L 9 U 4560/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3261/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4560/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt.

Die 1953 geborene Klägerin hat von 1972 bis 1975 die Krankenpflegeschule besucht und vom 01. April bis 25. Juni 1987 einen Vollzeitlehrgang ("Leitung einer Station"), von November 2002 bis Mai 2004 ein berufsbegleitendes Studium an der M. A. Würzburg sowie von Oktober 2004 bis Oktober 2005 einen berufsbegleitenden Lehrgang (Pflegesachverständige/Pflegegutachterin) absolviert. Von April 1975 bis Juni 1980 war sie als Krankenschwester und stellvertretende Stationsleitung in einer Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie, von Juni 1982 bis September 1988 als Gemeindeschwester beim Krankenpflegeverein M. e.V., von Oktober 1988 bis Juni 1990 als Leitende Schwester in einem Alten- und Pflegeheim, von Januar bis März 1992 in der Unfallchirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Backnang, von Oktober 1992 bis Dezember 1995 auf der Informations-, Anlauf- und Vermittlungsstelle des Krankenpflegevereins M. e.V., von Januar 1996 bis August 1997 als Pflegedienstleiterin in einem Heim für psychisch kranke Erwachsene, von November 1997 bis Juni 1998 bei der A. Rems-Murr als Pflegefachkraft und Sozialbetreuerin, von Juli 1998 bis Dezember 1999 in der Pflegedienstleitung beim Arbeiter-Samariter-Bund, ambulante Pflege, Backnang, von Mai 2000 bis Januar 2005 als Krankenschwester im Kreiskrankenhaus Waiblingen, Unfallchirurgie im Nachtdienst und von Februar bis August 2005 als Fachkrankenschwester in der Gerontologischen Institutsambulanz des Zentrums für Psychiatrie Winnenden tätig. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Angaben der Klägerin, insbesondere den zuletzt vorgelegten Lebenslauf und die vorgelegten Arbeitgeberzeugnisse verwiesen.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 beantragte die Klägerin die Anerkennung einer BK. Auf Grund jahrelanger harter körperlicher Arbeit als Krankenschwester in der Pflege leide sie unter einem rezidivierenden Halswirbelsäulen (HWS)- und Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom mit Wurzelreiz. Hierzu machte sie am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten Angaben zu ihren beruflichen Tätigkeiten und den damit verbundenen körperlichen Belastungen. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Angaben verwiesen.

Die Beklagte holte Auskünfte der behandelnden Ärzte ein. Die Allgemeinmedizinerin H. legte am 06. Dezember einen Bericht über ein MRT der HWS vom 16. September 2004 des Dr. W. vor, wonach leichte Bandscheiben (BS)-Protrusionen C4 bis 7 mit degenerativer Höhenminderung der BS C 5/6 ohne Nachweis eines akuten weichen NPP oder einer Stenose des knöchernen Spinalkanals vorlagen. Der Nervenarzt K. berichtete am 08. Dezember 2004, die Klägerin habe sich erstmals 1993 wegen vermehrter Beschwerden im HWS-Bereich und danach 1998 wegen eines pelzigen Gefühls im Bereich der Fingerspitzen und starker Schmerzen im Bereich der HWS und der linken Schulter vorgestellt. Die elektrophysiologische Untersuchung habe keinen sicheren pathologischen Befund ergeben. Danach habe sich die Klägerin 2001 wieder vorgestellt, wobei wiederum ein HWS-Syndrom im Vordergrund gestanden habe, sowie ein LWS-Syndrom. Geklagt habe die Klägerin über rezidivierend einschlafende Hände. Er habe einen Muskelhartspann im HWS- und LWS-Bereich erhoben. Im Jahr 2003 sei es erneut zu Problemen im HWS- und LWS-Bereich mit starken Schmerzen bei der Arbeit als Krankenschwester gekommen. Es bestünden weiterhin Schmerzen im HWS- und LWS-Bereich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 08. Dezember 2004 und die u. a. beigefügten Berichte vom 31. März 1998 und 29. November 2001 (von ihm selbst), 14. Mai 2001 (Radiologe Dr. A., CT der HWS) sowie 30. Mai 2001 (Radiologe Dr. B., MRT der LWS) verwiesen. Der Orthopäde Dr. B. berichtete unter dem 24. Januar 2005, die Klägerin sei seit Dezember 1987 wegen Wirbelsäulen (WS)-Beschwerden in seiner Behandlung. Es bestünden degenerative Veränderungen an mehreren WS-Abschnitten, eine Skoliose sowie Degenerationen auch an den Schultergelenken. Das MRT habe eine flache mediale BS-Protrusion L4/5, L5/S1, eine rechtskonvexe ausgeprägte LWS-Skoliose und Psoas-Asymmetrie und das CT habe eine deutliche Überstreckung der HWS und eine Verschmälerung der Zwischenwirbelräume C4/C5 und C6/C7 mit starker Wulstung der Ventralkanten ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 24. Januar 2005 Bezug genommen.

Unter Berücksichtigung der ärztlichen Äußerungen und der beigezogenen Röntgenaufnahmen gelangte der Beratungsarzt Dr. K. am 03. März 2005 zum Ergebnis, es bestünden ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit WS-Protrusionen C4 bis C7 und Degeneration der BS C5/6 sowie Wurzelreiz C6 und ein chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom mit Protrusionen L4/5 sowie L5 /S1 bei linkskonvexer Torsionsskoliose (Winkel nach Cobb von 14°). Die degenerativen Veränderungen im unteren HWS- und unteren LWS-Abschnitt seien in ihrer Qualität gleich. Eine Bevorzugung der LWS liege nicht vor. Bei Vergleich der Aufnahmen zwischen 1987 und 1994 sei eine wesentliche Progredienz nicht erkennbar. Insgesamt handle es sich um ein endogenes Geschehen mit BS-Insuffizienz, die die HWS und LWS in gleicher Weise betreffe. Im übrigen bestehe im Lumbalbereich noch eine, allerdings kompensierte, Skoliose. Eine BS-bedingte Erkrankung im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV liege nicht vor und die BS-bedingten Veränderungen überschritten nicht das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß. Ein besonderes berufliches Betroffensein der LWS liege nicht vor, der Verschleiß im HWS- und BWS-Bereich sei zumindest gleichwertig oder stärker ausgeprägt.

Mit Bescheid vom 11. April 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ab, da die Voraussetzungen bereits aus medizinischen Gründen nicht erfüllt seien.

Zu ihrem Widerspruch vom 29. April 2005 machte die Klägerin geltend, es könne für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs der Erkrankung der LWS mit der beruflichen Tätigkeit nicht darauf ankommen, ob nur die LWS oder die gesamte WS erkrankt sei. Die LWS sei unmittelbar geschädigt und die berufliche Tätigkeit sei zweifellos geeignet, solche Krankheitsbilder hervorzurufen. Die Ablehnung, weil auch der Rest der WS geschädigt sei, entbehre jeglicher Grundlage. Bei starker berufsbedingter Überbelastung der LWS werde auch immer die restliche WS in Mitleidenschaft gezogen. Durch die berufliche Tätigkeit sei die gesamte WS geschädigt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Das Vorliegen gleichmäßig ausgeprägter degenerativer Veränderungen im Bereich aller Abschnitte der WS spreche gegen einen beruflichen Ursachenzusammenhang. Eine besondere Betroffenheit der LWS sei nicht festzustellen. Damit lägen bereits aus medizinischer Sicht keine hinreichenden Gründe für eine berufliche Verursachung der Beschwerden vor.

Deswegen hat die Klägerin am 07. Oktober 2005 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie hat u. a. ergänzend vorgetragen, Leiden der HWS könnten auch bei Angehörigen der Pflegeberufe berufsbedingt sein. Das Lagern von Patienten und andere Arbeiten in Zwangshaltungen belasteten die HWS, beispielsweise das Eingeben von Essen und andere Maßnahmen der Intensivpflege. Bei starker berufsbedingter Überlastung der LWS werde auch immer die restliche WS in Mitleidenschaft gezogen. Belastend seien auch die Nachtarbeit, schnelles Reagieren auf Notfälle mit häufig wechselndem Anforderungsprofil und Arbeiten bei zu geringem Personalschlüssel gewesen. Im Unterschied zu anderen Krankenpflegerinnen habe sie sich auch hauptsächlich über die Patienten gebeugt, zum Beispiel zum Essen eingeben, bewegen müssen, die Patienten aufheben müssen, wenn sie gestürzt seien, und überhaupt habe sie in häufigem nahem Kontakt mit den Patienten gestanden. Eine Belastung der HWS sei typisch in der Alten- und Intensivpflege. Unter Bezugnahme auf einen vorgelegten Heilverfahren-Entlassungsbericht der Weißensteinklinik St. B. vom 01. Februar 2006 hat sie vorgetragen, die HWS-Belastungen seien eindeutig berufsbedingt. Das "sozialmedizinische Belastungssyndrom" sei nicht ausschließlich seelischer Natur, sondern durch das WS-Leiden hervorgerufen.

Das SG hat Aufnahmen (eine CD Dr. B. und Röntgenaufnahmen des Dr. B., vorgelegt von der Beklagten) beigezogen und ein Sachverständigengutachten des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie sowie für physikalische und rehabilitative Medizin Prof. Dr. C. vom 18. Oktober 2006 eingeholt. Dieser ist in Auswertung von Röntgenaufnahmen der BWS, LWS und HWS sowie drei Folien Kernspintomographien der LWS vom 30. Mai 2001 und 2 Folien Kernspintomographien der HWS vom 16. September 2004 im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden unter anderem im Bereich der HWS eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit ohne Hinweise für eine Reizung der von der HWS ausgehenden Nervenwurzeln (klinischer Befund) sowie der radiologische Befund einer degenerativen Veränderung des Bewegungssegments C5/6 mit Höhenminderung des BS-Faches und kernspintomographisch nachgewiesenen leichten BS-Protrusionen C4 bis C7. Im Bereich der BWS und LWS bestehe nach klinischem Befund eine Einschränkung der Beweglichkeit insbesondere hinsichtlich der Vor-, Rück- sowie der Seitneigung ohne Hinweise für eine Reizung der von der LWS ausgehenden Nervenwurzeln und gemäß dem röntgenologischen Befund eine rechtskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt im Brust-Lendenübergang und einem Cobb-Winkel von 20°. Kernspintomographisch seien zuletzt im Mai 2001 BS-Vorfälle (BSVe) ausgeschlossen worden. Die beschriebenen BS-Protrusionen lägen im Rahmen der altersphysiologischen Norm. Diese Erkrankungen seien nicht BS-bedingte Erkrankungen der LWS, wie im ärztlichen Leitblatt zu Nr. 2108 der Anlage 1 der BKV beschrieben. Auch auf berufsbedingte Einwirkungen hinweisende Veränderungen seien nicht festzustellen. Eine BS-bedingte Erkrankung mit einem typisch klinisch-neurologischen Segmentbefund und ein hierzu passender bildgebender Befund seien zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen. Die neurologischen Befunde und das Ergebnis der Untersuchung ergäben keine Hinweise auf eine BS-bedingte Erkrankung im Bereich der LWS. Das Laseque-Zeichen sei negativ, Gefühlsstörungen oder muskuläre Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten lägen ebenfalls nicht vor und der diesbezügliche röntgenologische Befunde sei unauffällig. Bei weitem im Vordergrund stehe bei der Klägerin unter klinischen und radiologischen Gesichtspunkten die rechtskonvexe Skoliose. Diese sei mit hoher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der jugendlichen Wachstums- und Entwicklungsphase aufgetreten und auch durch die berufliche Tätigkeit nicht richtunggebend verschlimmert worden. Außerdem ließen sich röntgenologisch weder belastungsadaptive Veränderungen noch ein hieraus resultierendes belastungskonformes Schadensbild nachweisen. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS seien unter röntgenmorphologischen Gesichtspunkten zumindest im Segment C5/6 deutlich ausgeprägter als die im Bereich der LWS. Dies spreche gegen die Annahme einer BK im Bereich der LWS und für die Annahme einer Entstehung aus innerer Ursache. Es sprächen keine Argumente für das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV.

Außerdem hat das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten des Dr. B. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, vom 20. Juni 2007 eingeholt. Er hat unter Berücksichtigung eines sozialmedizinischen Gutachtens des Dr. G. vom 22. Mai 2007 (Diagnose Depression, weitere Diagnose Lumbalsyndrom) die dokumentierten und von ihm erhobenen psychiatrischen und neurologischen Befunde in seinem Gutachten niedergelegt und die im orthopädischen Gutachten bereits aufgeführten Diagnosen der LWS bestätigt. Von seiner Seite seien keine weiterführenden Erkenntnisse hinzuzufügen, insbesondere habe auch er sich nicht von einer Nervenwurzelreizsymptomatik überzeugen können. Erkrankungen im Sinne des Merkblatts zu Nr. 2108 der Anlage zur BKV hat auch er nicht festgestellt und insofern auf das orthopädische Gutachten verwiesen. BS-bedingte Veränderungen in einem Ausmaß, das den altersentsprechenden Normbereich überschreite, lägen nach vorliegendem Erkenntnisstand nicht vor. Aus neurologischer Sicht sei eine Funktionseinschränkung auf Grund einer BS-bedingten Erkrankung zu verneinen. Im übrigen hat er sich im wesentlichen dem Vorgutachten von Prof. Dr. C. angeschlossen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt. Prof. Dr. C. habe eine BS- bedingte Erkrankung ausgeschlossen und die Beschwerden auf eine rechtskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt im Brust-Lendenübergang zurückgeführt.

Gegen den am 20. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18. September 2007 Berufung eingelegt. Neben Wiederholung vorherigen Vorbringens trägt sie u. a. vor, eine klare Trennung, welche Schäden an der WS auf welche Tätigkeit zurückzuführen seien, sei nicht möglich. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sie durch ihre spezielle Hebetechnik Schwächen im überanstrengten LWS-Bereich durch eine stärkere Beanspruchung im oberen Bereich der WS versucht habe auszugleichen mit dem Ergebnis einer gleichförmigen Beschädigung der gesamten WS. Eine Begrenzung auf einen Teilbereich sei lebensfremd und mache überhaupt keinen Sinn. Die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden ärztlichen Befunde bestreite sie nicht. Zu bestreiten seien jedoch die Schlussfolgerungen, die aus dem Vorliegen der Schädigung der WS zu ziehen seien. Insofern sei die Beweiswürdigung des SG nicht haltbar. Im übrigen seien auch die spezifischen Belastungen bei ihren Verwaltungstätigkeiten, u. a. das Arbeiten in Zwangshaltungen, nicht berücksichtigt. Außerdem leide sie unter einem Wurzelreizsyndrom, das durch eine mangelnde Durchblutung der WS bedingt sei. Hierzu hat sie u. a. ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit, Schwäbisch Hall, des Dr. G. , vom 12. Juli 2006 (vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung regelmäßiger Zwangshaltungen und regelmäßigen Bückens sowie des Umgangs mit Phenylquecksilberacetat und Latex; Einsatzfähigkeit als Krankenschwester nur eingeschränkt, keine Tätigkeiten der Intensivpflege und darüber hinaus Einschränkungen hinsichtlich des Umgangs mit Phenylquecksilberacetat), ein Attest des Nervenarztes K. vom 28. August 2007 (regelmäßige Behandlung wegen schwerer Depression; auf Grund von Einschränkungen hinsichtlich des Bewegungs- und Haltungsapparates und des Umgangs mit Phenylquecksilberacetat und Latex seien Tätigkeiten in der Alten-, Kranken- und Intensivpflege nur sehr eingeschränkt möglich) sowie Unterlagen und Angaben zu ihrem beruflichen Werdegang vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist unter anderem auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, Erkrankungen in der Rechtsverordnung als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGB VII).

Hierzu zählt nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine BS-bedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine BS-bedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine BS-bedingte Erkrankung - erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555 a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985 a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausaliltät) so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9 B RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die vorstehenden Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt zum einen am Nachweis einer BS-bedingten Erkrankung der LWS und zum anderen am erforderlichen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen den Beschwerden der Klägerin und den Veränderungen an ihrer WS mit ihrer beruflichen Tätigkeit in der Kranken- und Altenpflege.

Sowohl nach dem vom SG von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. C. als auch dem diesem zustimmenden, auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. B. kann das Vorliegen einer BS-bedingten Erkrankung im Bereich der LWS nicht als nachgewiesen angesehen werden. Eine BS-bedingte Erkrankung mit einem typisch klinisch-neurologischen Segmentbefund und einem hierzu passenden bildgebenden Befund ist bei der Klägerin - so Prof. Dr. C. - nicht nachgewiesen. Die Kernspintomographie der LWS vom Mai 2001 ergab keine Hinweise auf einen lumbalen NPP und die beschriebenen Veränderungen, wie eine minimale flache mediale BS-Protrusion, sind als im Rahmen der altersphysiologischen Norm zu werten. Auch die Befunde des Neurologen K. sind nicht geeignet, eine BS-bedingte Erkrankung der LWS nachzuweisen. Ebenso wurde bei der Untersuchung durch Prof. Dr. C. kein Befund erhoben, der auf das Vorliegen einer BS-bedingten Erkrankung schließen ließe. Eine Nervenwurzelreizsymptomatik der LWS wurde von Prof. Dr. C. und zuletzt auch von Dr. B. verneint. Im Vordergrund stehen sowohl unter klinischen als auch radiologischen Gesichtspunkten eine rechtskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt im Brust-Lendenübergang und einem hieraus resultierenden Cobb-Winkel von 20°, die im Übrigen auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde keine richtunggebende Verschlimmerung durch berufliche Belastungen erfahren hat. Dies ergibt sich schlüssig und überzeugend aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. C. dem auch der auf Antrag der Klägerin gehörte Neurologe und Psychiater Dr. B. zugestimmt hat.

Im Übrigen ist auch nicht feststellbar, dass, unabhängig davon, dass eine BS-bedingte Erkrankung der LWS nicht nachweisbar ist, die bei der Klägerin vorliegenden Beschwerden und Erkrankungen im Bereich der LWS mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf berufliche Belastungen zurückzuführen sind. Dies folgt schlüssig und nachvollziehbar aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. C. Zutreffend weist er daraufhin, dass bei der Klägerin eine rechtskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt im Brust-Lendenübergang vorliegt, die berufsunabhängig entstanden ist und zu den vorliegenden funktionellen Beschwerden führt. Darüber hinaus lassen sich röntgenologisch weder belastungsadaptive Veränderungen noch ein hieraus resultierendes belastungskonformes Schadensbild nachweisen.

Zu erwarten wäre bei berufsbedingter Belastung durch langes Heben und Tragen von schweren Lasten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung das Auftreten von Anpassungserscheinungen, beispielweise einer Strukturverdichtung der Grund- und Deckplatten durch vermehrte Mineralisierung, um den einwirkenden Kräften einen erhöhten Widerstand entgegen zu setzen. Des weiteren spräche für beruflich bedingte Veränderungen die Ausbildung von knöchernen Randwülsten an den Grund- und Deckplatten als natürliche Reaktion des menschlichen Körpers auf eine geänderte Belastung. Zu erwarten wäre weiter, dass der Ausprägungsgrad von oben nach unten zunimmt. Entsprechende Veränderungen vermochte Prof. Dr. C. jedoch weder röntgenologisch, noch klinisch festzustellen. Im übrigen spricht gegen einen ursächlichen Zusammenhang der im Bereich der LWS beklagten Beschwerden die Tatsache, dass unter röntgenmorphologischen Gesichtspunkten - zumindest im Segment C5/6 - die Veränderungen deutlich ausgeprägter sind, als die Veränderungen im Bereich der LWS. Da die HWS bei der beruflichen Tätigkeit der Klägerin nicht entsprechenden Belastungen wie die LWS ausgesetzt war, spricht auch dies - wie von Prof. Dr. C. für den Senat nachvollziehbar dargelegt - gegen eine berufliche Verursachung der LWS-Beschwerden und für eine Entstehung aus innerer Ursache.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die HWS durch die berufliche Tätigkeit im Pflegebereich in relevantem Umfang belastet war, so dass die HWS-Beschwerden auf berufliche Tätigkeiten zurückzuführen wären. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin sind spekulativ und werden von keinem der gehörten Sachverständigen und Gutachter geteilt.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, allein die geschilderte berufliche Belastung müsse zur Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der BKV führen, verkennt sie, dass hierfür u. a. auch die haftungsausfüllende Kausalität mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen ist, was hier nicht möglich ist. Im übrigen bestreitet sie die Befunde, die von den Sachverständigen bei der Beurteilung des Sachverhalts zugrunde gelegt worden sind, nach den Ausführungen ihrer Bevollmächtigten vom 08. November 2007 nicht. Soweit sie zuletzt noch eine Nervenwurzelreizsymptomatik, die durch eine mangelnde Durchblutung der WS bedingt sei, geltend gemacht hat, fehlt es bereits an deren Nachweis (vgl. Gutachten Prof. Dr. C. und zuletzt Dr. B., der die Klägerin am 13. Juni 2007 untersucht hat). Eine solche wurde auch nicht von Dr. G. im sozialmedizinischen Gutachten vom 22. Mai 2007 festgestellt, welcher lediglich aufgrund der Angaben der Klägerin, sie verspüre gelegentlich lumbale Mißempfindungen mit Ausstrahlungen ins rechte Bein, ohne entsprechende Befunde ein Lumbalsyndrom diagnostiziert hat. Schließlich ergibt sich auch aus dem ärztlichen Attest des behandelnden Nervenarztes K. kein Hinweis auf ein Wurzelreizsyndrom.

Da der Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts auf Grund der vorliegenden Gutachten und weiteren ärztlichen Unterlagen geklärt ist, besteht - worauf die Klägerin bereits mit Verfügung vom 22. Februar 2008 hingewiesen wurde - kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. März 2008 noch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. beantragt hat, war dem, unabhängig davon, dass sie diesen Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. April 2008 nicht gestellt hat, nicht zu entsprechen. Zwar kann nach § 109 SGG die Anhörung mehrerer Ärzte beantragt werden, doch müssen hierfür dies rechtfertigende besondere Umstände vorliegen und kann - wenn diese besonderen Umstände nicht vorliegen - in Ausübung von Ermessen ein Antrag abgelehnt werden. Ein besonderer Grund für die Anhörung mehrerer Ärzte kann darin liegen, dass es sich um Spezialisten handelt, wobei jeder für sein Sachgebiet Stellung nehmen soll (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 109 RdNr. 10 B). Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich, denn sowohl der auf Antrag nach § 109 SGG in erster Instanz gehörte Sachverständige Dr. B. als auch Dr. M. sind Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie. Im übrigen hat sich Dr. B. auch ausführlich aus neurologischer Sicht geäußert, insbesondere die neurologischen Befunde erhoben und gewürdigt. Angesichts dessen sieht der Senat keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen.

Da die Beklagte sonach zu Recht die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV abgelehnt hat und die Abweisung der Klage durch das SG nicht zu beanstanden ist, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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