L 20 AY 16/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AY 25/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 16/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.08.2007 wird zurückgewiesen. Kosten der Kläger sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte den Klägern bereits verauslagte Kosten für die Beschaffung von Pässen zu erstatten hat.

Die Kläger sind serbisch-montenegrinische Staatsangehörige. Sie reisten am 25.07.1993 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein am 03.08.1993 gestellter Asylantrag wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 02.01.1997 abgelehnt. Seit April 1997 erhielten die Kläger zunächst sog. Duldungen. Ausweisersatzpapiere wurden ausgestellt. Aktuell sind sie im Besitz befristeter Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die im Übrigen vermögens- und einkommenslosen Kläger standen fortlaufend im Leistungsbezug nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Mit Schreiben vom 14.03.2006 beantragten die Kläger die Übernahme bzw. Erstattung von Passbeschaffungskosten gemäß § 6 AsylbLG bzw. § 2 AsylbLG i.V.m. den Vorschriften des Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII). Zur Begründung gaben sie an, sie bemühten sich um Pässe des Staates Serbien und Montenegro. Staatsangehörigkeitsnachweise lägen vor. Nunmehr erfolge die Beantragung der Pässe beim Generalkonsulat in Düsseldorf. Es entstünden voraussichtich Passkosten von 188 EUR pro Antragsteller; ggf. sei der Pass der vierzehnjährigen Klägerin zu 4) etwas kostengünstiger. Die Kläger verwiesen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28.06.2005 (13 K 2649/04).

Mit Bescheid vom 10.04.2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger ab. Die Voraussetzungen einer Kostenübernahme gemäß § 6 S. 1 AsylbLG lägen nicht vor. Unter den in dieser Vorschrift aufgeführten verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten seien lediglich solche Mitwirkungspflichten zu verstehen, die im Zusammenhang mit der Sicherstellung des Aufenthaltes stünden. Die Erteilung von weiteren Duldungen seitens der Ausländerbehörde erfolge jedoch unabhängig davon, ob die Kläger im Besitz von Nationalpässen sein. Damit sei auch der weitere Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG gesichert. Ein direkter Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG liege nicht vor, da die Passbeschaffung nicht unmittelbar der Sicherstellung des Lebensunterhalts diene. Die Kläger zu 1) bis zu 3) hätten auch Zugang zum Arbeitsmarkt, da ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf Antrag durch das Ausländeramt erlaubt werden könne. Die Kläger geben an, die Pässe zu benötigen, weil sie hierdurch die Möglichkeit sähen, einen besseren Aufenthaltstitel als die bisher erteilten Duldungen zu erhalten.

Mit Widerspruchsschreiben vom 24.04.2006 machten die Kläger geltend, es sei der Beklagten bekannt, dass die Agentur für Arbeit in C praktisch jeden Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis ablehne. Mit Schreiben vom 20.07.2006 wiesen die Kläger darauf hin, dass die Staatsangehörigkeitsnachweise bald ihre Gültigkeit verlören. Zahlreiche Kommunen sicherten ausweislich in Ablichtung vorgelegter Bescheide die Übernahme von Passbeschaffungskosten zu.

Mit einem weiteren Schreiben vom 11.09.2006 mahnten die Kläger die Bearbeitung ihres Widerspruchs an. Die Staatsangehörigkeitsnachweise hätten zwischenzeitlich ihre Gültigkeit verloren. Zwischenzeitlich habe die Polizei die Echtheit aller von den Klägern beigebrachter Papiere feststellen können. Für die Beschaffung neuer Staatsangehörigkeitsnachweise müssten sich die Kläger wieder Geld leihen. Die Pflicht zur Passbeschaffung ergebe sich aus § 3 i.V.m. § 48 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG. Das Unterlassen zumutbarer Bemühungen bei der Passbeschaffung stelle in der Regel einen gröblichen Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten im Sinne von § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG dar. Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthG sei die Erfüllung der Passpflicht allgemeine Erteilungsvoraussetzung/Regelvoraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Auf die Strafandrohung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG werde hingewiesen. Mit Schreiben vom 25.10.2006 mahnten die Kläger unter Fristsetzung bis spätestens zum 03.11.2006 eine Reaktion auf ihr Widerspruchschreiben vom 24.04.2006 an. Dem Schreiben fügten sie aktuelle Staatsangehörigkeitsnachweise vom 12.09.2006 und 13.09.2006 bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2006 wies die Beklagte unter anderem den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.04.2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG könnten sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten erforderlich seien. Durch das Tatbestandsmerkmal "im Einzelfall" sei klargestellt, dass es sich bei den sonstigen Leistungen im Sinne der Vorschrift um Leistungen handeln müsse, die im Unterschied zu den pauschalen Grundleistungen des § 3 Abs. 1 AsylbLG an die besonderen Umstände des jeweiligen Falles anknüpften und darauf abzielten, besondere Bedarfslagen zu befriedigen. Die von den Klägern aufgeführten Pflichten gemäß § 3 AufenthG beträfen jeden Leistungsberechtigten, von einem Einzelfall könne nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus seien unter § 6 S. 1 4. Alternative AsylbLG lediglich Mitwirkungspflichten zu subsumieren, die in einem sachlichen Zusammenhang der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG stünden, da dieses Gesetz in erster Linie der Deckung bzw. Sicherung des (Mindest-) Lebensunterhaltes von Asylbewerbern diene. Passbeschaffungskosten erfüllten diese Voraussetzung nicht, da die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG bereits durch die erteilten Duldungen sichergestellt sei. Es werde nicht bestritten, dass die Nationalpässe zur Erlangung eines anderweitigen Aufenthaltstitels, insbesondere für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG erforderlich seien. Kosten hierfür könnten jedoch nicht gemäß § 6 AsylbLG übernommen werden.

Mit ihrer am 28.12.2006 beim Sozialgericht Köln erhobenen Klage haben die Kläger an ihrem Begehren festgehalten. In Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens haben sie ausgeführt: Es könne nicht sein, dass der Ausländer nur deshalb keine Aufenthaltserlaubnis bekomme, weil er seine Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung aus finanziellen Gründen nicht erfüllen könne. Die Pässe seien erforderlich, um einen anderweitigen Aufenthaltstitel zu erlangen. Es müsse beachtet werden, dass die gegenüber Leistungen nach dem SGB XII um 30% gekürzten Leistungen nach § 3 AsylbLG keinerlei Spielraum für sonstige Leistungen zur Erfüllung verwaltungsrechtlicher Mitwirkungspflichten belasse.

Häufig werde verkannt, dass die Ausweispflicht aus § 48 Abs. 1 AufenthG und die Passpflicht unabhängig voneinander bestünden und rechtssystematisch zu trennen seien. Der Ausländer habe der Ausweispflicht grundsätzlich aber auch mit seinem Pass nachzukommen. Erst wenn ihm dies nicht in zumutbarer Weise möglich sei, genüge er der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über den Aufenthaltstitel als Ausweisersatz (§ 48 Abs. 2 AufenthG). Das Antragsverfahren für den Ausweisersatz diene ausdrücklich der Sicherstellung der Mitwirkungspflicht des Ausländers bei der Passbeschaffung.

Nachfolgend haben die Kläger weitere Kommunen benannt, die Passbeschaffungskosten für Leistungsempfänger nach § 3 AsylbLG übernommen hätten.

Am 01.12.2006 haben die Kläger bei ihrem Generalkonsulat unter Vorlage ihrer Staatsangehörigkeitsnachweise Passanträge gestellt. Am 20.02.2007 sind die Pässe ausgestellt worden.

Hierzu haben die Kläger vorgetragen, die sofortige Umsetzung der Passbeschaffung sei erforderlich gewesen, weil sich abgezeichnet habe, dass ein Cousin des Klägers zu 1) ein verbindliches Arbeitsangebot abzugeben bereit sei. Die erforderlichen finanziellen Mittel hätten sich die Kläger von einem Verwandten (F B) geliehen. Es sei ihnen nicht zumutbar gewesen, die Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Ansonsten hätte ihnen seitens der Ausländerbehörde der Beklagten vorgehalten werden können, sie erfüllten die Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nicht und könnten ohne Pässe keine Aufenthaltserlaubnis bekommen. In diesem Zusammenhang sei auf die Regelung in dem Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006 und den Ausführungserlass des Innenministeriums für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11.12.2006 zu verweisen. Daraus ergebe sich eindeutig, bei unvollständiger Erfüllung der Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung könne keine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt werden.

Darlehensverträge vom 25.11.2006 und 19.02.2007 sind zu den Gerichtsakten gereicht worden. Am 20.03.2007 sind den Klägern Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden.

Insgesamt seien ihnen Kosten von 811,70 EUR entstanden und zwar im Einzelnen

für die Erstellung von Passfotos 48 EUR
an Gebühren für Staatsangehörigkeitsnachweise 40 EUR
an Passgebühren für die Kläger zu 1) bis 3) 564 EUR
an Passgebühren für die Klägerin zu 4) 106,50 EUR
für zwei Bahnfahrten von Bonn nach Düsseldorf und zurück 53,20 EUR.

Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2006 zu verurteilen, ihnen Passbeschaffungskosten in Höhe von insgesamt 811,70 EUR gemäß § 6 Asylbewerberleistungsgesetz zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 06.12.2006 wiederholt. Den Klägern könne mit einer Duldung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden. Damit sei der Hinweis auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht hinfällig. Es werde nicht verkannt, dass die Kläger grundsätzlich der Ausweispflicht nach § 48 Abs. 1 AufenthaltG unterlägen. Im Hinblick auf die Kosten der Passbeschaffung sei jedoch das Tatbestandsmerkmal des Einzelfalls nicht erfüllt, da alle Leistungsberechtigten gemäß § 3 AufenthG verpflichtet zu sein, einen gültigen Pass zu besitzen. Für die Anwendbarkeit des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 6 S. 1 AsylbLG sei bei einem Bedarf aller Leistungsberechtigten jedoch kein Raum (VG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2005, 18 K 6380/04). Nach Rechtsprechung des VG Gießen (Urteil vom 22.02.2006 - 6 E 625/05) sei auch kein Fall einer gröblichen Verletzung von Mitwirkungspflichten i.S.v. § 25 Abs. 3 AufenthG anzunehmen. Im Übrigen hätten die Kläger ihren Bedarf zwischenzeitlich selbst gedeckt. Nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sei der Wegfall des Bedarfs nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn dem die Leistung Begehrenden ein Abwarten der Entscheidung nicht zuzumuten gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 17.08.2007 antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den Passbeschaffungskosten handele sich um Kosten, die im Einzelfall erforderlich seien. Zwar treffe die Passpflicht grundsätzlich alle Ausländer. Ob zu deren Erfüllung die neue Beschaffung eines Passes erforderlich sei und ob und gegebenenfalls in welcher Höhe hierdurch Kosten entstünden, sei indes eine Frage des Einzelfalles. Die Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung sei sowohl in § 48 Abs. 3 AufenthG als auch in § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) normiert. Ferner setze die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass die Passpflicht erfüllt werde (§ 5 Abs. 1 AufenthG). Auch die Anordnung zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an ausreisepflichtige Ausländer, die faktisch wirtschaftlich und sozial integriert seien, nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die in Umsetzung des Beschlusses zu TOP 6 der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 17.11.2006 ergangen sei, setze voraus, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt sein müsse (Punkt 1.6.3 der Anordnung). Da der leistungsberechtigte Personenkreis in § 1 AsylbLG durch eine Typologisierung festgelegt werde, den ausländerrechtlichen und asylverfahrensrechtlichen Vorschriften folge und die aufgrund dieser Vorschriften ergangenen Bescheide für das AsylbLG Tatbestandswirkung hätten, bestehe ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Mitwirkungspflichten, die sich aus dem AufenthG und dem Asylverfahrensgesetz einerseits und dem AsylbLG andererseits ergäben. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG sei nach Auffassung der Kammer nicht erforderlich. Im Übrigen könne ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung auch bei der Beurteilung der Frage von Bedeutung sein, ob Leistungen nach § 3 oder § 2 AsylbLG zu bewilligen sein. Den Klägern könne nicht entgegengehalten werden, sie hätten den Bedarf zwischenzeitlich gedeckt. Die Darlehensaufnahme sei lediglich erforderlich geworden, weil der Träger der Asylbewerberleistungen nicht rechtzeitig Hilfe erbracht habe. Im Übrigen liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor.

Gegen das ihr am 03.09.2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 26.09.2007. Die Beklagte hält unter Verweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (a.a.O.) an ihrer Rechtsauffassung fest und meint aufgrund divergierender Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sei eine ober- und höchstrichterliche Klärung erforderlich. § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG erfasse nicht sämtliche Rechtspflichten, sondern nur solche, die dem Verpflichteten eine Beteiligung an einem konkreten Verwaltungsverfahren aufgäben; die allgemeine Passpflicht gehöre nicht zu diesen Mitwirkungspflichten. Es müssten außergewöhnliche Umstände vorliegen, die Leistungen unumgänglich machten. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Die Kläger seien ohne Weiteres in der Lage gewesen, ohne Beschaffung von Pässen in der Bundesrepublik Deutschland menschenwürdig zu leben, da ihnen eine Abschiebung nicht gedroht habe und sie über Duldungen verfügt hätten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.08.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 144, 145 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )) und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte auf die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage der Kläger zu Recht verurteilt, den Klägern Passbeschaffungskosten in Höhe von 811,70 EUR zu erstatten.

Der Anspruch ergibt sich für die Kläger bei Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG aus § 6 AsylbLG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. § 6 Satz 1 AsylbLG stellt mit Blick auf die pauschalierten und abgesenkten Leistungen der §§ 3, 4 AsylbLG eine Auffang- und Öffnungsklausel dar (vgl. etwa Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 6 AsylbLG Rn. 1; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 6 AsylbLG Rn. 1). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sie dem Umstand Rechnung tragen, dass den zuständigen Behörden "sonst kaum Spielraum bleibt, besonderem Bedarf im Einzelfall gerecht zu werden" (BT-Drucks. 13/2746).

Eine restriktive Handhabung der Vorschrift erscheint wegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung, in § 3 AsylbLG und § 2 AsylbLG innerhalb der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG unterschiedliche Leistungssysteme vorzugeben, zwar einerseits insofern geboten, als eine Annäherung an die unmittelbar nach oder entsprechend dem SGB XII (§ 2 AsylbLG) zu erbringenden Leistungen nicht in Betracht kommt (vgl. Wahrendorf, a.a.O., Rn. 1; Hohm, a.a.O., Rn. 1). Andererseits ist bei der Auslegung zu beachten, dass § 6 AsylbLG im Leistungssystem des AsylbLG die wichtige Funktion zukommt, trotz der restriktiven Grundausrichtung des AsylbLG in jedem Einzelfall das Existenzminimum zu sichern (vgl. Fasselt in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 6 AsylbLG Rn.1; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII, 4. Lfg., Stand Juli 2005, § 6 AsylbLG Rn. 1).

Die von den Klägern geltend gemachten Passbeschaffungskosten sind in voller Höhe zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht im Sinne des § 6 Satz 1 4. Alt. AsylbLG erforderlich (vgl. auch VG Dresden, a.a.O., InfAuslR 2005, 430-431). Der nicht legal definierte unbestimmte Rechtsbegriff "verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht" bedarf insoweit unter Heranziehung allgemeiner Auslegungsgrundsätze der näheren Bestimmung. Dass nicht lediglich Mitwirkungspflichten nach dem AsylbLG erfasst werden, legt bereits die Beistellung des Attributs "verwaltungsrechtlich" nahe; es sind dem Wortlaut nach alle dem Verwaltungsrecht zurechenbaren Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen (vgl. GK-AsylbLG, Stand 3. April 1999, § 6 AsylbLG Rn. 218). Insbesondere erfasst sind Mitwirkungspflichten, die sich aus dem AsylbLG, AsylVfG, AufenthG und aus den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergeben (vgl. Hohm, a.a.O., Rn. 23, der darüber hinaus einen sachlichen Kontext zur Leistungsgewährung nach dem AsylbLG und einen unmittelbaren Zusammenhang zur Existenzsicherung fordert; s. dazu unten).

Die in § 3 Abs. 1 AufenthG geregelte Passpflicht begründet eine verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht im Sinne des § 6 Satz 1 4. Alt. AsylbLG. Ausländer dürfen gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht nach Satz 2 der Vorschrift aber bereits durch den Besitz eines Ausweisersatzes im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG. Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bestraft, wer sich entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 im Bundesgebiet aufhält.

§ 48 AufenthG begründet darüber hinaus ausweisrechtliche Pflichten. Nach Abs. 1 der Vorschrift ist ein Ausländer verpflichtet, 1. seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und 2. seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift genügt ein Ausländer, der einen Pass weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung der Abschiebung, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist. Gemäß Abs. 3 der Vorschrift wiederum ist der Ausländer verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen, wenn er nicht im Besitz eines Passes oder Passersatzes ist.

Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 vorliegen. Nach Satz 2 wird die Aufenthaltserlaubnis u.a. nicht erteilt, wenn der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Dabei genügt allerdings nicht der Verstoß gegen irgendwelche Mitwirkungspflichten, sondern nur die Verletzung "entsprechender" Pflichten. Es muss sich also um Pflichtverletzungen handeln, die zur Unmöglichkeit der Ausreise beigetragen haben. In Betracht kommen dabei insbesondere Pflichten im Zusammenhang mit der Feststellung der Identität und der Beschaffung gültiger Heimreisedokumente (z.B. nach §§ 48, 49, 82 IV AufenthG; §§ 15, 16 AsylVfG). Die Pflichtverstöße müssen entweder wiederholt oder in grober Weise begangen sein. Unzureichend ist also eine einmalige Missachtung einfacher Mitwirkungspflichten (vgl. zu alledem Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 25 Rn. 26).

Weitere - inhaltlich durch § 3 AufenthG und § 48 AufenthG bereits erfasste Pflichten - Mitwirkungspflichten ergeben sich aus § 15 AsylVfG. Danach ist der Ausländer insbesondere verpflichtet, (Nr. 4) seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen und (Nr. 6) im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken.

Die Zusammenschau dieser Regelungen macht deutlich, dass zwar ggf. die Passpflicht aus § 3 Abs. 1 AufenthG, zumindest aber nicht die Ausweispflicht aus § 48 Abs. 1 AufenthG und die weiteren Mitwirkungspflichten aus Abs. 3 dieser Norm, durch Vorlage eines ggf. vorhandenen Ausweisersatzes nach § 48 Abs. 2 AufenthG erfüllt werden können. Denn nach dieser Vorschrift ist lediglich zu verfahren, wenn der Ausländer den Pass nicht in zumutbarer Weise erlangen kann. Der Mangel an finanziellen Ressourcen lässt die Zumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht entfallen. Da die Kläger sich nicht mehr im laufenden Asylverfahren befinden, steht der Zumutbarkeit auch nicht entgegen, dass die Anerkennung als Asylberechtigter (vgl. Renner, a.a.O., § 48 Rn. 7) gefährdet sein könnte.

Die ausländerrechtlichen Pass- und Ausweispflichten stellen eine verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht im Sinne des § 6 Satz 1 AsylbLG dar (vgl. auch VG München, Urteil vom 03.04.2001, M 6b K 99.1464). Hinsichtlich der aufgezeigten Mitwirkungspflichten besteht auch, so man diese dem Wortlaut der Vorschrift des § 6 Satz 1 4. Alt. AsylbLG nicht zu entnehmende Einschränkung für gerechtfertigt hält (vgl. GK-AsylbLG, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 222; Hohm, a.a.O., Rn. 23; Adolph, SGB II SGB XII AsylbLG, 42. AL, April 2005, § 6 AsylbLG Rn. 31; Deibel, Praktische Probleme bei der Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ZAR 1995, 57; a.A. Fasselt,.a.a.O., Rn. 6; Herbst, a.a.O., Rn. 19), ein hinreichender sachlicher Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Die der Existenzsicherung dienenden Vorschriften des AsylbLG sind in unmittelbarem Zusammenhang mit den ausländerrechtlichen Vorschriften des AufenthG und den Vorgaben des AsylVfG zu sehen. Erst die danach getroffenen Feststellungen ermöglichen - worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat - die Feststellung der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG. Der leistungsberechtigte Personenkreis knüpft unmittelbar an ausländer- und asylverfahrensrechtliche Vorschriften (vgl. Wahrendorf, a.a.O., § 1 AsylbLG Rn. 1) und damit den ausländer- oder asylrechtlichen Status an (vgl. Hohm, a.a.O., § 1 AsylbLG Rn. 1).

Zur Überzeugung des Senats ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Sicherstellung der Existenz im Falle des weiteren Aufenthalts oder der Sicherung des weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet selbst (vgl. etwa Hohm, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 23; GK-AsylbLG, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 222) in dem Sinne, dass ohne die Mitwirkungshandlung der weitere Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG in Frage gestellt sein muss, nicht zu verlangen (so auch Fasselt, a.a.O., § 6 Rn. 6). Weder dem Gesetzeswortlaut, der Systematik des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung lassen sich überzeugende Argumente für diese (weitere) tatbestandliche Einschränkung entnehmen. Dagegen spricht im Übrigen, dass der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung in die Lage versetzt sein muss, sich den Vorgaben der Rechtsordnung getreu zu verhalten. Auch unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlich restriktiven Handhabung des § 6 Satz 1 AsylbLG (s.o.) lässt es sich nicht rechtfertigen, dem Leistungsberechtigten, dem verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflichten auferlegt sind, die Erfüllung dieser Pflichten unmöglich zu machen, mit der Folge, dass er sich andernorts dem Vorwurf, sich nicht rechtsgetreu zu verhalten, ausgesetzt sähe. Es ist etwa auch nicht erforderlich, dass, was hier im Übrigen nahe liegt, eine bessere ausländerrechtliche Position zu erlangen ist (so aber VG München, a.a.O.).

Dem geltend gemachten Anspruch kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Ausweis- und Passpflichten träfen alle Leistungsberechtigte, so dass ein Einzelfall im Sinne des § 6 Satz 1 AsylbLG nicht vorliege. Ein Ausschluss käme zur Überzeugung des Senats zwar ggf. in Betracht, wenn ein bei allen Leistungsberechtigten gegebener Bedarf vorläge (vgl. Hohm, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 10). Daran fehlte es aber ersichtlich, da nicht alle Leistungsberechtigten Ausweis- und Passpflichten deswegen nicht nachkommen können, weil sie nicht über (gültige) Pass- oder Ausweispapiere verfügen. Dass sich der Bedarf im Einzelfall der Höhe nach konkretisiert, dürfte hingegen allein diesem Tatbestandsmerkmal nicht genügen, da es nur dann eigenständige Bedeutung erlangt, wenn auf den Bedarf dem Grunde nach abgestellt wird.

Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der in § 6 Satz 1 AsylbLG beispielhaft (vgl. etwa Hohm, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 7; Fasselt, a.a.O., Rn. 1) aufgeführten Tatbestandalternativen und der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe von Pflichtleistungen auszugehen ist (etwa Hohm, a.a.O., § 6 Rn. 8). Denn jedenfalls ist hinsichtlich des Entschließungsermessens (vgl. etwa Fasselt, a.a.O., Rn.1) in diesen Fällen eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen. Vorliegend gilt dies auch für das Auswahlermessen dergestalt, dass sämtliche im Zusammenhang mit der Erlangung von Pässen entstandenen Kosten zu erstatten sind.

Soweit die Beklagte einer Kostenübernahme entgegenhält, die Kläger hätten den Bedarf bereits gedeckt, so dass eine Übernahme der Kosten nach § 6 AsylbLG von vornherein ausscheide, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Kläger stehen im Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG (die für das Jahr 2007 mit etwa 35 % unter den Regelsätzen nach dem SGB XII eingestuft werden, vgl. Birk, LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 3 AsylbLG Rn. 8). Die Leistungshöhe reicht ersichtlich nicht aus, die Passbeschaffungskosten unmittelbar zu befriedigen oder notwendige Beträge anzusparen. Daher haben sich die Kläger finanzieller Mittel eines Dritten bedienen müssen, der im Wege eines Darlehens einzuspringen bereit war. Zutreffend hat selbst die Beklagte aber bereits darauf hingewiesen, dass auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung von dem Grundsatz, dass Leistungen durch den Sozialhilfeträger nicht zu erbringen sind für bereits erbrachte Aufwendungen oder die Tilgung von Schulden ausnahmsweise abgewichen wurde, wenn es dem Hilfesuchenden nicht zumutbar war, die Entscheidung des Sozialhilfeträgers abzuwarten (BVerwG, Urteil vom 30.04.1992 - 5 C 12/87 = BVerwGE 90, 154-160). Dies gilt um des Grundsatzes der Effektivität des Rechtsschutzes auch bei Einlegung von Rechtsmitteln. In Anbetracht des drohenden (erneuten) Ungültigwerdens von Staatsangehörigkeitsnachweisen und weiteren Umständen war den Klägern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein weiteres Abwarten nicht zumutbar.

Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass Vieles dafür spricht, den Anspruch auf Erstattung der Passersatzkosten bereits deshalb zu bejahen, weil die Kläger Passpapiere auch benötigten, um von der Bleiberechtsregelung der Ständigen Konferenz der Innenminister und - senatoren der Länder (IMK) (Beschluss zu TOP 6 vom 17.11.2006; hierzu Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.12.2006 - siehe auch Altfallregelung des § 104a Aufenth) profitieren zu können. Es erschiene schlichtweg nicht hinnehmbar, wenn die Rechtsordnung den Klägern auf der einen Seite etwas zu geben bereit ist, was sie auf der anderen Seite (leistungsrechtlich) durch mangelhafte finanzielle Ausstattung der grundsätzlich Anspruchsberechtigten unmöglich machen würde. Auch insoweit liegt es nahe, eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen.

Ansprüche von Leistungsberechtigten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG sind nicht Gegenstand der Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Der Senat misst den aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, so dass die Revision zuzulassen war.
Rechtskraft
Aus
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