Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 5869/06 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 R 985/07 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.01.2007 dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 14.11.2006 auf 591,00 EUR festgesetzt wird.
2. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdegegner ist im September 2006 vom Sozialgericht Karlsruhe (SG) in dem Hauptsacheverfahren S 2 R 3802/05, in welchem es um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geht, mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt worden. Er hat am 20.11.2006 sein 16-seitiges Gutachten vom 14.11.2006 (27.900 Zeichen) vorgelegt. Abweichend von der mit dem Land Baden-Württemberg nach § 14 des Justizvergütungs- und entschädigungsgesetzes (JVEG) abgeschlossenen Honorarvereinbarung hat er ein Honorar von 1140,00 Euro geltend gemacht. Hierbei hat er einen Zeitaufwand von 16,5 Stunden bei einem Stundensatz von 60 Euro je Stunde angegeben (8 Stunden Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, 2,75 Stunden Anamnese und Untersuchung, 1 Stunde Abfassung und Diktat von Anamnese und Befunden, 3,25 Stunden Beurteilung und Beantwortung von Beweisfragen, 1,25 Stunden Korrektur). Außerdem hat er Schreibauslagen in Höhe von 21,00 Euro, Kopierkosten (36 Seiten) in Höhe von 18,00 Euro sowie Porto und Telefongebühren in Höhe von 12,00 Euro geltend gemacht.
Abweichend von diesem Kostenantrag hat die Kostenbeamtin die Vergütung auf insgesamt 591,00 Euro festgesetzt, wobei sie die Pauschalentschädigung gemäß Ziff. I Abs. 1 Buchst. b der Honorarvereinbarung in Höhe von 540,00 Euro für ein schwieriges Gutachten (M 2) zugrunde gelegt und den Antragsteller im Übrigen antragsgemäß entschädigt hat.
Deswegen hat der Antragsteller am 08.12.2006 die richterliche Festsetzung beantragt. Er sei von der Honorarvereinbarung abgewichen, weil ein außergewöhnlicher Zeitaufwand bei einer außergewöhnlichen Schwierigkeit des Gutachtens vorgelegen habe. Die ihm überlassenen Aktenunterlagen hätten fast 1000 Seiten umfasst, wovon die Hälfte mit rein medizinischem Inhalt gewesen sei. Allein für das Studium der Aktenunterlagen habe er daher 8 Stunden benötigt. Er habe außerdem als erster Gutachter in seinem Gutachten das Erfordernis arbeitsunüblicher Pausen begründet, was das Gutachten weiter erschwert habe. Schließlich habe er erstmalig geklärt, worum es sich bei der von ihm diagnostizierten Peritonealdialyse im Fall des Klägers handele.
Der Kostenrichter des SG hat die Vergütung für das Gutachten vom 14.11.2006 auf 949,00 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Antragsteller zu Recht von der mit dem Land Baden-Württemberg abgeschlossenen Honorarvereinbarung abgewichen sei. Die in Ziff. I Abs. 2 der Honorarvereinbarung vorgesehene Entschädigung nach den tatsächlich aufgewandten Stunden setze wegen der besonderen Schwierigkeit einen außergewöhnlichen Zeitaufwand voraus, der vorliegend bestanden habe. Es sei hierfür jedoch nicht Voraussetzung, dass der Sachverständige ein sehr schwieriges Gutachten im Sinne der Ziff. 1 Abs. 1 Buchst. a der Honorarvereinbarung entsprechend der Vergütungsgruppe M 3 erstellt habe. Vielmehr genüge es, dass mit der Gutachtenserstellung solche besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen seien, die deshalb einen außergewöhnlichen Zeitaufwand erfordert hätten. Der Hinweis in Ziff. I Abs. 2 der Honorarvereinbarung "statt der Entschädigung nach Abs. 1 Buchst. a" bedeute vielmehr, dass der Entschädigungsanspruch des Sachverständigen in diesen Fällen nicht durch den in Ziff. I. Abs. 1 Buchst. a genannten Betrag (730,00 Euro) begrenzt sei. Die besondere Schwierigkeit des vorliegenden Gutachtens habe in der großen Anzahl der überlassenen Aktenunterlagen (insgesamt rund 880 Blatt) und der großen Anzahl medizinischer Unterlagen gelegen. Die Vergütung sei daher nach den Stundensätzen des JVEG und entsprechend der Rechtssprechung des Kostensenats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (und der Hinweis auf den Beschluss vom 22.09.2004- L 12 RJ 3686/04 KO-A) in Höhe eines Zeitaufwandes von 15 Stunden festzusetzen; für die weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses vom 16.01.2007 Bezug genommen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 30.01.2007 bekanntgegeben.
Am 01.02.2007 hat der Antragsgegner beantragt, die Entschädigung für das Gutachten des Antragsstellers auf 591,00 Euro zu begrenzen. Der Sachverständige selbst habe sein Gutachten in der beanstandeten Liquidation vom 14.01.2006 in die Honorargruppe M 2 eingestuft. Damit habe er lediglich Anspruch auf die pauschale Entschädigung nach Ziff. I Nr. 1 Buchst. b der Honorarvereinbarung von 540,00 Euro. Das Abweichen wegen einer besonderen Schwierigkeit von der Honorarvereinbarung setzte das Vorliegen der Voraussetzungen der Honorargruppe M 3 voraus.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen. II.
Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.6.2004 an den Antragsteller erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).
Vorliegend entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG der Senat, weil der Berichterstatter ihm die Sache übertragen hat.
Auszugehen ist für die Vergütung vorliegend von der gemäß § 14 JVEG geschlossenen Kostenvereinbarung vom 04.05.2006, welche in ihren drei pauschalen Vergütungsgruppen auf die drei gesetzlichen Honorargruppen des JVEG, M 1 bis M 3, Bezug nimmt. Bei der Anwendung der Kostenvereinbarung ist daher zunächst auf die Definition der gesetzlichen Honorargruppen abzustellen, deren Anwendung auf den Sachverhalt die pauschale Vergütung nach der Vereinbarung auslöst. Erst wenn feststeht, dass wegen besonderer Schwierigkeiten ein außergewöhnlicher Zeitaufwand entstanden ist, kann nach der Ziffer I Abs. 2 der Vereinbarung anstelle der pauschalen Vergütung eine an den tatsächlich aufgewandten Stunden orientierte Entschädigung nach dem JVEG verlangt werden.
Medizinische Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist. In Anlage 1 des JVEG werden die medizinischen Gutachten ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend in die bereits genannten drei Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 eingeteilt, wobei sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert hat und die Vergütung damit aufwandsbezogen gestaltet haben will (BTDrs. 15/1971 Seite 186).
In seinem Beschluss vom 22.9.2004, L 12 RJ 3686/04 KO-A hat der Senat ausgeführt, dass aus Gründen der Praktikabilität und angesichts unvollständiger gesetzlicher Regelung die bisherige Kostenrechtsprechung auf das neue Recht ergänzend und konkretisierend zu übertragen ist.
Es gilt daher:
Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (50 EUR) sind medizinische Gutachten, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten (Anhaltspunkte) oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa • augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie • Gutachten unabhängig vom Sachgebiet (also auch die unten genannten "Zustandsgutachten") ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung - z.B. bei einer Monoverletzung - im Wesentlichen auf Zustand oder Funktion eines Organs (Organpaares) bzw. Körperteiles gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.
Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (60 EUR) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit sind solche, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich • vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts/SGB IX und • die Leidensbesserungen oder -verschlimmerungen bei Neufeststellungen in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind sowie • Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit; Izbicki/Neumann/Spohr, Unfallbegutachtung) orientiert. Hierzu gehören dann auch die in der Anlage 1 des JVEG aufgeführten, im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit zwar denkbaren, aber kaum anzutreffenden Gutachten zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen)
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 (85 EUR) liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier • Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinandersetzen sowie • Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. In diese Honorargruppe gehören auch die in der Anlage 1 des JVEG beispielhaft aufgeführten Gutachten in Verfahren nach dem HHG, zur Geschäfts- oder Prozessfähigkeit und Gutachten zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit, sofern der eingangs dargestellte hohe Schwierigkeitsgrad vorliegt.
Maßgebliches Kriterium für die Einstufung des Gutachtens in eine der Honorargruppen ist die Einstufung, welche der Antragsteller selbst vornimmt. Der Antragsteller hat hier die Honorargruppe M 2 zugrunde gelegt, wobei anhand der oben geschilderten Einordnungskriterien keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Bewertung bestehen.
Die Honorarvereinbarung sieht für ein solches Gutachten der Honorargruppe M 2 eine pauschale Vergütung von 540 EUR vor. Da bei der Wahl der Honorargruppe bereits Umstände zu berücksichtigen sind, die zu einer besonderen Schwierigkeit bei der Erstellung des Gutachtens geführt haben, ist jedoch nach einer Festlegung des Gutachters auf die Honorargruppe M 2 der Weg, über Ziff. I Abs. 2 der Honorarvereinbarung eine Vergütung nach dem JVEG zu erreichen, verschlossen (vgl. auch Beschluss des Senats vom 17.02.2007 - L 12 R 5069/06 KO-A -).
Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut in Ziff. I Abs. 2 der Vereinbarung, sondern auch der durch die Honorarvereinbarung beabsichtigte Zweck einer Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung. Dieser Zweck würde erschwert, wenn bei allen der genannten Honorargruppen die Bejahung besonderer Umstände dazu führen könnte, eine Vergütung nach dem JVEG herbeizuführen.
Deswegen sind Antragsteller grundsätzlich darauf zu verweisen, nach dem Abschluss einer Honorarvereinbarung die Gründe für das Vorliegen eines sehr schwierigen Gutachtens darzulegen, wenn eine Vergütung nach dem JVEG erfolgen soll. Denn es wäre widersprüchlich, in Ziff. I Abs. 1 eine besondere Schwierigkeit zu verneinen, diese aber in Abs. 2 der Vorschrift dann wiederum zu bejahen. Auch die Auslegung der Honorarvereinbarung nach dem objektiven Erklärungshorizont eines Durchschnittsempfängers muss daher dazu führen, dass die Vergütung nach dem JVEG bei bestehender Honorarvereinbarung ein Gutachten der Honorargruppe M 3 voraussetzt.
Das Gutachten vom 14.11.2006 ist daher im von der Kostenbeamtin festgestellten Umfang von 591,00 EUR zutreffend vergütet worden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
2. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdegegner ist im September 2006 vom Sozialgericht Karlsruhe (SG) in dem Hauptsacheverfahren S 2 R 3802/05, in welchem es um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geht, mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt worden. Er hat am 20.11.2006 sein 16-seitiges Gutachten vom 14.11.2006 (27.900 Zeichen) vorgelegt. Abweichend von der mit dem Land Baden-Württemberg nach § 14 des Justizvergütungs- und entschädigungsgesetzes (JVEG) abgeschlossenen Honorarvereinbarung hat er ein Honorar von 1140,00 Euro geltend gemacht. Hierbei hat er einen Zeitaufwand von 16,5 Stunden bei einem Stundensatz von 60 Euro je Stunde angegeben (8 Stunden Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, 2,75 Stunden Anamnese und Untersuchung, 1 Stunde Abfassung und Diktat von Anamnese und Befunden, 3,25 Stunden Beurteilung und Beantwortung von Beweisfragen, 1,25 Stunden Korrektur). Außerdem hat er Schreibauslagen in Höhe von 21,00 Euro, Kopierkosten (36 Seiten) in Höhe von 18,00 Euro sowie Porto und Telefongebühren in Höhe von 12,00 Euro geltend gemacht.
Abweichend von diesem Kostenantrag hat die Kostenbeamtin die Vergütung auf insgesamt 591,00 Euro festgesetzt, wobei sie die Pauschalentschädigung gemäß Ziff. I Abs. 1 Buchst. b der Honorarvereinbarung in Höhe von 540,00 Euro für ein schwieriges Gutachten (M 2) zugrunde gelegt und den Antragsteller im Übrigen antragsgemäß entschädigt hat.
Deswegen hat der Antragsteller am 08.12.2006 die richterliche Festsetzung beantragt. Er sei von der Honorarvereinbarung abgewichen, weil ein außergewöhnlicher Zeitaufwand bei einer außergewöhnlichen Schwierigkeit des Gutachtens vorgelegen habe. Die ihm überlassenen Aktenunterlagen hätten fast 1000 Seiten umfasst, wovon die Hälfte mit rein medizinischem Inhalt gewesen sei. Allein für das Studium der Aktenunterlagen habe er daher 8 Stunden benötigt. Er habe außerdem als erster Gutachter in seinem Gutachten das Erfordernis arbeitsunüblicher Pausen begründet, was das Gutachten weiter erschwert habe. Schließlich habe er erstmalig geklärt, worum es sich bei der von ihm diagnostizierten Peritonealdialyse im Fall des Klägers handele.
Der Kostenrichter des SG hat die Vergütung für das Gutachten vom 14.11.2006 auf 949,00 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Antragsteller zu Recht von der mit dem Land Baden-Württemberg abgeschlossenen Honorarvereinbarung abgewichen sei. Die in Ziff. I Abs. 2 der Honorarvereinbarung vorgesehene Entschädigung nach den tatsächlich aufgewandten Stunden setze wegen der besonderen Schwierigkeit einen außergewöhnlichen Zeitaufwand voraus, der vorliegend bestanden habe. Es sei hierfür jedoch nicht Voraussetzung, dass der Sachverständige ein sehr schwieriges Gutachten im Sinne der Ziff. 1 Abs. 1 Buchst. a der Honorarvereinbarung entsprechend der Vergütungsgruppe M 3 erstellt habe. Vielmehr genüge es, dass mit der Gutachtenserstellung solche besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen seien, die deshalb einen außergewöhnlichen Zeitaufwand erfordert hätten. Der Hinweis in Ziff. I Abs. 2 der Honorarvereinbarung "statt der Entschädigung nach Abs. 1 Buchst. a" bedeute vielmehr, dass der Entschädigungsanspruch des Sachverständigen in diesen Fällen nicht durch den in Ziff. I. Abs. 1 Buchst. a genannten Betrag (730,00 Euro) begrenzt sei. Die besondere Schwierigkeit des vorliegenden Gutachtens habe in der großen Anzahl der überlassenen Aktenunterlagen (insgesamt rund 880 Blatt) und der großen Anzahl medizinischer Unterlagen gelegen. Die Vergütung sei daher nach den Stundensätzen des JVEG und entsprechend der Rechtssprechung des Kostensenats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (und der Hinweis auf den Beschluss vom 22.09.2004- L 12 RJ 3686/04 KO-A) in Höhe eines Zeitaufwandes von 15 Stunden festzusetzen; für die weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses vom 16.01.2007 Bezug genommen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 30.01.2007 bekanntgegeben.
Am 01.02.2007 hat der Antragsgegner beantragt, die Entschädigung für das Gutachten des Antragsstellers auf 591,00 Euro zu begrenzen. Der Sachverständige selbst habe sein Gutachten in der beanstandeten Liquidation vom 14.01.2006 in die Honorargruppe M 2 eingestuft. Damit habe er lediglich Anspruch auf die pauschale Entschädigung nach Ziff. I Nr. 1 Buchst. b der Honorarvereinbarung von 540,00 Euro. Das Abweichen wegen einer besonderen Schwierigkeit von der Honorarvereinbarung setzte das Vorliegen der Voraussetzungen der Honorargruppe M 3 voraus.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen. II.
Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.6.2004 an den Antragsteller erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).
Vorliegend entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG der Senat, weil der Berichterstatter ihm die Sache übertragen hat.
Auszugehen ist für die Vergütung vorliegend von der gemäß § 14 JVEG geschlossenen Kostenvereinbarung vom 04.05.2006, welche in ihren drei pauschalen Vergütungsgruppen auf die drei gesetzlichen Honorargruppen des JVEG, M 1 bis M 3, Bezug nimmt. Bei der Anwendung der Kostenvereinbarung ist daher zunächst auf die Definition der gesetzlichen Honorargruppen abzustellen, deren Anwendung auf den Sachverhalt die pauschale Vergütung nach der Vereinbarung auslöst. Erst wenn feststeht, dass wegen besonderer Schwierigkeiten ein außergewöhnlicher Zeitaufwand entstanden ist, kann nach der Ziffer I Abs. 2 der Vereinbarung anstelle der pauschalen Vergütung eine an den tatsächlich aufgewandten Stunden orientierte Entschädigung nach dem JVEG verlangt werden.
Medizinische Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist. In Anlage 1 des JVEG werden die medizinischen Gutachten ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend in die bereits genannten drei Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 eingeteilt, wobei sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert hat und die Vergütung damit aufwandsbezogen gestaltet haben will (BTDrs. 15/1971 Seite 186).
In seinem Beschluss vom 22.9.2004, L 12 RJ 3686/04 KO-A hat der Senat ausgeführt, dass aus Gründen der Praktikabilität und angesichts unvollständiger gesetzlicher Regelung die bisherige Kostenrechtsprechung auf das neue Recht ergänzend und konkretisierend zu übertragen ist.
Es gilt daher:
Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (50 EUR) sind medizinische Gutachten, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten (Anhaltspunkte) oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa • augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie • Gutachten unabhängig vom Sachgebiet (also auch die unten genannten "Zustandsgutachten") ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung - z.B. bei einer Monoverletzung - im Wesentlichen auf Zustand oder Funktion eines Organs (Organpaares) bzw. Körperteiles gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.
Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (60 EUR) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit sind solche, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich • vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts/SGB IX und • die Leidensbesserungen oder -verschlimmerungen bei Neufeststellungen in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind sowie • Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit; Izbicki/Neumann/Spohr, Unfallbegutachtung) orientiert. Hierzu gehören dann auch die in der Anlage 1 des JVEG aufgeführten, im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit zwar denkbaren, aber kaum anzutreffenden Gutachten zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen)
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 (85 EUR) liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier • Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinandersetzen sowie • Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. In diese Honorargruppe gehören auch die in der Anlage 1 des JVEG beispielhaft aufgeführten Gutachten in Verfahren nach dem HHG, zur Geschäfts- oder Prozessfähigkeit und Gutachten zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit, sofern der eingangs dargestellte hohe Schwierigkeitsgrad vorliegt.
Maßgebliches Kriterium für die Einstufung des Gutachtens in eine der Honorargruppen ist die Einstufung, welche der Antragsteller selbst vornimmt. Der Antragsteller hat hier die Honorargruppe M 2 zugrunde gelegt, wobei anhand der oben geschilderten Einordnungskriterien keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Bewertung bestehen.
Die Honorarvereinbarung sieht für ein solches Gutachten der Honorargruppe M 2 eine pauschale Vergütung von 540 EUR vor. Da bei der Wahl der Honorargruppe bereits Umstände zu berücksichtigen sind, die zu einer besonderen Schwierigkeit bei der Erstellung des Gutachtens geführt haben, ist jedoch nach einer Festlegung des Gutachters auf die Honorargruppe M 2 der Weg, über Ziff. I Abs. 2 der Honorarvereinbarung eine Vergütung nach dem JVEG zu erreichen, verschlossen (vgl. auch Beschluss des Senats vom 17.02.2007 - L 12 R 5069/06 KO-A -).
Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut in Ziff. I Abs. 2 der Vereinbarung, sondern auch der durch die Honorarvereinbarung beabsichtigte Zweck einer Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung. Dieser Zweck würde erschwert, wenn bei allen der genannten Honorargruppen die Bejahung besonderer Umstände dazu führen könnte, eine Vergütung nach dem JVEG herbeizuführen.
Deswegen sind Antragsteller grundsätzlich darauf zu verweisen, nach dem Abschluss einer Honorarvereinbarung die Gründe für das Vorliegen eines sehr schwierigen Gutachtens darzulegen, wenn eine Vergütung nach dem JVEG erfolgen soll. Denn es wäre widersprüchlich, in Ziff. I Abs. 1 eine besondere Schwierigkeit zu verneinen, diese aber in Abs. 2 der Vorschrift dann wiederum zu bejahen. Auch die Auslegung der Honorarvereinbarung nach dem objektiven Erklärungshorizont eines Durchschnittsempfängers muss daher dazu führen, dass die Vergütung nach dem JVEG bei bestehender Honorarvereinbarung ein Gutachten der Honorargruppe M 3 voraussetzt.
Das Gutachten vom 14.11.2006 ist daher im von der Kostenbeamtin festgestellten Umfang von 591,00 EUR zutreffend vergütet worden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
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