L 6 V 1613/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 3894/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 1613/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2006 abgeändert und der Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2007 sowie des Bescheids vom 26. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2002 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer Hüftarthrose rechtsseitig als weitere Schädigungsfolge Beschädigtenrente nach einer MdE um 60 v. H. zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger weitere Schädigungsfolgen festzustellen sind und ihm deshalb Rente nach einem Grad der Schädigung (GdS - vgl. § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes [BVG] i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904, 2909, bis 20. Dezember 2007 Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) um mehr als 40 vom Hundert (v.H.) zu gewähren ist.

Der am 16. Juni 1924 geborene Kläger bezieht seit dem Jahr 1951 Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v.H. Als Schädigungsfolgen sind im Sinne einer Verschlimmerung durch schädigende Einwirkungen gemäß § 1 BVG anerkannt:

"Zerstörung und Verbildung des linken Mittelfußknochens und des linken Keilbeins, Teilversteifung der Fußgelenke links, mäßige Klumpfußstellung links, Muskelschwund am linken Unterschenkel, Narben am linken Fuß".

Grundlage der entsprechenden Neubezeichnung der Schädigungsfolgen ist der in Ausführung des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) vom 27. November 1970 ergangene Ausführungsbescheid des früheren Versorgungsamts Stuttgart (VA) vom 4. Januar 1971.

Nach dem früheren Schwerbehindertengesetz hatte das VA mit Bescheid vom 4. August 1981 wegen der anerkannten Schädigungsfolgen sowie einer "Hüftgelenksarthrose beidseits" im Übrigen eine "MdE" um 60 v.H. festgestellt.

Am 4. Dezember 2000 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Versorgungsbezüge und machte eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen im Bereich des linken Fußes geltend sowie als Folge der Schädigung dieses Fußes Beschwerden im Bereich beider Hüften und der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden. Diese Folgeschäden bestünden bereits seit Jahrzehnten, allerdings verstärkt seit August 2000. Das VA zog von den behandelnden Ärzten zahlreiche Arztbriefe und Befundunterlagen bei und veranlasste bei dem Radiologen Dr. K. röntgenologische Untersuchungen des Klägers im Bereich des linken Fußes, der Hals- und Brustwirbelsäule (HWS, BWS). Sodann veranlasste es das versorgungsärztliche Gutachten des Dr. G. vom 3. September 2001, der eine wesentliche Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen im Bereich des linken Fußes verneinte. Die Zunahme der geklagten Beschwerden führte er vorwiegend auf die nicht schädigungsbedingt entstandene Wirbelsäulenerkrankung zurück, die sowohl in einer skoliotischen Fehlhaltung, als auch in fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen mit Nervenwurzelreizerscheinungen bestehe. Schädigungsunabhängig bestehe im Übrigen eine Hüftarthrose beidseits, links stärker als rechts, die in keinen ursächlichen Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen am linken Fuß zu bringen sei. Dr. G. hielt allerdings die Bezeichnung der Schädigungsfolgen insoweit für unvollständige, als nicht bezeichnet werde, welche der fünf Mittelfußknochen und der drei Keilbeinknochen gemeint seien, und empfahl die Bezeichnung der Schädigungsfolgen wie folgt zu ergänzen: "Zerstörung und Verbildung des ersten linken Mittelfußknochens und der linken Keilbeinknochen". Eine Änderung der MdE ergebe sich hierdurch nicht.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 lehnte das VA den Antrag auf Neufeststellung des Versorgungsanspruchs mit der Begründung ab, weder im Bereich der anerkannten Schädigungsfolgen sei eine Befundverschlimmerung, die eine Erhöhung der MdE rechtfertige, eingetreten, noch lägen weitere Gesundheitsstörungen vor, die mit schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG oder den anerkannten Schädigungsfolgen in ursächlichem Zusammenhang stünden. Die Zunahme der Beschwerden sei auf die nicht schädigungsbedingte Wirbelsäulenerkrankung zurückzuführen, die sowohl in einer skoliotischen Fehlhaltung als auch in fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen mit Nervenwurzelreizerscheinungen bestehe. Schädigungsunabhängig liege im Übrigen eine Hüftarthrose beidseits vor, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen am linken Fuß stehe. Weiter ist ausgeführt, dass hinsichtlich der Neubezeichnung der Schädigungsfolgen ein gesonderter Bescheid ergehe. Dieser Bescheid erging unter dem 26. Oktober 2001, wobei die anerkannten Schädigungsfolgen nunmehr wie folgt bezeichnet wurden:

"Zerstörung und Verbildung des ersten linken Mittelfußknochens und der linken Keilbeinknochen, Teilversteifung der Fußgelenke links, mäßige Klumpfußstellung links, Muskelschwund am linken Unterschenkel, Narben am linken Fuß".

Mit Schriftsätzen seiner Bevollmächtigten vom 26. November 2001 legte der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 25. und 26. Oktober 2001 ein, ohne diese zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2002 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2001 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 13. August 2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage, wobei er neben der Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2002 beantragte, den Beklagten zu verurteilen, als weitere Schädigungsfolgen "Hüftschaden beidseits" sowie "Wirbelsäulen- und Bandscheibenschäden" festzustellen und ihm Beschädigtenrente nach einer MdE um zumindest 80 v.H. zu gewähren. Er verwies auf eine erforderlich gewordene Operation im Bereich des linken Fußrückens, die jedoch nicht den erwünschten Erfolg gebracht habe. Er legte zahlreiche medizinische Unterlagen vor und verwies insbesondere auf das an seinen Bevollmächtigten gerichtete Schreiben des Dr. I. vom 14. Februar 2003, in dem dieser einen direkten Zusammenhang zwischen seiner Kriegsverletzung und der beidseitigen Coxarthrose sowie der Wirbelsäulenproblematik bejaht hatte. Der Beklagte trat der Klage unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er vertrat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W. vom 5. August 2005 weiterhin die Auffassung, die Hüftgelenks- und Wirbelsäulenbeschwerden stellten keine zusätzliche Schädigungsfolge dar. Auch die in dem vom SG eingeholten Gutachten beschriebenen Schultergelenksbeschwerden seien schädigungsunabhängig entstanden und führten nicht zu einer höheren MdE. Insoweit seien die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), Seite 160, sowie die Verwaltungsvorschrift Nr. 1 b zu § 30 BVG zu beachten, wonach ein Nachschaden bei der Beurteilung der MdE nicht berücksichtigt werden dürfe. Er legte noch die weitere versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 20. Oktober 2005 vor. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhob das SG das Gutachten des Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Rheumaorthopädie im S.-Rheumazentrum, vom 23. Mai 2005. Dieser diagnostizierte eine Protrusionscoxarthrose rechts mehr als links, die seit dem erstmaligen Auftreten von Beschwerden vor ca. 40 Jahren eine deutliche Progredienz zeige. Prof. Dr. S. ging davon aus, dass die Hüftarthrose bereits seit dem Jahr 1981 als Schädigungsfolge mit einer MdE um 20 v.H. berücksichtigt sei und bewertete die MdE im Hinblick auf die von ihm klinisch und radiologisch objektivierte deutliche Verschlechterung nunmehr mit einer MdE um 40 v.H. Weiter führte er aus, die Protrusionscoxarthrose sei durch das veränderte Gangbild bei Mehrbelastung des rechten Beines sowie Reduktion der Abrollbewegung durch die funktionelle Spitzfußstellung und den außenrotierenden Gang zum Teil erklärbar. Die vom Kläger geklagten Schmerzen im Lendenwirbelsäulen(LWS)-Bereich mit Ausstrahlung in das rechte Bein, die vor dem Hintergrund einer starken Degeneration von L4/5 und L5/S1 zu sehen seien, stünden nicht im Zusammenhang mit der Vorschädigung durch Fuß und Hüften. Insoweit lasse sich ein wissenschaftlich seriöser Zusammenhang nicht herstellen, wenn auch die LWS aufgrund der verminderten Abrollbewegung und der fixierenden orthopädischen Schuhe stärker stoßbelastet sei. Da der obere Abschnitt der LWS altersentsprechend in einem guten Zustand sei, hingen die Veränderungen der BWS ebenfalls hoch wahrscheinlich nicht mit dem Schaden des linken Fußes zusammen. Im Bereich der Schultern diagnostizierte der Sachverständige eine Omarthrose beidseits mit Cuff-Arthropathie; die zugrunde liegende Rotatorenmanschettenläsion, die erstmals 1995 diagnostiziert worden sei, sei jedoch keine Schädigungsfolge. Da der Kläger allerdings hauptsächlich mit zwei Gehstöcken mobil sei und die Benutzung dieser Gehstöcke durch die Omarthrose stark eingeschränkt sei, sei "auch diese Verletzung zur Bewältigung der Schädigungsfolgen wesentlich". Insgesamt bewertete der Sachverständige die Protrusionscoxarthrosen beidseits unter Berücksichtigung der Cuff-Arthropathien beider Schultern mit einer MdE um 40 v.H. und gelangte unter Einbeziehung der bereits anerkannten MdE für den Bereich des linken Fußes zu einer Gesamt-MdE um 70 v.H. Unter dem 26. September 2005 äußerte sich Prof. Dr. S. ergänzend dahingehend, seine Beurteilung auf der Grundlage der bereits anerkannten Hüftgelenksarthrose als schädigungsbedingt getroffen zu haben. Soweit der Beklagte davon ausgehe, dass das Vorliegen einer beidseitigen Coxarthrose gegen die Annahme einer Schädigungsfolge spreche, weil Schädigungen am linken Fuß nicht zu Überlastungsschäden am rechten Bein führen könnten, sei dies nur schwer verständlich. Denn bei einer Verletzung des linken Beines erfolge die Lastübertragung über das rechte Bein und bedinge somit eine Mehrbelastung dieses Beines. Die Literatur (Prof. P. und Mitarbeiter) zeige eindeutig, dass sowohl Arthrosen in der ipsilateralen als auch in der kontralateralen Extremität bei der Analyse des Hüftgelenks durch einen entsprechenden Kompensationsmechanismus anerkannt werden könnten. Weshalb im Sinne der Auffassung des Beklagten Schädigungsfolgen am linken Fußgelenk zu Folgeschäden zunächst am unmittelbar benachbarten Kniegelenk führen sollen und nicht am weiter entfernten Hüftgelenk, sei im Übrigen nur schwer verständlich. Die Veränderungen der Schultergelenke habe er nicht als Schädigungsfolge bewertet, er habe vielmehr lediglich auf die Konsequenz hingewiesen, dass bei Anerkennung einer Coxarthrose als Schädigungsfolge die Auswirkungen für den Kläger durch die gleichzeitige Erkrankung der Schultergelenke viel gravierender sei. Die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen habe er übereinstimmend mit dem Beklagten als schädigungsunabhängig bewertet, wenn auch dessen Begründung für diese Annahme nicht geteilt werde. Mit Urteil vom 23. Februar 2006 verurteilte das SG den Beklagten unter Abänderung bzw. Ergänzung der Bescheide vom 25. bzw. 26. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2002, die Schädigungsfolgen um die Bezeichnung "Hüftgelenksleiden links" im Sinne der Entstehung zu ergänzen und dem Kläger Versorgungsrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. S. führte das SG aus, das mit einer MdE um 40 v.H. bewertete Schädigungsleiden sei nahezu durchgängig mit entsprechenden linksseitigen Gehbeschwerden einhergegangen; hierdurch sei die medizinische Anlage für die später manifest gewordenen Hüftgelenksbeschwerden gesetzt worden. Dadurch rechtfertige sich nunmehr eine Gesamt-MdE um 50 v.H. Demgegenüber lasse sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Ursachenzusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und den weiteren Beschwerden im Bereich des weniger stark betroffenen rechten Hüftgelenks und der BWS und LWS herstellen. Diese seien degenerativer, d.h. alters- und anlagebedingter Art. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Beklagten am 22. März 2006 und dem Bevollmächtigten des Klägers am 24. März 2006, jeweils gegen Empfangsbekenntnis, zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Beklagte am 31. März 2006 und der Kläger am 24. April 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Der Beklagte hat die weitere versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 28. März 2006 vorgelegt und macht geltend, nach dem im sozialen Entschädigungsrecht geltenden Kausalbegriff der wesentlichen, d.h. der mindestens annähernd gleichwertigen Bedingung könnten bei unauffälligem Kniegelenksbefund links die beidseitigen Hüftgelenksveränderungen nicht als schädigungsbedingt angesehen werden. Wenn eine Protrusionscoxarthrose beidseits festgestellt werde und diese sogar rechts, also am nicht geschädigten Bein, stärker ausgeprägt sei als links, könne mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese Coxarthrose auch linksseitig anlagebedingt sei. Schwer verständlich sei im Übrigen, warum eine schädigungsbedingte Fehlbelastung des linken Fußes sich nur im linken Hüftgelenk auswirken solle, nicht dagegen am anatomisch näher benachbarten linken Kniegelenk. Im Hinblick auf die medizinischen Ermittlungen des Senats hat der Beklagte die weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 9. November 2006 und 16. Januar 2007 vorgelegt und auf die AHP Nr. 129 Abs. 2 hingewiesen, wonach es nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung nicht erwiesen sei, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden durch "Überlastungen" komme. Entsprechendes gelte nach Nr. 129 Abs. 4 der AHP bei Gliedmaßenschäden. Insbesondere könnten auch die Schultergelenksarthrosen beidseits nicht auf eine jahrzehntelange schädigungsbedingte Überlastung in Folge von Gehstützen zurückgeführt werden, zumal sich die Schultergelenksbeweglichkeit innerhalb kurzer Zeit deutlich verschlechtert habe und ein derartiger Verlauf mit Wahrscheinlichkeit für eine altersbedingte Abnahme der Gelenksbeweglichkeit spreche.

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2001 nachgeholt und diesen mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2007 zurückgewiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2006 aufzuheben, die Klage abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2006 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2007 sowie des Bescheids vom 26. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2002 zu verurteilen, unter zusätzlicher Anerkennung eines Hüftgelenksleidens rechts sowie eines Schultergelenksleidens beidseits im Sinne der Entstehung, die Versorgungsrente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren sowie die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, auch die Hüftgelenksarthrose rechtsseitig sei schädigungsbedingt entstanden. Insoweit bezieht er sich auf den Bescheid des VA vom 4. August 1981, mit dem unter Einbeziehung der Hüftgelenksartrose beidseits eine MdE um 60 v.H. festgestellt worden sei. Wenn auch seinerzeit zur Ursächlichkeit der Hüftgelenksarthrose nichts ausgeführt worden sei, so dokumentiere dieser Bescheid gleichwohl die Auswirkungen der Hüftgelenksarthrose auf seine Erwerbsfähigkeit. Im Hinblick auf das Gutachten des Prof. Dr. S. habe das SG seine Hüftbeschwerden daher zutreffend als schädigungsbedingt beurteilt. Nicht folgerichtig sei lediglich die Beschränkung auf die linke Hüfte, was sowohl dem Gutachten des Prof. Dr. S. als auch den Ausführungen des Dr. I. vom 14. Februar 2003 entnommen werden könne. Letztlich sei auch das Schultergelenksleiden beidseits als Schädigungsfolge anzuerkennen, so dass sich insgesamt eine MdE um 70 v.H ergebe.

Der Senat hat das Gutachten des Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik im O. S., vom 13. Oktober 2006 erhoben. Dieser beurteilte die degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Alters des Klägers als anlagebedingt, führte jedoch die Schultergelenks- und Hüftgelenksarthrosen beidseits auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurück (anders als der Vorgutachter sah er die Hüftgelenksarthrose links ausgeprägter als rechts). Da der Kläger Unterarmgehstützen rechts bereits seit Jahrzehnten trage und diese seit dem Jahr 2000 auch linksseitig zum Einsatz gelangten, sei von einer schädigungsbedingten Überlastung beider Schultern auszugehen, wobei die MdE insoweit mit 20 v.H. anzusetzen sei. Entsprechend seien auch die Protrusionscoxathrosen beidseits zu bewerten, die auf eine Mehrbelastung des rechten Beines sowie eine Reduktion der Abrollbewegung zurückzuführen seien. Zu den Einwänden des Beklagten, wonach der Verlauf der Bewegungseinschränkung im Bereich der Schultern mit deutlicher Verschlechterung innerhalb kurzer Zeit für eine altersbedingte Abnahme der Gelenksbeweglichkeit spreche und die AHP in Nr. 129 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 gegen die Annahme von Überlastungsschäden am rechten Hüftgelenk und einer Überlastung des linken Beines sprächen, äußerte sich Prof. Dr. W. ergänzend unter dem 22. Dezember 2006. Seines Erachtens spreche eine rasche Verschlechterung der Beweglichkeit im Bereich der Schultern nicht zwingend für eine schädigungsunabhängige Entwicklung, da Arthrosen klinisch üblicherweise wellenförmig verliefen und sich ein beschwerdeintensiveres Intervall durchaus an ein beschwerdeärmeres Intervall anschließen könne und umgekehrt. Was die Hüftarthrosen anbelange, entspreche es zwar herrschender medizinischer Lehrmeinung, dass nicht erwiesen sei, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbleibenden paarigen Gliedmaße zu Schäden durch Überlastung komme. Allerdings stelle sich die Situation beim Kläger anders dar, da kein Zustand nach Amputation vorliege, sondern eine klumpfußähnliche Fußfehlstellung. Insoweit sei das Kompendium der medizinischen Begutachtung von Prof. P. und Mitarbeiter zur Anerkennung mittelbarer Schäden in der gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen, das auch bereits Prof. Dr. S. herangezogen habe.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufungen des Klägers und des Beklagten sind statthaft und zulässig; jedoch ist lediglich die Berufung des Klägers teilweise begründet, während die Berufung des Beklagten in vollem Umfang unbegründet ist.

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu Recht verurteilt, als weitere Schädigungsfolge ein Hüftgelenksleiden links festzustellen und dementsprechend höhere Beschädigtenrente zu gewähren. Allerdings hätte es auch ein Hüftgelenksleiden rechts als Schädigungsfolge feststellen und die MdE dadurch bedingt höher, und zwar mit einer MdE um 60 v.H. bewerten müssen. Die Berufung des Klägers war insoweit daher erfolgreich. Soweit der Kläger darüber hinaus jedoch Beschädigtenrente nach einer MdE um 70 v.H. unter Anerkennung seines Schultergelenksleiden als weitere Schädigungsfolge begehrt hat, war die Berufung unbegründet, da dieses Leiden nicht schädigungsbedingt entstanden ist. Demgegenüber war die Berufung des Beklagten unbegründet, da das SG zu Recht davon ausgegangen ist, dass jedenfalls das Hüftgelenksleiden links schädigungsbedingt entstanden ist und eine Bewertung mit einer höheren als der bereits zuerkannten MdE um 40 v.H. gerechtfertigt ist.

Da der Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2001 noch nicht entschieden hatte, war das Widerspruchsverfahren im Berufungsverfahren nachzuholen und der sodann unter dem 23. November 2007 ergangene Widerspruchsbescheid in das anhängige Berufungsverfahren einzubeziehen, da er gemäß § 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Entsprechend war nicht nur der Bescheid vom 25. Oktober 2001, sondern auch der Widerspruchsbescheid vom 23. November 2007 abzuändern.

Rechtsgrundlage für die vom Klägerin geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen (BSG, Urteil vom 8. Mai 1981 - 9 RVs 4/80 - SozR 3100 Nr. 21 zu § 62 BVG).

Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung, einen Unfall während der Ausübung dieses Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach § 1 Abs. 1 BVG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung. Dabei müssen das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) erwiesen sein, während nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d. h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend zu prüfen, ob in dem Zustand der Schädigungsfolgen beim Kläger, wie sie bei Erlass des Ausführungsbescheids vom 4. Januar 1971 zugrunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sei es, dass sich anerkannte Schädigungsfolgen verschlimmert haben, sei es, dass neue Schädigungsfolgen hinzugetreten sind.

Soweit der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf höhere Beschädigtenrente im Klageverfahren noch mit schädigungsbedingt aufgetretenen Wirbelsäulen- und Bandscheibenschäden begründet hat, hat er diese Auffassung im Anschluss an das den entsprechenden Zusammenhang verneinende Urteil des SG im Berufungsverfahren nicht mehr vertreten. Im Streit steht daher zum einen lediglich noch die Anerkennung der rechtsseitigen Hüftarthrose , weil das SG lediglich die linksseitige Hüftarthrose als durch die Schädigung bedingt angesehen hat, während der Kläger eine solche auch rechtsseitig zur Anerkennung begehrt und der Beklagte davon ausgeht, die beiderseitigen Hüftarthrosen seien schädigungsunabhängig entstanden. Zum anderen streiten die Beteiligten - ohne dass dies Gegenstand des Klageverfahrens gewesen wäre - noch darum, ob auch eine Omarthrose beidseits als Schädigungsfolge anzuerkennen ist und sich dadurch die MdE weiter erhöht. Dass diese zuletzt genannte Gesundheitsstörung vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren, und zwar nach Vorlage des Gutachtens des Prof. Dr. W. geltend gemacht wurde, steht einer Einbeziehung in das Verfahren nicht entgegen, da die insoweit zur Anerkennung begehrte Schädigungsfolge sich lediglich als Begründungselement für die in erster Linie geltend gemachte höhere Versorgungsrente darstellt.

Unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger als Folge der anerkannten Schädigung im Bereich des linken Fußes eine Hüftarthrose beidseits aufgetreten ist, die für sich betrachtet die Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. rechtfertigt und beim Kläger zu einer Gesamt-MdE um 60 v.H. führt.

Der Kläger ist im Bereich der Hüftgelenke erheblich eingeschränkt, was als solches auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird. Die röntgenologisch nachweisbaren osteophytären Randausziehungen im Pfannenrandbereich bzw. Randanlagerungen, die sich Prof. Dr. S. rechts stärker ausgeprägt als links und Prof. Dr. W. links ausgeprägter als rechts darstellten, führen zu erheblichen Schmerzzuständen sowie Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit, namentlich durch eine komplette Aufhebung der Innenrotation, insbesondere aber auch der Flexion. Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. konnte lediglich noch eine Flexion von 90° objektiviert werden, so dass der Kläger für das Sitzen gerade noch die 90°-Position erreicht hat. Vor diesem Hintergrund folgt der Senat der Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W., die die MdE insoweit übereinstimmend mit 20 v.H. bewertet haben. Gegen die Einschätzung als solche hat im Übrigen auch weder der Beklagte noch der Kläger Einwendungen erhoben.

Der Senat ist auf der Grundlage dieser Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W. auch davon überzeugt, dass die beim Kläger im Bereich beider Hüftgelenke bestehenden arthrotischen Veränderungen wesentlich ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen im Bereich des linken Fußes zurückzuführen sind. Prof. Dr. S. ging - wie seinen klarstellenden Ausführungen im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme vom 26. September 2005 zu entnehmen ist - im Rahmen seines Gutachtens zwar davon aus, dass die Hüftarthrose beidseits im Hinblick auf den Bescheid vom 4. August 1981 bereits als Schädigungsfolge anerkannt sei, obwohl diese Funktionsbeeinträchtigungen lediglich Gegenstand der seinerzeit getroffenen Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz waren. Jedoch hat sich Prof. Dr. S. gleichwohl auch zu der in Rede stehenden Zusammenhangsfrage geäußert und dargelegt, dass bereits in dem aktenkundigen Gutachten vom 15. Januar 1969 eine Rechtsneigung des Rumpfes sowie eine vermehrte Außendrehstellung im Gang links mit Mehrbelastung des rechten Beines aufgefallen sei und zudem bereits seit fast 50 Jahren rezidivierende Hüftschmerzen in den Akten dokumentiert seien. Wenn Prof. Dr. S. vor dem Hintergrund des insoweit bereits für das Jahr 1968/69 beschriebenen Gangbildes mit Mehrbelastung des rechten Beines sowie Reduktion der Abrollbewegung durch die funktionelle Spitzfußstellung und den außenrotierten Gang die im Bereich der Hüfte aufgetretenen arthrotischen Veränderungen beidseits erklärt, so ist dies für den Senat gerade auch im Hinblick auf den Umstand überzeugend, dass erste Beschwerden im Bereich der Hüften bereits vor rund 40 Jahren dokumentiert wurden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger gerade noch nicht im typischen Alter eines Coxarthrosepatienten war. In dem dargelegten Sinne hat sich auch der im Berufungsverfahren hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. W. geäußert und die Hüftgelenksarthrose beidseits als Folge der Schädigung im Bereich des linken Fußes gesehen. Dass Prof. Dr. W. nach Auswertung der von ihm gefertigten Röntgenaufnahmen die linksseitigen Veränderungen der Hüfte als ausgeprägter beurteilte als rechtsseitig, während Prof. Dr. S. rechtsseitig stärkere Veränderungen beschrieb, rechtfertigt insoweit keine andere Beurteilung. Denn die Schädigungsfolgen im Bereich des linken Fußes haben sich einerseits durch die dortige vermehrte Außendrehstellung im Gang linksseitig, andererseits aber auch rechtsseitig durch eine Rechtsneigung des Rumpfes mit Mehrbelastung des rechten Beines nachteilig auf die Hüftgelenke ausgewirkt, so dass sich für beide Hüftgelenke mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit schädigungsbedingte Folgeschäden feststellen lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob der Schwerpunkt der Veränderungen nunmehr rechts- oder linksseitig angenommen werden muss.

Soweit der Beklagte gegen die entsprechende Beurteilung der Sachverständigen eingewandt hat, im Hinblick auf die Schädigungsfolgen am linken Fußgelenk seien zu allererst Folgeschäden am unmittelbar benachbarten linken Kniegelenk, nicht aber am weiter entfernten linken Hüftgelenk zu erwarten, sieht der Senat ebenso wie der Sachverständige Prof. Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. September 2005 keinen Grund, weshalb in einer Kette von Gelenken, die die Überlastung des Körpers aufnehmen, zunächst ein Kniegelenk geschädigt werden soll, nicht aber ein Hüftgelenk, nur weil dies vom Fuß weiter entfernt liegt.

Soweit der Beklagte sich zur Stützung seiner Auffassung auf Nr. 129 Abs. 2 und 4 der AHP gestützt hat, vermag der Senat auch hieraus keine Gründe abzuleiten, die der getroffenen Beurteilung durch die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W. entgegenstehen könnten. Unter Absatz 2 der genannten Nr. ist ausgeführt, dass es bisher nicht erwiesen ist, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden (z.B. Arthrosen, Senkfüße, Krampfadern) durch Überlastungen kommt. Die Annahme von Schäden an unversehrten Gliedmaßen in Folge einer Amputation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Amputation zu einer lang dauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt hat, wie es beispielsweise bei Beinamputierten bei der Unmöglichkeit eine Prothese zu tragen oder bei einer prothetisch nicht ausgleichbaren Hüftkontraktur der Fall sein kann. Absatz 4 der genannten Regelung führt aus: Bei Gliedmaßenschäden (z.B. nicht ausgeglichene Beinverkürzungen, Gelenkversteifungen in ungünstiger Stellung) können die gleichen Folgen am Bewegungsapparat auftreten, wie nach einer Amputation mit vergleichbarer Funktionsstörung.

Der Senat vermag hieraus, insbesondere aus dem dargelegten Absatz 4, nicht abzuleiten, dass es ebenso wie bei einem Gliedmaßenverlust auch bei einem Gliedmaßenschaden nicht erwiesen ist, dass es an derselben Gliedmaße zu Schäden durch Überlastung kommt. Eine derartige Interpretation lässt die in Rede stehende nur allgemein gehaltene Formulierung bezüglich der Gliedmaßenschäden, also nicht der Gliedmaßenverluste, nicht zu. Was die Beurteilung bezüglich der Gliedmaßenverluste (Ziffer 129 Abs. 2 der AHP) anbelangt, hat Prof. Dr. W. für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass die herrschende medizinische Lehrmeinung darauf beruht, dass bei Amputierten weniger Arthrosen am unverletzten Bein als bei Nichtamputierten zu finden seien, was vor allem damit zu begründen sei, dass der Amputierte nur etwa ein Drittel (bezogen auf Oberschenkelamputationen), bzw. die Hälfte (bei Unterschenkelamputation) der Zeit eines Gesundes gehe oder stehe. Diese Situation einer geringen Gehleistung bei Amputierten kann nicht ohne weiteres auf den Kläger übertragen werden, weil dieser weder an einem Zustand nach Amputation, noch an einem solchen nach Teilamputation einer Extremität leidet, sondern an einer klumpfußähnlichen Fußfehlstellung mit Ankylose von Naviculare, Cuniforme I, Metatarsale I, Metatarsale II sowie Grundglied D II sowie Hammerzehen D II bis D V bei Zustand nach Weil-Osteotomie D II bis D V. Dies kann einem gänzlichen Gliedmaßenverlust bzw. -teilverlust jedoch nicht gleichgestellt werden. Damit rechtfertigt sich auch nicht der Schluss, dass von Überlastungen an der geschädigten Gliedmaße nicht ausgegangen werden könne. Der Senat folgt daher insgesamt der Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W., die sich gerade auch übereinstimmend auf das Kompendium der medizinischen Begutachtung zur Kausalitätsbetrachtung von Prof. P. bezogen haben, wonach Arthrosen in der ipsilateralen und kontralateralen Extremität, bei denen ein Kompensationsmechanismus einer nach einem Dienst- oder Wegeunfall verbliebenen Funktionsstörung anzunehmen ist, in der gesetzlichen Unfallversicherung als mittelbare Schäden anzuerkennen sind. Etwas anderes gilt auch im Hinblick auf den vorliegend zu beurteilenden Ursachenzusammenhang im Rahmen der Kriegsopferversorgung nicht. Damit ist beim Kläger eine Hüftarthrose beidseits als mittelbare Schädigungsfolge anzuerkennen.

Was die Situation im Bereich der Schultern anbelangt, vermag der Senat die zu objektivierende Omarthrose nicht wesentlich ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen im Bereich des linken Fußes zurückzuführen. Diesbezüglich folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. S., der schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass Rotatorenmanschettenverletzungen im höheren Alter häufige Verletzungen sind und auch der Kläger nach erstmals im Jahr 1988 angegebenen Schulterschmerzen bei adäquatem Trauma im Jahr 1995 eine Rotatorenmanschettenläsion erlitten hat. Wie Prof. Dr. S. nachvollziehbar dargelegt hat, führt eine Rotatorenmanschettenruptur dadurch, dass auf dem Oberarmkopf kein Muskelmantel mehr liegt, zu einem progredienten Hochtreten des Oberarmkopfes, bis dieser am Schulterdach anstößt. Da die Unterseite des Schulterdaches nicht knorpelbedeckt ist, kann hier keine gelenkartige Bewegung stattfinden, was zu einem schnellen Verlust des Gelenkknorpels auf dem Oberarmkopf führt. Dies wiederum entspricht dem Bild der Omarthrose, wie sie auch beim Kläger objektiviert wurde. Angesichts dessen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger insoweit von einem Nachschaden ausgegangen werden muss und die Anerkennung als mittelbare Schädigungsfolge daher nicht in Betracht kommt. Der dieser Beurteilung entgegenstehenden Auffassung des Prof. Dr. W. vermochte der Senat nicht zu folgen. Denn dieser Sachverständige hat gänzlich außer Acht gelassen, dass beim Kläger im Bereich der Schultergelenke schädigungs-unabhängig Verletzungen vorgelegen haben, die die zu objektivierende Omarthrose in seinem fortgeschrittenen Alter zwanglos erklären können.

Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die dargelegte Schädigung den Kläger, der sich lediglich mit zwei Gehstöcken fortbewegen kann, wesentlich beeinträchtigt, weil bei jedem Aufsetzen der Stöcke und Belastung der Oberarmkopf kraftvoll gegen das Schulterdach gedrückt wird. Die entsprechenden Auswirkungen hat Prof. Dr. W. zu Unrecht bei der Bemessung der MdE als berücksichtigungsfähig angesehen. Denn ein nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung stehender sog. Nachschaden kann bei der Feststellung der MdE nach § 30 Abs. 1 BVG nicht berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn dieser zusammen mit Schädigungsfolgen zu besonderen Auswirkungen führt, bei denen die Schädigungsfolgen eine gleichwertige oder überwiegende Bedeutung haben (vgl. AHP, Ziffer 47 Abs. 2).

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers lediglich teilweise Erfolg haben, während die Berufung des Beklagten in vollem Umfang zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Der Senat sieht im Hinblick auf die Formulierung in Nr. 129 Abs. 4 der AHP angesichts der Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 21. August 2002 (B 9 VJ 1/02 R), wonach die AHP bezüglich der Gliedmaßenschäden (also nicht Gliedmaßenverlusten) nur eine allgemeine Formulierung enthalten, die für die Anwendung im Einzelfall einer näheren Interpretation bedarf, keinen Grund für die Zulassung der Revision.
Rechtskraft
Aus
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