Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 113 AS 29335/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 110/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1963 geborene Antragstellerin lebt seit August 1995 in einer 76,83 m² großen 3-Zimmerwohnung. Diese hatte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann angemietet, von dem sie seit März 1997 geschieden ist. Bis zum 31. Dezember 2007 betrugen die Kosten für die Wohnung 501,71 Euro monatlich, seit dem 1. Januar 2008 belaufen sie sich auf 508,10 Euro.
Die Antragstellerin beantragte erstmals im August 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und gab an, allein zu leben. Der Antragsgegner gewährte zunächst Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Schreiben vom 19. April 2006 teilte er der Antragstellerin mit, dass die Kosten der von ihr bewohnten Unterkunft unangemessen hoch seien und die für Berlin festgelegten Richtwerte in unwirtschaftlichem Umfang überstiegen. Er fordere sie daher auf, die Kosten durch Untervermietung, Wohnungswechsel oder auf andere Weise zu senken. Die tatsächlichen Aufwendungen könnten nur für höchstens sechs Monate, das heißt bis Ende Oktober 2006, anerkannt werden.
Die Antragstellerin legte daraufhin Widerspruch ein, mit welchem sie insbesondere geltend machte, es gebe in halbwegs anständigen Wohngegenden keine preisgünstigere Wohnung. Zudem wisse sie nicht, was sie im Falle eines Umzugs in eine kleinere Wohnung mit den dann nicht unterzubringenden Möbeln machen solle. Außerdem könne sie weder finanziell noch psychisch oder physisch einen Umzug bewältigen. Sie bitte daher, ihr etwas mehr Aufschub für einen Wohnungswechsel zu gewähren. Mit einer Untervermietung habe sie es schon einmal versucht, es sei eine Katastrophe gewesen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2007 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, bei der Aufforderung zur Kostensenkung habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt.
Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2007 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Januar 2008 sowie für den Zeitraum zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Juli 2008 und berücksichtigte dabei nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,00 Euro. Dagegen legte die Antragstellerin unter dem 31. Oktober 2007 Widerspruch ein und führte aus, durch die drastische Kürzung werde sie die Wohnung nicht halten können und in Kürze auf der Straße stehen. Weder finanziell noch gesundheitlich sei sie derzeit zu einem Umzug in der Lage. Ihrem Schreiben fügte sie ein Attest der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K vom selben Tag bei. Darin heißt es, die Antragstellerin sei wegen einer Depression in ambulanter Behandlung. Ein Umzug würde ihren gesundheitlichen Zustand deutlich verschlechtern, was ihr nicht zuzumuten sei. Es sei davon auszugehen, dass die Genesung längere Zeit dauern werde. Eine Nachfrage bezüglich des Gesundheitszustands sei deshalb in sechs Monaten sinnvoll. Mit den Bescheiden vom 13. Dezember 2007 nahm die Antrags-gegnerin hinsichtlich der von den Bescheiden vom 15. Oktober 2007 erfassten Zeiträume Änderungen der Berechnung und im Ergebnis auch der Leistungshöhe vor, die jedoch nicht die Kosten für Unterkunft und Heizung betrafen.
Am 15. November 2007 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht und den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt, mit welcher der Antragsgegner verpflichtet wird, ihr auch für die Zeit nach dem 31. Oktober 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 hat das Sozialgericht den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, es bestünden Bedenken in Bezug auf die Glaubhaft-machung eines Anordnungsanspruchs. Jedenfalls aber fehle es an einem Anordnungsgrund, denn es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Antragstellerin nicht das Hauptsacheverfahren abwarten könne.
Gegen den am 27. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 7. Januar 2008 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe nun auch stationär behandelt werden müssen. Atteste der behandelnden Nervenärztin und des behandelnden Orthopäden vom 8. bzw. 9. Januar 2008, eine offenbar durch einen Arzt des Bereitschaftsdienstes erstellte Mitteilung für den weiterbehandelnden Arzt vom 28. Januar 2008, eine vom darauf folgenden Tag datierende Aufenthalts-bescheinigung eines Krankenhauses und einen kurzen Entlassungsbericht vom 26. März 2008 mit einem Bericht über das Ergebnis einer Kernspintomographie der Wirbelsäule vom 25. März 2008 hat die Antragstellerin zu den Akten gereicht. Im Übrigen trägt sie vor, sie habe keine finanziellen Mittel, die sie darauf verwenden könnte, die Differenz zwischen dem seitens des Antragsgegners für Unterkunft und Heizung gezahlten Betrag und den tatsächlichen Aufwendungen zu überbrücken. Darlehensgläubiger beanspruchten die Rückzahlung von etwa 1.000,00 Euro, im Mai würden Beiträge zu Versicherungen fällig und sie habe nur noch 120,00 Euro. Da sie seit mehr als 15 Jahren in ihrer jetzigen Wohnung wohne, sei ihr im Übrigen eine Überschreitung des Richtwerts um 10 vom Hundert zuzubilligen, so dass die Obergrenze für die Angemessenheit 396,00 Euro betrage.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2007 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2007 über die bewilligten Leistungen in Höhe von 360,00 Euro je Monat hinaus weitere 141,71 Euro und für die Zeit vom 1. Januar bis zum Juli 2008 noch 148,10 Euro monatlich zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde; er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (zwei Bände) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Gz.:) verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Sie ist zwar gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt, denn die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die (einstweilige) Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen.
Das Begehren der Antragstellerin war dahingehend auszulegen, dass sie für den von den Bescheiden vom 15. Oktober bzw. 13. Dezember 2007 erfassten Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen begehrt, denn dafür, den Bewilligungszeitraum, der hier bereits länger ist als die in § 41 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) als Regelfall vorgesehenen sechs Monate, im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu überschreiten, gibt es keinen Grund.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. XII betont hat (Beschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, S. 927 ff), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im Vordergrund steht dabei für den Senat die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen, besonders wenn das einstweilige Verfahren im Wesentlichen oder vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Hieran gemessen hat die Antragstellerin für die von ihr begehrte einstweilige Anordnung weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund in einem die (zeitweise) Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zutreffend haben sowohl der Antragsgegner als auch das Sozialgericht ausgeführt, dass die ehemalige Ehewohnung mit 76,83 m² für eine Person zu groß ist und nach den von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz erlassenen Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen), Stand 30. Mai 2006 (ABl. S. 2062), der entsprechende Richtwert für die Bruttowarmmiete 360,00 Euro beträgt. Soweit die Antragstellerin meint, ihr sei nach der AV-Wohnen eine Überschreitung des Richtwerts in Höhe von 10 vom Hundert zuzubilligen, weil sie schon seit über 15 Jahren in der Wohnung lebe, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Mietvertrag vom August 1995 datiert, sie also die Wohnung noch keine 13 Jahre innehat. Besonderheiten des Einzel-falls, die ein Abweichen vom Richtwert als Obergrenze für eine angemessene Bruttowarm-miete hier begründen könnten, liegen nicht vor. Jedenfalls im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Heranziehung der Richtwerte in den AV-Wohnen nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Die vom Bundessozialgericht formulierten Kriterien zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze, das heißt insbesondere Wohnungsgröße, Wohnungsstandard und räumlicher Vergleichsmaßstab (Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 18/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) sind dabei im Wesentlichen berücksichtigt. Beim Vergleich zwischen den Ergebnissen konkreter Berechnungen mit den Richtwerten hat sich zudem gezeigt, dass letztere, soweit sich Abweichungen ergeben, eher leicht oberhalb der Angemessenheitsschwelle liegen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. September 2007, L 29 B 883/07 AS ER [426,00 Euro angemessen für zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft, hingegen 444,00 Euro nach AV-Wohnen] sowie Beschluss vom 5. September 2007, L 32 B 1312/07 AS ER [422,50 Euro angemessen für zweiköpfige Bedarfs-gemeinschaft], veröffentlicht jeweils bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die tatsächlichen Aufwendungen übersteigen mithin die höchstens angemessenen um mehr als 140,00 Euro im Monat. Dass von der Differenz zwischen dem vom Antragsgegner gewährten Betrag in Höhe von 360,00 Euro monatlich und der von der Antragstellerin zu zahlenden Bruttowarmmiete ohnehin ein Abschlag von 6,22 Euro für die Warmwasseraufbereitung zu machen wäre (vgl. die Medien-information 9/08 des Bundessozialgerichts zum Urteil vom 27. Februar 2008, Az.: B 14/7b AS 64/06 R, zu finden auf der homepage www.bsg.bund.de), fällt insoweit nicht ins Gewicht.
Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf des Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Antragsgegner hat die unangemessen hohen tatsächlichen Kosten vom Beginn des Jahres 2005 bis zum 31. Oktober 2007, insgesamt also 34 Monate lang, getragen, davon 30 Monate nach Aufforderung der Antragstellerin zur Kostensenkung. Dass er sie auch über den 31. Oktober 2007 hinaus und damit 28 Monate nach Ablauf der Zeit, für welche die tatsächlichen Kosten regelmäßig längstens übernommen werden, ausnahmsweise weiterhin tragen müsste, weil es der Antrag-stellerin nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, ist nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin vorträgt, ihr sei aus gesundheitlichen Gründen (derzeit) ein Umzug nicht zuzumuten, hat sie entsprechende ärztliche Bescheinigungen, insbesondere der behandelnden Nervenärztin, vorgelegt. Deren Inhalt ist nur durch ein Sachverständigen-gutachten, dessen Einholung sich im Rahmen eines auf die Gewährung einstweiligen Rechts-schutzes gerichteten Verfahrens verbietet, zu verifizieren oder zu widerlegen. Zwar hat die Antragstellerin danach glaubhaft gemacht, (derzeit) nicht umziehen zu können. Daraus allein folgt jedoch nicht, dass der Antragsgegner weiterhin Leistungen in Höhe der tatsächlichen Bruttowarmmiete gewähren muss. Die Antragstellerin könnte die Kosten nämlich auch auf andere Art als durch einen Wohnungswechsel senken, etwa durch die Gründung einer Wohn-gemeinschaft. Dass auch dies aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen wäre, hat sie nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Insbesondere kann allein aus der Tatsache, dass die Antragstellerin ausweislich des Attests der behandelnden Ärztin und des Entlassungsberichts vom 26. März 2008 unter rezidivierenden schweren depressiven Episoden leidet, nicht geschlossen werden, dass sie allein leben müsste. Sie mag mit einer Untervermietung schlechte Erfahrungen gemacht haben und es deshalb vorziehen, allein in der Wohnung zu leben. Das bleibt ihr auch unbenommen, soweit und solange sie es finanzieren kann. Einen Anspruch auf staatliche Leistungen gibt es ihr indessen nicht.
Schließlich ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dass die Antragstellerin in Gefahr wäre, wohnungslos zu werden, ist nicht vorgetragen und auch in keiner Weise ersichtlich. Finanzielle Schwierigkeiten werden erstmals mit Schriftsatz vom 18. April 2008 etwas konkreter geschildert. Eine anders als durch eine einstweilige gerichtliche Entscheidung zu beseitigende Notlage indessen ist nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG; sie spiegelt den Ausgang des Verfahrens wider.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die 1963 geborene Antragstellerin lebt seit August 1995 in einer 76,83 m² großen 3-Zimmerwohnung. Diese hatte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann angemietet, von dem sie seit März 1997 geschieden ist. Bis zum 31. Dezember 2007 betrugen die Kosten für die Wohnung 501,71 Euro monatlich, seit dem 1. Januar 2008 belaufen sie sich auf 508,10 Euro.
Die Antragstellerin beantragte erstmals im August 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und gab an, allein zu leben. Der Antragsgegner gewährte zunächst Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Schreiben vom 19. April 2006 teilte er der Antragstellerin mit, dass die Kosten der von ihr bewohnten Unterkunft unangemessen hoch seien und die für Berlin festgelegten Richtwerte in unwirtschaftlichem Umfang überstiegen. Er fordere sie daher auf, die Kosten durch Untervermietung, Wohnungswechsel oder auf andere Weise zu senken. Die tatsächlichen Aufwendungen könnten nur für höchstens sechs Monate, das heißt bis Ende Oktober 2006, anerkannt werden.
Die Antragstellerin legte daraufhin Widerspruch ein, mit welchem sie insbesondere geltend machte, es gebe in halbwegs anständigen Wohngegenden keine preisgünstigere Wohnung. Zudem wisse sie nicht, was sie im Falle eines Umzugs in eine kleinere Wohnung mit den dann nicht unterzubringenden Möbeln machen solle. Außerdem könne sie weder finanziell noch psychisch oder physisch einen Umzug bewältigen. Sie bitte daher, ihr etwas mehr Aufschub für einen Wohnungswechsel zu gewähren. Mit einer Untervermietung habe sie es schon einmal versucht, es sei eine Katastrophe gewesen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2007 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, bei der Aufforderung zur Kostensenkung habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt.
Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2007 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Januar 2008 sowie für den Zeitraum zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Juli 2008 und berücksichtigte dabei nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,00 Euro. Dagegen legte die Antragstellerin unter dem 31. Oktober 2007 Widerspruch ein und führte aus, durch die drastische Kürzung werde sie die Wohnung nicht halten können und in Kürze auf der Straße stehen. Weder finanziell noch gesundheitlich sei sie derzeit zu einem Umzug in der Lage. Ihrem Schreiben fügte sie ein Attest der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K vom selben Tag bei. Darin heißt es, die Antragstellerin sei wegen einer Depression in ambulanter Behandlung. Ein Umzug würde ihren gesundheitlichen Zustand deutlich verschlechtern, was ihr nicht zuzumuten sei. Es sei davon auszugehen, dass die Genesung längere Zeit dauern werde. Eine Nachfrage bezüglich des Gesundheitszustands sei deshalb in sechs Monaten sinnvoll. Mit den Bescheiden vom 13. Dezember 2007 nahm die Antrags-gegnerin hinsichtlich der von den Bescheiden vom 15. Oktober 2007 erfassten Zeiträume Änderungen der Berechnung und im Ergebnis auch der Leistungshöhe vor, die jedoch nicht die Kosten für Unterkunft und Heizung betrafen.
Am 15. November 2007 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht und den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt, mit welcher der Antragsgegner verpflichtet wird, ihr auch für die Zeit nach dem 31. Oktober 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 hat das Sozialgericht den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, es bestünden Bedenken in Bezug auf die Glaubhaft-machung eines Anordnungsanspruchs. Jedenfalls aber fehle es an einem Anordnungsgrund, denn es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Antragstellerin nicht das Hauptsacheverfahren abwarten könne.
Gegen den am 27. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 7. Januar 2008 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe nun auch stationär behandelt werden müssen. Atteste der behandelnden Nervenärztin und des behandelnden Orthopäden vom 8. bzw. 9. Januar 2008, eine offenbar durch einen Arzt des Bereitschaftsdienstes erstellte Mitteilung für den weiterbehandelnden Arzt vom 28. Januar 2008, eine vom darauf folgenden Tag datierende Aufenthalts-bescheinigung eines Krankenhauses und einen kurzen Entlassungsbericht vom 26. März 2008 mit einem Bericht über das Ergebnis einer Kernspintomographie der Wirbelsäule vom 25. März 2008 hat die Antragstellerin zu den Akten gereicht. Im Übrigen trägt sie vor, sie habe keine finanziellen Mittel, die sie darauf verwenden könnte, die Differenz zwischen dem seitens des Antragsgegners für Unterkunft und Heizung gezahlten Betrag und den tatsächlichen Aufwendungen zu überbrücken. Darlehensgläubiger beanspruchten die Rückzahlung von etwa 1.000,00 Euro, im Mai würden Beiträge zu Versicherungen fällig und sie habe nur noch 120,00 Euro. Da sie seit mehr als 15 Jahren in ihrer jetzigen Wohnung wohne, sei ihr im Übrigen eine Überschreitung des Richtwerts um 10 vom Hundert zuzubilligen, so dass die Obergrenze für die Angemessenheit 396,00 Euro betrage.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2007 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2007 über die bewilligten Leistungen in Höhe von 360,00 Euro je Monat hinaus weitere 141,71 Euro und für die Zeit vom 1. Januar bis zum Juli 2008 noch 148,10 Euro monatlich zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde; er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (zwei Bände) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Gz.:) verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Sie ist zwar gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt, denn die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die (einstweilige) Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen.
Das Begehren der Antragstellerin war dahingehend auszulegen, dass sie für den von den Bescheiden vom 15. Oktober bzw. 13. Dezember 2007 erfassten Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen begehrt, denn dafür, den Bewilligungszeitraum, der hier bereits länger ist als die in § 41 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) als Regelfall vorgesehenen sechs Monate, im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu überschreiten, gibt es keinen Grund.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. XII betont hat (Beschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, S. 927 ff), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im Vordergrund steht dabei für den Senat die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen, besonders wenn das einstweilige Verfahren im Wesentlichen oder vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Hieran gemessen hat die Antragstellerin für die von ihr begehrte einstweilige Anordnung weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund in einem die (zeitweise) Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zutreffend haben sowohl der Antragsgegner als auch das Sozialgericht ausgeführt, dass die ehemalige Ehewohnung mit 76,83 m² für eine Person zu groß ist und nach den von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz erlassenen Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen), Stand 30. Mai 2006 (ABl. S. 2062), der entsprechende Richtwert für die Bruttowarmmiete 360,00 Euro beträgt. Soweit die Antragstellerin meint, ihr sei nach der AV-Wohnen eine Überschreitung des Richtwerts in Höhe von 10 vom Hundert zuzubilligen, weil sie schon seit über 15 Jahren in der Wohnung lebe, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Mietvertrag vom August 1995 datiert, sie also die Wohnung noch keine 13 Jahre innehat. Besonderheiten des Einzel-falls, die ein Abweichen vom Richtwert als Obergrenze für eine angemessene Bruttowarm-miete hier begründen könnten, liegen nicht vor. Jedenfalls im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Heranziehung der Richtwerte in den AV-Wohnen nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Die vom Bundessozialgericht formulierten Kriterien zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze, das heißt insbesondere Wohnungsgröße, Wohnungsstandard und räumlicher Vergleichsmaßstab (Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 18/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) sind dabei im Wesentlichen berücksichtigt. Beim Vergleich zwischen den Ergebnissen konkreter Berechnungen mit den Richtwerten hat sich zudem gezeigt, dass letztere, soweit sich Abweichungen ergeben, eher leicht oberhalb der Angemessenheitsschwelle liegen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. September 2007, L 29 B 883/07 AS ER [426,00 Euro angemessen für zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft, hingegen 444,00 Euro nach AV-Wohnen] sowie Beschluss vom 5. September 2007, L 32 B 1312/07 AS ER [422,50 Euro angemessen für zweiköpfige Bedarfs-gemeinschaft], veröffentlicht jeweils bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die tatsächlichen Aufwendungen übersteigen mithin die höchstens angemessenen um mehr als 140,00 Euro im Monat. Dass von der Differenz zwischen dem vom Antragsgegner gewährten Betrag in Höhe von 360,00 Euro monatlich und der von der Antragstellerin zu zahlenden Bruttowarmmiete ohnehin ein Abschlag von 6,22 Euro für die Warmwasseraufbereitung zu machen wäre (vgl. die Medien-information 9/08 des Bundessozialgerichts zum Urteil vom 27. Februar 2008, Az.: B 14/7b AS 64/06 R, zu finden auf der homepage www.bsg.bund.de), fällt insoweit nicht ins Gewicht.
Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf des Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Antragsgegner hat die unangemessen hohen tatsächlichen Kosten vom Beginn des Jahres 2005 bis zum 31. Oktober 2007, insgesamt also 34 Monate lang, getragen, davon 30 Monate nach Aufforderung der Antragstellerin zur Kostensenkung. Dass er sie auch über den 31. Oktober 2007 hinaus und damit 28 Monate nach Ablauf der Zeit, für welche die tatsächlichen Kosten regelmäßig längstens übernommen werden, ausnahmsweise weiterhin tragen müsste, weil es der Antrag-stellerin nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, ist nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin vorträgt, ihr sei aus gesundheitlichen Gründen (derzeit) ein Umzug nicht zuzumuten, hat sie entsprechende ärztliche Bescheinigungen, insbesondere der behandelnden Nervenärztin, vorgelegt. Deren Inhalt ist nur durch ein Sachverständigen-gutachten, dessen Einholung sich im Rahmen eines auf die Gewährung einstweiligen Rechts-schutzes gerichteten Verfahrens verbietet, zu verifizieren oder zu widerlegen. Zwar hat die Antragstellerin danach glaubhaft gemacht, (derzeit) nicht umziehen zu können. Daraus allein folgt jedoch nicht, dass der Antragsgegner weiterhin Leistungen in Höhe der tatsächlichen Bruttowarmmiete gewähren muss. Die Antragstellerin könnte die Kosten nämlich auch auf andere Art als durch einen Wohnungswechsel senken, etwa durch die Gründung einer Wohn-gemeinschaft. Dass auch dies aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen wäre, hat sie nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Insbesondere kann allein aus der Tatsache, dass die Antragstellerin ausweislich des Attests der behandelnden Ärztin und des Entlassungsberichts vom 26. März 2008 unter rezidivierenden schweren depressiven Episoden leidet, nicht geschlossen werden, dass sie allein leben müsste. Sie mag mit einer Untervermietung schlechte Erfahrungen gemacht haben und es deshalb vorziehen, allein in der Wohnung zu leben. Das bleibt ihr auch unbenommen, soweit und solange sie es finanzieren kann. Einen Anspruch auf staatliche Leistungen gibt es ihr indessen nicht.
Schließlich ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dass die Antragstellerin in Gefahr wäre, wohnungslos zu werden, ist nicht vorgetragen und auch in keiner Weise ersichtlich. Finanzielle Schwierigkeiten werden erstmals mit Schriftsatz vom 18. April 2008 etwas konkreter geschildert. Eine anders als durch eine einstweilige gerichtliche Entscheidung zu beseitigende Notlage indessen ist nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG; sie spiegelt den Ausgang des Verfahrens wider.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved