L 9 B 79/08 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AS 26/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 B 79/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 25.03.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren von der Antragsgegnerin die Bewilligung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2007. In einem weiteren beim Senat anhängigen Verfahren macht er entsprechende Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2007 geltend (L 9 B 77/08 AS ER).

Der 1948 geborene alleinstehende Antragsteller bewohnt seit 1981 eine 53,24 qm große Einzimmerwohnung. Die Kaltmiete beträgt 312,48 EUR. Für Neben- und Heizkosten erbringt der Antragsteller eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von monatlich 180,00 EUR. Seit dem 01.01.2005 bezieht der Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Antragsgegenerin wies den Antragsteller bereits bei der Erstbewilligung darauf hin, dass ihres Erachtens die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Seit dem 01.07.2005 zahlte sie Kosten der Unterkunft nur in der von ihr für angemessen gehaltenen Höhe von 361,00 Euro (325,00 Euro Miete inklusive Nebenkosten, 36,00 Euro Heizkosten). Der Antragsteller hat bereits mehrere Verfahren hinsichtlich der Höhe der übernahmefähigen Kosten der Unterkunft beim Sozialgericht Köln (SG) und beim Landessozialgericht (LSG) geführt. Derzeit sind vor dem LSG noch die Hauptsacheverfahren L 9 AS 68/06 betreffend den Zeitraum 01.01. bis 30.06.2005 und L 9 AS 5/06 betreffend den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2005 anhängig.

Mit Bescheid vom 04.06.2007 bewilligte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2007, abweichend von den seit Juli 2005 jeweils bewilligten 706,00 Euro, Leistungen nur noch in Höhe von 670,00 EUR für Juni 2007 bzw. jeweils 672,00 EUR für die Monate Juli bis November 2007. Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller darauf hin, dass die Bewilligung vorläufig ohne Berücksichtigung der Heizkosten erfolge. Mit Schreiben vom gleichen Tage forderte sie den Antragsteller auf, bis zum 15.06.2007 eine Mietbescheinigung vorzulegen, damit die Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung berechnet werden könne. Am 17.08.2007 legte der Antragsteller die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 vor. Mit Bescheid vom 05.09.2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Da die Höhe der Heizkosten derzeit noch nicht feststehe, sei die Antragsgegnerin berechtigt, bis zur Vorlage einer Mietbescheinigung einen Vorschuss zu erbringen.

Mit zwei Bescheiden vom 13.12.2007 bewilligte die Antragsgegnerin dann Heizkosten in Höhe von monatlich 36,00 Euro für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 und für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008. Zur Begründung seines am 17.01.2008 erhobenen Widerspruchs gegen den die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008 regelnden Bescheid vom 13.12.2007 trug der Antragsteller vor, dass ihm Miete und Mietnebenkosten in tatsächlicher Höhe zu gewähren seien. Außerdem sei der Bewilligungszeitraum auf die Zeitspanne von einem Jahr zu verlängern.

Am 18.01.2008 erließ die Antragsgegnerin insgesamt fünf Bescheide, mit denen sie jeweils monatliche angemessene Heizkosten in Höhe von 39,96 Euro bewilligte. Die einzelnen Bescheide regelten die Zeiträume vom 01.01.2006 bis zum 31.05.2006, vom 01.06.2006 bis zum 30.11.2006, vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007, vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 und vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008.

Gegen diese Bescheide erhob der Antragsteller am 27.01.2008 Widerspruch. Die Änderung der Kosten für Unterkunft und Heizung von 361,00 Euro auf 364,96 Euro sei unschlüssig. Heiz- und Nebenkosten seien nach der tatsächlich angefallenen Höhe angemessen. Er habe bereits mit seinem Erstantrag vom 29.12.2004 die Bewilligung von Leistungen für Mietaufwendungen in Höhe von 532,48 Euro (312,48 Euro Miete, 180,00 Euro Nebenkosten, 40,00 Euro Stromkosten) geltend gemacht. Diese Aufwendung seien von ihm nachgewiesen worden. Bewilligt worden seien bisher aber nur 364,96 Euro (325,00 Euro Miete inklusive Nebenkosten und 39,96 Euro für Heizung). Dies sei ermessensfehlerhaft.

Mit Bescheid vom 06.02.2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008 regelnden Bescheid vom 13.12.2007 in der Fassung des Bescheides vom 18.01.2008 zurück. Bereits seit dem 01.07.2005 würden nur noch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 361,00 Euro gezahlt. Die Antragsgegnerin sei bis zur Vorlage der Betriebskostenabrechnung berechtigt gewesen auf die Heizkosten einen angemessenen Vorschuss zu leisten. Nach Vorlage der Betriebskostenabrechnung sei dann eine Neuberechnung vorgenommen und seine monatliche Heizkosten in Höhe von 39,96 Euro anerkannt worden. Gegen diesen Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008 hat der Antragsteller am 29.02.2008 beim Sozialgericht Köln (SG) Klage erhoben und die Übernahme der ihm tatsächlich entstandenen Mietaufwendungen geltend gemacht. Diese beziffert er mit 542,17 Euro. Gleichzeitig hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Zahlung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung, beantragt. Diesen Antrag hat das SG unter dem Aktenzeichen S 20 AS 22/08 ER mit Beschluss vom 25.03.2008 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde ist Gegenstand des unter dem Aktenzeichen L 9 B 77/08 AS ER anhängigen Parallelverfahrens.

Mit Bescheid vom 21.02.2008 wies die Antragsgegnerin auch die Widersprüche gegen die weiteren Bescheide vom 18.01.2008 zurück. Die Grundkosten des Antragstellers betrügen 143,86 Euro. Die angemessenen Verbrauchskosten des Antragstellers betrügen 335,67 Euro im Jahr. Hieraus ergäben sich monatliche angemessene Heizkosten in Höhe von 39,96 Euro.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 07.03.2008 beim SG ebenfalls Klage erhoben. Er hat die Übernahme der ihm tatsächlich entstandenen Mietaufwendungen für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2007 beantragt, die er in diesem Verfahren mit 532,46 Euro (312,48 Euro Miete, 180,00 Euro Nebenkosten, 40,00 Euro Stromkosten) beziffert. Auch hier hat er einen Eilantrag gestellt und "gemäß § 86b SGG die sofortige Vollziehung der Erfüllung meiner mir gemäß § 22 SGB II gesetzlich zustehenden Leistungen" beantragt.

Mit Beschluss vom 25.03.2008 hat das SG diesen Antrag abgelehnt. Es liege kein Anordnungsgrund vor. Soweit der Antragsteller die Zahlung weiterer Kosten für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum Eingang seines Eilantrages bei Gericht begehre, folge dies schon daraus, dass es sich um vergangene Zeiträume handele, für die ein Eilbedürfnis nicht angenommen werden könne. Auch darüber hinaus fehle es an einem Anordnungsgrund. Dieser liege bei den hier streitigen Unterkunftskosten nur vor, wenn ohne der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nach Ablauf des nächst folgenden Fälligkeitszeitpunkts für die Zahlung des Mietzinses, ernsthaft mit einer Kündigung oder Räumungsklage zu rechnen sei. Entsprechendes habe der Antragssteller nicht vorgetragen. Gleiches gelte für die Heizkosten. Auch hier habe der Antragsteller nicht vorgetragen, dass ihm durch die unvollständige Zahlung der Betriebskosten einer Kündigung drohe.

Gegen den am 02.04.2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17.04.2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass die von ihm nachgewiesenen individuellen Kosten von der Antragsgegnerin zu übernehmen seien. Ein Eilbedürfnis sei gegeben, weil durch die unvollständige Zahlung der Betriebskosten die Wohnungskündigung drohe, wie es im Mietvertrag vorgesehen sei.

Die Antragsgegnerin hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Anordnungsgrund kann nur die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sein.

Ein Anordnungsgrund in diesem Sinne ist nicht gegeben. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind ausschließlich Ansprüche aus der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2007 sind. Zwar hat die Antragsgegnerin mit dem vom Antragsteller angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 21.02.2008 seinem Wortlaut nach ("Entscheidung über die Widersprüche gegen die Bescheide vom 18.01.2008") über sämtliche Widersprüche gegen die Bescheide vom 18.01.2008 und damit auch über den die Zeit ab dem 01.12.2007 regelnden Bescheid entschieden. Allerdings hatte die Antragsgegnerin über den Widerspruch gegen letzteren Bescheid bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 06.02.2008 entschieden (der Gegenstand des Parallelverfahrens L 9 B 77/08 AS ER ist). Somit konnte trotz der missverständlichen Formulierung nach außen hin erkennbar nur noch eine Regelung über die noch nicht beschiedenen Widersprüche gegen die weiteren vier Bescheide getroffen werden. Entsprechend hat auch der Antragsteller seinen Antrag auf den Zeitraum bis zum 30.11.2007 beschränkt.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt regelmäßig nur für Zeiträume ab Antragstellung beim Sozialgericht und nicht für in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Zeiträume in Betracht. Denn einstweiliger Rechtsschutz ermöglicht lediglich eine vorläufige Regelung und dient nicht der Beschleunigung des Hauptsacheverfahrens (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 16.02.2007, Az. L 20 B 12/07 AS ER).

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren jetzt erstmals geltend macht, dass durch unvollständige Zahlung der Betriebskosten die Kündigung drohe, wie es im Mietvertrag vorgesehen sei, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die auf die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft gerichtet sind, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass ein Anordnungsgrund nur dann angenommen werden kann, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung konkret die Wohnungslosigkeit droht (vgl. u. a. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 10.03.2008, Az. L 9 B 40/08 AS ER; vom 08.10.2007, Az.: L 9 B 150/07 AS ER; vom 12.06.2007, Az.: L 9 B 25/07 SO ER). Das Vorliegen solcher Umstände ist nicht ersichtlich. Auch der Antragsteller hat das Vorliegen entsprechender Umstände nicht behauptet. Allein die abstrakt in einem Mietvertrag vorgesehene Kündigungsmöglichkeit reicht für die Bejahung eines Anordnungsgrundes nicht aus. Vielmehr muss eine Kündigung oder eine Räumung unmittelbar bevorstehen. Der Antragsteller hat bislang aber nicht vorgetragen, dass überhaupt noch entsprechende Betriebskosten in einer Höhe offen stehen, die zumindest abstrakt eine Kündigung rechtfertigen könnten. Ebensowenig hat er dargelegt, dass etwaige Zahlungsrückstände eine Kündigung der Wohnung oder gar eine Räumung unmittelbar bevorstehen lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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