Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 715/06 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 479/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 141/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. März 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Prozessbeteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen ge- oder verminderter Erwerbsfähigkeit auf Grund eines im Jahre 2003 gestellten Rentenantrags.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger ist Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas und hat dort seinen alleinigen Wohnsitz seit Ende des Jahres 1991. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) war er zwischen April 1970 und Dezember 1974 bei fünf Arbeitgebern beschäftigt (insgesamt 52 Beitragsmonate), wobei er nach seinen eigenen Angaben zunächst als Bauhilfsarbeiter und Fabrikarbeiter und dann - ohne einen Beruf erlernt zu haben - zwischen September 1971 und Dezember 1974 mehrmals als Eisenbieger, angeblich als Facharbeiter, bei drei Baufirmen tätig war. Sein letzter Arbeitgeber in der BRD bescheinigte ihm für die Zeit von Oktober 1973 bis Dezember 1974 die Verrichtung ungelernter Arbeiten als Bauhelfer im Hochbau (von der Beklagten eingeholte Auskunft vom 10.04.2006).
Zurückgekehrt nach Bosnien-Herzegowina absolvierte der Kläger dort vom 08.11.1976 bis 09.05.1977 einen Kurs als Maurer, um dann als solcher ununterbrochen vom 23.03.1978 bis zum 30.09.1991 bei einer kroatischen Firma in Z. berufstätig zu sein. Die Beschäftigung endete nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern kriegsbedingt mit dem Beginn des Bürgerkriegs in Jugoslawien durch Kündigung des Arbeitgebers.
Der Kläger hielt sich anschließend wieder ständig bei seiner Familie in Bosnien-Herzegowina (Republik S.) auf. Versicherungszeiten in Bosnien-Herzegowina selbst hat er nie zurückgelegt.
Am 20.08.2003 stellte er über den örtlichen Versicherungsträger in B. Antrag auf Invalidenrente beim kroatischen Versicherungsträger in Z. und auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.
Der kroatische Versicherungsträger gewährte ihm ab 20.08.2003 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund eines Gutachtens seines Auslandsrentendienstes vom 03.02.2005. Der Beklagten übersandte der kroatische Versicherungsträger ein weiteres nach Aktenlage erstelltes Gutachten der Invalidenkommission Z. vom 01.12.2005 mit ärztlichen Unterlagen aus der Zeit vom 15.02.1993 bis 26.04.1994 (ambulante Behandlung des Klägers im Krankenhaus von B. in Bosnien-Herzegowina), am 05.02.2000 und ab 30.04.2001 (wieder fast ausschließlich ambulante und kürzere stationäre Behandlungen im Klinikum von B. und stationär vom 16. bis 25.03.2004 in der Kardiologischen Militärklinik in B.). Hieraus ist ein vom Kläger im August 2001 erlittener Myokardinfarkt "ohne Komplikationen im akuten Krankheits-Verlauf" (so die Kardiologische Klinik in B.) ersichtlich. Außerdem ergab sich in den Jahren 1993/94 der Verdacht auf einen kleinen Herzinfarkt bei den Diagnosen: kompensierte ischämische Myocardiopathie (koronare Herzerkrankung ohne Arterienverschlüsse und ohne Bewegungsstörungen der Herzwand).
Die Invalidenkommission diagnostizierte im Jahre 2005 anhand der äußerst zahlreichen ärztlichen Befunde eine Koronarerkrankung, eine Angina pectoris nach Infarkt, eine arterielle Hypertonie, eine chronische Bronchitis, eine Hyperlipidämie und Hyperurikämie, eine Glukoseintoleranz und einen Leberschaden. Sie hielt den Kläger seit dem 20.08.2003 nur mehr für fähig, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes drei bis unter sechs Stunden zu verrichten. Ab dem genannten Zeitpunkt könne er als Maurer nicht mehr eingesetzt werden.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.02.2006 ab, weil der Kläger bei Annahme des Eintritts einer rentenerheblichen Erwerbminderung zum Zeitpunkt des Rentenantrags am 20.08.2003 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfülle. So lägen u.a. in den letzten fünf Jahren (60 Monaten) vor Eintritt des fiktiven Leistungsfalls, vom 20.08.1998 bis zum 19.08.2003, nur Pflichtbeiträge für 14 Kalendermonate anstelle der vom Gesetzgeber geforderten mindestens 36 Kalendermonate vor. Deshalb seien die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung nicht mehr geprüft worden. (Die Beklagte ging damals auf Grund eines Fehlers bei der Speicherung der kroatischen Versicherungszeiten ab 23.03.1978 davon aus, dass der Kläger solche bis zum 30.09.1999 und nicht - so richtig - bis zum 30.09.1991 erworben hätte, so dass der Leistungsfall spätestens im Oktober 2003 - richtig aber Oktober 1993 - eintreten hätte müssen.)
Der Kläger beantragte hierauf eine medizinische Überprüfung, wie ihm von der Beklagten im Bescheid vom 08.02.2006 nahegelegt worden war, und erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch, weil er eigentlich bereits seit 1978 (Herzstechen) erkrankt sei und im Jahre 1992 einen ersten Herzinfarkt erlitten habe. Eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands hätte sich 2000/2001 (zweiter Herzinfarkt im August 2001) ergeben. Hierzu legte er einen militärärztlichen Befund vom 15.09.1992 mit dem Ergebnis "nicht in bewaffneten Streitkräften einsetzbar wegen Cystopyelonephritis chronica und wegen Zustands nach Bruch des linken Beines" (Anmerkung: ca.1987 Bruch des linken Unterschenkels und Knöchels) sowie weitestgehend bereits bekannte ärztliche Befunde aus den Jahren 2000, 2001 und 2004 vor.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten hielt den Kläger trotz Herzleistungsminderung nach Herzinfarkt und bei koronarer Herzerkrankung, Lungenfunktionsminderung bei chronischer Bronchitis, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdrucks und Glukoseintoleranz seit Rentenantragsstellung für in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich in Früh- und Spätschicht (nicht in Nachtschicht) leichte Arbeiten zu ebener Erde ohne erhöhte Verletzungsgefahr, ohne besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließbandarbeit) und ohne Einwirkung die Haut reizender Stoffe zu verrichten (Stellungnahme des Dr.D. vom 09.05.2006). Als Bauhelfer sei der Kläger weniger als drei Stunden täglich einsetzbar.
Hierauf gestützt erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 11.05.2006. Hierin führte die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs.1 und Abs.2 Sozialgesetzbuch Teil VI - SGB VI) nicht vorlägen und auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Grund einer Berufsunfähigkeit als ungelernter Bauhelfer (§ 240 SGB VI) nicht bestehe; insoweit sei der Kläger auf andere ungelernte und für ihn geeignete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut machte die Anwältin des Klägers, die diesem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, einen Leistungsfall der Erwerbsminderung im Jahre 1992 oder spätestens in der ersten Hälfte des Jahres 1993 geltend. Dem Gericht eingereicht wurden ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2006 und 2007.
Das Sozialgericht holte unter Hinweis auf einen für die Berentung notwendigen Eintritt der Erwerbsminderung bis zum 31.10.1993 ein Gutachten der Allgemein- und Sozialmedizinerin Dr. T. vom 13./14.03.2007 ein, die den Kläger untersuchte und eine Reihe von internistischen (technischen) Befunden im Klinikum L. erheben ließ (EKG, Ergometrie, Echokardiographie, Ultraschall-Doppleruntersuchung der Bein- und Armarterien, Laborwerte, Lungenfunktionswerte, Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane, Röntgenaufnahmen des Brustkorbs, der BWS, der LWS und des linken oberen Sprunggelenkes).
Die Sachverständige diagnostizierte stenokardische Beschwerden mit Verdacht auf koronare Herzerkrankung/Bluthochdruck, Sprunggelenksarthrose links nach in Fehlstellung verheilter Unterschenkelfraktur, wirbelsäulenabhängige Beschwerden ohne Nervenwurzelreizsymptomatik, Fingergelenksarthrosen und psychovegetative Störungen. Wesentliche Beschwerden aus einem gelegentlichen Herzstechen im Jahre 2001 hatte der Kläger nicht geltend gemacht; jetzt habe er Herzstechen zeitweise bereits in Ruhe. Zu Atemnot komme es u.a. bei Belastung, wenn er über fünf Kilometer spazieren gehe. Dr. T. konnte auch heute noch keine signifikante arterielle Verschlusskrankheit feststellen, aber einen stark überschießenden Blutdruckanstieg bei einer ergometrischen Belastung bereits mit 50 W. Sie hielt ab Untersuchung des Klägers im März 2007 ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht mehr für gegeben, jedoch noch bis zum Jahre 1993 (damals Blutdruck von 140/90 mm/Hg und ergometrische Belastbarkeit des Klägers bis 125 W laut einer Ergometrie vom 01.07.1993 bei kompensiertem Status von Herz- und Kreislauf) und auch über das Jahr 1993 hinaus bis zum Jahre 2004, als nicht nur ein erneuter ergometrischer Befund erhoben worden war, sondern auch eine Koronarangiographie erfolgte, bei der ein hämodynamisch wirksamer Verschluss der Herzkranzgefäße noch nicht festgestellt werden konnte und im Übrigen eine noch zufriedenstellende Belastbarkeit des Herzens attestiert wurde.
Die Sachverständige besprach auch die sonstigen ärztlichen Unterlagen. Zu der Wehruntauglichkeit des Klägers führte sie aus, dass diese noch nichts über eine wesentliche Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aussage. Von Seiten der Nieren (ehemals angeblich chronische Zystopyelonephritis) bestünden keine krankhaften Werte bzw. wesentlichen Funktionsstörungen oder auch nur Hinweise auf früher abgelaufene entzündliche Veränderungen. Der nach Angaben des Klägers vier Jahre vor Arbeitsaufgabe erfolgte Bruch des linken Beines zeige sich nach heutigen röntgenologischen Befunden als Zustand nach distalem Unterschenkelbruch mit Weber-C-Fraktur und wohl auch nach Innenknöchelfraktur mit einer jetzt (März 2007) deutlichen Arthrose im oberen Sprunggelenk. Die Behinderung habe sich sehr langsam im Laufe der Zeit entwickelt und sei im Jahre 1993 sicherlich nicht so ausgeprägt gewesen, bedinge auch heute noch nicht eine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten, erst seit März 2007 mit zeitlichen Einschränkungen, verrichten.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 15.03.2007 ab. Hierbei ging es ausführlich auf die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung gemäß §§ 43, 240, 241 SGB VI, u.a. auf die fehlenden Versicherungsbeiträge ab Oktober 1991, ein und verneinte auch einen Berufsschutz des Klägers als angeblicher Facharbeiter (Eisenbieger) auf Grund der allein maßgeblichen Beschäftigung des Klägers in der BRD.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung räumt der Kläger ein, dass die "gesetzlichen Argumente bezogen auf fehlende Pflichtbeiträge stimmten". Er sei aber jetzt krank und arbeitsunfähig. Es sei nicht seine Schuld, dass er wegen der Kriegsereignisse in seinem Heimatland den Rentenantrag nicht rechtzeitig eingelegt habe. Er könne nicht mehr arbeiten und von der kleinen kroatischen Rente, ca. 600 Kuna monatlich (entspricht 80,00 EUR), auch nicht leben.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts vom 15.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 08.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2006 aufzuheben, hilfsweise abzuändern, und diese zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei zeitlicher eingeschränkter Erwerbsfähigkeit oder bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen, wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist unbegründet.
Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zustehen kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Lediglich im Hinblick auf den Vortrag des Klägers in zweiter Instanz ergeht noch der Hinweis, dass der Eintritt einer rentenrelevanten Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zum 31.10.1993 nicht nachweisbar war und dass jeder Rentenantrag, den der Kläger ab dem 01.04.1992 gestellt hätte, nicht verhindert hätte, dass er das Recht auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge verlor (§ 197 Abs.2, § 198 Satz 1 Nr.2 SGB VI a.F. und n.F.) und damit seiner Anwartschaften auf Rente wegen Erwerbsminderung verlustig ging (§ 240 Abs.2 Satz 2, § 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.; § 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.).
In erster Linie sind die Aussichten auf Verwirklichung einer Rente wegen ge- oder verminderter Erwerbsfähigkeit nicht abhängig vom Rentenantrag, sondern entweder von einer seit Januar 1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalls lückenlosen Belegung mit rentenrechtlichen Zeiten (oder einem Recht auf Nachentrichtung von Beiträgen für alle Lücken ab Januar 1984) oder der Belegung der letzten fünf Jahre (60 Kalendermonate) vor Eintritt des Leistungsfalls mit mindestens 36 Pflichtbeiträgen.
Im Übrigen kann der Senat weder eine Verhinderung des Klägers an der Antragstellung in der Zeit von 1997 bis 2003 erkennen, also in einer Zeit, als der Bürgerkrieg in Jugoslawien bereits beendet war. Auch während des Kriegs von 1992 bis 1996 bestand kein generelles Hindernis, beim Versicherungsträger in Bosnien-Herzegowina oder mit einem Brief bei der Beklagten (gegebenenfalls über Drittländer wie die Schweiz) einen zwischenstaatlichen Rentenantrag zu stellen, wie dem Senat anhand mehrer Antragstellungen im Heimatland des Klägers im damaligen Zeitraum bekannt ist. Ein vom Kläger erst im August 2003 gestellter Rentenantrag ist am ehesten mit einer seit dem Jahre 2001 zunehmenden Verschlechterung des Gesundheitszustands und einer zunächst ab 1992/93 bestehenden Erwerbsfähigkeit erklärbar.
Eine Rente wegen Erwerbsminderung ist dem Kläger auch nicht deswegen zu gewähren, weil er nach seinem Vortrag Bedarf an sozialen Leistungen für seinen Lebensunterhalt hat. Eine Rente nach deutschen Rechtsvorschriften wird dann bewilligt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und hierzu zählt nicht ein wirtschaftlicher Engpass oder eine Notlage des Antragstellers. Der Senat selbst kann vom Gesetz nicht abweichen; er ist hieran zwingend gebunden und darf nicht in einem in den Rechtsnormen nicht vorgesehenen Härtefall oder sonstigen Ermessensfall etwas Abweichendes entscheiden.
Daher war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Prozessbeteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen ge- oder verminderter Erwerbsfähigkeit auf Grund eines im Jahre 2003 gestellten Rentenantrags.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger ist Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas und hat dort seinen alleinigen Wohnsitz seit Ende des Jahres 1991. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) war er zwischen April 1970 und Dezember 1974 bei fünf Arbeitgebern beschäftigt (insgesamt 52 Beitragsmonate), wobei er nach seinen eigenen Angaben zunächst als Bauhilfsarbeiter und Fabrikarbeiter und dann - ohne einen Beruf erlernt zu haben - zwischen September 1971 und Dezember 1974 mehrmals als Eisenbieger, angeblich als Facharbeiter, bei drei Baufirmen tätig war. Sein letzter Arbeitgeber in der BRD bescheinigte ihm für die Zeit von Oktober 1973 bis Dezember 1974 die Verrichtung ungelernter Arbeiten als Bauhelfer im Hochbau (von der Beklagten eingeholte Auskunft vom 10.04.2006).
Zurückgekehrt nach Bosnien-Herzegowina absolvierte der Kläger dort vom 08.11.1976 bis 09.05.1977 einen Kurs als Maurer, um dann als solcher ununterbrochen vom 23.03.1978 bis zum 30.09.1991 bei einer kroatischen Firma in Z. berufstätig zu sein. Die Beschäftigung endete nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern kriegsbedingt mit dem Beginn des Bürgerkriegs in Jugoslawien durch Kündigung des Arbeitgebers.
Der Kläger hielt sich anschließend wieder ständig bei seiner Familie in Bosnien-Herzegowina (Republik S.) auf. Versicherungszeiten in Bosnien-Herzegowina selbst hat er nie zurückgelegt.
Am 20.08.2003 stellte er über den örtlichen Versicherungsträger in B. Antrag auf Invalidenrente beim kroatischen Versicherungsträger in Z. und auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.
Der kroatische Versicherungsträger gewährte ihm ab 20.08.2003 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund eines Gutachtens seines Auslandsrentendienstes vom 03.02.2005. Der Beklagten übersandte der kroatische Versicherungsträger ein weiteres nach Aktenlage erstelltes Gutachten der Invalidenkommission Z. vom 01.12.2005 mit ärztlichen Unterlagen aus der Zeit vom 15.02.1993 bis 26.04.1994 (ambulante Behandlung des Klägers im Krankenhaus von B. in Bosnien-Herzegowina), am 05.02.2000 und ab 30.04.2001 (wieder fast ausschließlich ambulante und kürzere stationäre Behandlungen im Klinikum von B. und stationär vom 16. bis 25.03.2004 in der Kardiologischen Militärklinik in B.). Hieraus ist ein vom Kläger im August 2001 erlittener Myokardinfarkt "ohne Komplikationen im akuten Krankheits-Verlauf" (so die Kardiologische Klinik in B.) ersichtlich. Außerdem ergab sich in den Jahren 1993/94 der Verdacht auf einen kleinen Herzinfarkt bei den Diagnosen: kompensierte ischämische Myocardiopathie (koronare Herzerkrankung ohne Arterienverschlüsse und ohne Bewegungsstörungen der Herzwand).
Die Invalidenkommission diagnostizierte im Jahre 2005 anhand der äußerst zahlreichen ärztlichen Befunde eine Koronarerkrankung, eine Angina pectoris nach Infarkt, eine arterielle Hypertonie, eine chronische Bronchitis, eine Hyperlipidämie und Hyperurikämie, eine Glukoseintoleranz und einen Leberschaden. Sie hielt den Kläger seit dem 20.08.2003 nur mehr für fähig, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes drei bis unter sechs Stunden zu verrichten. Ab dem genannten Zeitpunkt könne er als Maurer nicht mehr eingesetzt werden.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.02.2006 ab, weil der Kläger bei Annahme des Eintritts einer rentenerheblichen Erwerbminderung zum Zeitpunkt des Rentenantrags am 20.08.2003 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfülle. So lägen u.a. in den letzten fünf Jahren (60 Monaten) vor Eintritt des fiktiven Leistungsfalls, vom 20.08.1998 bis zum 19.08.2003, nur Pflichtbeiträge für 14 Kalendermonate anstelle der vom Gesetzgeber geforderten mindestens 36 Kalendermonate vor. Deshalb seien die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung nicht mehr geprüft worden. (Die Beklagte ging damals auf Grund eines Fehlers bei der Speicherung der kroatischen Versicherungszeiten ab 23.03.1978 davon aus, dass der Kläger solche bis zum 30.09.1999 und nicht - so richtig - bis zum 30.09.1991 erworben hätte, so dass der Leistungsfall spätestens im Oktober 2003 - richtig aber Oktober 1993 - eintreten hätte müssen.)
Der Kläger beantragte hierauf eine medizinische Überprüfung, wie ihm von der Beklagten im Bescheid vom 08.02.2006 nahegelegt worden war, und erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch, weil er eigentlich bereits seit 1978 (Herzstechen) erkrankt sei und im Jahre 1992 einen ersten Herzinfarkt erlitten habe. Eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands hätte sich 2000/2001 (zweiter Herzinfarkt im August 2001) ergeben. Hierzu legte er einen militärärztlichen Befund vom 15.09.1992 mit dem Ergebnis "nicht in bewaffneten Streitkräften einsetzbar wegen Cystopyelonephritis chronica und wegen Zustands nach Bruch des linken Beines" (Anmerkung: ca.1987 Bruch des linken Unterschenkels und Knöchels) sowie weitestgehend bereits bekannte ärztliche Befunde aus den Jahren 2000, 2001 und 2004 vor.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten hielt den Kläger trotz Herzleistungsminderung nach Herzinfarkt und bei koronarer Herzerkrankung, Lungenfunktionsminderung bei chronischer Bronchitis, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdrucks und Glukoseintoleranz seit Rentenantragsstellung für in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich in Früh- und Spätschicht (nicht in Nachtschicht) leichte Arbeiten zu ebener Erde ohne erhöhte Verletzungsgefahr, ohne besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließbandarbeit) und ohne Einwirkung die Haut reizender Stoffe zu verrichten (Stellungnahme des Dr.D. vom 09.05.2006). Als Bauhelfer sei der Kläger weniger als drei Stunden täglich einsetzbar.
Hierauf gestützt erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 11.05.2006. Hierin führte die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs.1 und Abs.2 Sozialgesetzbuch Teil VI - SGB VI) nicht vorlägen und auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Grund einer Berufsunfähigkeit als ungelernter Bauhelfer (§ 240 SGB VI) nicht bestehe; insoweit sei der Kläger auf andere ungelernte und für ihn geeignete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut machte die Anwältin des Klägers, die diesem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, einen Leistungsfall der Erwerbsminderung im Jahre 1992 oder spätestens in der ersten Hälfte des Jahres 1993 geltend. Dem Gericht eingereicht wurden ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2006 und 2007.
Das Sozialgericht holte unter Hinweis auf einen für die Berentung notwendigen Eintritt der Erwerbsminderung bis zum 31.10.1993 ein Gutachten der Allgemein- und Sozialmedizinerin Dr. T. vom 13./14.03.2007 ein, die den Kläger untersuchte und eine Reihe von internistischen (technischen) Befunden im Klinikum L. erheben ließ (EKG, Ergometrie, Echokardiographie, Ultraschall-Doppleruntersuchung der Bein- und Armarterien, Laborwerte, Lungenfunktionswerte, Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane, Röntgenaufnahmen des Brustkorbs, der BWS, der LWS und des linken oberen Sprunggelenkes).
Die Sachverständige diagnostizierte stenokardische Beschwerden mit Verdacht auf koronare Herzerkrankung/Bluthochdruck, Sprunggelenksarthrose links nach in Fehlstellung verheilter Unterschenkelfraktur, wirbelsäulenabhängige Beschwerden ohne Nervenwurzelreizsymptomatik, Fingergelenksarthrosen und psychovegetative Störungen. Wesentliche Beschwerden aus einem gelegentlichen Herzstechen im Jahre 2001 hatte der Kläger nicht geltend gemacht; jetzt habe er Herzstechen zeitweise bereits in Ruhe. Zu Atemnot komme es u.a. bei Belastung, wenn er über fünf Kilometer spazieren gehe. Dr. T. konnte auch heute noch keine signifikante arterielle Verschlusskrankheit feststellen, aber einen stark überschießenden Blutdruckanstieg bei einer ergometrischen Belastung bereits mit 50 W. Sie hielt ab Untersuchung des Klägers im März 2007 ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht mehr für gegeben, jedoch noch bis zum Jahre 1993 (damals Blutdruck von 140/90 mm/Hg und ergometrische Belastbarkeit des Klägers bis 125 W laut einer Ergometrie vom 01.07.1993 bei kompensiertem Status von Herz- und Kreislauf) und auch über das Jahr 1993 hinaus bis zum Jahre 2004, als nicht nur ein erneuter ergometrischer Befund erhoben worden war, sondern auch eine Koronarangiographie erfolgte, bei der ein hämodynamisch wirksamer Verschluss der Herzkranzgefäße noch nicht festgestellt werden konnte und im Übrigen eine noch zufriedenstellende Belastbarkeit des Herzens attestiert wurde.
Die Sachverständige besprach auch die sonstigen ärztlichen Unterlagen. Zu der Wehruntauglichkeit des Klägers führte sie aus, dass diese noch nichts über eine wesentliche Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aussage. Von Seiten der Nieren (ehemals angeblich chronische Zystopyelonephritis) bestünden keine krankhaften Werte bzw. wesentlichen Funktionsstörungen oder auch nur Hinweise auf früher abgelaufene entzündliche Veränderungen. Der nach Angaben des Klägers vier Jahre vor Arbeitsaufgabe erfolgte Bruch des linken Beines zeige sich nach heutigen röntgenologischen Befunden als Zustand nach distalem Unterschenkelbruch mit Weber-C-Fraktur und wohl auch nach Innenknöchelfraktur mit einer jetzt (März 2007) deutlichen Arthrose im oberen Sprunggelenk. Die Behinderung habe sich sehr langsam im Laufe der Zeit entwickelt und sei im Jahre 1993 sicherlich nicht so ausgeprägt gewesen, bedinge auch heute noch nicht eine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten, erst seit März 2007 mit zeitlichen Einschränkungen, verrichten.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 15.03.2007 ab. Hierbei ging es ausführlich auf die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung gemäß §§ 43, 240, 241 SGB VI, u.a. auf die fehlenden Versicherungsbeiträge ab Oktober 1991, ein und verneinte auch einen Berufsschutz des Klägers als angeblicher Facharbeiter (Eisenbieger) auf Grund der allein maßgeblichen Beschäftigung des Klägers in der BRD.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung räumt der Kläger ein, dass die "gesetzlichen Argumente bezogen auf fehlende Pflichtbeiträge stimmten". Er sei aber jetzt krank und arbeitsunfähig. Es sei nicht seine Schuld, dass er wegen der Kriegsereignisse in seinem Heimatland den Rentenantrag nicht rechtzeitig eingelegt habe. Er könne nicht mehr arbeiten und von der kleinen kroatischen Rente, ca. 600 Kuna monatlich (entspricht 80,00 EUR), auch nicht leben.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts vom 15.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 08.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2006 aufzuheben, hilfsweise abzuändern, und diese zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei zeitlicher eingeschränkter Erwerbsfähigkeit oder bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen, wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist unbegründet.
Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zustehen kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Lediglich im Hinblick auf den Vortrag des Klägers in zweiter Instanz ergeht noch der Hinweis, dass der Eintritt einer rentenrelevanten Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zum 31.10.1993 nicht nachweisbar war und dass jeder Rentenantrag, den der Kläger ab dem 01.04.1992 gestellt hätte, nicht verhindert hätte, dass er das Recht auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge verlor (§ 197 Abs.2, § 198 Satz 1 Nr.2 SGB VI a.F. und n.F.) und damit seiner Anwartschaften auf Rente wegen Erwerbsminderung verlustig ging (§ 240 Abs.2 Satz 2, § 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.; § 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.).
In erster Linie sind die Aussichten auf Verwirklichung einer Rente wegen ge- oder verminderter Erwerbsfähigkeit nicht abhängig vom Rentenantrag, sondern entweder von einer seit Januar 1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalls lückenlosen Belegung mit rentenrechtlichen Zeiten (oder einem Recht auf Nachentrichtung von Beiträgen für alle Lücken ab Januar 1984) oder der Belegung der letzten fünf Jahre (60 Kalendermonate) vor Eintritt des Leistungsfalls mit mindestens 36 Pflichtbeiträgen.
Im Übrigen kann der Senat weder eine Verhinderung des Klägers an der Antragstellung in der Zeit von 1997 bis 2003 erkennen, also in einer Zeit, als der Bürgerkrieg in Jugoslawien bereits beendet war. Auch während des Kriegs von 1992 bis 1996 bestand kein generelles Hindernis, beim Versicherungsträger in Bosnien-Herzegowina oder mit einem Brief bei der Beklagten (gegebenenfalls über Drittländer wie die Schweiz) einen zwischenstaatlichen Rentenantrag zu stellen, wie dem Senat anhand mehrer Antragstellungen im Heimatland des Klägers im damaligen Zeitraum bekannt ist. Ein vom Kläger erst im August 2003 gestellter Rentenantrag ist am ehesten mit einer seit dem Jahre 2001 zunehmenden Verschlechterung des Gesundheitszustands und einer zunächst ab 1992/93 bestehenden Erwerbsfähigkeit erklärbar.
Eine Rente wegen Erwerbsminderung ist dem Kläger auch nicht deswegen zu gewähren, weil er nach seinem Vortrag Bedarf an sozialen Leistungen für seinen Lebensunterhalt hat. Eine Rente nach deutschen Rechtsvorschriften wird dann bewilligt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und hierzu zählt nicht ein wirtschaftlicher Engpass oder eine Notlage des Antragstellers. Der Senat selbst kann vom Gesetz nicht abweichen; er ist hieran zwingend gebunden und darf nicht in einem in den Rechtsnormen nicht vorgesehenen Härtefall oder sonstigen Ermessensfall etwas Abweichendes entscheiden.
Daher war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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