss vom 25.08.2005, 22 C 05.1871). Demnach wird in einem Verfahren nach § 197a SGG die in einem Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren angefallene Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr einer Untätigkeitsklage angerechnet, weil die beiden Verfahren nicht den selben Streitgegenstand haben und die Anträge auf unterschiedliche Ziele, zum einen Abwehr/Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts und zum anderen Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs durch Verwaltungsakt gleich welchen Inhalts gerichtet sind. Die in den Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnungsregel soll nach dem Willen des Gesetzgebers, wie bei der in Nr. 3103 VV RVG festgelegten Minderung des Gebührenrahmens, der Tatsache Rechnung tragen, dass durch die Vorbefassung mit der Streitsache in einem behördlichen Verfahren die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes im anschließenden Gerichtsverfahren leichter ist und die Vergütung in verwaltungsrechtlichen Mandaten durch die Regelung des § 17 Nr. 1 RVG verbessert wurde (BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Da die beiden Bestimmungen (Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG / Nr. 3103 VV RVG) über die Minderung der Verfahrensgebühr im Fall der Vorbefassung eines Rechtsanwalts mit der Sache in einem behördlichen Verfahren denselben Zweck, nämlich eine Berücksichtigung des Synergieeffektes, verfolgen, ist es nicht gerechtfertigt, bei Anfall einer Betragsrahmengebühr nach Nr. 3102 VV RVG eine weitere Anrechnungsmöglichkeit anzunehmen als bei Anfall einer Wertgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Auch aus dem unterschiedlichen Charakter der Wertgebühr (Festsetzung nach dem Streitwert) und der Betragsrahmengebühr (Festsetzung unabhängig vom Streitwert nach einem Gebührenrahmen) ergibt sich kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Bewertung des Tätigwerdens des Rechtsanwalts im Rahmen der Untätigkeitsklage.

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist auf 80,00 EUR festzusetzen.

Die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG). Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt im Verfahren nach §§ 55f RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Deshalb ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bzw. das Gericht den Kostenansatz zu übernehmen. Bei Unbilligkeit hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen. Dies gilt auch im Verfahren nach § 59 Abs. 2 S. 1 RVG.

Vorliegend ist der Ansatz einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 von 190,00 EUR durch die beigeordnete Rechtsanwältin unbillig. Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist von der Mittelgebühr im Hauptsacheverfahren auszugehen. Mit der Mittelgebühr wird die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Streitsache als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich um eine Streitsache mit durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichem Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichem Vermögensverhältnisse handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (BSG, Urteil v. 26.2.1992, 9a RVs 3/90; Urteil v. 22.3.1984, 11 RA 58/83, SozR 1300 § 63 Nr. 4; BVerwG, Beschl. v. 18.9.2001, 1 WB 28.01, Rpfleger 2002, 98). Die Mittelgebühr beträgt bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR. Bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des Rahmens ansetzen. Ob die Kriterien des § 14 RVG bei der Beurteilung der Frage, ob ein Durchschnittsfall vorliegt, als gleichwertig anzusetzen sind, kann hier dahinstehen (s. auch Urt. d. Senats vom 23.04.2007, L 19 AS 54/06, LSG Thüringen, Beschl. v. 5.4.2005, L 6 B 8/05 SF), da vorliegend ohnehin a. A. die maßgeblichen Merkmale sämtlich von unterschiedlicher Bedeutung sind.

Nach Auffassung des Senats kommt für eine Untätigkeitsklage aufgrund des eingeschränkten Streitgegenstandes und des mit ihr verbundenen unterdurchschnittlichen anwaltlichen Arbeitsaufwands nur eine unter der Mittelgebühr angesiedelte Gebühr in Betracht. In der Rechtsprechung zur Bestimmung der angemessenen Betragsrahmengebühr bei einer Untätigkeitsklage findet sich der Ansatz der doppelten Mindestgebühr (80,- EUR , LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.06.2007, L 18 B 732/07 AS), der dreifachen Mindestgebühr (120,- EUR SG ,Hamburg, Beschluss vom 05.07.2006, S 58 AS 329/05), der vierfachen Mindestgebühr (160,- EUR, LSG Sachen, Beschl. v. 2.07.2004, L 2 B 73/03 AL-PKH), der halben Mittelgebühr (125,- EUR, SG Marburg, Beschluss vom 14.02.2008, S 6 KR 72/07), von 60% der Mittelgebühr (150,- EUR, SG Hamburg , Beschluss vom 21.03.2007, S 61 AS 1905/06) oder von 75% der Mittelgebühr (187,50 EUR, SG Dortmund, Beschluss vom 15.05.2006, S 6 KN 2/05). Zur Überzeugung des Senats ist bei einer durchschnittlichen Untätigkeitsklage nach § 88 SGG der Ansatz der doppelten Mindestgebühr, d. h. von 80,- EUR, gerechtfertigt. Bei einer Untätigkeitsklage, die sich wie im vorliegenden Fall nach Klageerhebung in kurzer Zeit durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes unstreitig erledigt, handelt es sich im Vergleich zu den übrigen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen um ein deutlich unterdurchschnittliches Verfahren.

Eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG hat für einen Kläger aufgrund ihres eingeschränkten Streitgegenstands nur erheblich unterdurchschnittliche Bedeutung. Gegenstand einer Untätigkeitsklage ist allein die Vornahme eines Verwaltungsaktes gleich welchen Inhalts. Sie zielt nur auf die Erzwingung des Fortgangs des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens ab. Die begehrte Sachentscheidung kann mit der Untätigkeitsklage nicht erreicht werden. Daher hat die Untätigkeitsklage für einen Kläger in aller Regel weniger Bedeutung als die übrigen Klage- und Antragsverfahren, die auf ein konkretes materielles Ziel ausgerichtet sind. Entgegen der Auffassung des SG ist die Bedeutung der von der Klägerin erstrebten positiven Bescheidung für die nach § 14 RVG vorzunehmende Kostenfestsetzung ohne Bedeutung ( so auch SG Berlin , Beschluss vom 01.12.2004, S 54 AL 4073/04; SG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2007, S 25 SF 20/06; VG Bremen , Beschluss vom 06.03.2008, S 8 E 694/08, a.A. SG Dortmund, Beschluss vom 15.0.52004, S 6 KN 2/05). Denn bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit i.S.v. § 14 RVG ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, nicht aber auf die mittelbaren Auswirkungen oder Fernwirkungen abzustellen. Daher ist bei einer Untätigkeitsklage das Interesse eines Klägers an der Abwehr oder dem Erlass eines Verwaltungsaktes nicht in die Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit mit einzubeziehen. Entscheidend ist allein, dass im Gegensatz zu den sonstigen Verfahren mit der Untätigkeitsklage nur ein Tätigwerden der Verwaltung als solches erreicht werden kann. Demgegenüber sind die sonstigen Klage- oder Antragsverfahren auf ein konkretes Ziel ausgerichtet, also materiell erfolgsorientiert. Soweit ein Kläger die Verpflichtung einer Behörde zu einem bestimmten Handeln begehrt, muss er andere Rechtschutzmöglichkeiten als die Untätigkeitsklage, z. B. ein Verfahren nach § 86b Abs. 2 SGG, ergreifen.

Ebenfalls sind der Umfang und die Schwierigkeit einer anwaltlichen Tätigkeit bei einer durch Erlass des begehrten Verwaltungsaktes ohne gerichtliche Entscheidung beendeten Untätigkeitsklage als erheblich unterdurchschnittlich einzustufen. Der anfallende anwaltliche Arbeitsaufwand ist grundsätzlich gering. Er beschränkt sich auf die Fristüberwachung, die Fertigung der Klageschrift sowie die Erledigungsanzeige. Die materielle Rechtslage hinsichtlich des Inhalts des begehrten Bescheides braucht vom Rechtsanwalt weder geprüft noch dargelegt zu werden. Auch handelt es sich bei der Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG um eine anwaltliche Tätigkeit einfacher Art. Es ist weder die Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen noch mit medizinischen Unterlagen und Gutachten, die in sozialgerichtlichen Verfahren typisch ist, erforderlich. In der Regel bedarf es lediglich der Prüfung, ob über den Antrag oder den Widerspruch nicht innerhalb der Sperrfrist von sechs bzw.drei Monaten entschieden worden ist und es an einem zureichenden Grund für die Untätigkeit der Behörde fehlt. Die Prüfung des Vorliegens eines zureichenden Grundes i.S.v. § 88 Abs. 1 SGG ist in der Regel auch einfach. Ein relevantes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts, das nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG zu berücksichtigen wäre , ist nicht ersichtlich. Betriebswirtschaftliche Erwägungen sind bei der Gebührenbemessung nach § 14 RVG nicht zu berücksichtigen, ablehnend: VG Bremen, Beschluss vom 03.12.2007, S 8 E 1976/07 (a.A. anscheinend SG Marburg, Beschl. v. 14.02.2008, S 6 KR 72/07). Denn der vom Gesetzgeber vorgegebene Gebührenrahmen für eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 40,00 bis 460,00 EUR ist bei der Bestimmung der Gebühr voll auszuschöpfen und damit auch der untere Rahmen. Bei seinen Erwägungen hat der Senat berücksichtigt, dass Verfahren, die einen materiellen Anspruch des Klägers zum Gegenstand haben, auch eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr auslösen können.

Im vorliegenden Fall sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die den Ansatz einer höheren Gebühr als von 80,00 EUR rechtfertigen. Die Untätigkeitsklage war offensichtlich begründet, da ein Grund für die Nichtbescheidung durch die Beklagte nicht ersichtlich war und auch von der Beklagte nicht vorgetragen wurde. Die prozessuale Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten beschränkte sich auf die Fertigung der (zweiseitigen) Klageschrift, einer (einseitigen) Stellungnahme zur Beteiligtenstellung der Beklagten und der Abgabe der prozessbeendenden Erledigungserklärung nach Erhalt des Widerspruchsbescheides. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin sind auch eher unterdurchschnittlich.

Weitere Gebühren sind nicht angefallen. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG ist nicht entstanden. Danach fällt eine sog. "fiktive Terminsgebühr" bei Beendigung eines erstinstanzlichen Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis an. Mit dem Rechtsbegriff "angenommenes Anerkenntnis " ist die Erledigung nach § 101 Abs. 2 SGG gemeint. Die Beendigung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes und der darauffolgenden (einseitigen) Erledigungserklärung des Klägers ist nicht als angenommenes Anerkenntnis i.S.v. § 101 Abs. 2 SGG zu werten (vgl. SG Marburg, Beschluss vom 14.02.2008, S 6 KR 72/07; SG Aachen, Beschluss vom 11.05.2007, S 13 KR 29/06). Die Erledigung eines Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis i.S.v. § 101 Abs. 2 SGG setzt voraus, dass ein Beteiligter einen prozessualen Anspruch durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht anerkennt (BSG, Beschluss vom 21.06.2000, B 12 RJ 3/00 B; Urteil vom 22.06.1989, 4 RA 44/88) und der andere Beteiligte das Anerkenntnis durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht annimmt. Bei einer Untätigkeitsklage tritt die Erledigung demgegenüber durch den Erlass des begehrten Bescheides und der Abgabe einer Erledigungserklärung nach § 88 Abs. 1 S. 3 SGG ein. Durch die außergerichtliche Handlung eines Beteiligten den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes wird die Erledigung der Hauptsache bewirkt und damit entfällt das Rechtschutzbedürfnis der Klage (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 88 Rdz.10 f). Die Klage wird nach dem Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses durch die (einseitige) Erledigungserklärung des Klägers beendet. Vorliegend erließ die Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid am 03.04.2007 und erklärte die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 10.04.2007 den Rechtstreit erledigt. Diese Erledigungsart steht folglich einem angenommenen Anerkenntnis nicht gleich.

Auch die Tatsache, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.04.2007 ein Kostengrundanerkenntnis ohne Erläuterung und Einschränkung abgegeben hat, führt nicht zur Entstehung einer Terminsgebühr. Zum einen ist das Kostengrundanerkenntnis nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens erklärt und angenommen worden. Zum anderen folgt der Senat nicht der in Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass ein Anerkenntnis im Rechtssinne bei einer Untätigkeitsklage vorliegt, wenn die Sperrfrist des § 88 SGG abgelaufen ist und die Beklagte zusätzlich zum Erlass des Bescheides, ohne durch ein Kostengrundanerkenntnis ohne Einschränkung und Erläuterung, uneingeschränkt zugesteht, dass sie keinen zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung hatte (SG Köln, Beschluss vom 02.11.2007, S 6 AS 231/06). Falls eine Beklagte einen Klageanspruch im prozessrechtlichen Sinn anerkennen und insoweit den Rechtstreit erledigen will, muss dies klar und unzweideutig zum Ausdruck kommen (BSG, Urteil vom 27.01.1982, 9a/9 RV 30/81). Mit der Abgabe eines Kostengrundanerkenntnisses erkennt eine Beklagte nur den Anspruch auf Kostenerstattung dem Grunde nach an; diese Erklärung enthält aber keine Aussage bezüglich des Klageanspruchs, auch nicht konkludent.

Ebensowenig ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG angefallen. Nach Nr. 1002 VV RVG, deren tatbestandliche Voraussetzungen auch bei Nr. 1005 und Nr. 1006 VV RVG zu berücksichtigen sind, entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtsache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch anwaltliche Tätigkeit erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtsache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt. Nr. 1002 VV RVG gilt in außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren, deren Gegenstand ein begehrter oder ein mit einem Rechtsbehelf angefochtener oder abgelehnter Verwaltungsakt ist (siehe Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., VV 1002 Rdz. 2). Auf eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG, deren Gegenstand nicht ein Verwaltungsakt, sondern die bloße Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs ist, ist der Gebührentatbestand der Nr. 1002 VV RVG daher grundsätzlich nicht anwendbar (a.A. SG Nürnberg, Beschluss vom 04.10.2006, S 3 R 288/05 KO). Auch erfordert der Anfall einer Erledigungsgebühr ein qualifiziertes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das auf den Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung abzielt. Als Mitwirkungshandlungen reichen weder die Einlegung und die Begründung einer Klage, die Stellungnahme auf eine gerichtliche Anfrage, noch die bloße Erledigungserklärung aus (vgl. BSG, Urteile vom. 7.11.2006, B 1 KR 13/06 R m.w.N., Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 53/06 R). Diese auf den Erfolg in der Sache gerichteten Verfahrenshandlungen werden durch die Tätigkeitsgebühren, vorliegend die Verfahrensgebühr, abgegolten. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die beigeordnete Rechtsanwältin vorliegend über diese mit der Tätigkeitsgebühr abgegoltene Prozessführung hinausgehende Tätigkeiten entfaltet hat.

Zusätzlich sind Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR und nach Nr. 7008 VV RVG von 19,00 EUR entstanden.

Zusammenfassend berechnen sich die von der Beklagten zu erstattenden Kosten wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 80,00 EUR
Dokumentenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 19,00 EUR

Gesamtvergütung 119,00 EUR

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§§ 59 Abs. 4 RVG, 66 Abs. 8 GKG)

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 59 Abs. 4 RVG, 66 Abs. 3 S. 3 GKG)
Rechtskraft
Aus
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