L 3 SB 920/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1921/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 920/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers.

Der 1958 geborene Kläger stellte am 05.10.2005 einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2006 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Knorpelschäden an beiden Kniegelenken, Funktionsbehinderung des Kniegelenkes (Teil-GdB 20) und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) einen GdB von 30 seit 05.10.2005 fest.

Den vom Kläger dagegen eingelegten Widerspruch, den er damit begründete, dass bei ihm auch eine Funktionsbeeinträchtigung wegen eines Schlüsselbeinbruches vorliege und außerdem die Gefahr bestehe, dass er, sollten sich seine Beeinträchtigungen verschlechtern oder er zum wiederholten Mal krankgeschrieben werden müssen, seinen jetzigen Arbeitsplatz verliere und keinen gleichwertigen mehr bekomme, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2006 zurück. Die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Anderweitige Funktionsbeeinträchtigungen behindernden Ausmaßes mit Dauerwirkung könnten den vorliegenden Berichten nicht entnommen werden. Bezüglich der beidseitigen Schulterschmerzen erfolge bisher keine Therapie. Die linke Schulter sei aktiv und passiv frei beweglich und es fände sich auch kein schmerzhafter Bogen bzw. keine auffallende Stufenbildung der Clavicula, so dass hieraus kein messbarer GdB resultiere.

Hiergegen hat der Kläger am 22.05.2006 mit der Begründung, dass hinsichtlich der bei ihm vorliegenden orthopädischen Befunde ein GdB von 30 zu niedrig angesetzt sei, Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Unterstützung seines Begehrens hat er neben Unterlagen, die die Jahre 1992 bis 2003 betreffen, den Rehaentlassungsbericht der Rehabilitationsklinik H. in Baden-Baden über die von ihm im Jahr 2004 durchgeführte Heilbehandlung (Diagnosen: lokales Lumbalsyndrom mit mäßiggradiger Funktionseinschränkung, leichte retropatellare und mediale Gonarthrose bds., leichtgradiges Impingement-Syndrom der Schulter rechts, Hyperlipidämie, Leukozytenanstieg), Berichte des Radiologen Dr. S. über ein MRT des rechten Kniegelenkes vom 15.12.2004 (zentrale Degeneration im Innenmeniskushinterhorn, aktivierte Retropatellararthrose, gering auch Varusgonarthrose, ausgeprägte Knorpeldefekte des restausgedünnten Retropatellarknorpels, Gelenkerguss, kleine Bakercyste der medianen Kniekehle), des Radiologen Dr. R. über ein CT der Lendenwirbelsäule vom 19.01.2006 (geringe degenerative Bandscheibenveränderungen im Segment L 3/4/5 mit diskreter Protrusion im Segment L 3/4 und Protrusion /diskretem NPP L 4/5 medial, im Segment L 5/S 1 Foramenstenose beidseits infolge Spondylose und geringer Spondylarthrose mit allgemeiner rechtsbetonter Protrusion, etwas vermehrte Sklerosierung an den kongruierenden Grund- und Deckplatten im Segment L 5/S 1 sowie ventrale Spondylose im Segment L 3 /4 (( L 5/ S 1), Unterlagen der Orthopädischen Klinik M. aus dem Jahr 2005 über die durchgeführte Arthroskopie des rechten Kniegelenks und die ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. Sz. vom 12.06.2006 (Diagnose: Impingement Syndrom beide Schultergelenke) vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. D. vom 29.09.2006. Dr. D. hat als orthopädische Diagnosen eine initiale Sprunggelenksarthrose, Senk-Spreizfußdeformität mit geringer Knickkomponente, eine Retropatellararthrose rechts ) links und beginnende mediale Gonarthrose rechts, eine beginnende Coxarthrose rechts, eine chronisch rezidivierende Lumbalgie bei degenerativen Veränderungen der unteren LWS ohne Neurologie, degenerative Veränderungen der BWS, ein subacromiales Schmerzsyndrom rechts bei Tendinosis calcarea, eine endgradige Abduktionseinschränkung des linken Schultergelenkes bei Zustand nach Clavikulafraktur links und Abtragung hypertropher Kallusbildung, eine Epicondylitis humeri ulnaris rechts und eine Handgelenksarthralgie rechts und als nichtorthopädische Diagnosen eine Hypercholesterinämie, einen Nikotinabusus und anamnestisch eine Herzreizleitungsstörung festgestellt. Die beidseitige Schulterproblematik, die rechtsseitige Epicondylitis humeri ulnaris sowie die Handgelenksarthralgie rechts hat er zusammengefasst mit einem GdB von 10 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und zusammengefasst die Funktionsbehinderung der Kniegelenke, die Sprunggelenksarthralgie und die Senk- Spreizfußdeformität mit einem GdB von jeweils maximal 20 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er mit maximal 30 eingestuft.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. D. die Einschätzung des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung eines GdB von 30 in vollem Umfang bestätigt habe, auch wenn er die Epicondylitis und die Handgelenksarthralgie des rechten Armes sowie das subacromiale Schmerzsyndrom der rechten Schulter bei Tendinosis calcarea zusätzlich berücksichtigt und mit einem GdB von 10 bewertet habe. Zutreffend habe er insoweit ausgeführt, dass es hierdurch nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB komme. Die Ausführungen von Dr. D. seien aufgrund der von ihm erhobenen Befunde schlüssig und seine Bewertung der vorliegenden Einschränkungen auf die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft stehe mit den Vorgaben der Anhaltspunkte 1996 in Übereinstimmung.

Hiergegen hat der Kläger am 12.02.2007 Berufung eingelegt.

Der Senat hat von dem Arzt für Orthopädie, Unfallchirurgie Prof. Dr. B., Sportklinik Sg., ein Gutachten vom 20.06.2007 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Darin sind als Diagnosen ein subacromiales Impingement-Syndrom mit begleitender subacromialer Bursitis rechts, eine Schultereckgelenksarthrose rechts, eine Schulterblattdyskinesie rechts I./II. Grades, ein Schmerzsyndrom im Bereich des linken Schultergürtels nach konservativ behandelter Schlüsselbeinfraktur mit nachfolgender Plexusirritation links, eine Epicondylitis ulnaris rechts, eine Arthralgie des rechten Handgelenkes, ein chronisches Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom, ein retropatellares Schmerzsyndrom beiderseits bei Gonarthrose beiderseits und ein Senk-Spreizfuß beiderseits genannt. Für das subacromiale Impingement-Syndrom mit begleitender Bursitis, Schultereckgelenksarthrose rechts, begleitender Schulterblattdyskinesie sowie linksseitigem Schmerzsyndrom und Epicondylitis ulnaris rechts sowie unklarer Arthralgie des rechten Handgelenkes sei ebenso wie für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule bei chronischem Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom und die Funktionseinschränkung bedingt durch das beiderseitig bestehende retropatellare Schmerzsyndrom bei Gonarthrose beiderseits jeweils ein GdB von 20 gerechtfertigt. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 40.

Der Beklagte ist der Beurteilung von Prof. Dr. B. mit der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. Brusdeilins vom 18.10.2007 entgegen getreten.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Januar 2007 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 27. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Mai 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen höheren GdB, mindestens aber 50, festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist sachlich nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 27.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2006 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 30 hat.

Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleich lautenden AHP 2008 maßgebend sind.

Die vom SG in der angefochtenen Entscheidung unter Verweis auf die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid und gestützt auf das von Dr. D. erstattete Sachverständigengutachten vorgenommene Beweiswürdigung die Feststellung eines GdB von 30 betreffend ist in jeder Hinsicht zutreffend und wird deshalb auch vom Senat geteilt. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers sind gemäß Nr. 26.18 (S. 116) 2008 mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet, nachdem Dr. D. bei der orientierenden neurologischen Untersuchung keine wesentlichen krankhaften Veränderungen fand, das Schober`sche Zeichen mit 10/14 cm maß, die Halswirbelsäulenbeweglichkeit in alle Richtungen frei war, nur im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule ein Druck - und Klopfschmerz bestand und die paravertebrale Rückenmuskulatur auch nur gering verspannt war. Dr. D. hat den GdB hierfür ebenfalls mit 20 abgegeben. Prof. Dr. B. hat den Wert bestätigt.

Dr. D. hat in seinem Gutachten auch der Bewertung des Beklagten bezüglich der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Kniegelenke mit einem GdB von 20 nach Nr. 26.18 (S. 125 f) der AHP zugestimmt, wobei er insoweit die Sprunggelenksarthralgie und die Senk-Spreizfußdeformität mit einbezogen hat. Auch dies entspricht der Einschätzung von Prof. Dr. B., der hiervon nur insoweit abweicht, als er der Auffassung ist, dass die Senk-Spreizfußdeformität keinen GdB bedingt.

Eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks mit der Folge, dass der Arm nur um 120 Grad erhoben werden kann, bedingt nach den AHP entsprechend Ziffer 26.18 (S. 119) einen GdB von 10 und für den Fall, dass der Arm nur um 90 Grad erhoben werden kann, einen GdB von 20. Bewegungseinschränkungen im Ellenbogengelenk geringen Grades (Streckung/Beugung bis 0-30-120 bei freier Unterarmdrehbeweglichkeit) haben einen GdB zwischen 0 bis 10 und solche stärkeren Grades (insbesondere der Beugung einschließlich Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit) einen GdB von 20 bis 30 zur Folge (Ziffer 26.18, S. 120). Ebenfalls einen GdB zwischen 0 und 10 bedingt eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 30-0-40°), eine solche stärkeren Grades ist mit einem GdB zwischen 20 und 30 einzuschätzen (Ziffer 26.18, S. 120). Bei der Begutachtung durch Dr. D. war die Schultermuskulatur des Klägers inspektorisch normal ausgebildet mit physiologischem Muskeltonus. Die Armführung rückwärts-vorwärts gelang dem Kläger sowohl rechts als auch links zwischen 40-0-170°, die Streckung-Beugung der Ellenbogengelenke wurde rechts und links mit 0-0-140° gemessen, eine Bewegungseinschränkung von seiten der Handgelenke bestand nicht (handrückenwärts-hohlhandwärts jeweils 40-0-50°). Die Röntgenaufnahmen des rechten Ellenbogens beschreibt Dr. D. als unauffällig, die Aufnahmen der Schultern vom Mai 2006 zeigten nach seinen Ausführungen rechts eine Verkalkung im Bereich der Supraspinatussehne und links einen Zustand nach Clavikulafraktur medial bis lateral ohne übermäßige Kallusbildung, in achsgerechter Clavikulastellung und mit allenfalls initaler Schultereckgelenksarthrose. Unter Beachtung der AHP rechtfertigen diese Befunde - wie Dr. D. dargelegt hat - auch unter Berücksichtigung der vom Kläger beklagten Schmerzen nur einen GdB von 10. Der von Prof. Dr. B. befürwortete GdB von 20 lässt sich mit den AHP, zumal auch Prof. Dr. B. nur eine endgradige Einschränkung der Schultergelenke für die armseitwärtige und körperwärtige Bewegung gemessen hat (jeweils 30-0-160°), die Ellenbogengelenke auch bei ihm ein jeweils völlig unauffälliges Bewegungsausmaß zeigten und die Handbeweglichkeit frei war, nicht in Einklang bringen.

Aus den Einzel-GdB-Werten von jeweils 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden und die Funktionsbehinderung von seiten der Kniegelenke und dem Teil-GdB-Wert von 10 für die Schulterproblematik einschließlich der rechtsseitigen Epicondylitis humeri ulnaris und der Handgelenksarthralgie rechts resultiert gemäß den den Senat überzeugenden Ausführungen der Gutachter des versorgungsärztlichen Dienstes und des Dr. D. ein Gesamt-GdB von 30. Eine Addition der einzelnen GdB-Werte ist gemäß Nr. 19 Abs. 1 der AHP nicht zulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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