L 5 B 297/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 2131/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 297/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit ab 2. April 2007.

Der 1944 geborene Antragsteller ist rumänischer Staatsangehöriger. Er wohnt laut Untermietvertrag vom 5. April 2007 nunmehr unter der oben angegebenen Anschrift und hat bisher keine versicherungspflichtigen Beschäftigungen in Deutschland ausgeübt. Er lebt nach eigenen Angaben von Gelegenheitsjobs und Spenden und hat vorher in Rumänien als Straßenmusiker seinen Lebensunterhalt verdient. Am 2. April 2007 beantragte er Leistungen nach dem SGB II und legte in diesem Zusammenhang eine Bescheinigung nach § 5 FreizügigkeitsG/EU des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten/Ausländerbehörde vom 5. Juni 2007 vor, wonach er seit dem 22. März 2007 hier gemeldet und als EU-Staatsangehöriger aufenthaltsberechtigt sei. Zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung/EU erforderlich.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2007 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab mit der Begründung, die Tatsache, dass der Antragsteller sich als EU-Staatsangehöriger im Rahmen der Freizügigkeitsregelungen hier aufhalten könne, begründe erst nach mindestens fünf Jahren einen gewöhnlichen Aufenthalt, der zwingende Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen sei. Daraufhin trug der Antragsteller mit seinem Widerspruch vor, er sei ein so genannter "Altfall", da er bereits seit reichlich zehn Jahren hier sei. Hierzu legte er eine Bescheinigung der Frau A I vor, wonach er in deren Wohnung K in B von 1996 bis 2001 ohne Unterbrechung gewohnt und gelebt habe. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2008 zurück. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich der Antragsteller unmittelbar vor der Antragstellung auf Arbeitslosengeld II seit fünf Jahren ständig rechtmäßig hier aufgehalten habe. Nachweise hierfür lägen nicht vor. Vielmehr habe der Antragsteller sowohl gegenüber der Krankenkasse AOK als auch in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld II angegeben, dass er vorher als Straßenmusiker in Rumänien gearbeitet bzw. Sozialhilfe bezogen habe.

Den am 14. Januar 2008 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden soll, umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 2. April 2007 fortlaufend zu gewähren, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 25. Januar 2008 abgelehnt. Es hat zur Begründung unter anderem ausgeführt, der Antragsteller habe nicht nachzuweisen vermocht, dass er sich tatsächlich seit 1991 fortlaufend im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalte. Somit ergebe sich sein Aufenthaltsrecht allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigkeitsG/EU, wonach insbesondere Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung im Mitgliedstaat aufhalten wollten, ein Recht auf Einreise und Aufenthalt hätten. Insofern bestimme aber § 7 Abs. 1 SGB II (sowohl in der zum 1. Januar 2007 als auch in der zum 28. August 2007 in Kraft getretenen Fassung), dass Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II hätten.

Hiergegen richtet sich die von dem Antragsteller am 1. Februar 2008 eingelegte Beschwerde. Ergänzend trägt er vor, dass er von 2001 bis Herbst 2007 wechselweise bei einer Frau H und ihren Kindern gewohnt habe.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat seinen Antrag, ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 2. April 2007 fortlaufend zu gewähren, zu Recht abgewiesen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden.

Für die Zeit bis zur Antragstellung bei Gericht fehlt es insbesondere an einem Anordnungsgrund, das heißt an einem Eilbedürfnis für die begehrte Entscheidung, denn ein Eilbedürfnis kann in aller Regel nur für eine gegenwärtige Notlage, nicht aber für Zeiten in der Vergangenheit bejaht werden. Für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, das heißt ab 14. Januar 2008 fehlt es dagegen an einem Anordnungsanspruch, denn es kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner im Klageverfahren dazu verpflichtet werden könnte, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II können dabei nach § 8 Abs. 2 SGB II nur diejenigen sein, denen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Ausgenommen vom Leistungsbezug sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II - Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des FreizügigkeitsG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1) sowie - Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (Nr. 2).

Gemessen an diesen Vorschriften hat der Antragsteller, der als Rumäne Ausländer im Sinne des Gesetzes ist, keinen Leistungsanspruch.

Zu Recht ist das Sozialgericht Berlin davon ausgegangen, dass der Antragsteller einen rechtmäßigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes seit 1991 nicht glaubhaft gemacht hat. Hierfür reicht weder die Bescheinigung der A I vom 30. Juli 2007 aus, wonach er von 1996 bis 2001 bei ihr gewohnt und gelebt haben will, noch die Behauptung des Antragstellers, dass er von 2001 bis zum Herbst 2007 bei der Familie H gelebt habe. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Antragsteller selbst sich offenbar erstmals am 22. März 2007 polizeilich gemeldet und erstmals danach eine Bescheinigung der Ausländerbehörde nach § 5 FreizügigkeitsG/EU vom 05. Juni 2007 vorgelegt hat. In der Mitgliedschaftserklärung für die von ihm gewählte Krankenkasse AOK Berlin hat der Kläger unter dem 2. April 2007 im Übrigen erklärt, er habe in den letzten 18 Monaten in Rumänien von der Sozialhilfe gelebt; auch gegenüber dem Antragsgegner hat der Antragsteller am 12. April 2007 erklärt, er habe in den vergangenen Monaten in Rumänien (als Straßenmusiker) gelebt. Nach alledem geht der Senat bei vorläufiger Prüfung davon aus, dass der Antragsteller sich erst seit dem 22. März 2007 fortlaufend rechtmäßig hier aufhält. Der Antragsteller verfügt zwar für die Zeit danach über eine Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU, jedoch haben auch Unionsbürger kein voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht in den anderen Mitgliedsstaaten. Primär sehen Artikel 6 und 14 Abs. 1 der Richtlinien 2004/38/EG ein allein an den Status als Unionsbürger anknüpfendes Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nur für den Zeitraum von bis zu drei Monaten vor und dies auch nur mit der Einschränkung, dass die Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsansprüche nach dem SGB II für die ersten drei Monate des Aufenthalts in der Bundesrepublik ausgeschlossen. Ab dem vierten Monat des Aufenthalts in der Bundesrepublik besteht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigkeitsG/EU ausschließlich ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchender und daher ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Erst wenn sich der Hilfebedürftige seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist er gemäß § 4a Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU freizügigkeitsberechtigt; das Aufenthaltsrecht basiert dann nicht mehr allein auf der Arbeitssuche, sodass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht einschlägig ist (vgl. Schumacher in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 7 SGB II Rdnr. 11). Ein solcher Fall liegt hier nach vorläufiger Prüfung nicht vor, denn der Antragsteller hat – wie dargelegt - nicht glaubhaft gemacht, dass er sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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