L 7 R 4068/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 3376/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 4068/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die am 1956 in K., damalige UdSSR, geborene Klägerin hatte dort in der Zeit vom 1. September 1974 bis 4. März 1977 eine Berufsausbildung zum sog. Feldscher absolviert. Anschließend war sie zunächst als Kinderkrankenschwester, ab 2. November 1978 bis zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland als Feldscher in der Unfallstation eines Krankenhauses tätig. Nach Übersiedlung in die Bundesrepublik war sie ab 15. Januar 1990 als Krankenschwester in der Inneren Abteilung der Klinik am E. in G. beschäftigt. Ab dem 11. März 2002 war sie wegen lumbaler Wirbelsäulenbeschwerden ohne neurologische Ausfälle arbeitsunfähig in dieser Tätigkeit, bezog zunächst Krankengeld bis 20. August 2003, anschließend Leistungen der Bundesagentur für Arbeit wegen Arbeitslosigkeit, ab 2005 Arbeitslosengeld II.

Am 7. Juli 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wegen der bekannten Bandscheibenvorfälle sowie wegen einer Schultergelenkserkrankung. Nach Heranziehung eines orthopädischen Fachgutachtens, das im Rahmen eines Antrages auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von Dr. F. am 27. Oktober 2004 erstattet worden war, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 2005 ab, da eine Erwerbsminderung nicht vorliege. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, den diese mit orthopädischen und psychischen Beschwerden begründete, holte die Beklagte entsprechende Fachgutachten ein. Orthopäde Dr. K. beschrieb im Gutachten vom 12. Juli 2005 ein chronisch rezidivierendes Cervical- und LWS-Syndrom, Supraspinatus-Impingement an der rechten Schulter, mit Teilruptur der Rotatorenmanschette, Cox- und Gonarthrose. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester könne die Klägerin nicht mehr ausüben. Hingegen seien der Klägerin leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ohne schweres Heben und Tragen, einseitige Körperhaltung und häufiges Bücken mehr als sechs Stunden täglich zumutbar. Aufgrund einer Untersuchung am 15. Juli 2005 diagnostizierte der nervenärztliche Gutachter Dr. P. im Gutachten vom 18. Juli 2005 eine Dysthymie sowie ein chronisches Wirbelsäulen- und Schmerzsyndrom des Bewegungsapparates ohne neurologische Ausfälle; seitens des neurologischen und psychiatrischen Fachgebietes ergäben sich keine Leistungseinschränkungen, die über die bereits orthopädisch festgestellten hinausgingen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin könne zwar ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten; nach den medizinischen Feststellungen seien jedoch Tätigkeiten als Krankschwester in Kurheimen oder Sanatorien mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Daher bestehe weder volle noch teilweise Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit.

Hiergegen hat die Klägerin am 28. Oktober 2005 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin, Dr. Scho. und Dr. Ha., als sachverständige Zeugen vernommen; auf Bl. 26/29 und 31/32 der SG-Akte wird insoweit Bezug genommen. In einem gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten nervenärztlichen Gutachten hat Dr. Di. unter dem 18. April 2006 eine Dysthymie sowie ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit beschrieben; des Weiteren bestehe ein Tinnitus unklare Genese. Der Klägerin seien körperlich leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die geistig-psychische Belastbarkeit ohne zeitliche Einschränkung zumutbar. Die Klägerin sei danach noch in der Lage, administrative bzw. dokumentationsbezogene Aufgaben im Bereich des Gesundheitswesens durchzuführen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester sei nicht mehr möglich. Die Klägerin ist dieser Einschätzung durch Vorlage einer weiteren Stellungnahme der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. Ha. vom 17. Mai 2006 entgegengetreten (Bl. 70 der SG-Akten). Des Weiteren hat die behandelnde Ärztin A.-R. trotz eines gemäß § 109 SGG erteilten Gutachtensauftrages mit nachträglicher Genehmigung der Klägerin unter dem 11. November 2006 einen ausführlichen Befundbericht vorgelegt.

Mit Urteil vom 6. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Den im Widerspruchs- und Klageverfahren erstellten Gutachten folgend, sei die Klägerin noch in der Lage eine Tätigkeit als Krankenschwester in Kurheimen und Sanatorien sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es liege daher weder Berufsunfähigkeit noch verminderte Erwerbsfähigkeit vor.

Gegen das ihr am 3. August 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. August 2007 Berufung eingelegt, mit der sie nur noch einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verfolgt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe zu Unrecht die Leistungseinschätzung der Allgemeinmedizinerin A.-R. unbeachtet gelassen, die den Gesundheitszustand der Klägerin als langjährig behandelnde Ärztin besser beurteilen könne. Des Weiteren habe die behandelnde Neurologin und Psychiaterin Dr. Ha. als Fachärztin unter Hinweis auf eine Dysthymie und eine schwere depressive Episode festgestellt, dass die Klägerin weder im erlernten Beruf noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Lage sei, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Das SG habe daher bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit nicht ausschließlich auf das Gutachten von Dr. Di. abstellen dürfen, ohne die Stellungnahme der behandelnden Ärztinnen zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Juli 2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2005 zu verurteilen, ihr ab 1. August 2004 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich beide Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 SGG).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG ist im angefochtenen Umfange zutreffend; das SG hat einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zutreffend verneint.

Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)). Nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).

Bei der Beurteilung dieser Fragen standen im Vordergrund zunächst die Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet. Hier liegen durchaus Gesundheitsstörungen vor, die sich auch auf das Leistungsvermögen der Klägerin auswirken. Jedoch sind sie noch nicht von einer solchen Schwere, dass sie dieses zumindest für leichte Tätigkeiten auch in zeitlicher Hinsicht einschränkten. Vielmehr reichen qualitative Ausschlüsse aus, um dem Leiden der Klägerin gerecht zu werden. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf das Gutachten von Dr. K. , das bereits im Verwaltungsverfahren erstattet worden war und im Wege des Urkundsbeweises im Gerichtsverfahren verwertet werden kann. Danach besteht bei der Klägerin ein chronisch-rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom an der Hals- und Lendenwirbelsäule. Während Dr. K. in seinem Gutachten noch von einem Wurzelreizsyndrom L5/S1 rechts ausging, da die Klägerin bei der Sensibilitätsprüfung hinsichtlich dieses Segments eine leichte Störung angegeben hatte, konnte eine solche Störung bei den Untersuchungen der neurologischen Fachärzte Dr. P. und Dr. Di. nicht mehr festgestellt werden. Das Zeichen nach Lasègue fand sich bei der Untersuchung durch Dr. K. positiv rechts bei 80°, links bei 90°; den Langsitz konnte die Klägerin jedoch einnehmen. Weitergehende sensible oder motorische neurologische Ausfallerscheinungen haben die mit der Klägerin befassten Ärzte, einschließlich des behandelnden Orthopäden, weder an den oberen noch den unteren Extremitäten feststellen können. Des Weiteren besteht bei der Klägerin an der rechten Schulter ein Supraspinatus-Impingement-Syndrom mit Teilruptur der Rotatorenmanschette. Bei der Prüfung der Beweglichkeit hat Dr. K. eine Einschränkung in der Elevation feststellen können, die nur bis 90° möglich war. Bei der Abduktion fand sich ein sog. schmerzhafter Bogen von 80-110°. Schlüssig legt Dr. K. dar, dass angesichts dieser Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nur noch leichte körperliche Arbeiten zugemutet werden können. Häufiges Bücken sowie einseitige Körperhaltungen sind seitens der Wirbelsäule, schweres Heben und Tragen auch seitens der Schulter ausgeschlossen. Ob angesichts der Schädigung im rechten Schultergelenk und der hier festgestellten Bewegungseinschränkungen Überkopfarbeiten noch zumutbar sind, kann der Senat offen lassen, da dies zu keiner relevanten Einschränkung der Einsetzbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen würde. Nachvollziehbar hat Dr. K. dargelegt, dass darüber hinaus eine Einschränkung des Leistungsvermögens insbesondere in zeitlicher Hinsicht durch diese Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu begründen ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erhebungen und Einschätzungen des Verwaltungsgutachters nicht zuträfen, sieht der Senat nicht. Insbesondere hat auch der behandelnde orthopädische Facharzt keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen oder Leistungseinschränkungen dargelegt.

Hinsichtlich des psychiatrischen Fachgebietes geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin eine Dysthymie vorliegt, mithin eine chronifizierte leichte depressive Verstimmung, jedoch keine Störung schwereren Grades. Der Senat stützt sich dabei auf das in erster Instanz eingeholte Fachgutachten von Dr. Di. sowie auf das im Verwaltungsverfahren erstattete Gutachten von Dr. P ... Die Gutachter haben ihre Leistungsbeurteilungen für den Senat schlüssig und überzeugend aus den umfangreich erhobenen und im Einzelnen dargestellten Befunden gefolgert. Die abweichende Leistungseinschätzung der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. Ha. vermag den Senat nicht zu überzeugen. Wiedergegeben wird lediglich ein knapper pathologischer Befund. Danach wirke die Klägerin gedrückt, depressiv; ein verringerter Antrieb und Grübeleien werden angegeben. Bei späterer Untersuchung wird ergänzt, die Klägerin wirke "etwas traurig, negativ gestimmt". Inwieweit noch eine affektive Resonanzfähigkeit gegeben ist, ob die Klägerin somit noch affizierbar und fähig ist, auf eine freundliche Umgebung emotional zu reagieren, wird nicht erörtert. Gerade dies konnte jedoch von Dr. Di. bei der Untersuchung der Klägerin noch festgestellt werden. Des Weiteren fällt bei den Stellungnahmen von Dr. Ha. auf, dass im Arztbrief vom 15. August 2005 über eine Vorstellung am 2. August 2005 entgegen den vorherigen ärztlichen Berichten, die Diagnose einer "leichten depressiven Episode" nicht mehr gestellt wird. In der Stellungnahme als sachverständige Zeugin vom 1. Dezember 2005 spricht die behandelnde Ärztin hingegen sogar von einer "schweren depressiven Episode", obwohl als letzte Vorstellung in dieser Stellungnahme gerade die am 2. August 2005 angegeben wird. In diesen Zeitraum fällt auch die Untersuchung bei Dr. P. im Verwaltungsverfahren (15. Juli 2005). Dieser hat hingegen ausdrücklich beschrieben, dass die Klägerin zwar melancholisch und dysthym wirke, jedoch emotional durchaus noch reagibel sei. Schwerwiegende depressive Hinweise konnte der Gutachter nicht erheben. Die Alltagsgestaltung war nicht wesentlich eingeschränkt, die Klägerin im Antrieb nur diskret reduziert. Auch Aufmerksamkeit und Konzentration, Einstellung und Umstellung waren nicht erschwert. Auch Dr. Di. konnte bei seiner Untersuchung noch einen weitgehend normalen Tagesablauf bei der Klägerin feststellen, auch wenn sich diese sozial etwas zurückgezogen hat. Des Weiteren hat Dr. Di. nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die von Dr. Ha. durchgeführte medikamentöse Behandlung keine adäquate antidepressive Therapie darstelle, insbesondere bei Annahme einer Störung schwereren Grades. Vergeben wird das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin® in einer täglichen Dosis von 6,25mg. Nach der Darstellung von Dr. Di. wird hierdurch allenfalls ein gewisser Schlaf anstoßender Effekt erzielt, während eine tatsächliche antidepressive Wirkung erst bei einer Dosierung von 75-175mg zu erwarten wäre. Bei einer Unverträglichkeit solcher Medikamente könne eine Umstellung auf Antidepressiva erfolgen, die ein anderes Nebenwirkungsprofil als Trizyklika hätten, z.B. solche mit dualem Wirkungsprinzip oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In der Bescheinigung vom 17. Mai 2006 hat Dr. Ha. diesbezüglich mitgeteilt, dass eine Umstellung der Medikation zwar versucht, wegen Nebenwirkungen jedoch erfolglos geblieben sei. Versuche mit Maprolu®, einem tetrazyklischen Antidepressivum, sowie mit Mitrazapen®, einem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, seien abgebrochen worden, da die Klägerin diese nicht vertragen habe. Der Senat hält es gleichwohl nicht für nachvollziehbar, dass bei einer angeblichen schweren depressiven Episode keine weiteren Versuche der Umstellung der medikamentösen Therapie oder andere Therapieformen versucht wurden. Dass die tatsächlich vergebene Dosis des trizyklischen Antidepressivums tatsächlich nur einen Schlaf anstoßenden, aber keinen eigentlichen antidepressiven Effekt erzielt, hat auch Dr. Ha. nicht bestritten. Schließlich lässt sich der Darstellung von Dr. Ha. auch nicht im Einzelnen entnehmen, ob sie die ihrer Einschätzung zugrunde gelegten Angaben der Klägerin tatsächlich hinterfragt oder einer Objektivierung unterzogen hat. So beschreibt sie im Bericht vom 17. Mai 2006 ein Morgentief, das die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. Di. gerade nicht angegeben hatte. Des Weiteren werden von Dr. Ha. Konzentrationsstörungen angegeben. Dr. Di. hatte jedoch bereits in seinem Gutachten angegeben, dass die Klägerin das Konzentrationsvermögen subjektiv als vermindert erlebe, in der konkreten Untersuchungssituation jedoch in der Lage war, in einer mehr als einstündigen Exploration konzentriert und chronologisch über sich und ihre Biografie zu berichten. Angaben zum Tagesablauf fehlen in den Berichten und Stellungnahmen von Dr. Ha. vollständig. Auch eine eigentliche Interesseneinengung, die von Dr. Di. ausgeschlossen wurde, wird von Dr. Ha. nicht angegeben. Der Stellungnahme der behandelnden Allgemeinärztin A.-R. kann bereits nicht gefolgt werden, da diese Punkte von ihr nicht diskutiert werden, eingehende Befunde hat auch sie nicht mitgeteilt. Eine nachvollziehbare Trennung zwischen objektivierten Befunden und subjektiven Beschwerdeangaben findet sich in ihrer Darstellung ebenfalls nicht. Die abweichenden Stellungnahmen der behandelnden Ärztinnen sind daher nach der Auffassung des Senats nicht geeignet, die schlüssigen und gut begründeten Bewertungen und Leistungseinschätzungen der fachärztlichen Gutachter zu widerlegen. Der Senat hat sich aus diesen Gründen nicht veranlasst gesehen, ein weiteres nervenärztliches Gutachten einzuholen. Eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht wird somit durch die Funktionsbeeinträchtigung auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht begründet, so dass ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI nicht besteht.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen führen bei der Klägerin auch nicht zu einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI. Danach haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (Abs. 1). Berufsunfähig sind Versicherte deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 2).

Die Klägerin ist mit dem festgestellten Leistungsvermögen nicht mehr in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester auf einer Krankenhausstation zu verrichten, da dies z. B. beim Umbetten von Patienten mit dem Heben schwerer Lasten und häufigem Bücken verbunden ist. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Allerdings zieht dies nicht automatisch den Eintritt eines Leistungsfalles der Berufsunfähigkeit nach sich. Berufsunfähig ist nur, wer weder seine bisherige Tätigkeit noch eine ihm sozial zumutbare Verweisungstätigkeit ausüben kann. Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Berufstätigkeiten in Qualifikationsstufen unterteilt, die - in absteigender Folge - durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2200 § 1246 Nr. 39). Der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters ist zuzuordnen, wer einen anerkannten Ausbildungsbildungsberuf mit regelmäßig mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und bisher ausgeübt hat oder dessen tarifvertragliche Einordnung in eine Lohn- bzw. Gehaltsgruppe den Schluss zulässt, dass diese Tätigkeit als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Die Einordnung in eine bestimmte Gruppe des Mehrstufenschemas erfolgt nicht ausschließlich nach Folgen und Dauer einer förmlichen Berufsausbildung; ausschlaggebend ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niederen Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Angestelltenberufe (BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 13 R 63/06 R - (juris)).

Bei der Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich im Fall der Klägerin, dass diese als Facharbeiterin bzw. Fachangestellte zu betrachten ist, nachdem sie den Beruf einer Krankenschwester in der Bundesrepublik Deutschland vollwertig mehr als zwölf Jahre verrichtet hat. Sie verfügt über eine entsprechende, in der damaligen UdSSR erworbene Berufsausbildung. Die Klägerin hat somit einen Lehrberuf ohne Einschränkungen ausgeübt, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Die Klägerin kann jedoch zumutbar auf eine Tätigkeit als Krankenschwester in einem Sanatorium oder Kurheim verwiesen werden, wie die Beklagte dies im Widerspruchsbescheid getan hat. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich körperlich leichte, die im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet werden können und bei denen ein Heben und Tragen von Lasten nur in Ausnahmefällen erforderlich ist. Insbesondere kommen hier die im Rahmen einer Tätigkeit als Krankenschwester im Stationsdienst anfallenden körperlich mittelschweren und schweren Arbeiten - etwa das Umbetten von Patienten - nicht vor. Das Hauptaufgabengebiet umfasst organisatorische Tätigkeiten sowie Patientenschulungen, die überwiegend im Sitzen verrichtet werden können. Auch Notfallsituationen, in denen von der Pflegekraft schweres Heben und Tragen durch Umlagern bzw. Heben und Tragen von Patienten gefordert werden, treten in Sanatorien und Kurheimen und auch in einigen Rehakliniken, in denen keine Anschlussheilbehandlung durchgeführt wird, in der Regel nicht bzw. nur gelegentlich auf, wobei dann mehrere Krankenpflegekräfte anwesend sind, helfen und zugreifen können (vgl. hierzu LSG Niedersachsen, Urteil vom 14. Oktober 1998 - L 1 RA 154/97 -; Bayr. LSG, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 424/03 - beide in (juris)). Auch der Senat hat keine Hinweise darauf, dass solche Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt nicht erhältlich wären, was von der Klägerin im Übrigen auch nicht vorgetragen wird. Das festgestellte Leistungsvermögen der Klägerin entspricht den genannten Anforderungen. Insbesondere hat Dr. Di. in seinem Gutachten zwar deutlich gemacht, dass der Klägerin Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die geistig und psychische Belastbarkeit nicht zugemutet werden können. Die "besonderen" Anforderungen sind danach jedoch nicht so zu verstehen, dass die Klägerin z.B. administrative oder dokumentationsbezogene Aufgaben nicht mehr ausführen könnte, was der Gutachter ausdrücklich klargestellt hat. Schwierigkeiten bei der Ein- oder Umstellung auf eine solche Tätigkeit werden von den nervenärztlichen Gutachtern nicht angegeben. Anhaltspunkte hierfür bestehen bereits deshalb nicht, weil es sich um Tätigkeiten des erlernten Berufsbildes handelt.

Bei der noch vollschichtigen Einsatzfähigkeit in den genannten Verweisungstätigkeiten ist es unerheblich, ob der Klägerin ein entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann. Das Arbeitsplatzrisiko fällt hier nicht in den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern in den der Arbeitslosenversicherung oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berufsunfähigkeit im Sinne des Gesetzes liegt somit bei der Klägerin nicht vor, so dass ihre Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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