S 12 KA 74/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 74/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 50/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Begriff der „ärztlich geleiteten Abteilung“ nach §119a SGB V ist so zu verstehen, dass es sich tatsächlich um eine ärztlich geleitete Abteilung handeln muss, das also mindestens ein Arzt in der Einrichtung tätig ist. Nur auf diese Weise kann dem multiprofessionellen Ansatz, wie er vom Gesetzgeber vorgesehen ist, Genüge getan werden. Eine Abteilung, der lediglich ein oder mehrere psychologische Psychotherapeuten angehören, genügt diesen Voraussetzungen nicht.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Ermächtigung der Klägerin.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er betreut nach eigenen Angaben in seinen Einrichtungen und Diensten etwa 1.200 Menschen mit Behinderung, darunter zum größten Teil Menschen mit einer geistigen Behinderung, aber auch psychisch Kranke und Personen mit einer Mehrfachdiagnose.

Der Kläger erläuterte unter Datum vom 09.01.2002 gegenüber der Beigeladenen zu 1) die aus seiner Sicht unzureichende Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung, die psychisch erkrankten. Die örtlichen Angebote (psychologische und psychiatrische Praxen und Beratungsstellen) seien in der Regel nicht auf diesen Personenkreis eingestellt. Nur in den seltensten Fällen seien die Psychotherapeuten bereit und in der Lage, mit ihrer Klientel psychotherapeutisch zu arbeiten. Für diesen Personenkreis scheine es nur eine medikamentöse Therapie zu geben. Sie müssten auch häufig stationär in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt werden, die jedoch oft auf diesen Personenkreis nicht ausreichend eingestellt seien. Der Bedeutung psychischer Störungen bei Menschen mit geistiger Behinderung sei bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Studien aus den 90er Jahren zeigten, dass etwa 30 % der Menschen mit geistiger Behinderung psychische Störungen aufwiesen. Es sei in Fachkreisen inzwischen unbestritten, dass diese Menschen auch psychotherapeutisch erfolgreich behandelt werden könnten. Für einen stabilen Therapieerfolg sei es hilfreich, wenn die Angehörigen und Betreuer in den Therapieprozess einbezogen werden könnten. Die von ihnen betreuten Menschen seien krankenversichert. Sie blieben aber in der Regel bei der Suche nach adäquaten Psychotherapieangeboten erfolglos. Sie habe deshalb 1984 eine besondere Beratungsstelle gegründet. Hier arbeiteten neben drei Pädagogen auch zwei Diplom-Psychologen. Herr D biete tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Frau E Verhaltenstherapie an. Frau E habe den Fachkundenachweis in Verhaltenstherapie und arbeite neben ihrer Halbtagstätigkeit in der Beratungsstelle stundenweise in einer Gemeinschaftspraxis in X-Stadt. Beide Mitarbeiter seien aufgrund ihrer Berufserfahrung besonders qualifiziert für die psychotherapeutische Arbeit mit geistig behinderten Menschen. Anträge auf Kostenerstattung seien regelmäßig abgelehnt worden. Hierüber entspann sich ein informeller Austausch zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1).

Der Kläger beantragte am 29.09.2003 eine Institutsermächtigung zur Erteilung von Psychotherapie. Im Einzelnen beantragte er die Erbringung von Leistungen nach Nr. 855 (übende Verfahren), 840 (Anamnese unter Einschaltung der Bezugsperson), 860 (Anamnese), 866 (Bericht an den Gutachter, Kurzzeittherapie), 868 (Bericht an den Gutachter, Langzeittherapie), 870 (probatorische Sitzungen), 871 (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Kurzzeittherapie), 872 (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Langzeittherapie), 881 (Verhaltenstherapie, Kurzzeit), 882 (Verhaltenstherapie, Langzeittherapie) und Testverfahren nach Nr. 890, 891, 892, 895, 896 und 897 EBM. Auch sollten die wichtigsten Bezugspersonen einbezogen werden.

Die Beigeladene zu 1) sprach sich gegen eine Ermächtigung aus, weil die Voraussetzungen zur Behandlung nach den Psychotherapie-Richtlinien nicht gegeben seien. Hiernach müssten die Patienten eigenmotiviert, introspektionsfähig und ausreichend intelligent sein. Menschen mit geistiger Behinderung erfüllten diese Voraussetzungen nicht und seien somit nach der Psychotherapie-Richtlinie nicht behandelbar.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 23.09.2004 den Antrag ab. Er machte sich die Begründung der Beigeladenen zu 1) zu eigen. Dieser Beschluss wurde bestandskräftig, nachdem der Kläger den am 01.04.2005 eingelegten Widerspruch am 10.02.2006 zurücknahm.

Der Kläger beantragt am 08.02.2006 erneut die Ermächtigung zur Durchführung für Psychotherapie bei Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung gemäß § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV. Er wies erneut darauf hin, dass die aktuelle Situation in GC. so sei, dass Menschen mit geistiger Behinderung, die aufgrund psychischer Störungen (nach ICD 10) Hilfe benötigten, selten einen niedergelassenen Psychotherapeuten fänden, der mit ihnen arbeite. Psychotherapie sei nach den Richtlinien aufgrund einer Intelligenzminderung nicht ausgeschlossen. Sie hätten ebenfalls ein Recht auf psychotherapeutische Hilfe gemäß dem Grundsatz "ambulant vor stationär". Ihr Ausschluss bedeute eine Diskriminierung und eine Benachteiligung behinderter Menschen. Die Notwendigkeit und Wirksamkeit der ambulanten Psychotherapie bei Menschen mit geistiger Behinderung sei inzwischen durch viele wissenschaftliche Beiträge belegt. Auch die deutsche Gesellschaft für seelische Gesundheit bei geistiger Behinderung weise auf die Mangelversorgung hin und habe mehrere Fachtagungen zu diesem Thema durchgeführt. Das Fazit sämtlicher Dokumentationen und Beiträge sei, es gebe eine enorme Versorgungslücke für diesen Personenkreis, Psychotherapie in ambulanter Form für Menschen mit geistiger Behinderung sei erfolgreich und nötig und es werde mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema in Forschung und Lehre gefordert. Die Verhaltenstherapie sei zurzeit der am meisten verbreitete Einsatz, nachdem auch sie arbeite. Die Entwicklung neuer Verhaltens- und Reaktionsmuster sei nicht an hohe abstrakte kognitive Leistungen gebunden. Der Therapeut müsse sich einer einfachen klaren Sprache bedienen und kleinere Lernschritte gehen. Die Einbeziehung der wichtigsten Bezugspersonen sei oftmals sinnvoll. Nicht jeder geistig behinderte Mensch könne 50 Minuten ruhig sitzen und sich konzentrieren. Manchmal seien Einheiten von 25 Minuten sinnvoller, oft empfehle sich ein Wechsel von Ruhe und Bewegung. Aufgrund der Qualifikation und jahrelangen Erfahrung mit Psychotherapie durch seine Beratungsstelle sei er in der Lage, diese Lücke im Bereich GC. und Umgebung zu schließen. Frau E sei als Diplom-Psychologin und Leiterin der Beratungsstelle für diese Aufgabe vorgesehen.

Die Beigeladene zu 1) vertrat unter Datum vom 08.03.2006 weiterhin die Auffassung, dass die bei dem Kläger betreuten Personen nicht die Voraussetzungen nach den Psychotherapie-Richtlinien erfüllten. Auch sei der Planungsbereich GC. mit einem Versorgungsgrad von 463 % für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten überversorgt. Davon sei der überwiegende Teil im Raum GC. niedergelassen, die Entfernung von GC. nach ZZ. betrage keine 10 km.

Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 16.03.2006 den Antrag aus den gleichen Gründen wie zuvor ab.

Hiergegen legte der Kläger am 23.08.2006 Widerspruch ein. Er wies erneut darauf hin, dass es weder einen Rechts- noch einen medizinischen Erfahrungssatz gebe, dass für eine solche Psychotherapie eine "ausreichende Intelligenz" Voraussetzung sei. Es treffe auch nicht zu, dass Patienten mit geistiger Behinderung nicht "eigenmotiviert" oder "introspektionsfähig" seien. Die Beigeladene zu 1) argumentiere auch widersprüchlich, wenn sie andererseits darauf hinweise, der Bedarf sei durch die niedergelassenen Psychotherapeuten gedeckt. Die Erfahrung zeige, dass diese Patienten in der Regel an den Vorgaben des Praxisablaufs in niedergelassenen Praxen scheiterten. Hierzu hat sie verschiedene Unterlagen zur Verwaltungsakte gereicht. Ferner trug sie vor, der Versorgungsauftrag umfasse auch Menschen mit geistiger Behinderung. Das Gesetz habe mit der Möglichkeit einer Institutsermächtigung deutlich gemacht, dass auch dann, wenn im Übrigen eine "Überversorgung" bestehe, für spezielle behinderte Menschen Behandlungsmöglichkeiten durch eine Ermächtigung eröffnet werden müssten.

Die Beigeladene zu 1) gab in ihrer Stellungnahme vom 27.11.2006 an, sie bleibe bei ihrer bisherigen Auffassung. Sie wolle nicht ausschließen, dass in Ausnahmefällen auch bei geistig Behinderten und anderen Personen, die durch den Kläger betreut würden, eine Psychotherapie bewilligt werden könne, doch sei in diesem Ausnahmefall jeder niedergelassene Psychotherapeut aufgrund seiner Ausbildung in der Lage, diese Person zu therapieren. Sie verweise nochmals auf den Versorgungsgrad von aktuell fast 440 %, was bei einem Therapeutenbestand von 134 und einer Grenze zur Überversorgung von benötigten 34 Therapeuten eine Überversorgung von 100 Therapeuten (psychologische und ärztliche Therapeuten) ausmache. Hinzukomme, dass in der Stadt GC. selbst 96 Therapeuten niedergelassen seien, wobei acht Praxen für Rollstuhlfahrer geeignet seien. Die eigentliche Aufgabe des Klägers, die Betreuungs- und Beratungstätigkeit, könne keinen Bedarf zur Erteilung einer Ermächtigung aus Sicherstellungsgründen begründen, nur durch die Tatsache, dass hier auch eine psychotherapeutische Betreuung gewünscht werde. Sie habe den Eindruck, dass hier ein Bedarf generiert werde, der den Psychotherapie-Richtlinien nicht entspreche.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 29.11.2006 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, er sei nicht der Auffassung, dass in den Einrichtungen des Klägers betreute Menschen von vornherein für die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen nicht in Frage kämen. Bei diesen Menschen könnten im Einzelfall die mentalen Voraussetzungen für die Durchführung einer erfolgreichen Psychotherapie durchaus vorhanden sein. Er gehe weiter davon aus, dass insbesondere bei den Menschen, die sich in den Einrichtungen des Klägers in ambulanter Betreuung befänden, in der Regel die Voraussetzungen für die Durchführung von Psychotherapien gegeben sein dürften. Diese Menschen seien in der Lage, die Angebote des Klägers ambulant wahrzunehmen, d. h. diese entweder eigenständig von ihren jeweiligen Wohnungen aus aufzusuchen oder aber bei der Bewältigung dieser Wegstrecken durch Begleitpersonen unterstützt zu werden. Deshalb müsse jedoch eine psychotherapeutische Behandlung nicht zwingend in den Räumen des Klägers erfolgen. Sie könne auch von niedergelassenen Psychotherapeuten durchgeführt werden. Diese besäßen aufgrund ihrer jeweiligen Ausbildung auch die fachlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Behandlung. Es müsse deshalb der dringende Bedarf, der die Voraussetzung für die Erteilung der Institutsermächtigung sei, in Abrede gestellt werden. Die Bedarfsdeckung sei angesichts der bestehenden Überversorgung im Planungsbereich unproblematisch. Für den verbleibenden Teil der stationären Patienten, die in den Einrichtungen des Klägers untergebracht seien, sei davon auszugehen, dass bei ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer erfolgreichen Psychotherapie nicht gegeben seien. Sollte bei diesem Personenkreis im Einzelfall ausnahmsweise doch eine Psychotherapie in Frage kommen, führe diese nicht zu einer Bedarfssituation, die die Erteilung einer Institutsermächtigung rechtfertigen würde.

Hiergegen hat der Kläger am 08.03.2007 die Klage erhoben. Er trägt vor, in seiner Einrichtung habe er 110 Wohnstättenplätze, 66 Personen würden im betreuten Wohnen betreut werden und darüber hinaus 1.000 Personen mit erheblichen Behinderungen. Die Großzahl der Betreuten sei schon für den Ablauf des täglichen Lebens, also die Eigenversorgung usw., auf fremde Hilfe angewiesen. Das gelte für die Strukturierung des Tages, für die Versorgung mit Nahrung, Kleidung, die Körperreinigung usw. Für ein Teil der Personen sei Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI anerkannt. Bei den meisten Personen lägen umfangreiche Gutachten der Gesundheitsämter usw. vor, aus denen sich ergebe, dass der Sozialhilfeträger Leistungen erbringe, sei es der Eingliederungshilfe oder der Pflege. Unstreitig sei, dass auch dieser Personenkreis auf Leistungen der Psychotherapie angewiesen sein könne. Es gehe um Patienten, die auf Leistungen der Psychotherapie angewiesen seien, aber nicht wie ein "normaler Patient" in die ambulante Praxis einbestellt werden könnten, um dort im Wege des Gesprächs psychotherapeutische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Patienten hätten auch Probleme, sich innerhalb der Praxis den dortigen Gepflogenheiten so anzupassen, dass eine Erfolg versprechende Psychotherapie überhaupt möglich sei. Dieser Personenkreis sei auf eine an Ort und Stelle entsprechende Behandlung angewiesen. Sie verweise insoweit auf die eingereichten Fallberichte. Diese vier Behandlungsfälle zeigten die Komplexität. Ein "Verbringen" dieser Patienten in die übliche ambulante psychotherapeutische Praxis sei so gut wie ausgeschlossen. In Fachkreisen sei bekannt, dass es kaum möglich sei, einen niedergelassenen Psychotherapeuten für Behandlung psychischer Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung zu finden. Dies bestätigten auch zahlreiche Veröffentlichungen. Es komme dabei nicht auf rollstuhlgerechte Praxen an, sondern geistig behinderte Menschen benötigten eben auch speziell geschulte Psychotherapeuten. Es gehe nicht darum, eine weitere ambulante Praxis durch Frau E zu eröffnen, die dann ermächtigt werde oder werden könnte, sondern es gehe um eine Art "Komplex-Leistung", nämlich die Betreuung der behinderten Menschen in der Einrichtung, verbunden mit einer Psychotherapie, soweit sie notwendig sei, die ebenfalls in der Einrichtung durchgeführt werde. Die frühere Rechtsprechung zum Vorrang der Ermächtigung zugunsten der Krankenhausärzte bedürfe angesichts der "Öffnung der Krankenhäuser" heute einer Überprüfung.

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Berufungsausschusses vom 29.11.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Institutsermächtigung gemäß § 119a SGB V zur Durchführung von Psychotherapie – Verhaltenstherapie – bei Menschen mit geistigen und/oder psychischen Behinderungen, die anderweitig nicht adäquat versorgt werden könnten, zu erteilen,
hilfsweise,
ihn über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, auch die vorgelegten Einzelfallschilderungen rechtfertigten nicht eine Institutsermächtigung. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, dass die von ihm geschilderte Klientel eine ambulante psychotherapeutische Behandlung durch niedergelassene Psychotherapeuten erhalte. Soweit die Behinderung so tiefgreifend sei, dass eine ambulante psychotherapeutische Behandlung nicht in Frage komme, werde häufig auch die persönliche Eignung der Patienten für eine psychotherapeutische Behandlung fehlen. Ein möglicherweise verbleibender "Spitzenbedarf" für schwerstbehinderte Menschen sollte im Einzelfall in Absprache mit der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der bestehenden ambulanten Angebote abgedeckt werden.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Dort habe sie dargelegt, weshalb ein Versorgungsbedarf nicht bestehe. Im Übrigen schließt sie sich den Ausführungen des Beklagten an.

Die Beigeladenen zu 2) bis 9) haben keinen Antrag gestellt. Sie haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 09.03.2007 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 29.11.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Institutsermächtigung nach § 119a SGB V. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Der Beschluss des Beklagten vom 29.11.2006 ist rechtmäßig.

Einrichtungen der Behindertenhilfe, die über eine ärztlich geleitete Abteilung verfügen, sind vom Zulassungsausschuss zur ambulanten ärztlichen Behandlung von Versicherten mit geistiger Behinderung zu ermächtigen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung dieser Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse der Ärzte in den Einrichtungen durch niedergelassene Ärzte nicht sichergestellt ist. Die Behandlung ist auf diejenigen Versicherten auszurichten, die wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung auf die ambulante Behandlung in diesen Einrichtungen angewiesen sind. In dem Zulassungsbescheid ist zu regeln, ob und in welchen Fällen die Ärzte in den Einrichtungen unmittelbar oder auf Überweisung in Anspruch genommen werden können. Die ärztlich geleiteten Abteilungen sollen mit den übrigen Leistungserbringern eng zusammenarbeiten (§ 119a SGB V).

Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass auch bei den in den Einrichtungen des Klägers befindlichen Menschen ein Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen besteht. Der Umfang diese Bedarf kann aber hier dahinstehen, da der Kläger nicht über eine ärztlich geleitete Abteilung im Sinne des § 119a Satz 1 SGB V verfügt.

§ 119a SGB V wurde durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190 mit Wirkung zum 01.01.2004 verabschiedet. Die auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zurückgehende Norm berücksichtigt, dass geistige Behinderung über die üblichen Gesundheitsrisiken der Durchschnittsbevölkerung hinaus häufig mit spezifischer Erkrankungsrisiken und Behinderungen (Mulitmorbidität) verbunden ist. Im Ausschussbericht heißt es hierzu weiter, zudem wiesen Menschen mit geistiger Behinderung auf Besonderheiten in Krankheitssymptomatik, Krankheitsverlauf sowie Diagnostik und Therapie auf, ebenso in ihrem krankheitsbezogenen Kommunikations- und Kooperationsverhalten, sodass ihre ärztliche Behandlung spezifischer fachlicher Kompetenzen und besonderer Rahmenbedingungen bedürfe. Deshalb solle mit der Regelung in § 119a SGB V ein zielgruppenspezifisches Angebot zur gesundheitlichen Versorgung geistig Behinderter ermöglicht werden, wobei an die bereits zum Teil vorhandenen Gesundheitsdienste in Einrichtungen der Behindertenhilfe angeknüpft werden könne. Dabei sei nicht daran gedacht, die ambulante Regelversorgung durch den niedergelassenen Arzt zu ersetzen, sondern diese ärztlich geleiteten Abteilungen sollten mit ihren multiprofessionellen Angeboten die ärztliche Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte ergänzen und ihnen auch als fachlich spezialisiertes Kompetenzzentrum beratend zur Zeit stehen. Zur organisationsrechtlichen Umsetzung der Einbeziehung der ärztliche geleiteten Abteilungen in die ambulante Behandlung von geistig behinderten Versicherten erhielten die Träger der Behindertenhilfe einen Anspruch auf Zulassung zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung. Da die Versorgung der geistig behinderten Versicherten in diesen Einrichtungen ergänzend und damit subsidiär der Versorgung durch niedergelassene Ärzte hinzutrete, sei der Behandlungsumfang auf das Leistungsspektrum zu begrenzen, das durch die niedergelassenen Ärzte nicht in der erforderlichen Art und Weise oder in dem erforderlichen Umfang sichergestellt werden könne. Im Ermächtigungsbescheid seien deshalb Regelungen darüber zu treffen, ob und in welchen Fällen die ärztliche Leistungserbringung in diesen Einrichtungen an die Voraussetzung einer Überweisung durch einen niedergelassenen Arzt geknüpft sei. Die Behandlung sie auf diejenigen Versicherten mit geistiger Behinderung auszurichten, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder aus Gründen der wohnortnahen Versorgung der ambulanten Behandlung durch Einrichtungen nach Satz 1 bedürften. Die ärztlich geleiteten Abteilungen sollten mit den sonstigen behandelten Leistungserbringern eng zusammenarbeiten (so Bundestags-Drucksache 15/1600, S. 14).

Der Begriff der "ärztlich geleiteten Abteilung" ist nach Auffassung der Kammer so zu verstehen, dass es sich tatsächlich um eine ärztlich geleitete Abteilung handeln muss, das also mindestens ein Arzt in der Einrichtung tätig ist. Nur auf diese Weise kann dem multiprofessionellen Ansatz, wie er vom Gesetzgeber vorgesehen ist, Genüge getan werden. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V, wonach sich die Vorschriften diesen Kapitels, die sich auf Ärzte beziehen, entsprechend auch u. a. für Psychotherapeuten gelten, sofern nichts abweichendes bestimmt ist, nicht, dass eine Abteilung, der lediglich ein oder mehrere psychologische Psychotherapeuten angehören, ebenfalls als eine "ärztlich" geleitete Abteilung zu verstehen wäre. Aus den Gesetzesmaterialien und dem hieraus abzuleitenden Sinn und Zweck der Norm folgt, dass es gerade auch auf den organmedizinischen Sachverstand einer solchen Abteilung ankommt, der psychologischen Psychotherapeuten nicht zukommt. Trotz ihrer weitgehenden Gleichstellung gerade auch aufgrund des § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V erstreckt sich ihre Fachkunde aufgrund ihrer Ausbildung nicht auf organmedizinische Krankheiten, was der Gesetzgeber verschiedentlich auch im SGB V berücksichtigt hat (s. § 28 Abs. 3 Satz 2, § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB V; s. a. § 1 Abs. 3 PsychThG). Der Kläger begehrt lediglich für die psychotherapeutische Behandlung eine Ermächtigung, die aber in dieser Weise von § 119a SGB V nicht vorgesehen ist. Von daher hat der Kläger keinen Anspruch auf Ermächtigung nach § 119a.

Der Kläger hat seinen Antrag auf die Ermächtigung nach § 119a SGB V beschränkt. Von daher kann dahinstehen, ob eine Ermächtigung nach § 31 Abs. 1 Buchstabe a und b Ärzte-ZV im Wege einer Institutsermächtigung in Betracht kommt. Die Kammer hat bereits in der Verfügung vom 22.06.2007 darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorrangig Ärzten bzw. Psychotherapeuten eine persönliche Ermächtigung zu erteilen ist, da die Einrichtung die Einhaltung der Qualitätsanforderungen nicht in jedem einzelnen Behandlungsfall sicherstellen kann. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Erteilung eine Institutsermächtigung nach § 119a SGB V.

Von daher war die Klage im Hauptantrag abzuweisen.

Die Klage war auch im Hilfsantrag abzuweisen. Wegen des Fehlens der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 119a SGB V besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung. Von daher war die Klage auch im Hilfsantrag abzuweisen.

Nach allem war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VGGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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