L 9 U 3967/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3176/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3967/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Lärmschwerhörigkeit).

Der 1947 geborene Kläger hat bei der Zimmerei Sch. in Oberwolfach von März 1963 bis September 1966 eine Ausbildung zum Zimmermann durchlaufen. Vom 1. Oktober 1966 bis zum 18. August 1969 war er Bauhofmitarbeiter auf dem Bauhof der Gemeinde Oberwolfach tätig. Daran schloss sich eine Tätigkeit als Getränke-LKW-Fahrer beim Raiffeisen-Markt in Wolfach vom 1. September 1969 bis 15. Juli 1985 an. Seit dem 15. Juli 1985 ist der Kläger bei der Fa. S. Bergbau-Services in Wolfach beschäftigt. Bis einschließlich Juni 2002 war er als Anlagenwart bei der Aufbereitung von Fluß- und Schwerspat beschäftigt. Seit Juli 2002 wird er als Anlagenwart im Klärwerk des Unternehmens eingesetzt.

Der HNO-Arzt Dr. K. erstattete am 25. Juni 2002, bei der Beklagten eingegangen am 28. Juni 2002, eine ärztliche Anzeige über eine BK. Die Anzeige des Arbeitgebers folgte am 1. Juli 2002.

Im Zuge der anschließenden Ermittlungen wurden die Arbeitgeber befragt. Während die Zimmerei Sch. am 3. August 2002 mitteilte, der Kläger sei während seiner Ausbildung gelegentlich dem Lärm von Holzbearbeitungsmaschinen ausgesetzt gewesen, verneinten die Gemeinde Oberwolfach (Auskunft vom 2. September 2002) und die Raiffeisen-Warengenossenschaft (Auskunft vom 25. Juli 2002) eine Lärmexposition.

Die Beklagte ließ durch Dipl-Ing. J. eine Arbeitsplatz-Lärmanalyse bei der Fa. S. Bergbau in Wolfach vornehmen. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger vom 15. Juli 1985 bis Juni 2002 als Anlagenwart bei der Schwertrübescheidung und in der Brecherei einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 90-91 dB (A) ausgesetzt gewesen sei. Während seiner Lehre als Zimmermann habe durch den Umgang mit Holzbearbeitungsmaschinen der personenbezogene Beurteilungspegel bei mehr als 85 dB (A) gelegen. Während seiner Tätigkeit als Bauhofarbeiter und als Kraftfahrer sei der Kläger keinem gehörschädigenden Lärm ausgesetzt gewesen. Dies gelte auch für die seit Juli 2002 verrichtete Tätigkeit im Klärwerk der Fa. S. Bergbau, bei welcher bei 10 % der Tätigkeit ein Beurteilungspegel von 83 dB (A), bei 80 % der Tätigkeit ein Beurteilungspegel von 82 dB (A) und bei den weiteren 10 % ein Beurteilungspegel von 72 dB (A) erreicht werde (Stellungnahme vom 23. September 2002).

Die Beklagte zog Vorerkrankungsverzeichnisse und die Unterlagen über die seit 1985 regelmäßig durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen mit den jeweiligen Audiogrammen bei und beauftragte den HNO-Arzt Dr. D. mit der Erstattung eines Gutachtens.

Dr. D. führte im Gutachten vom 4. Dezember 2002 aus, beim Kläger bestehe eine beiderseits pantonal ausgeprägte Schallempfindungsschwerhörigkeit, welche rechts einer praktischen Ertaubung entspreche und links einer geringgradigen Schwerhörigkeit mit Hörverlusten um 30 dB im Tieftonbereich und Schrägabfall der Hörkurve zu den hohen Frequenzen. Rechts ergebe sich nach der Tabelle von Boenninghaus oder Röser ein prozentualer Hörverlust von 100% und links von 30 %. Nachdem der Kläger über annähernd 20 Jahre potentiell gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen sei, könne die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit als möglich angesehen werden. Allerdings deuteten die Befunde auf lärmunabhängige Einflussfaktoren hin. So sei vor allem der gravierende Rechts-Links-Unterschied in der Hörminderung nicht durch die gleichförmige Einwirkung des beruflich bedingten Lärms auf beide Ohren zu erklären. Auch werde selbst bei jahrelanger Lärmeinwirkung das Ausmaß einer praktischen Ertaubung in der Regel nie erreicht. Selbst bei fortgeschrittenen lärmbedingten Schwerhörigkeitsformen seien in der Regel noch lärmtypische Hochtonsenken im Hörkurvenverlauf vorhanden, die sich im Tonaudiogramm nicht nachweisen ließen. Die überschwelligen Hörprüfungen (SISI-Test, Geräuschaudiometrie nach Langenbeck, Stapedius-Reflexaudiometrie) ließen kein Rekruitmentphänomen erkennen und deuteten somit auch nicht auf das Vorliegen eines Haarzellschadens in den Innenohren hin. Auch der Umstand, dass nach Angaben des Klägers die Schwerhörigkeit rechts akut erst im Jahr 1996 gleichzeitig mit einer Ohrgeräuschwahrnehmung eingesetzt habe, deute darauf hin, dass es sich damals um eine Akuterkrankung im Sinne eines Hörsturzereignisses gehandelt haben könnte. Angesichts der Lärmexposition könne eine lärmbedingte Gehörschädigung zwar nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, sie mache aber den deutlichen geringeren Teil der insgesamt bestehenden Hörminderung aus und bedinge eine MdE von unter 10 vH.

Mit Bescheid vom 3. April 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab. Eine BK könne nicht anerkannt werde. Den Widerspruch des Klägers vom 28. April 2003 wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 10. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG).

Das SG vernahm Dr. K. als sachverständigen Zeugen (Auskunft vom 8. März 2004) und holte ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. D. vom 25. August 2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 24. November 2005 ein.

Dr. K. führte aus, aufgrund der Asymmetrie der Hörleistung sei die Ätiologie der Schwerhörigkeit nicht eindeutig; jedoch lasse vor allem der linksseitige Tonschwellenverlauf (Schräg- und Steilabfall der Tonschwellenkurve) und die Anamnese mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, dass hier eine lärmbedingte Schwerhörigkeit vorliege. Die Asymmetrie beruhe seiner Ansicht nach darauf, dass rechtsseitig entweder ein Hörsturz oder eine zentrale Läsion vorgelegen habe. Auch die mittlerweile eingetretene Verschlechterung linksseitig sei durch einen geringgradigen idiopathischen Hörsturz mit Begleittinnitus zu erklären.

Dr. D. diagnostizierte beim Kläger aufgrund der Untersuchung vom 7. April 2005 einen asymmetrischen Hörschaden, rechts Taubheit (Hörverlust von 100%) und links an Taubheit grenzend (Hörverlust von 70 %). Während der lärmexponierten Tätigkeit von 1985 bis 2002 hätten regelmäßig arbeitsmedizinische Untersuchungen stattgefunden, bei denen eine progrediente Hörminderung festzustellen sei. 1996 sei eine akute Hörminderung mit Tinnitus rechts und 2003 eine akute Hörminderung mit Tinnitus links aufgetreten. Angesichts der chronischen Lärmbelastung über einen Zeitraum von 20 Jahren mit einem Beurteilungspegel von über 85 dB (A) sei die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit nicht völlig auszuschließen. Die Ergebnisse der Impendanzmessung und der Ableitung der otoakustischen Emissionen sprächen für eine kochleäre Lokalisation der beidseitigen Hörstörung. Im Gegensatz dazu könnten der fortgeschrittene Hörverlust im Tief- und Mitteltonbereich beidseits, die Asymmetrie der Hörkurven und der negative SISI-Test ein Hinweis für einen lärmunabhängigen Anteil der Hörstörung sein. Ein weiterer Hinweis für eine lärmunabhängige Komponente der progredienten Hörminderung seien die 1996 rechts und 2003 links stattgefundenen akuten Hörminderungen mit Tinnitus. Da der Kläger seit Juni 2002 keinem Arbeitslärm über 85 dB(A) ausgesetzt sei, hätten die akute Hörminderung links und auch die Progression der Schwerhörigkeit rechts lärmunabhängig stattgefunden. Letztlich müsse eine unklare Ätiologie angenommen werden. Es sei nicht möglich, den lärmbedingten vom endogenen Anteil zu trennen. Daher sei die lärmunabhängige Bedingung als Ursache der gesamten, medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeitsanteile anzusehen. Dies gelte auch, wenn angenommen werde, dass für die Zeit ab Juni 2002 weiterhin ein Lärmpegel von 85 dB (A) vorliege. Eine langsam progrediente Schwerhörigkeit bis zur Ertaubung im Rahmen einer chronischen Lärmbelastung und einem Beurteilungspegel von maximal 94 dB (A) sei bisher in keiner Fachliteratur beschrieben worden.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2005 kündigte der Kläger die Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG an. Den vom SG angeforderten Kostenvorschuss zahlte er nicht ein.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2006 wies das SG die Klage ab. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Schwerhörigkeit des Klägers und den Lärmeinwirkungen im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit könne nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht werden. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. und des im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen Dr. D ... Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 13. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. August 2006 Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung ist zunächst nicht vorgelegt worden. Auf die Bitte des Senats binnen gesetzter Frist mitzuteilen, ob der Antrag gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren erneut gestellt werde, hat der Bevollmächtigte mehrere Fristverlängerungsanträge gestellt, zuletzt mit Schriftsatz vom 29. Mai 2007 "letztmalig" zum 30. Juni 2007.

In der am 18. April 2008 eingegangenen Berufungsbegründung trägt der Kläger vor, er arbeite seit Juli 2002 in der Kläranlage, wo er entgegen den Annahmen von Dr. D. weiterhin sehr starker Lärmbelastung ausgesetzt sei. Bei einer am 1. April 2008 durch die Hörgeräteakustikerin Maier durchgeführten Hörmessung sei auch eine neuerliche Verschlechterung seines Hörvermögens festgestellt worden. Die Aussage von Dr. D., Hörverluste im Tief- und Mitteltonbereich sprächen für einen überwiegend lärmunabhängigen Anteil der Hörstörung, sei unzutreffend. Die Asymmetrie erkläre sich dadurch, dass er am rechten Ohr einen Hörsturz erlitten habe. Sie könne daher nicht als Argument gegen lärmabhängige Anteile an der Hörstörung gewertet werden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 3. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 aufzuheben, festzustellen, dass seine Schwerhörigkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Verletztenrente nach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagte, die Akten des SG und die Senatsakten.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV und die Gewährung einer Verletztenrente.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, Erkrankungen in der Rechtsverordnung als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV die Lärmschwerhörigkeit. Diese BK ist sowohl hinsichtlich der Erkrankung als auch der geeigneten Einwirkung durchaus konkret gefasst. Sie meint eine durch einen gewissen Zeitraum andauernde - beruflich bedingte - Lärmbelastung in bestimmter Höhe hervorgerufene Schwerhörigkeit (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 5).

Hiervon ausgehend stellt der Senat auf der Grundlage der Arbeitsplatzlärmanalyse des Dipl. -Ing. J. vom 23. September 2002 fest, dass der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mindestens in der Zeit von März 1963 bis September 1966 und vom Juli 1985 bis Juni 2002 einem Beurteilungspegel von mehr als 85 dB (A) und damit einer das Gehör potenziell schädigenden Lärmeinwirkung ausgesetzt war. Seit Juli 2002 arbeitet der Kläger aber in der Kläranlage, in der die Lärmbelastung den Beurteilungspegel von 85 dB (A) nicht erreicht.

Der Senat konnte nicht feststellen, dass die Schwerhörigkeit des Klägers mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die berufliche Lärmeinwirkung verursacht oder verschlimmert wurde.

Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 6. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R (SozR 4-2700 § 8 Nr 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit.

Abweichend von einem Arbeitsunfall mit seinem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei BKen in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen, stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 7/05 R - UV-Recht Aktuell 2006, 510-515; Juris) Ist aber die Abgrenzung eines lärmbedingten Anteils der Schwerhörigkeit nicht sicher möglich, so muss nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung entschieden werden, ob die Lärmeinwirkung oder welcher andere Faktor die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Schwerhörigkeit war. Nur diese Bedingung gilt dann als Ursache der gesamten medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeitsanteile (vgl. Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Merkblatt - 4. Auflage 4.1 letzter Abschnitt, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand Oktober 2007).

Nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. D., dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. sprechen die Asymmetrie des Gehörverlustes, das Fehlen von lärmtypischen Hochtonsenken im Hörkurvenverlauf und der von beiden Ärzten erhobene negative SISI-Test gegen eine lärmbedingte Entstehung der Schwerhörigkeit des Klägers. Dr. D. hat vor allem darauf hingewiesen, dass die Schwerhörigkeit im Tief- und Mitteltonbereich weit die nach den Kurven von Pfeiffer bei der dokumentierten Lärmimmision und -dauer maximal zu erwartenden 95% Percentilen überschreitet, sodass in diesem Frequenzbereich der Lärm nicht als ursächlicher Faktor betrachtet werden kann. Eindeutig lärmunabhängig sind nach seinen nachvollziehbaren Ausführungen vor allem auch die 1996 rechts und 2003 links stattgefundenen akuten Hörminderungen mit Tinnitus. Schließlich spricht auch die praktische Ertaubung auf dem rechten Ohr gegen eine wesentliche Ursächlichkeit der beruflichen Lärmeinwirkung, da nach den übereinstimmenden Darlegungen von Dr. D. und Dr. D. selbst bei jahrelanger Lärmeinwirkung das Ausmaß einer praktischen Ertaubung nicht erreicht, bzw. in der Fachliteratur nicht beschrieben wird. Für eine lärmbedingte Entstehung oder Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers sprechen neben der Lärmeinwirkung als solcher lediglich die Ergebnisse der Impedanzmessung und der Ableitung der otoakustischen Emissionen, die auf eine kochleäre Lokalisation der beidseitigen Hörstörung hinweisen. Übereinstimmend haben beide Ärzte angesichts der Befundlage sich aber außerstande gesehen, den möglicherweise lärmbedingten Anteil der Schwerhörigkeit des Klägers von dem endogenen oder schicksalshaften Anteil zu trennen. Unter diesen Umständen kann aber der Anteil an beruflicher Verursachung nicht als wesentliche Bedingung im Sinne der dargestellten Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung für die Schwerhörigkeit des Klägers gelten.

Ein Grund weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen bestand nicht. Der Kläger hat einen Antrag gemäß § 109 SGG innerhalb der großzügig verlängerten Frist bis zum 30. Juni 2007 nicht gestellt.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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