Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 53 (27,51) R 321/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 187/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 139/08 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
früher B 13 R 291/08 B
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgericht Düsseldorf vom 8. Juni 2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor im Hausausspruch wie folgt gefasst wird:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.6.2005 verurteilt, der Klägerin Altersrente unter Berücksichtigung einer Ghettobeitragszeit vom 02.04.1941 bis 27.10.1942 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 01.07.1997 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu vier Fünftel.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Altersrente nach dem Gesetz über die Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), das der Deutsche Bundestag im Juni 2002 einstimmig beschlossen hat (Bundesgesetzblatt Teil I - BGBl I - 2074). Es geht um Ghettobeitragszeiten im Ghetto Starachowice für April 1941 bis Oktober 1942.
Die Stadt Starachowice, rund 200 km südöstlich von Warschau gelegen, war vor allem wegen ihrer vom polnischen Staat ab 1935 aufgebauten Stahl- und Munitionsfabriken von wirtschaftlicher Bedeutung. Vor 1939 bestand der Ort aus zwei Teilen: Einem neuen Industriekomplex mit modernen Wohnsiedlungen (dies war das eigentliche Starachowice) und in zwei Kilometern Entfernung der alten Ortschaft Wierzbnik. Die Stadt selber hatte rund 28.000 Bewohner, davon etwa 3.000 Juden, die überwiegend als Handwerker tätig waren und fast alle in Wierzbnik lebten.
Am 6. September 1939 besetzten deutschen Truppen die Stadt Starachowice. Der Ort wurde dem Distrikt Radom zugeschlagen, der neben Warschau, Krakau, Lublin und später auch Galizien einen der Verwaltungsbezirke des von den Nationalsozialisten neu geschaffenen Generalgouvernements Polen (GenGov) bildete. Die Kreisstadt Starachowice hatte innerhalb des Distrikts keine herausgehobene Stellung und folgte den für das Generalgouvernement überlieferten Umständen. Das Amt des lokalen Chefs der deutschen Zivilverwaltung, d.h. des so genannten Kreishauptmanns, hatte bis zur Befreiung der Stadt Ende 1944 Hans Zettelmeyer inne. Er hatte weit reichende, nicht durch lokale Kontrollgremien beschränkte Kompetenzen. Spezifische Befehlswege bestanden zwischen der deutschen und der polnischen und der jüdischen Selbstverwaltung. So folgten die polnische und jüdische Administration den Weisungen des Kreishauptmanns. Neben die Verwaltung traten die Einheiten von SS und Polizei, die unmittelbar Ausführende des Massenmordes an Juden und der Misshandlungen waren, da sie die Bewachung, Deportation und Exekution der Juden durchführten. Die Außendienststelle der Gestapo in Starachowice mit 8 - 9 Deutschen sowie 10 - 15 polnischen Mitarbeitern existierte bis Oktober 1941. Das Kriminalkommissariat leitete SS-Untersturmführer X C von Juni 1940 bis zur Befreiung der Stadt.
Die Industrie von Starachowice - ein Hüttenwerk mit Erzgrube sowie ein dazugehöriger Forstbetrieb inklusive Sägewerk - unterstand der Wehrwirtschaftsstelle Radom. Die wichtigen Stahl- und Munitionswerke produzierten direkt für die Wehrmacht. Diese entsandte den Hauptmann Thiemann als so genannten Industriebeauftragten nach Starachowice. Er beaufsichtigte dort die Produktion, half bei der Beschaffung von Arbeitskräften und verhinderte Zugriffe von anderen deutschen Institutionen. Die technische und wirtschaftliche Leitung der dortigen Schwerindustrie wurde im Herbst 1940 den staatseigenen I-Werken übergeben. Verantwortlich zeichneten deren Betriebe Stahlwerk Braunschweig bzw. ab Juli 1941 die Wittkowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft. Diese Töchter der Göring-Werke hatten eine so genannte Werkspatenschaft inne, die ihnen sämtliche Rechte an den Fabriken, nicht jedoch das Betriebseigentum sicherte.
Unmittelbar nach der Besatzung begannen die deutschen Verfolgungsmaßnahmen. Die Synagoge wurde niedergebrannt, den orthodoxen Juden die Bärte abgeschnitten, Kennzeichnungspflicht und Vermögensentzug durchgesetzt. Aufgrund einer Verordnung vom 23. November 1939 wurde ein Judenrat gebildet, in dessen Aufgabengebiet die Umsetzung der deutschen Vorgaben, Gesetze und Befehle fiel, aber auch die Selbstverwaltung der jüdischen Gemeinde. Für die Umsetzung der deutschen Wünsche hafteten die Mitglieder mit ihrem Leben. Dem Vorsitzenden Mincberg waren die Ältesten Birnzweig, Einesmann, Morgenstern und Wolfowitz beigegeben. Verantwortlich für den Arbeitseinsatz war Tänzer. Bereits 1939 wurde in der Stadt ein Arbeitsamt etabliert, das auch für die jüdische Bevölkerung zuständig war bzw. diese Zuständigkeit dem Judenrat auferlegte. Um willkürliche deutsche Razzien zur Zwangsrekrutierung zu verhindern - diese erzeugten ein Klima der Angst und des Aufruhrs -, richtete der Judenrat unter dem Dach des deutschen Arbeitsamtes schon bald eine eigene Judenabteilung ein und übernahm die Rekrutierung der von den Deutschen angeforderten Arbeitskräfte selbst. Aufgrund der Verordnung vom 26.10.1939 über die Zwangsarbeit jüdischer Bevölkerung im Generalgouvernement fertigte der Ältestenrat der Juden von Starachowice am 19.02.1940 eine Liste der arbeitsfähigen Juden, die in Starachowice-Wierzbnik wohnten, an. Darin waren 948 Männer erfasst, davon 2 12-Jährige, 31 13-Jährige, 43 14-Jährige, 39 15-Jährige, 12 16-Jährige und 15 17-Jährige sowie 200 Personen im Alter zwischen 55 bis 60 Jahren. Es handelte sich um 462 ungelernte Arbeiter, 357 Handwerker und Facharbeiter sowie 7 Personen mit freiberuflicher Betätigung.
Im Stadtteil Wierzbnik wurde dann Anfang 1940 in der Nähe des Marktplatzes der so genannte jüdische Wohnbezirk eingerichtet. Durch Flüchtlinge aus den umliegenden Gegenden, die in der Hoffnung auf Arbeit nach Starachowice kamen, sowie durch Juden aus den von Deutschland annektierten Gebieten Polens wuchs die jüdische Einwohnerzahl dort bis 1942 auf mehr als 6000 Menschen an. Jüdische Familien, die bislang außerhalb dieses eng begrenzten Gebietes gelebt hatten, mussten nun umziehen, wobei die räumlichen Verhältnisse äußerst beengt waren, sodass sich mehrere Personen einen Raum teilten. Das Verlassen des Ghettos war nur mit einem gesonderten, selten erteilten Ausweis möglich. Der dem Judenrat unterstehende jüdische Ordnungsdienst sowie die polnischen und deutschen Polizisten kontrollierten die Einhaltung der Bestimmungen scharf. Eine Absperrung des Ghettos mit Stacheldraht erfolgte am 2. April 1941.
1941 mussten sich die Männer des Ghettos im Alter von über 45 Jahren registrieren lassen. Einige wurden in Zwangsarbeitslager bei Lublin geschickt. Auch in Starachowice existierte - wie an vielen anderen Orten im Generalgouvernement - parallel zum Ghetto ab Mitte 1942 ein Zwangsarbeiterlager. Es hatte den Namen Majowka. Dort waren Juden eingesperrt, die aus anderen Städten stammten und vorher keine Bewohner des Ghettos von Starachowice gewesen waren. Ihre Zahl wird auf rund 300 geschätzt.
Der Judenrat von Starachowice-Wierzbnik verfolgte insgesamt - ähnlich dem Judenrat im Ghetto Lodz - eine Strategie der Anpassung und der Bestechung gegenüber den lokalen deutschen Machthabern und hoffte auf ein "Überleben durch Arbeit" in der kriegswichtigen Rüstungsindustrie. Im Ergebnis gelang es dem Judenrat auf diese Weise, dass bis zum Jahr 1944 tatsächlich eine ungewöhnlich große Gruppe von Juden aus Starachowice überleben konnte. Dabei spielte die Bestechung des deutschen Polizeichefs X C eine wichtige Rolle. Der Judenrat bezahlte auch die deutsche Direktion der Herman-Göring-Werke, insbesondere den Verantwortlichen für polnische und jüdische Arbeiter Leopold Schwertner, um die Zahl der jüdischen Beschäftigten zu erhöhen. Darüber hinaus förderte der Judenrat Schwertners eigenes Geschäftsgebaren, umliegende Dörfer abzufahren, um dort einzelne Arbeitskarten zu verkaufen und so Juden in das Ghetto Wierzbnik zu schmuggeln. Der entscheidende Wendepunkt war die Einstellung von Juden für Arbeiten in den Stahl- und Munitionsfabriken, wo sie vor dem Krieg von der Beschäftigung ausgeschlossen waren. Angesichts der großen Nachfrage nach Rüstungsgütern wuchs dort die Belegschaftszahl sehr stark an. Im Februar 1940 waren es lediglich 2.400 Arbeiter. Am 1. Februar 1942 waren jedoch schon 13.248 Polen und Juden beschäftigt, am 1. März 1944 sogar 13.600.
Nach den historischen Quellen betrugen die Löhne für Juden in den I-Werken 80 % des Satzes für polnische Arbeitskräfte (polnischer, ungelernter Arbeiter 162,50 Zloty im Monat, Arbeiterin 130 Zloty). Der offizielle Monatslohn für jüdische Arbeitskräfte betrug zwischen 100 und 125 Zloty. Dabei entsprach der Stundenlohn von 55 polnischen Groschen dem Durchschnittslohn eines ungelernten polnischen Arbeiters. In der Stahlgießerei erhielten jüdische Arbeiter 3 Zloty pro Tag (Gazeta Zydowska Nr. 12 vom 31.8.1940). Allerdings unterliefen die I-Werke diese Verordnung gelegentlich. Die Löhne nahm der Judenrat zentral in Empfang. Die Auszahlung des Barlohns war nicht immer gewährleistet, da der Judenrat nicht selten einen Teil davon in Lebensmittel für die Allgemeinheit investierte. Die arbeitende jüdische Bevölkerung erhielt darüber hinaus das Anrecht auf sichere Lebensmittelzuteilungen, das andere Ghettoinsassen nicht hatten.
Die Lebensmittelversorgung im Ghetto war insgesamt trotz einer vom Judenrat eingerichteten Küche, die täglich 600 Mahlzeiten ausgab, völlig unzureichend, weshalb sich die Juden gezwungen sahen, ihre sämtlichen Wertsachen auf dem Schwarzmarkt gegen Nahrung einzutauschen (Der Kurs Zloty - Reichsmark war auf 2:1 festgesetzt worden, während auf dem Schwarzmarkt bis zu 10 Zloty für eine Reichsmark gezahlt wurden). Auf Dauer konnten damit Hunger und Unterernährung jedoch nicht abgewendet werden. Auch bei der Versorgung mit Kleidung bestand eklatanter Mangel. Dennoch war die Lage in Starachowice-Wierzbnik im Vergleich zu anderen Orten im Distrikt Radom besser. Das dortige Ghetto wurde daher zu einem einer der Orte, in die immer mehr Juden aus dem Generalgouvernement strömten, da sie hier die letzte Hoffnung auf Überleben sahen. So ist nach dem für den örtlichen SS und den Polizeiführer Walter Becker erstatteten Bericht des Judenrates der Jahre 1940 bis 1941 belegt, dass mehr Juden in die Stadt einreisten als sie verließen. In den Quellen wird das Erstaunen eines aus Lublin in Starachowice neu ankommenden Juden noch für das Jahr 1944 wie folgt geschildert:
"Ich sah, was ich kaum glauben konnte. Mehrere Tausend Juden, Männer und Frauen, und sie hatten alles dort. Sie hatten zu Essen, sie hatten Geschäfte und man konnte dort Nahrung für Geld kaufen. Für alles. Und es war, wie in einer anderen Welt."
Zum Ende des Ghettos Starachowice kam es dann am frühen Morgen des 27. Oktober 1942. Das Ghetto wurde umstellt, seine Bewohner zum Marktplatz getrieben und dort selektiert sowie anschließend deportiert. Alte, Kranke und Gebrechliche wurden sofort erschossen. 3.748 von ihnen wurden als nicht arbeitsfähig eingestuft und nach Treblinka deportiert. Nur rund 1.200 Männer und 400 Frauen wurden als "Arbeitsjuden" in den nun etablierten Zwangsarbeiterlagern der örtlichen Betriebe einbehalten. Dort waren insbesondere Frauen demütigender Behandlung und der Vergewaltigung durch die ukrainischen Milizen ausgesetzt. Die Überlebenden der Zwangsarbeiterlager wurden dann bei Herannahen der Front 1944 mit einem Zug nach Auschwitz deportiert, wobei die früheren Mitglieder des Judenrates im ersten Waggon von Mitgefangenen wegen ihrer Kollaboration mit den Deutschen erwürgt wurden. Bei der Ankunft des Zuges in Auschwitz kam es zu der Besonderheit, dass auf der Rampe keine Selektion mehr stattfand und die Überlebenden geschlossen in das dortige Zwangsarbeiterlager gebracht wurden. Daher blieb von dieser Gruppe aus Starachowice-Wierzbnik eine größere Zahl von Menschen - darunter die Klägerin und die von ihr benannten jüdischen Zeuginnen - am Leben.
Zum individuellen Schicksal der Klägerin ergibt sich aus den Akten folgendes: Sie wurde 1928 mit dem Mädchennamen S in Starachowice geboren und hat die Verfolgung als einzige ihrer Angehörigen überlebt. Später ist sie nach Israel eingewandert, wo sie ihre Familie gründete und noch heute lebt. 1954 beantragte sie die Anerkennung als Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) und erklärte dazu eidesstattlich zu ihrem Verfolgungsschicksal:
"Vor dem Krieg wohnte ich mit meinen Eltern in Starachowice. Mein Vater war Kaufmann. Ich besuchte noch die Schule. Im Sommer 1940 wurde ich in das Ghetto Starachowice eingewiesen. Dieses war zwar anfangs nicht umzäunt, wurde aber streng von SS und jüdischer Polizei bewacht. Später wurde das Ghetto umzäunt. Der Judenälteste hieß Simcha Minsberg. Ich wohnte in der Pilsudskiego-Straße, trug eine Armbinde mit dem Judenstern, wurde vom Judenrat verpflegt und arbeitete in der Munitionsfabrik der I-Werke in der MG-2-Abteilung bei Automaten-Maschinen. Im Oktober 1942 wurden meine Mutter und mein Bruder aus dem Ghetto ausgesiedelt und ich sah sie seit dieser Zeit nicht mehr wieder. Ich und mein Vater kamen zur selben Zeit, im Oktober 1942 in das ZAL Starachowice. Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von SS bewacht. Ich wohnte in einer Baracke, trug eine Armbinde mit dem Judenstern und arbeitete weiter in den I-Werken beim Hochofen. Täglich wurde ich unter Bewachung zur Arbeit geführt. Im August 1944 kam ich von dort mit Waggon-Transport in das KZ Auschwitz-Birkenau. Ich wohnte im A-Lager, Block 25 und arbeitete außerhalb des Lagers bei Gartenarbeiten im Außenkommando 213. Ich erhielt die Häftlingsnummer B, die mir auf den linken Unterarm tätowiert wurde und noch heute deutlich sichtbar ist. Im Januar 1945 wurde ich von Auschwitz evakuiert. Ich kam teilweise zu Fuß, teilweise mit Waggon-Transport in das KZ Ravensbrück. Hier trug ich Zivilkleidung mit einer Häftlingsnummer und roten Streifen auf dem Rücken, wohnte in einem großen Zelt und arbeitete nicht. Im Februar 1945 kam ich von dort mit Waggon-Transport ins KZ Malchow. Dort war ich nur kurze Zeit und kam dann in das ZAL Leipzig. Von dort kam ich nach ca. 10 Tagen auf Fußmarsch und wurde dann auf dem Marsch am 07.05.1945 in Schmalbach befreit. Nach der Befreiung war ich von April 1946 bis August 1946 im DP-Lager Bergen-Belsen, dann in Schweden bis Januar 1947, von wo ich nach Bolivien auswanderte. Von dort kam ich im Juni 1949 nach Israel ..."
Die Zeugin N H, geboren am 00.00.1926 in Starachowice, erklärte: "Ich kenne Frau N1, geborene S. Wir wohnten vor dem Krieg in Starachowice und kennen uns noch von dort. Anfang 1940 wurden wir beide in das Ghetto Starachowice eingewiesen. Zu Beginn war das Ghetto nicht geschlossen. Später jedoch wurde es umzäunt und von SS bewacht. Das Verlassen des Ghettos war unter Todesstrafe verboten. In wohnte in der Q-Str. 72, während N1 K in der Q-Str. 27 wohnte. Wir trugen Armbinden mit einem Judenstern und arbeiteten zusammen in den Herman-Göring-Werken bei zwei Automaten-Maschinen MG-2. Täglich wurden wir unter Bewachung zur Arbeit und von der Arbeit geführt. Der Judenälteste des Ghettos hieß Mincberg. Ungefähr Ende Sommer 1942 wurden wir zusammen in das ZAL Starachowice überführt. Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von SS bewacht. Auch hier trugen wir Armbinden mit einem Judenstern, wohnten in Baracken und arbeiteten weiter in den I-Werken. Ich bei Automaten-Maschinen und N1 K beim Hochofen. Täglich wurden wir unter Bewachung zur Arbeit geführt. Im Sommer 1944 kamen wir zusammen in das KZ Auschwitz-Birkenau. Wir wohnten im A-Lager Block 25 und erhielten dort tätowierte Häftlingsnummern in den linken Unterarm, welche noch heute sichtbar sind ... Wir arbeiteten außerhalb des Lagers im Außenkommando bei Feld- und Gartenarbeiten. Im Januar 1945 wurde das Lager geräumt und wir kamen auseinander ..."
Die Zeugin C X, geboren am 00.00.1930 in Starachowice, erklärte zum Antrag der Klägerin: "Ich kam mit ihr gleichzeitig im Sommer 1940 in das Ghetto Starachowice. Wir kannten uns noch vor dem Kriege. Außerhalb der Stadt wurden einige Straßen für diesen Zweck verwendet. Ukrainische Miliz unter deutscher SS bewachte uns. Wir mussten eine weiße Armbinde mit dem blauen Judenstern tragen, bekamen vom Judenrat unter dem Judenältesten Herrn Mincberg und Birnzweig die Lebensmittelrationen zugeteilt. Trotzdem wir beide noch Kinder waren, wurde uns Zwangsarbeit aufgelegt, wie Fußboden kehren, Straßen reinigen usw. Wir wohnten beide in der J Str. im Oktober 1942 überstellte man uns gemeinsam in das ZAL Starachowice. Es war ein Barackenlager, welches mit Stacheldraht umzäunt war und von SS bewacht wurde. Wir schliefen auf Pritschen, die dreifach aufeinander gestellt waren. Täglich gingen wir unter ukrainischer Miliz-Eskorte zur Zwangsarbeit in die Munitionsfabrik der Herman-Göring-Werke, Abteilung MG-1, wo wir Patronenhülsen reinigen und schleifen mussten. Vor der Arbeit sowie nach der Arbeit mussten wir stundenlang Zählappelle stehen und bekamen die übliche Lagerkost von Suppe und Brot. Im Sommer 1944 kamen wir im geschlossenen Viehwaggon gemeinsam in das KZ Auschwitz-Birkenau, wo wir tätowiert wurden ... Von hier kamen wir teils zu Fuß, teils per Eisenbahnwaggon ins KZ Ravensbrück, lagen in Zelten, standen täglich stundenlange Zählappelle und fassten die bekannten Hungerrationen. Im Februar 1945 überstellte man uns in das KZ Malchow. Aus diesem Barackenlager, wo wir auf bloßem Boden schlafen mussten, überstellte man uns im Februar 1945 in das ZAL Leipzig. Von Leipzig trieb man uns zu Fuß auf den Weg. Wir gingen Tag und Nacht, schliefen in Scheunen, auf bloßem Boden unter freiem Himmel und waren tagelang ohne Essen und Wasser. So trieb man uns unter den menschenunwürdigsten Bedingungen bis Schmalbach, wo wir am 07.05.1945 von den russischen Truppen befreit wurden."
Die Zeugin D T, geboren am 00.00.1927 in W, Starachowice, erklärte: "Ich kenne die K N, geb. S ..., mit der ich gut befreundet war, noch von vor dem Krieg aus unserem gemeinsamen damaligen Heimatort Starachowice, wo wir uns beide befanden, als die Deutschen dort im Herbst 1939 einmarschierten. Kurze Zeit nach deren Einmarsch begannen die antijüdischen Verordnungen, wonach wir als Judenzeichen die weiße Armbinde mit dem blauen Judenstern tragen mussten. Außerdem mussten wir Sperrstunden einhalten und waren Verkehrsbeschränkungen unterworfen. Im Sommer 1940 wurden wir gemeinsam in das Ghetto Starachowice eingewiesen. Dieses Ghetto war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von SS und jüdischer Polizei bewacht. Wir mussten auch hier die Armbinde mit dem Judenstern tragen und arbeiteten zwangsweise in der Munitionsfabrik der Herman-Göring-Werke. Im Oktober 1942 wurden wir gemeinsam in das ZAL Starachowice überstellt. In diesem stacheldrahtumzäunten, von SS bewachten Lager hausten wir in einer Baracke und mussten verschiedene Zwangsarbeiten verrichten. Im August 1944 wurden wir zusammen in das KZ Auschwitz-Birkenau abgeschoben. Wir hausten hier zusammen im A-Lager, Block 25 und arbeiteten zusammen zwangsweise beim Außenkommando und wurden mit Nummern tätowiert. Im Januar 1945 wurden wir von Auschwitz evakuiert und wurden teils im Fußmarsch, teils mit Waggontransport ins KZ Ravensbrück überführt. Hier erhielten wir Zivilkleidung mit roten Streifen auf dem Rücken und hausten in einem großen Zelt. Im Februar 1945 kamen wir in das KZ Malchow. Von hier kamen wir in kurzer Zeit ins ZAL Leipzig. Von hier wurden wir nach 10 Tagen auf Fußmarsch gebracht und blieben bis Mitte April 1945. Dann separierten sich unsere Wege ..."
Auf dieser Grundlage wurde die Klägerin 1959 als Verfolgte anerkannt und bekam eine Gesamtentschädigung von 9.600 DM für die erlittene Freiheitsentziehung von 64 Monaten und 18 Tagen. Andere Leistungen aus Deutschland für ihre Verfolgung erhielt oder erhält die Klägerin nicht.
Im Oktober 2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Altersrente nach dem ZRBG bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Im Antragsformular ließ sie die Frage nach der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) offen. Sie erklärte, von 1940 bis Ende Oktober 1942 im Ghetto Starachowice in der Munitionsfabrik Herman-Göring-Werke MG-2-Abteilung im Bereich der Metallurgie als Arbeiterin gearbeitet zu haben. Sie habe Lebensmittelcoupons und Zloty als Entgelt erhalten. Ob Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sein, sei ihr nicht bekannt. In einem weiteren Fragebogen ergänzte sie zur Höhe des Arbeitslohnes, sie habe Zloty und Sachbezüge bekommen. Die Höhe der Zloty seien ihr nicht erinnerlich. Sie habe während der Verfolgung ein geringeres Arbeitsentgelt als ein nicht verfolgter Versicherter für eine gleichartige rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit erhalten. In einem dritten Fragebogen gab sie an, als Entlohung habe es Coupons für Lebensmittel gegeben und fügte hinzu: "ich glaube auch Zloty, die Höhe nicht erinnerlich". Zum Ort, zur Art und zur Dauer der Beschäftigung führte sie aus: "MG-2-Abteilung bei Automaten-Maschinen, Messarbeiten mit Hilfe eines Messgeräts, von früh bis spät". Zur Frage der Vermittlung gab sie an: "durch eigene Bemühungen".
Die BfA gab den Fall zuständigkeitshalber an die Beklagte ab. Diese zog die Entschädigungsakte der Klägerin sowie die bei der BfA geführte Versichertenakte der Zeugin X bei. Bemühungen, auch deren BEG-Akte zu erhalten, blieben ohne Ergebnis. Ergänzend zog die Beklagte aus dem Internet die Angaben der sogenannten Keom-Liste (veröffentlicht vom Osthaus-Museum Hagen) zu Starachowice bei. Dort heißt es:
"Julag I", Generalgouvernement Distrikt Radom 1931- 1945, (Oktober 1942 erste Erwähnung, Juli 1944 letzte Erwähnung), Frauen und Männer, Einsatz der Häftlinge: HASAG (Hugo Schneider AG), I-Werke, Stahlwerke Braunschweig, Firma Fikler (oder Filzler oder Fitter) Sägewerk. Art der Arbeit Arbeit: in der Munitionsfabrik, im Bergwerk (Männer) oder im Sägewerk, Quelle: ITS 1979 Pohl 1998. Markierung: Aufgrund unzureichender Informationen ist die Markierung eventuell nicht genau mit dem Standort des Lagers identisch. Der Ort wurde unter dem gleichnamigen Lager für Männer markiert. Zum Ghetto Starachowice heißt es: Eröffnung 2.4.1941, Liquidierung 29.10.1942, Deportationen ab 15.10.1942 nach Treblinka (Quelle Schwarz, 1996). Sonstige Ermittlungen veranlasste die Beklagte nicht.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin sodann durch Bescheid vom 18.10.2004 unter Hinweis auf die Angaben der Zeugin X und die vorgenannten Angaben des Osthaus-Museums ab. Die Klägerin erhob hiergegen am 29.10.2004 Widerspruch und verwies darauf, dass sie nie bestritten habe, ab Ende 1939 bis Mitte 1940 verschiedene Zwangsarbeiten verrichtet zu haben. Erst aus dem Ghetto, dann aus dem Zwangsarbeiterlager heraus habe sie dann bis August 1944 in der MG-2-Abteilung der Hermann-Göring-Werke gearbeitet. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005 zurück und führte aus, es habe sich bei den Arbeitsverrichtungen im Ghetto Starachowice um eine für die damalige Zeit nationalsozialistischer Verfolgung typische Form der Zwangsarbeit unter direkter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto und notdürftiger Versorgung gehandelt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Lohn für diese Zwangsarbeiten erhalten habe; dies sei auch vor dem Hintergrund der Verordnung vom 26. Oktober 1939 über der Einführung des Arbeitszwanges für die jüdische Bevölkerung im Generalgouvernement nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung binnen Monatsfrist nach Zustellung Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Mit Urteil vom 08.06.2007 hat das SG die Beklagte auf Basis der Aktenlage unter Aufhebung des Bescheides vom 18.10.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 dazu verurteilt, der Klägerin ab 01.07.1997 Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten für den Zeitraum von November 1940 bis zum 27.10.1942 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.12.2006 - B 4 29/06 R - (abrufbar wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de) angeschlossen und ausgeführt, die Klägerin habe in den Fragebögen glaubhaft dargelegt, für ihre Tätigkeit im Ghetto Lebenscoupons und Zloty erhalten zu haben. Nach der Rechtsprechung des BSG seien gerade zusätzliche Lebensmittel unter Ghetto-Bedingungen besonders wertvoll und oft entscheidend für das Überleben ganzer Familien gewesen. Es sei auch glaubhaft, dass die Klägerin die Beschäftigung im Ghetto Starachowice aus freiem Willensentschluss aufgenommen habe. Die Bezeichnung als "Zwangsarbeit" stehe dieser Annahme nicht entgegen, weil sich die Klägerin in einer Zwangslage befunden habe, die es begreiflich erscheinen lasse, dass im Entschädigungsverfahren von erzwungenen Arbeitsleistungen berichtet wurde. Der gesetzlich geforderte eigene Willensentschluss sei auch dann gegeben gewesen, wenn die Beschäftigung gesucht und gefunden worden sei, um unter den zunehmend katastrophalen Lebensbedingungen des Ghettos überleben zu können und der Deportation und Vernichtung zu entgehen. Eine Bewachung auf dem Weg zur Arbeit habe lediglich der Durchsetzung des Zwangsaufenthaltes im Ghetto gedient. Auch die Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme erst 12 Jahre alt gewesen sei, schließe die Annahme einer zu entschädigenden freiwilligen Beschäftigung gegen Entgelt nicht aus.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten. Die Beklagte trägt vor, die Rentenversicherungsträger folgten der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 - B 4 29/06 R - und dem dort vertretenen Entgeltbegriff im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht. Vielmehr sei desto genauer zu prüfen, ob eine Arbeitsaufnahme noch außerhalb eines Gewaltverhältnisses möglich gewesen sei, je größer das Machtungleichgewicht zwischen der deutschen Besatzung und ghettoisierter jüdischer Bevölkerung in allen Lebensbereichen war und je mehr sich die antisemitische Politik des NS-Regimes radikalisierte. Dabei folge die Beklagte auch nicht den vom 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 14.12.2006 beschrittenen Weg, von einer Zwangsarbeit erst bei Ausübung von so genannter "vis absoluta", das heißt unüberwindlicher Gewalt, auszugehen, denn selbst bei Personen im Konzentrationslager sei der Arbeitseinsatz nicht durch den Willen brechende Gewalt, sondern durch so genannte "vis compulsiva" geschehen, weil eine Arbeitskraft, deren Willen während des Arbeitsprozesses gebrochen werde, keine produktive Arbeit mehr leiste. Nach den Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren sei mithin nicht von einem aus eigenem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, weil die dortigen Zeuginnen und auch die Klägerin eidesstattlich versichert hätten, dass die Klägerin bei den Hermann-Göring-Werken "Zwangsarbeit" verrichtet habe. Es sei zwar mit der Beschreibung der geltend gemachten Arbeit als Zwangsarbeit oder erzwungener Arbeit nicht unmittelbar auf eine juristische Definition dieser Begriffe Bezug genommen worden. Das Wort "Zwang" habe aber einen allgemein gültigen Sinngehalt dahingehend, dass der Begriff des Zwanges gemeinhin als Gegenbegriff zur freien Willensentscheidung verstanden werde und das Merkmal der Freiwilligkeit ausschließe. Dazu bezieht sich die Beklagte auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW vom 7. Mai 2007 - L 3 R 165/06 -).
Weiter führt die Beklagte aus, auch in der 2006 erschienen Dissertation des Historikers Mlynarczyk zum Judenmord im Bezirk Radom heiße es, dass der Hunger, der dort 1942 geherrscht habe, viele Juden trotz der beschwerlichen Arbeitsbedingungen gezwungen habe, sich bei den zuständigen Judenräten als Freiwillige für die Arbeitslager zu melden, anders noch als während des harten Winters 1940/41, als viele Judenräte nur durch eine regelrechte Menschenjagd die ihnen auferlegten Zwangsarbeiterkontingente zu erfüllen vermocht hätten. Zum Teil hätten sich die Verantwortlichen gezwungen gesehen, auf Gewalt zurückzugreifen, um die benötigten Transporte zu vervollständigen. Es sei nach den durch Mlynarczyk ausgewerteten Quellen zudem nicht belegt, dass dort in der Rüstungsindustrie in der Regel oder oft Arbeitsverhältnisse zustande gekommen seien, die nach der Rechtsprechung des 13. Senates des BSG als Beitragszeit nach dem ZRBG anzuerkennen wären. Daher sei eher davon auszugehen, dass die Betriebe den Judenrat zur Gestellung von zwangsweise zu verpflichtenden Personen aufgefordert hätten. Schließlich sei auch im israelischen Standardwerk zur jüdischen Geschichte, Pinkas Hakehillot, beschrieben, dass sich männliche Juden im Frühjahr 1941 in Starachowice hätten registrieren lassen müssen, um außerhalb des Ghettos zu arbeiten. Dies spreche dafür, dass der Judenrat die Juden in Zwangsarbeitsverhältnisse vermittelt habe. Der Charakter der Zwangsarbeit ändere sich nicht dadurch, dass sich oft Juden beim Judenrat gemeldet hätten, um zur Gruppe zu gehören, die in die Arbeitsverhältnisse vermittelt worden zu sein. Zudem komme es nach der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG vom 07.10.2004 - 13 RJ 59/03 R - auf eine Mindesthöhe des Entgelts an, um überhaupt eine Versicherungspflicht begründen zu können. Auch ganz geringe Geldleistungen lösten keine Versicherungspflicht aus, sondern hätten nur Taschengeldcharakter. Generell sei nach den ausgewerteten Quellen auch denkbar, dass ein zur Arbeit in der Schwerindustrie von Starachowice eingesetztes junges Mädchen nur Nahrungsmittel oder auch zusätzlich Bargeld bekommen haben könne. Das Bargeld könne dabei unregelmäßig oder auch nur in sehr geringer Höhe gezahlt worden sein. Einer ausreichenden Entlohnung durch die Betriebe selbst stehe auch die Lebensmittelzuteilung durch den Judenrat entgegen. Daran gemessen habe die Klägerin im Rentenverfahren keine genaueren Angaben gemacht. Die Klägerin habe in dem Fragebogen zum ZRBG lediglich mitgeteilt: "Coupons für Lebensmittel, ich glaube - auch Zloty, die Höhe nicht erinnerlich." Im Übrigen habe generell ein schrecklicher Hunger unter den jüdischen Verfolgten geherrscht. Miternährung anderer könne daher in aller Regel nicht mehr bedeuten als solidarische Minderung des Mangels. Im Streitverfahren der Klägerin sei nicht vorgetragen, dass für die Arbeit Lebensmittelrationen gewährt worden seien, die über das sonst den Arbeitenden gewährte Maß hinaus gingen.
Nach Auffassung der Beklagten geht ferner aus 1947 vor der polnischen Hauptkommission zur Aufklärung deutscher Verbrechen in Polen in Warschau gemachten Aussagen nicht-jüdischer Zeugen hervor, dass es sich schon für die nichtjüdische polnische Belegschaft der Hermann-Göring-Werke nicht um reguläre Arbeitsverhältnisse gehandelt habe, sondern um Momente des Zwanges und eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses. Die Beklagte meint, diese Aussagen ließen annehmen, dass es die dort zu den Hermann-Göring-Werken geschilderten Misshandlungen regelmäßig bereits für die nicht jüdischen Arbeiter gegeben habe. Es müsse befürchtet werden, dass die jüdischen Arbeiter dem eher noch hilfloser ausgesetzt gewesen sein. Bereits für die nicht-jüdischen Arbeiter sei eine Kündigung nicht möglich gewesen. Man habe gefürchtet, in ein Konzentrationslager gebracht zu werden, wenn man es versuchte hätte. Für die Juden sei die Situation wohl nicht besser gewesen.
Schließlich, so die Beklagte, erlaubten auch die von den Historikern für ihr Fachgebiet gebrauchten Begriffe "Zwangsarbeit, Entlohnung und freiwillige Meldung" keine automatische Übertragbarkeit auf die Wertungen des Sozialversicherungsrechts. Vielmehr sei vor einer Entscheidung über das vorliegende Streitverfahren eine Klärung erforderlich, denn die Ausführungen des vom erkennenden Senat gehörten Sachverständigen Dr. Zarusky, der Terminus Zwangsarbeit werde in seinem Gutachten nur im Zusammenhang mit Zwangsarbeiterlagern verwendet, könne den Schluss nahe legen, Zwangsarbeit habe es für ihn in Starachowice im erheblichen Zeitraum nur geben können, wenn sich eine Person im Zwangsarbeiterlager befunden habe.
Zum Parallelverfahren L 4 R 211/06, in dem die Beklagte am 16.5.2007 für die Zeit von Mai 1941 bis Oktober 1942 Ghettobeitragszeiten in Starachowice für die Beschäftigung einer Ghettoüberlebenden in der Munitionsabteilung der Hermann-Göring-Werke Starachowice anerkannt hatte, trägt die Beklagte vor, es sei zu berücksichtigen, dass im Verfahren der Klägerin eine Fülle von Unterlagen vorgelegt worden seien, die mit zu berücksichtigende Umstände über die Verhältnisse im Ghetto und bei den Herman-Göring-Werken enthielten. Diese Umstände seien möglicherweise im Parallelverfahren nicht alle bekannt gewesen. Die Beklagte berücksichtige darüber hinaus gerade die Angaben des einzelnen Antragstellers. Bei dieser Einzelfallprüfung sei nicht auszuschließen, dass die Anträge von Verfolgten aus dem gleichen Verfolgungsort unterschiedlich beschieden würden. Die Beklagte sei sich bewusst, dass dies den Betroffenen kaum zu erklären sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Sachverständigen Dr. Zarusky ergänzend zu befragen, in welchem Umfang Barzahlungen an jüdische Arbeitnehmer in den Herman-Göring-Werken erfolgt sind und welche historischen Unterlagen für die Lohnzahlungen und deren Umfang hierzu vorliegen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass für die Altersrente der Klägerin Beitragszeiten vom 02.04.1941 bis 27.10.1942 und Ersatzzeiten zu berücksichtigen sind und den Hilfsantrag der Beklagten abzulehnen, da er eine unzulässige Verzögerung des Rechtsstreits darstelle.
Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil.
Der israelische Sozialversicherungsträger hat auf Anfrage des erkennenden Senats bestätigt, dass die Klägerin 94 Monate Versicherungszeiten als Versicherte nach israelischen Rechtsvorschriften zurückgelegt hat. Ferner sind die vom 4. Senat des LSG NRW im Berufungsverfahren L 4 R 211/06 zu den Hermann-Göring-Werken und zum Ghetto Starachowice eingeholten historischen Unterlagen zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht worden. Ergänzend hat der erkennende Senat ein zeitgeschichtliches Sachverständigengutachten des Historikers Dr. A, der am zeitgschichtlichen Institut München tätig ist, eingeholt. Dr. A hat zu den individuellen Angaben der Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, diese erschienen vollkommen plausibel und glaubhaft im Sinne einer guten Möglichkeit. Bezahlte oder zumindest mit Nahrungsmitteln vergütete Beschäftigung bei den Hermann-Göring-Werken sei die wichtigste Arbeitsmöglichkeit in Starachowice gewesen, der der größte Teil der arbeitsfähigen Ghettobevölkerung nachgegangen sei. Die Stellen habe der Judenrat vermittelt und die Arbeit habe weitestgehend freiwilligen Charakter gehabt. Sie sei sehr begehrt gewesen, da sie eine Einkommensquelle bzw. die sichere Ernährungsquelle dargestellt habe. Ihre Aufnahme habe das eigene Überleben gesichert. Über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin könne indes nichts ausgesagt werden, wenngleich der postulierte Zeitraum November 1940 bis Oktober 1942 absolut realistisch sei. Gerade die Arbeit in der Industrie sei häufig von längerer Dauer gewesen, da auf einmal angelernte Kräfte nur ungern verzichtet worden sei. Zwischenzeitliche Unterbrechungen und Arbeitslosigkeit seien aber nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen. Die rechtlichen Konsequenzen der Begutachtung seien selbstverständlich der richterlichen Entscheidungen vorbehalten. Es sei aber sehr wohl zwischen einer an rein wissenschaftlichen Zielen ausgerichteten Forschungsarbeit, wie der 2006 erschienenen Dissertation des Historikers Mlynarczyk und einem historischen Gutachten auf Grundlage einer gerichtlichen Beweisanordnung zu unterscheiden. Letztere könne nur in Kenntnis der rechtlichen Problematik erfolgen. In der Tat sei der Terminus "Zwangsarbeit" in Quellen und Literatur tatsächlich oft unpräzise und unspezifisch verwendet. Bei der vorliegenden Begutachtung sei indes Wert darauf gelegt worden, die konkreten Handlungs- und Freiheitsspielräume zu beschreiben. Wenn von Entlohnung gesprochen werde, beziehe sich dies nicht auf einen sozialrechtlich definierten Begriff, sondern auf das allgemeine Begriffsverständnis. Und als Grundlage für die rechtliche Einordnung würden hierbei Angaben über Umfang und Wert der Entlohnung für den Empfänger gemacht. Der Begriff "freiwillig" werde im Begriff von "aus eigener Initiative und eigenem Willensentschluss" verwendet. Zur Frage der Entlohnung könne unter Bezugnahme auf die Enzyklopädie des Holocaust angegeben werden, dass der Stundenlohn 55 polnische Groschen betragen habe, was dem Durchschnittslohn eines ungelernten polnischen Arbeiters entsprach. Auch aus der Gazeta Zydowska (Jüdischen Zeitung) Nr. 12 vom 31.08.1940 gehe hervor, dass jüdische Arbeiter in der Stahlgießerei mit 3 Zloty pro Tag entlohnt worden seien. Es sei bekannt und im Gutachten auch erwähnt, dass die Auszahlung durch die Hermann-Göring-Werke nicht immer regelmäßig erfolgt sei, wobei der Umfang und die Verweigerung der Lohnzahlungen nicht bekannt seien. Die Regierung des GenGov habe darauf gedrängt, zur Sicherung der Subsistenz der ghettoisierten Juden ihre Arbeit mit 80 % der Lohnsätze für entsprechende polnische Arbeiter zu entgelten. Auch, wenn dieser Satz nicht immer eingehalten worden sei, sei es nicht denkbar, dass die Existenz der Ghettos völlig ohne Lohnzahlungen an die arbeitenden Juden hätte aufrecht erhalten werden können. Zudem seien Lohnzahlungen vielfach belegt - so auch im Werk von Mlynarczyk, der dies selbst für die Arbeit in Steinbrüchen beschreibe. Diese Angabe würde von der Beklagten nicht zitiert, wie auch die Passage, aus der hervorgehe, dass 1940 aufgrund des Hungers selbst für diese schwere Arbeit viele freiwillige Meldungen erfolgten. Demgegenüber sei die, von der Beklagten zitierte Stelle bei Mlynarczyk für das vorliegende Verfahren irrelevant, da es vorliegend nicht um ein Steinbruch-Arbeitslager gehe, sondern um die Arbeit in geschlossenen Räumen in den Hermann-Göring-Werken, wo auch die tägliche Rückkehr nach Hause möglich war. Nach dem Spätsommer/Herbst 1942, als die drohende Liquidierung des Ghettos Starachowice auch den Bewohnern bewusst geworden sei und durch Nachrichten von anderen Ghettoliquidierungen bekannt wurde, dass der Nachweis der Arbeitsfähigkeit die Überlebenschance erhöhte, habe zudem die nackte Todesangst eine wichtige Rolle für das Bemühen um Arbeit bzw. Arbeitsbestätigung gespielt. Auch die in der ersten Durchführungsverordnung über den Arbeitszwang vom 11.12.1939 (Verordnungsblatt des GenGov 1939, Seite 231) vorgesehene umfassende Heranziehung von Juden zu Zwangsarbeiten sei bekanntlich nicht praktikabel gewesen. Man sei deswegen von deutscher Seite im Laufe des Jahres 1940 in der Regel zu von den Judenräten vermittelten entlohnten Tätigkeiten übergegangen.
Schließlich hat der Senat am 29.Oktober 2007 in einem Beweistermin generelle Umstände zu den Verhältnissen in den jüdischen Ghettos und zur Quellenüberlieferung in BEG-Akten und Überlebendenberichten erhoben. Der ernährungwissenschaftliche Sachverständige Prof. Dr. U hat im Wesentlichen dargelegt, eine ernährungswissenschaftliche Beurteilung dort gewährter Rationen für die Arbeit sei nicht möglich, da sich die überlieferten Angaben meist auf nicht näher bezeichnete Gruppen bezögen und keine wissenschaftlich begründete Grundlage hatten. Generell sei die NS-Philosphie, die jüdische Bevölkerung auch durch Hunger zu dezimieren, in Rechnung zu stellen. Zusätzliche Zuteilungen an "freiwillig Beschäftigte" hätten demgegenüber auf lokalen Entscheidungen/Aktivitäten von Kommandanten, Verantwortlichen oder Ältestenräten beruht.
Der Historiker Prof. Dr. H hat erläutert, in der Zeitgeschichte Israels sei ein Wechsel vom Heldennarrativ zum Opfernarrativ der Holocaust-Überlebenden erst im Zuge des Eichmann-Prozesse zu beobachten gewesen. Vor diesem Hintergrund wiege die Signifikanz von Erklärungen aus BEG-Akten umso stärker, je mehr ungefragt individuelle Umstände berichtet wurden. Insofern scheine es so, als breche sich an solchen Stellen der Akten mitunter gleichsam der Wunsch der Opfer Bahn, anders als in punktuellen Zusammenhängen ihre Lebensgeschichte ganzheitlich zu erzählen. Dies sei aber umso schwächer ausgeprägt bzw. an den Akten umso schwächer erkennbar, je stärker das betreffende Vorbringen über juristisch geschulte Bevollmächtigte vorgetragen wurde. Darin zeigen sich dann Homogenisierungen und Angleichungsprozesse des Sachvortrags im Sinne des legitimen Weglassens von für die juristische damalige Entscheidung und die Erfolgsaussichten irrelevanten Tatsachen. Es mache insofern einen großen Unterschied, ob in den BEG-Verfahren Bevollmächtigte auftraten oder nicht.
Die Psychologin Prof. Dr. R hat erklärt, insbesondere der Gesichtspunkt des ganzheitlichen Narrativs und der Wunsch, in der eigenen Subjektivität ernst genommen zu werden, seien Umstände, die aus psychologischer Sicht eine entscheidende Rolle spielen. Dabei sei zu betonen, dass "Erinnerung" eben kein Abrufen aus einem festen Speicher, sondern eine situationsbezogene aktuelle Gehirnleistung darstelle. Hinzu komme die bekannte Unzuverlässigkeit und die tagesformabhängigen Schwankungen der menschlichen Gedächtnisleistung. Von daher seien Unterschiede in den jeweils zeitlich weit auseinander liegenden Schilderungen der Überlebenden nicht erklärungsbedürftig, sondern umgekehrt ganz natürlich und auch vom Standpunkt der Wissenschaft her zu erwarten: Es sei eher fragwürdig und ein Grund für Skepsis, wenn solche Erinnerungen über Jahre hinweg gleichsam "gestanzt" konstant blieben.
Der Historiker Prof. Dr. H1 hat dargestellt, dass es sich bei allen Aussagen von Betroffenen nach so langer Zeit um aus einer traumatischen Situation stammende und seitdem häufig durchdachte und von späteren Informationen "kontaminierte" Berichte handeln dürfte, bei denen eine saubere Unterscheidung zwischen tatsächlich Erlebtem und im Diskurs bzw. aus der Lektüre Erschlossenem nur in Ausnahmefällen möglich sei. Differenzen zu Aussagen in früheren Entschädigungsprozessen rührten dabei nicht zuletzt aus einem durchaus nachvollziehbarem Unverständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen her: Denn in den Entschädigungssachen sei es der erlittene Zwang gewesen, der zu einem Anspruch auf Entschädigungsleistungen führte, während es nun nach dem ZRBG gerade nicht der Zwang, sondern der "eigene Willensentschluss" sei, der zu einer Berechtigung führe (zudem von den Prozessbeteiligten häufig noch fälschlicherweise als "Freiwilligkeit" interpretiert). Letzteres sei für die nun in hohem Alter nicht mehr immer geistig sehr beweglichen Verfolgungsopfer nur schwer zu begreifen. Sie müssten gegen ihr persönliches Empfinden (ungeachtet des tatsächlichen Sachverhalts) und entgegen einer subjektiv entwickelten Interpretationsweise aussagen, dass sie "freiwillig" im Ghetto gearbeitet hätten, wenn sie ihre Klage unterstützen wollen. Da sie den ganzen Ghettoaufenthalt (zu Recht) als eine Zwangsmaßnahme auffassten, komme ihnen dies unglaublich vor und widerspreche der subjektiven Einstellung zu ihrer Verfolgungszeit, aber auch ihrem Logikverständnis, wonach unberechtigter Zwang ausgeglichen werden sollte, nicht jedoch Zusammenarbeit mit dem Verfolger belohnt. Zur mündlichen Überlieferung von Zeitzeugen der Geschichte (Oral History) und zum Beweiswert von Internet-Quellen seien für die Arbeit der Historiker in jedem Falle die Prinzipien der Quellenkritik zu wahren. Dies bedeute, dass man sich bei jeder benutzten Quelle kritische Gedanken hinsichtlich der Authentizität, der Texttreue, der Bedeutung verwendeter Begriffe und der Reichweite der aufgenommenen Aussage machen müsse. Die Geschichtswissenschaft habe dazu eine eigene spezifische Methodik entwickelt, die sich exemplarisch dadurch auszeichne, dass man Quellen "gegen den Strich bürste", d.h. sich methodisch frage, ob der Betreffende das Selbe bei diametral anderer Interessenlage oder Erkenntnismöglichkeit genauso bekundet hätte oder nicht. Dabei seien selbstverständlich die Umstände der Entstehung einer Quelle besonders zu beachten. In jedem Fall sei es mit der historischen Methodik unvereinbar, irgendwo aufgefundene Daten (in einer Datenbank, in einer Aussage, in einem Dokument) unhinterfragt zu übernehmen. Auch der durchaus übliche (von den Vertretern der Beklagten angeführte) Fall divergierender Informationen sei dementsprechend zu würdigen, wobei die Entscheidung, warum man die eine Information für authentischer halte als eine andere, begründet und nachvollziehbar - damit also wissenschaftlich - erfolgen müsse.
Die Historikerin Prof. Dr. H2 hat zur Terminologie der Geschichtswissenschaft klargestellt, dass Historiker Begrifflichkeiten oft uneinheitlich und unscharf verwendeten. Für den vorliegenden Kontext sei das bei der Verwendung des Begriffes "Ghetto" von Bedeutung. Die Gerichte hätten für den Begriff "Ghetto" eine eigene Definition erarbeitet. Die durch die Forschungs- und Quellenlage aufgeworfenen Probleme seien noch weitaus schwerwiegender als die infolge der unterschiedlichen Terminologie entstandenen. Die das Gericht interessierenden Fragestellungen zu Arbeitsverhältnissen gingen vollkommen an den bisherigen Fragestellungen in der Forschung vorbei. Auch die Berichte von Zeitzeugen vermöchten wenig Aufschluss zu geben. Generell gelte, dass die Fragestellungen des Gerichts nicht unbedingt in den Quellen eine vorrangige oder überhaupt eine Rolle spielten - von Täterseite aus nicht, weil die Betroffenen der Vernichtung zugeführt werden sollten; von Opferseite aus nicht, weil viel elementarere Probleme anstanden als die Frage einer sozialversicherungsmäßigen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften des erkennenden Senats, die eingeholten Sachverständigengutachten, die Gerichtsakten mit Anlagen, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Entschädigungsakte aus dem BEG-Verfahren der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat im geltend gemachten Umfang Anspruch auf Altersrente nach dem ZRBG. Die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf war daher im Ergebnis zu bestätigen, auch wenn es dazu zunächst der Nachholung noch fehlender notwendiger Ermittlungen durch den erkennenden Senat bedurfte. Dabei ist klarzustellen, dass in der Berufung aufgrund der Einschränkung des Klageantrages nur noch über den Zeitraum ab der formellen Ghettoschließung in Starachowice, d.h. ab dem 2. April 1941 zu urteilen war.
Die mit der Klage angefochtenen ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Sie beschweren die Klägerin im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig, und zwar nach allen zum ZRBG höchst- und obergerichtlichen vertretenen Auffassungen (hierzu unter I.). Denn die Klägerin war in Starachowice im streitbefangenen Zeitraum aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt bei den Hermann-Göring-Werken beschäftigt, und es gab dort im Stadtteil Wierzbnik auch ein geschlossenes Ghetto, was den für das ZRBG maßgeblichen Ghettobegriff ebenfalls nach allen derzeit zur Auslegung dieser Vorschrift vertretenen Auffassungen erfüllt. Die vorgenannten Umstände sind durch die Beweiserhebung des erkennenden Senates zumindest im Sinne einer guten Möglichkeit gem. § 4 des Fremdrentengesetzes (FRG), § 3 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) glaubhaft gemacht. Mehr ist für das Bestehen eines Anspruchs nach dem ZRBG nicht erforderlich. Die Einwände der Beklagten und auch ihr Hilfsantrag greifen nicht durch (hierzu unter II.).
I. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Urteile vom 06.06.2007- L 8 R 54/05 - Revision anhängig unter B 13 R 85/07 R ; vom 20.06.2007 - L 8 R 244/05 - Revision anhängig unter B 13 R 115/07 R, sowie vom 04.07.2007 - L 8 R 74/05 - rechtskräftig), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso 13. Senat des BSG Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R). Die für die Gewährung einer Altersrente nach § 35 SGB VI erforderliche Wartezeit von mindestens 60 Monaten hat die Klägerin nach der Mitteilung der israelischen Sozialversicherungsanstalt erfüllt, wobei diese Zeiten nach dem Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) deutschen Beitragszeiten nach Bundesrecht (§ 51 Abs. 1 SGB VI) gleichstehen. Die vom 4. Senat mit Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 29/06 R - anders beantwortete Frage nach der Notwendigkeit von Vorversicherungszeiten für einen ZRBG-Anspruch kann daher dahinstehen. Die Klägerin hat auch im Übrigen einen Altersrentenanspruch unter Berücksichtiung der §§ 1 bis 3 ZRBG - und zwar bezüglich aller Voraussetzungen nach allen hierzu jeweils höchst- und obergerichtlichen vertretenen unterschiedlichen Auffassungen (dazu unter 1. bis 4.):
1. Ghetto
Die Existenz eines Ghettos in Starachowice ist für den streibefangenen Zeitraum zweifelsfrei festzustellen. Nach der insoweit engsten Auslegung, die vom 4. Senat des BSG vertreten wird, handelt es sich um ein "Ghetto" im Sinne des § 1 ZRBG jedenfalls bei solchen Wohnbezirken, in denen Juden durch eine Aufenthaltsbeschränkung vollständig und nachhaltig durch die Androhung schwerster Strafen oder durch Gewaltmaßnahmen von der Umwelt abgesondert wurden und die sich in einem Gebiet befanden, das rechtlich als vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert zu qualifizieren ist, womit der faktische Herrschaftsbereich des NS-Staates gemeint ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob auch ein sogenanntes "offenes" Ghetto unter den Ghetto-Begriff i.S.d. § 1 ZRBG fällt (wie der 14. Senat des LSG NRW eingehend dargelegt hat, vgl. Urteil v. 1. September 2006 - L 14 R 41/05 - und Urteil v. 15. Dezember 2006 - L 13 RJ 112/04 - mit anhängiger Revision - B 5 R 12/07 R -). Denn auf den Unterschied zwischen "offenem" und "geschlossenem" Ghetto kommt es im Fall der Klägerin rechtlich nicht an. Vielmehr lässt sich hier feststellen, dass sie in der streitbefangenen Zeit in Starachowice in einem "geschlossenen" Ghetto war.
Jedenfalls ab April 1941 gab es dort nämlich einen geschlossenen jüdischen Wohnbezirk, den die dortigen Bewohner nicht ohne Lebensgefahr ohne Erlaubnis verlassen durften, und in dem sie unter menschenunwürdigen Bedingungen zusammengepfercht leben mussten. Mit der Existenz eines Judenrates und einer Arbeitsorganisation durch ein Arbeitsamt waren auch die weiteren für den Ghettobegriff kennzeichnenden Merkmale gegeben. Es kann auch zumindest als glaubhaft gemacht im Sinne einer guten Möglichkeit angesehen werden, dass sich die Klägerin in der in der Klage geltend gemachten Zeit selbst zwangsweise im Ghetto von Starachowice (im Stadtteil Wierzbnik) aufgehalten hat, denn dies hat sie bereits in den 50er Jahren im Detail geschildert und durch mehrere glaubwürdige Zeugenaussagen im Einzelnen belegt. Zudem liegt es nahe, dass die in Starachowice geborene Klägerin mit ihrer Familie dort auch zu Beginn der Verfolgung Opfer der Ghettoisierung wurde. Nachdem die Bevollmächtigte der Klägerin den Anspruch in der mündlichen Verhandlung im Übrigen auf den Zeitraum ab dem April 1941 begrenzt hat, bedarf es keiner weiteren Erörterung mehr, ob auch für den davor liegenden ursprünglich geltend gemachten Zeitraum bereits ein Ghetto im Sinne des § 1 ZRBG für Starachowice-Wierzbnik feststellbar sein könnte.
2. Beschäftigung
Nach der - insoweit übereinstimmenden - Rechtsprechung des BSG zum ZRBG ist "Beschäftigung" im Sinne des § 1 ZRBG jede nicht selbständige Arbeit. Der Beschäftigungsbegriff des ZRBG entspricht dem des übrigen Sozialversicherungsrechts. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist daher nicht notwendig. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sind eine von Weisungen eines anderen hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer, Inhalt oder Gestaltung abhängige Tätigkeit sowie eine gewisse funktionale Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens oder Weisungsgebers, wobei die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit maßgeblich sind. Auch Arbeiten und Dienstleistungen, die außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos verrichtet wurden, werden danach als "Beschäftigung" im Sinne des § 1 ZRBG begrifflich erfasst, wenn sie Ausfluss der Beschäftigung im Ghetto waren (4. Senat des BSG am angegebenen Ort, Randnummer 99 mit Hinweis auf Bundestagsplenarprotokoll 14233 vom 25. April 2002). Die Arbeit muss dem Verfolgten lediglich von einem Unternehmer oder einer Ghettoautorität mit Sitz im Ghetto (z.B. dem örtlichen Judenrat) angeboten oder wie bei einer heutigen Arbeitnehmerüberlassung oder einer Arbeitsvermittlung zugewiesen worden sein. Eine direkte Rechtsbeziehung mit unmittelbarem Entgeltzufluss zwischen einer deutschen Dienststelle und den betroffenen Ghettobewohnern ist daher nicht erforderlich.
Eine solche Beschäftigung in Starachowice hat die Klägerin bereits frühzeitig im Jahr 1956 angegeben, und zwar obgleich es damals im Entschädigungsverfahren hierauf rechtlich noch gar nicht ankam. Ihren entsprechenden Erklärungen kommt daher auch bei quellenkritischer und psychologischer Analyse ein besonders hoher Beweiswert zu (wie Prof. Goschler, Prof. Golczewski und Prof. R allgemein dargelegt haben). Die Annahme der Beklagten, es sei nicht auszuschließen, dass die Beschäftigung der Klägerin beim Judenrat und nicht bei den Hermann-Göring-Werken erfolgt sei, wird durch das überzeugende Gutachten von Dr. A widerlegt. Zudem würde (wie oben gezeigt) auch eine Beschäftigung beim Judenrat den Anspruch nach dem ZRBG begründen. Der Sachverständige Dr. A hat indessen im Einzelnen anhand des Quellenbefundes dargelegt, dass der örtliche Judenrat von Starachowice bei der Organisation der Arbeit lediglich eine Vermittlerrolle innehatte, so dass das Beschäftigungsverhältnis der jüdischen Arbeiter dort zu den Hermann-Göring-Werken bestand. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Judenrat im Einzelfall bestimmte Entgeltanteile des von den Arbeitern der Hermann-Göring-Werke empfangenen Lohns dazu verwandte, um die Bevölkerung des Ghettos im Übrigen teilweise zu versorgen. Denn alle vom Sachverständigen Dr. A und auch von der Beklagten zitierten jüdischen und polnischen Quellen stimmen darin überein, dass die Arbeiter selbst einen (wenn auch häufig nur mündlichen) Arbeitsvertrag mit den Hermann-Göring-Werken abschlossen und dafür Arbeitskarten erhielten und auch den erarbeiteten Lohn zumindest im Ergebnis teilweise empfingen (selbst wenn er ihnen gegebenfalls auf dem Umweg über den Judenrat als Zahlstelle ausgehändigt wurde).
Die Beschäftigung der Klägerin ist auch ihrer Art nach besonders detailliert und plastisch von ihr geschildert worden. So hat die Klägerin bereits im Entschädigungsverfahren der 50er Jahre angegeben, dass sie in der Munitionsfabrik der Hermann-Göring-Werke in der MG-2-Abteilung bei Automatenmaschinen tätig war, und dieses im Rentenverfahren nochmals näher dadurch präzisiert, dass sie Messarbeiten mit Hilfe eines Messgerätes beschrieb. Diese Informationen, vor dem Hintergrund des historischen Nachweises der Existenz der Munitionswerke in Starachowice durch Dr. Zarusky, ferner der Beweiserhebung zur jüdischen Beschäftigung in der dortigen Munitionsabteilung durch den 4. Senat des LSG NRW im genannten Parallelverfahren L 4 R 211/06 sowie schließlich der Schilderung der polnischen Zeugen aus dem Jahr 1947 lassen es glaubhaft erscheinen, dass es generell solche wie von der Klägerin geschilderten Beschäftigungsverhältnisse in Starachowice gab.
Dass auch sie selbst tatsächlich in einem solchen Verhältnis gestanden hat, ist durch ihre eigene glaubhafte Aussage wie auch durch die Bekundungen glaubwürdiger Zeuginnen aus dem BEG-Verfahren glaubhaft gemacht. Denn schließlich haben alle Zeuginnen im BEG-Verfahren, bis auf die Zeugin X, die Beschäftigung der Klägerin in den Hermann-Göring-Werken ausdrücklich bestätigt. Dabei ist auch hier keine vollkommen identische Wortwahl festzustellen, die sonst uU Anlass zu tatrichterlicher Skepsis wäre (dazu schon Senatsurteil L 8 R 244/05 am angegebenen Ort). So hat die Zeugin H bereits im Entschädigungsverfahren die von der Klägerin gemachten Angaben durch die Aussage, dass sie gemeinsam mit der Klägerin in den Hermann-Göring-Werken bei den Automatenmaschinen in der MG-2-Abteilung arbeitete, bekräftigt. Auch der von ihr damals noch erinnerte Name des Judenältesten Mincberg wurde zutreffend wiedergegeben. Gleiches gilt für die Zeugin T. Auch diese Zeugin erwähnte die Zeit bzw. die näheren Umstände der Existenz des Ghettos nur am Rande und ging in ihrer Aussage im BEG-Verfahren vielmehr auf die danach liegende Verfolgung in dem Zwangsarbeiterlager von Starachowice ein, in dem sie ab 1942 zusammen mit der Klägerin war. Die Angaben der Zeugin X sind demgegenüber nur scheinbar abweichend. Bei genauer Betrachtung schließen sie die Richtigkeit des von der Klägerin erinnerten Geschehensablaufs nämlich nicht aus. Denn die Zeugin X berichtete damals zwar auch davon, dass sie "gemeinsam mit der Klägerin als Kinder Zwangsarbeit auferlegt (bekam), wie Fußboden kehren, Straßen reinigen usw." und dass sie ab Oktober 1942 - also einem Zeitpunkt, der außerhalb des hier streitbefangenen Anspruchszeitraumes liegt - "bis 1944 in das Zwangsarbeiterlager Starachowice gemeinsam mit der Klägerin überstellt wurde, von wo aus sie zur Zwangsarbeit in die Munitionsfabrik der Hermann-Göring-Werke Abteilung MG-1 gingen, wo sie Patronenhülsen reinigten und schleifen mussten". Diese Bekundung steht der vorherigen Tätigkeit der Klägerin in der Munitionsfabrik denkgesetzlich indes nicht entgegen. Dies gilt schon deswegen, weil die Zeugin X die auf diesen Zeitraum bezogene Aufzählung ausdrücklich auf Teile der Tätigkeiten beschränkte und mit dem Zusatz "u.s.w." explizit offen gefasst hat. Im Übrigen ist aus vielen historischen Ermittlungen amts- bzw. gerichtsbekannt, dass im GenGov während des zweiten Weltkriegs jüdische Bewohner der Ghettos zum Teil selbst dann, wenn sie eine "geregelte" Arbeit hatten, von den deutschen Besatzern manchmal auf offener Straße willkürlich zusätzlich zu Zwangsarbeiten wie typischerweise der Straßenreinigung verhaftet wurden.
Auch das damals jugendliche Alter der Klägerin von zwölf Jahren spricht nicht gegen ihre Beschäftigung in den Hermann Göring Werken. Wie die Beklagte nämlich selbst - insofern zutreffend - aus dem Werk von Mlynarczyk zitiert, hatte der Judenrat in seiner Aufstellung arbeitsfähiger Ghettobewohner bereits 1940 auch Kinder von zwölf Jahren aufgeführt. Sie unterlagen also unter den extremen Verhältnissen des Ghettos bereits ab diesem Alter denselben Bedingungen wie Erwachsene und konnten demgemäß wie diese auch entgeltlich beschäftigt sein. Auch der Art nach handelt es bei den Messtätigkeiten an Automatenmaschinen um solche Verrichtungen, die Kinder körperlich zu leisten imstande sind und die insofern als typische Kinderarbeit angesehen werden können. Gerade die Tatsache, das die Klägerin in Starachowice geboren wurde und aus einer dort ansässigen Familie stammt, spricht im Übrigen für die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu denjenigen gehörte, denen es gelang, eine entgeltliche Beschäftigung zu erhalten. Aus den Quellen ist nämlich, (insbesondere bei Browning), überliefert, dass die ortsansässigen Ghettobewohner von Starachowice gegenüber den von außen Zugereisten vom örtlichen Judenrat eher bevorzugt wurden. Eine Arbeit in den Hermann-Göring-Werken stellte unter den damaligen Verhältnissen, die für die heutige Zeit kaum vorstellbar sind, in der Tat dann eine solche Bevorzugung dar - bot sie doch, wie der Sachverständige Dr. Zarusky anhand der Quellen überzeugend dargelegt hat, die einzige Hoffnung auf ein Überleben.
3. eigener Willensentschluss
Die Beschäftigung der Klägerin geschah vor diesem historischen Hintergrund auch aus eigenem Willensentschluss. Auch dieses Ergebnis ergibt sich nach allen zum ZRBG vertretenen höchstrichterlichen Auffassungen. Eine freiwillige Beschäftigung "aus eigenem Willen" scheidet nach Auffassung des 4. Senats des BSG nämlich nur dann aus, wenn der Arbeitende von hoher Hand unter Ausschluss jeder freien Willensbetätigung zur Arbeit gezwungen wurde, z.B. bei Strafgefangenen oder KZ-Häftlingen. Ein eigener Willensentschluss im Sinne des ZRBG liegt demgegenüber vor, wenn die Arbeit vor dem Hintergrund der wirklichen Lebenslage im Ghetto noch auf einer, wenn auch auf das Elementarste reduzierten Wahl zwischen wenigstens zwei Verhaltensmöglichkeiten beruhte. Solange NS-Verfolgte hinsichtlich des Zustandekommens und/oder der Durchführung der zugewiesenen angebotenen Arbeiten noch eine gewisse Dispositionsbefugnis hatten, sie also die Annahme und/oder Ausführung der Arbeiten gegenüber dem, der sie ihnen zuwies, ohne unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder ihre Restfreiheit ablehnen konnten, liegt keine Unfreiwilligkeit vor, auch dann nicht, wenn sie deshalb mangels eines Entgelts weniger oder nichts mehr zu Essen hatten. Gleiches gilt für eine nur den Zwangsaufenthalt im Ghetto aufrecht erhaltende, also vor allem eine fluchtverhindernde Bewachung bei Beschäftigungen außerhalb des räumlichen Ghettobereichs (vgl. 4. Senat des BSG am angegebenen Ort Randnummer 102 mit weiteren Nachweisen).
Auch nach der Rechtsprechung des 13. und 5. Senats des BSG ist unerheblich für die Beurteilung nach dem ZRBG, aus welchen weiteren Motiven die Arbeit aufgenommen worden ist. Selbst existenzielle Not (z.B. die Angst vor dem Verhungern oder vor Deportation in ein Vernichtungslager) als Beweggrund steht der Annahme einer freiwilligen Arbeitsaufnahme danach nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.1999 - B 13 RJ 75/98 R-; BSG, Urteil vom 18.06.1997 - 5 RJ 20/96 -). Für einen eigenen Willensentschluss und gegen Zwangsarbeit spricht nach Auffassung des 5. Senats des BSG insbesondere der Umstand, wenn es in einem bestimmten zeitlichen und örtlichen Bezugsrahmen vergleichbare Personen gegeben hat, die nicht gearbeitet haben (BSG, Urteil vom 18.06.1997- 5 RJ 20/96 - zur Arbeits- (russisch: "Trud-") Armee in der UdSSR unter Stalin). Die Bezeichnung der Arbeit als "Zwangsarbeit", insbesondere im Entschädigungsverfahren, reicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht aus, das Merkmal des eigenen Willensenschlusses zu verneinen (vergleiche BSG, 13. Senat Urteil vom 23.08.2001 - B 13 RJ 59/00 R -). Ebenso ist es für das ZRBG unerheblich, ob bzw. dass ein abstrakt-generell angeordneter Arbeitszwang bestand (wie im GenGov auf Grund der ersten Durchführungsverordnung über den Arbeitszwang vom 11.12.1939, Verordnungsblatt des GenGov 1939, Seite 231). Für die Rechtsprechung des 8. Senats des BSG schließlich kann trotz der Anweisung zur Aufnahme einer bestimmten Beschäftigung noch ein "freies" Beschäftigungsverhältnis vorliegen, wenn die Arbeitsbedingungen im Übrigen denen "normaler" Beschäftigter entsprochen haben (so z.B. BSG, Urteil vom 17.03.1993 - 8 RKnU 1/91 - zur Arbeit von Wolgadeutschen, mit weiteren Nachweisen auch zur Frage der Beschäftigung in Strafhaft).
Auch historisch war das, was heute als "Zwangsarbeit" bezeichnet wird, keine eindeutige Kategorie klar definierter Rechts- oder Beschäftigungsverhältnisse (näher dazu Reininghaus in: Reininghaus/Reimann - Herausgeber, Zwangsarbeit in Deutschland 1939 - 1945, 2001, 38, 41, 43 mit weiteren Nachweisen). Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten zugrunde gelegte Annahme einer eindeutigen Unterscheidbarkeit von Zwangsarbeit einerseits und freien Beschäftigungsverhältnissen andererseits für den NS-Staat historisch unzutreffend. Die Differenzierung hat vielmehr anhand eines Indizienbündels wertend-graduell und nicht im Sinne einer schematisch-simplifizierenden Ja - Nein - Zuordnung nach einem einzelnen Kriterium zu geschehen (in diesem differenzierenden Sinne auch: Straßfeld, in: Die Sozialgerichtsbarkeit, 2007, 598 ff., ferner Gagel in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht, 2000, 231, 234). Nichts anderes hat die Rechtsprechung des BSG bislang anhand der ihr zur Entscheidung vorgelegten Einzelfälle vorgenommen. Daraus folgen bezogen auf die Veranlassung und die äußeren Umstände der Beschäftigung insbesondere nachstehende Indizien:
a)Der Umstand, dass die Vermittlung der Arbeit durch den Judenrat erfolgte, steht einer Beurteilung als Beschäftigung grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn der Judenrat verpflichtet war, eine bestimmte Anzahl von Arbeitern für die Erfüllung bestimmter Aufgaben zu "stellen".
b)Die obrigkeitliche Bewachung unmittelbar bei der Arbeit selbst ist ein Hinweis auf Zwangsarbeitsbedingungen (nicht hingegen auf dem Weg von oder zur Arbeit, weil diese Bewachung gerade Ausdruck des vom Gesetz vorgesehenen "zwangsweisen" Aufenthaltes in einem Ghetto sein kann).
c)Nach Lage des Einzelfalles sprechen nachgewiesene Züchtigungen auf der Arbeitsstelle gegen eine freiwillige Beschäftigung, wobei es insbesondere auf die Zwecke und die Schwere der Züchtigung sowie weitere Umstände wie zB das damalige Alter des Opfers ankommt.
d)Die Verrichtung von Arbeiten, die von der konkreten Personen schlechterdings unter der Annahme freier Willensentscheidung nicht erwartet werden kann (zB aufgrund des Alters, unverhältnismäßigen Anforderungen an die individuelle Körperkraft oder der Art der Arbeit an sich). Eine untere Altersgrenze gibt es dabei nicht. Allerdings ist bei besonders jungen Kläger(inne)n im Einzelfall zu prüfen, ob die gesamten Umstände des Falles noch für einen eigenen Willensentschluss sprechen.
Individuell festzustellen ist dazu im Fall der Klägerin folgendes:
a) Dass der Judenrat von Wierzbnik eine bestimmte Anzahl von Arbeitern für die Herrmann-Göring-Werke zu stellen hatte, ist zwar anhand der deutschen zeitgenössischen Quellen dokumentiert. Tatsächlich beschreiben diese Quellen das komplexe Geflecht realer Beziehungen zwischen Judenrat und Deutschen einschließlich der Bestechung einzelner Machthaber zwecks Erhalt dieser - vom Judenrat als einzige Chance auf Überleben des Ghettos und seiner Bewohner angesehenen - Arbeitsgelegenheiten jedoch nur höchst unvollständig. Real war die Lage, wie vom Sachverständigen Dr. Zarusky überzeugend dargelegt, in Starachowice-Wierzbnik vielmehr so, dass Judenrat und Ghettobewohner die Deutschen um Arbeitsgelegenheiten bitten mussten und ständig auf ihre Ausweitung drängten. Bei den zum Beweis des Gegenteils von der Beklagten genannten Auszügen aus der Arbeit des Historikers Mlynarczyk handelt es sich um aus dem Zusammenhang gerissene Teilzitate, die dem dort gebotenen differenzierten Bild und dem Sinn des von Mlynarczyk Beschriebenen und Gemeinten nicht gerecht werden. Zudem betreffen die wesentlichen Stellen, auf die sich die Beklagte beruft, gerade nicht die Arbeit in den Hermann-Göring-Werken und auch nicht die Tätigkeit der dortigen Frauen und Mädchen, sondern die Lage der zuvor in die Bergwerke oder zu Schanzarbeiten an der Grenze zur Sowjetunion zwangsverpflichteten jüdischen Männer - also ganz andere Arbeitsorte-, Zeiten und Verhältnisse als die für die Klägerin in Rede stehen. Ohnehin differenziert die Beklagte nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Phasen des Ghettos. So nimmt sie auf ein Zitat aus dem Jahr 1939 Bezug, das die Anfangsphase des Ghettos betrifft, als die deutschen Besatzer in der Tat den Versuch unternahmen, die gesamte männliche Bevölkerung zur Zwangsarbeit heran zu ziehen und die Versorgung der jüdischen Bevölkerung den jüdischen Gemeinden zu überlassen. Eben das aber führte zusammen mit anderen antisemitischen Maßnahmen zu einer selbst aus Sicht der örtlichen deutschen Behörden zu raschen Verelendung in den jüdischen Ghettos des GenGov und dazu, dass die dortige Arbeitsverwaltung unter Max Frauendorfer im hier zu betrachtenden Zeitraum bezahlte Arbeitsverhältnisse für Juden zuließ und förderte. Die Annahme der Beklagten, dass die Betriebe den Judenrat zur Gestellung von zwangsweise zu verpflichtenden Personen aufgefordert hätten, widerspricht damit allen vorliegenden historischen Erkenntnissen über Starachowice. Gerade für Starachowice kann von einer hohen Zahl von bezahlten Arbeitsverhältnissen ausgegangen werden, da sich hier die kriegswichtigen Hermann-Göring-Werke befanden. Auch der Historiker Browning hat ermittelt, dass bei der "Liquidierung" des Ghettos von Starachowice im Vergleich zu den meisten anderen Städten des Distrikts Radom ein dreimal so hoher Prozentsatz der jüdischen Ghettobewohner als arbeitsfähig eingestuft wurde. Ein zentrales Kriterium für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit war dabei der Besitz einer Arbeitserlaubnis bzw. eines Arbeitsnachweises, der damit einen Rückschluss auf die Zustände zuvor ermöglicht (Browning, Judenmord, NS-Politik, Zwangsarbeit und das Verhalten der Täter, 2001, 146).
Gerade die Tatsache, dass alle im BEG-Verfahren zum Schicksal der Klägerin gehörten Zeuginnen deutlich zwischen der Zeit des Ghettos und des Zwangsarbeiterlagers von Starachowice Unterschiede machten, spricht im Übrigen entscheidend dafür, dass es hierbei auch im Charakter der ausgeübten Beschäftigung tatsächlich einen Bruch gegeben haben muss. Dies korrespondiert mit der generellen historischen Lage, wie sie der Sachverständige Dr. A im Einzelnen beschrieben hat. Denn in der Tat wurde im GenGov zwischen Sommer 1942 und im Herbst 1943 Ghetto für Ghetto aufgelöst, die verbliebenen Insassen in Vernichtungslager transportiert und so der Großteil der freien Arbeitsverhältnisse beendet. Die Beklagte unterscheidet schon in ihrem Widerspruchsbescheid demgegenüber nicht sorgfältig zwischen dem Ghetto von Starachowice einerseits und dem dortigen späteren Judenlager bzw. Zwangsarbeiterlager andererseits.
Zu Unrecht bezieht sich die Beklagte in diesem Zusammanhang auf die Rechtsprechung des 3. Senats des LSG NRW. Denn auch der dieser vertritt - wie alle anderen Senate des erkennenden Gerichts - einen zeitgeschichtlich differenzierten und einzelfallbezogenen Ansatz bei der Prüfung von ZRBG-Ansprüchen und trägt dabei sehr wohl dem Umstand Rechnung, dass der Begriff des "Zwangs bzw. der Zwangsarbeit" die tatsächlich schwere und entbehrungsreiche Arbeit in Ghettos kennzeichnet und nicht als Rechtsbegriff gemeint ist, wenn er von juristischen Laien benutzt wird (Urteil vom 15.12.2003 - L3 RJ 33/00 -). Auch hat der 3. Senat des LSG NRW in seinem von der Beklagten genannten (aber insoweit nicht vollständig zitierten) späteren Urteil vom 7. Mai 2007- L 3 R 165/06 - ausdrücklich festgestellt, dass die bloße Verwendung des Begriffs der "Zwangsarbeit" in BEG-Akten eben nicht ausreicht, sondern durch konkrete Tatsachen ausgefüllt werden muss. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des 13. Senats vom 23.08.2001 - B 13 RJ 59/00 R -). Der erkennende Senat ist dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung beigetreten (z.B. Urteil vom 29.06.2005 - L8 RJ 97/02 -). Denn zur Würdigung der Inhalte von BEG-Akten der 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist zunächst der damalige zeitgeschichtliche und rechtliche Kontext dieser Erklärungen zu berücksichtigen. Die bloße Verwendung von Rechtsbegriffen wie "Zwangsarbeit" oder "ZAL", "KL" bewirkt für sich genommen noch keinen sicheren Rückschluss auf das damals wirklich Gemeinte - zumal die heutige rechtliche Bedeutung dieser Begriffe im Rahmen des ZRBG eine andere ist als nach den damals maßgeblichen Bestimmungen. In der Tat handelte es sich bei der Bezeichnung der Ghettoarbeit als "Zwangsarbeit" oder einen ähnlichen den Zwangsarbeitscharakter der Arbeit betonende Wortwahl, um gängige Formulierungen, die nicht nur innerhalb der Opfergruppe für die im Ghetto oder Lager ausgeübte Tätigkeiten im Entschädigungsverfahren üblich waren, sondern bis heute in der historischen Forschung weithin undifferenziert benutzt werden, wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. H, Prof. Dr. H1, Prof. Dr. R und Dr. A gegenüber dem erkennenden Senat übereinstimmend dargelegt haben. Zentrales Moment im eigenen Erleben und natürliches Empfinden jedes Menschen, der die Zeit im Ghetto er- und überlebt hat, ist zudem die Erfahrung von Zwang in seiner extremsten Ausprägung gewesen. Daher ist nichts weniger zu erwarten, als die Angabe von "freiwilliger Arbeit". Diese Kategorie ist erst durch den heutigen Kontext der bewusst vom sonstigen Ghettozwang abstrahierenden BSG-Rechtsprechung zum Ghetto Lodz und das darauf aufbauende ZRBG entstanden. Entsprechend ist die Unzulässigkeit einer negativen Beweiswürdigung solcher BEG-Erklärungen gestützt auf die Begriff des "Zwangs" oder der "Zwangsarbeit" zu Recht in den deutsch-israelischen Verbindungsstellen-Gesprächen vom 1/3 Juli 2003 festgestellt worden (wobei offen bleiben kann, ob diese Ergebnisse über Art 3 GG und Art 26, 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention eine verbindliche Selbstbindung der Verwaltung enthalten - vgl. dazu im verneinenden Sinne wohl BSG Urteil vom 13.03.2002 - B 13 R J 15/01 R -). Auch der Fachausschuss der Rentenversicherungsträger für Versicherung und Rente stellte fest, dass verständlich ist, wenn die Ghettoüberlebenden Beschäftigungen aufgrund der allgemeinen Bedingungen im Ghetto subjektiv als Zwangsarbeit empfanden und als solche bezeichnet haben. Dies allein könne nicht zum Ausschluss von Ghettobeitragszeiten führen (Sitzung 3/2002 am 18.6.2002 TOP 8), ebenso die Auffassung des Bundesministerium für Gesundheit und Sozialordnung (BMGS) vom 15.2.2005 S.15.
Im Übrigen wäre selbst eine gegen den Willen des Judenrates angeordnete Arbeitspflicht sowie die Abstellung eines kollektiven Arbeitskontingents (wovon die Beklagte zu Unrecht ausgeht) für das ZRBG irrelevant, wenn den Ghettobewohnern - wie in Starachowice-Wierzbnik historisch nachgewiesen - gleichwohl noch ein individueller Spielraum blieb, um selbst darüber zu entscheiden, ob sie sich dem Arbeitskollektiv anschlossen oder nicht.
b) Auch die von der Klägerin geschilderte Bewachung steht ihrem eigenen Willensentschluss zur Beschäftigung nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin angegeben, auf dem Weg zu den Hermann-Göring-Werken von jüdischer Polizei und/oder polnisch-ukrainischer Miliz bewacht worden zu sein. Indes ist diese Bewachung lediglich Ausdruck des vom Gesetz vorgesehenen zwangsweisen Aufenthalts in einem Ghetto gewesen, weil sich das Ghetto im Stadtteil Wierzbnik und damit mehrere Kilometer entfernt von den Hermann- Göring-Werken befand, so dass die dort beschäftigten Juden auch auf ihrem Arbeitsweg an der Flucht aus dem Ghetto gehindert werden sollten. Nach der oben genannten Rechtssprechung des BSG kann dies kein Argument für Zwangsarbeit sein, weil die Sphären Beschäftigung und Lebensbereich, also hier Hermann-Göring-Werke einerseits und Ghetto Starachowice-Wierzbnik andererseits rechtlich strikt voneinander zu trennen sind (so schon die Ausgangsurteile für das ZRGB vom 18.06.1997 - 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95 -, sowie Urteil des 13. Senat vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R -). Auch die Tatsache, dass das Werk als solches nur durch ein bewachtes Werkstor zu betreten war und von einem Werkschutz aus Ukrainern gesichert wurde, ist kein Indiz für Zwangsarbeit, betrafen doch diese Maßnahmen alle im Werk tätigen Arbeiter einschließlich der deutschen Zivilangestellten.
c) Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer aus dem Ghetto heraus ausgeübten Tätigkeit in den Hermann-Göring-Werken misshandelt wurde. Für sie selbst ist eine solche Misshandlung weder als tatsächliches Ereignis noch als konkrete individuelle Bedrohung dokumentiert. Auch der von den polnischen Zeugen geschilderte Umstand, dass polnische Arbeiter vom Werkschutz der Hermann-Göring-Werke in bestimmten Fällen misshandelt wurden, genügt nicht, um ein solches Vorkommnis im Fall der Klägerin als überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die über die konkreten Angaben der polnischen Zeugen hinausgehenden Annahmen der Beklagten sind nicht durch konkrete Hinweise dieser Zeugen auf die Klägerin belegt.
d) Auch die konkrete Art der von Klägerin verrichteten Tätigkeiten spricht nicht für Zwangsarbeit. Es handelte sich nach ihrer eigenen und plausiblen Schilderung vielmehr um Messtätigkeiten, also um qualifizierte Arbeiten an Automatenmaschinen, und gerade nicht um körperliche Schwerstarbeit unter Extrembedingungen wie sie für Zwangsarbeiten typisch ist und für die nach den historischen Quellen in der Tat auch die Judenräte des Bezirks Radom zum Mittel der Zwangsrekrutierung greifen mussten.
4. Entgelt
Es ist glaubhaft, dass die Klägerin für ihre Tätigkeit auch ein Entgelt i.S.d. § 1 ZRBG erhalten hat - und zwar zumindest teilweise in Form von polnischem Bargeld, was nach allen dazu höchst- oder obergerichtlich vertretenen Auffassungen für den Rentenanspruch ausreicht. Nach der - insoweit engsten - Auffassung des 13. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat im Kern angeschlossen hat, ist nämlich auch jenseits des RVO-Gebiets für den Entgeltbegriff des ZRBG auf die früheren §§ 1227-29 RVO abzustellen. Diese Vorschriften gehen auf den § 3 Absatz 2 des Invalidenversicherungsgesetz (IVG) von 1883 zurück und drücken einen bis heute maßgeblichen zentralen Grundgedanken des Sozialversicherungsrechts aus. Historischer Hintergrund war unter anderem die Tatsache, dass zur Zeit der Schaffung der Sozialversicherung in Deutschland in der Landwirtschaft aber auch bei Hausbediensteten eine Entlohnung durch Sachbezüge noch weithin üblich war. Als Zweck der Bestimmung galt demnach nach den Materialien (vergleiche Kommissionsbericht zur RVO 4.Teil, S.19) und der herrschenden zeitgenössischen Literatur, den Versicherungsträger gegen Ausbeutung durch vorgeschützte Beschäftigungsverhältnisse zu schützen, wie sie namentlich durch Aufnahme älterer Personen in die häusliche Gemeinschaft verwandter Familien konstruiert werden könnten (Menzel/Schulz Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte - AVG -, 1. Auflage, 1913, § 7 AVG - der Parallelvorschrift zu § 1227 RVO - Anmerkung 1; kritisch dagegen: Laß in: Weymann, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, 2. Auflage 1912, § 1227 RVO Anmerkung 1). Wie heute in § 14 SGB IV nahm die Vorschrift allerdings schon damals dem freien Unterhalt nicht die rechtliche Eigenschaft als Entgelt im Sinne des § 160 RVO, sondern begründete nur eine Ausnahme hinsichtlich des Eintritts der Versicherungspflicht (so schon RVA -, Amtliche Nachrichten - AN - 1898, 627 zu § 3 Absatz 2 IVG). Schon bei der damaligen Auslegung wurde als freier Unterhalt nur dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern angesehen, welches zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist. Zum freien Unterhalt gehörten grundsätzlich nur Sachbezüge, nicht aber Geldzahlungen - und zwar auch dann nicht, wenn sie nur zum notwendigen Unterhalt des Beschäftigten ausreichen (vergleiche RVA, AN 1896, 271 zu § 3 Absatz 2 IVG). Auch dass Dritte das Entgelt gewährten, stand schon nach damaliger Auffassung der Versicherungspflicht nicht entgegen. Das Gesetz selbst bestimmte dazu in § 1437 RVO ausdrücklich den Eintritt der Versicherungspflicht. Probleme bereitete indes schon seinerzeit der Fall, dass neben dem freien Unterhalt ein Anspruch auf Bargehalt oder Barlohn bestand, mochte er auch tatsächlich nicht gewährt werden. In diesen Fällen galt die Anwendung des § 1227 RVO (bzw. bei Angestellten der Parallelnorm des § 7 AVG) regelmäßig als ausgeschlossen (RVA, AN 1904, 624). Dies galt nur dann nicht, wenn ein bloßes Scheingeschäft mit dem Ziel der Herbeiführung der Versicherungspflicht feststellbar war (RVA, AN 1899, 624). Unerhebliche Barzahlungen im Umfang von bloßen Taschengeld, die neben dem vollständigen oder teilweise freien Unterhalt gewährt wurden und die nur zur Befriedigung gewisser geringfügiger Lebensbedürfnisse des Empfängers dienen sollten, wurden als nebensächliches Zubehör angesehen, das das Wesen der Hauptleistung, nämlich der Unterhaltsgewährung, annehme (RVA, AN 1891, 155; 1892 36,120; 1896, 271). Allerdings war anerkannt, dass sich die Entscheidung nur nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Lebensumstände der Beteiligten treffen ließe. Der gleiche Geldbetrag konnte nämlich schon nach damaliger Anschauung "in einfachen Verhältnissen von wesentlichem Werte anderwärts aber im Vergleiche zu höheren Unterhaltskosten oder für Angehörige besser gestellter Klassen nur ein Taschengeld sein" (so Menzel/Schulz/Sitzler, am angegebenen Ort, § 7 AVG Anmerkung 3; RVA, AN 1891, 153, 156; 1892, 4; 1893, 91f; 1907, 477). Auch wurde damals bereits erkannt, dass es nicht unwichtig für die sozialversicherungsrechtliche Betrachtung ist, ob ein vereinbarter Betrag in festen Zeitabschnitten gezahlt oder aber nur dem jeweiligen Bedarf für Tabak, Wirtshausbesuche, Festlichkeiten usw. durch Geldgaben von wechselnder Höhe und ohne Abrechnung gewährt wurde (RVA, AN 1906, 640).
Das RVA hat hierzu nach dem Ersten Weltkrieg - aber noch vor der nationalsozialistischen Machtergreifung - auf Basis seiner bis dahin ergangenen Spruchtätigkeit bis heute maßgebliche allgemeine Regeln aufgestellt. In dem Bescheid vom 09.08. 1927 (EuM 21, 86, Nr 6) und in dem Runderlass vom 19.12.1930 (EuM 26, 507, Nr 54) hat es eine Barvergütung, die neben freiem Unterhalt gewährt wird und ein Drittel des ortsüblichen Tageslohnes nicht übersteigt, als geringfügig und somit als unselbständigen Bestandteil des freien Unterhalts angesehen. Später hat es im Rechtszuge grundsätzlich ausgesprochen, dass die bisherige allgemeine Grenze von einem Drittel des Ortslohnes unter Umständen sehr wohl unterschritten werden konnte, wenn nicht allein Barvergütung, sondern auch Kost und Wohnung gewährt wurden, dass aber die Festsetzung einer Grenze der Entscheidung des Einzelfalles vorbehalten bleiben musste (Grundsätzliche Entscheidung vom 30.03.1933, AN IV 197). Ein Jahr vorher hatte der ständige Ausschuss des Reichsverbandes deutscher Landesversicherungsanstalten in Übereinstimmung mit der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und dem Reichsverband des deutschen Handwerks in den Richtlinien vom 01.03.1932 unter Nr. 3 ausgeführt: "Ein Lehrling, der neben freiem Unterhalt eine Barvergütung erhält, unterliegt der Invalidenversicherungspflicht, wenn die Barvergütung ein Sechstel des jeweiligen Ortslohnes überschreitet" (zitiert nach: Beurskens/Grintsch, Amtliche Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Rheinprov 1971, 310, 314, unter IV.).
Auch das BSG ist dieser Grundlinie des RVA nach dem Zweiten Weltkrieg gefolgt und bis heute treu geblieben. Die Abgrenzung von freiem Unterhalt und versicherungspflichtigem Entgelt ist danach wie zuvor durch einen Vergleich mit dem jeweiligen Ortslohn vorzunehmen. Dabei bildet ein Drittel des Ortslohnes auch für das BSG wie schon für das RVA keine starre Grenze. Diese Marke kann vielmehr je nach den Umständen des Einzelfalles auch unterschritten werden. Für die Entscheidung des Einzelfalles können auch für das BSG die Richtlinien vom 01.03.1932 und die sich aus diesen ergebende ständige Übung der Invalidenversicherungsträger einen wesentlichen Anhalt geben (vergleiche die zusammenfassenden Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 30.11.1983 - 4 RJ 87/92 -).
Soweit der 13. Senat des BSG dann bezogen auf das ZRBG durch sein Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R - ausgeführt hat, bei Gewährung von Lebensmitteln sei zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch oder nach vorbestimmtem Maße zur beliebigen Verfügung gegeben wurden und gute Verpflegung allein genüge hierfür nicht, hat er die geschilderten Kriterien lediglich aufgegriffen, ohne sie einzuschränken oder auszuweiten. Offen ist nach dieser Rechtsprechung in Bezug auf das ZRBG dabei lediglich, auf welchem generellen Rechtsbefehl die Anwendung der RVO auch ohne (formal wirksamen aber völkerrechtswidrigen) Annexionsakt in den von Deutschland besetzten Gebieten beruhen soll. Stellt man diese auf Artikel 43 der Haageer Landkriegsordnung fußenden völkerrechtlichen Bedenken dahin und geht - wie der erkennende Senat in seinen zitierten Urteilen L 8 R 54/05, L 8 R 244/05 sowie L 8 R 74/05 - für die Anwendung des ZRBG zumindest innerstaatlich von einer durch Artikel 3 Absatz 1 GG gebotenen und vom Gesetzgeber des ZRBG gewollten Gleichbehandlung aller heute überlebenden jüdischen Ghettobewohner in der Rentenversicherung aus (wofür sich der erkennende Senat nach wie vor nicht nur auf die Materialien zum ZRBG bezieht, sondern auch durch die Redebeiträge der Regierungsfraktionen in der jüngsten Debatte des Deutschen Bundestages zum ZRBG am 16.11.2007 bestätigt sieht) so gilt nach der auf § 1227 RVO gestützten Ghetto-Rechtsprechung des 13. und 5. Senats des BSG Folgendes:
Die Gewährung von Entgelt in Form einer staatlichen Währung (zB Zloty oder Reichsmark) führt grundsätzlich auch zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung. Eine solche Zahlung ist hier im Fall der Klägerin in regelmäßiger (monatlicher) Form vom erkennenden Senat festgestellt. Dass es dabei gelegentlich zu teilweiser Abzweigung von Lohnbestandteilen an den Judenrat gekommen sein mag, steht daher der Entgeltlichkeit der Beschäftigung der Klägerin nicht entgegen. Schon das RVA hat insoweit 1911 im Fall eines jüdischen Waisenjungen, dessen Gehalt der Arbeitgeber dem Waisenheim aushändigte, entschieden, dass es nicht darauf ankommt, in welcher Gestalt der Beschäftigte die Vergütung empfäng (RVA, AN 1911, 404). Maßgebend ist vielmehr schon nach dieser Entscheidung des RVA, dass die Vergütung, die der Arbeitgeber gewährt, in einem Barbetrag besteht, wenn dem Arbeitgeber i. Ü. gleichgültig ist, in welcher Weise das Geld verwendet wird. Auch nach der Rechtsprechung des 13. Senates des BSG ist i. Ü., wie gezeigt, auf das Ortslohnkriterium des § 1227 RVO abzustellen, also auf das Gehalt der polnischen Arbeiter aus Starachowice, die zeitgleich mit der Klägerin in den Hermann-Göring-Werken arbeiteten. Dabei ist, wie gezeigt, jedenfalls bis zur Untergrenze von 1/6 Ortslohn, soweit sich dieser feststellen lässt, Entgeltlichkeit im Sinne der RVO und des ZRBG gegeben. Unterhalb dieser Grenze ist im Einzelfall und ohne starre Regeln zu prüfen, ob die Geringfügigkeit des Entgelts ein Indiz für Zwangsarbeit und damit gegen die freiwillige Beschäftigung darstellt. Von einer "Äquivalenz" oder "Angemessenheit" von Leistung und Gegenleistung darf die Feststellung der Entgeltlichkeit entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Beklagten nach der eindeutigen Rechtsprechung des BSG (bzw. schon des RVA) nicht abhängig gemacht werden (stellvertretend: BSG, Urteil vom 14.07.1999 - B 13 RJ 75/98 R -).
Nach diesen Kriterien unterliegt die Entgeltlichkeit der Beschäftigung der Klägerin hier keinen Zweifeln. Denn selbst wenn die Auszahlung ihres auf 80 % des polnischen Ortslohns festgesetzten Gehalts durch die Hermann-Göring-Werke nicht immer regelmäßig erfolgte, ist es nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht denkbar, dass die Existenz der Ghettos völlig ohne Lohnzahlungen an die arbeitenden Juden hätte aufrecht erhalten werden können. Die Lohnzahlungen in den Hermann-Göring-Werken von Starachowice sind zudem vielfach belegt. Auch die Klägerin selbst hat sie durchgehend im Rentenverfahren so vorgetragen. Gerade, dass sie diese Aussage bezogen auf die nach über 60 Jahren naturgemäß verblassende Erinnerung leicht abschwächte ("ich glaube auch Zloty"), macht ihre Angabe nur noch glaubhafter. Die von der Beklagten angestellten Überlegungen, dass der Lohn die Klägerin wegen der Auszahlung an den Judenrat nie erreichte, ohne dass die Klägerin davon zumindest einen Teil erhielt, sind durch das Sachverständigengutachten Dr. Zaruskys widerlegt. Der Sachverständige hat zwar angegeben, dass der Lohn nicht immer vollständig ausgezahlt wurde. Die darüber hinaus gehenden Erwägungen der Beklagten sind indessen bloße Spekulation. Die Klägerin hat auch, anders als die Beklagte behauptet, im ZRBG-Verfahren nicht lediglich angegeben, sie habe Coupons für Lebensmittel erhalten. Vielmehr hat sich schon im ersten ZRBG-Grundfragebogen ausdrücklich von "Lebensmittelcoupons und Zloty" gesprochen. Im nächsten Fragebogen hat sie dann unter der Frage 8 b selbst ein "geringeres Arbeitsentgelt während der Verfolgung" angegeben. Gründe, ihr diese persönlichen Angaben angesichts des damit übereinstimmenden, vom erkennenden Senat ermittelten zeitgeschichtlichen Hintergrunds nicht zu glauben, sind nicht ersichtlich. Vielmehr decken sich die Angaben der Klägerin exakt mit den Erkenntnissen der geschichtlichen Wissenschaft zu den damaligen Verhältnissen. Verbleibende - denkbare - Zweifel sind auch insoweit bei der Glaubhaftmachung unschädlich (BSGE 8, Entscheidungssammlung Band 8 - BSGE -, S. 159). Bei der Wahrscheinlichkeitsabwägung ist ferner zu berücksichtigen, dass die drohende Liquidierung des Ghettos von Starachowice den Bewohnern erst im Spätsommer/Herbst 1942 bewusst wurde, sodass ab da die Todesangst eine wichtige Rolle für das Bemühen um Arbeit bzw. Arbeitsbestätigungen spielte und die Hauptmotivation zuvor in der Entlohnung bestand. Auch wenn die Quellen insoweit lückenhaft sind, ist mithin eine regelmäßige Auszahlung von Barentlohnung wahrscheinlicher, wie der Sachverständige zutreffend dargelegt hat.
Soweit die Beklagte schließlich meint, aus den Urteilen des erkennenden Senats (L 8 R 54/05 und L 8 R 74/05 sowie L 8 R 244/05) ableiten zu können, dass für den ZRBG-Anspruch zu fordern sei, dass die Betroffenen von ihrem Entgelt auch weitere Personen (mit-) versorgen konnten, so verkennt sie das vom Senat auf Basis der Ghettorechtsprechung des BSG entwickelte Hilfskriterium bei Beweisnot. Denn dieses ist nicht als zusätzliche Hürde für den ZRBG-Anspruch, sondern vielmehr als Erleichterung für die - nach dem zeitgeschichtlichen Hintergrund typische und unverschuldete - Beweisnot der Ghettoüberlebenden zu sehen. Eine Preisgabe der vorrangigen gerichtlichen und/oder der (im Umfang identischen) behördlichen Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 103, 106 SGG bzw. §§ 20, 21 SGB X ist darin nicht zu sehen. Der Sachverhalt ist daher zunächst mit allen erreichbaren Beweismitteln aufzuklären. Ergibt sich - wie hier - aufgrund der Beweisaufnahme ein klares Bild über die in Bar bzw. in Natur für die Beschäftigung im Ghetto als Entgelt gewährte Gegenleistung, so ist für das Beweisnot-Kriterium kein Platz (so vom Senat insbesondere im Fall L 8 R 74/05 bereits rechtskräftig entschieden).
Dass für das Ghetto Starachowice nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme des erkennenden Senats insoweit feststeht, dass dort auch im streitbefangenen Zeitraum Hunger herrschte und die Rationen oft zu knapp bemessen waren, steht dem ZRBG-Anspruch der Klägerin demgegenüber schon deswegen entgegen, weil genau solche Verhältnisse auf offener Straße verhungernder Menschen für das Ghetto Lodz, das als Referenz-Sachverhalt für die Schaffung des ZRBG gelten muss, gerichts- sowie behördenbekannt sind (vergleiche z.B. Friedmann, Die Jahre der Vernichtung, 2. Auflage 2006, S. 175 f. mit weiteren Nachweisen). Auch dort erkennt die Beklagte ZRBG-Ansprüche überlebender Verfolgter mit nachgewiesener Beschäftigung schließlich selbst regelmäßig an.
II. Schließlich war auch der Hilfsantrag der Beklagten abzulehnen. Es handelt sich insoweit weder um einen formgerechten Beweisantrag noch um einen formgemäßen Antrag auf persönliche Anhörung des Sachverständigen Dr. A im Termin. Für einen formgerechten Beweisantrag fehlt es schon an der Benennung einer in das Wissen des Sachverständigen gestellten konkreten Tatsache, weil die Beklagte lediglich eine (Ausforschungs-) Frage formuliert, aber keine rechtserhebliche konkrete Behauptung aufgestellt hat. Auch als Beweisanregung verstanden, war der Antrag abzulehnen, denn der Sachverständige Dr. A hat die von der Beklagten aufgeworfenen Aspekte bereits ausführlich und verständlich in seinem Gutachten behandelt. Er hat nämlich. sowohl angegeben, welche historischen Unterlagen für Lohnzahlungen und deren Umfang seinem Gutachten zugrunde liegen (siehe Fußnoten 1 - 16 und Blatt 8,9 des Gutachtens vom 26.10.2007 und Anmerkungen im Text der gutachterlichen Stellungnahme vom 4/5.12.2007) als auch ausgeführt, in welchem Umfang diese Lohnzahlungen nach den heute noch zugänglichen Quellen erfolgten. Dass er dies nicht genauer als näherungsweise tun konnte, entspricht dem unvollständig überlieferten Archivmaterial und dem üblichen Befund bei der Forschung zu den Verhältnissen jüdischer Ghettos während des zweiten Weltkriegs. Der Sachverständige Dr. A hat darüber hinaus auch präzise ausgeführt, wie er die von ihm verwandten Begriffe der Zwangsarbeit und des Ghettos jeweils versteht. Er hat insofern ausdrücklich - und zutreffend - klargestellt, dass er es nicht als seine Aufgabe als gerichtlicher Sachverständiger ist, eine juristische Wertung zu treffen. Präzise das ist die zutreffende Sichtweise seiner prozessualen Rolle und seiner Verantwortung in einem gerichtlichen Verfahren gemäß §§ 106 Abs. 3 Nr. 4, 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 406, 407 a der Zivilprozessordnung (ZPO). Gerade dass er es bewusst möglichst vermieden hat, den wertenden Begriff der "Zwangsarbeit" zu verwenden und sich statt dessen auf die Beschreibung der Realia im Ghetto von Starachowice beschränkte, ist dabei sachgerecht, weil er damit der rechtlichen Bewertung durch den erkennenden Senat nicht vorgegriffen hat. Lediglich im Bezug auf die Zwangsarbeiterlager ist der allgemeine historische Sprachgebrauch in der Tat dem juristischen des ZRBG so identisch, dass ohne Gefahr von Missverständnissen auch schon im historischen Sachverständigengutachten von "Zwangsarbeit" gesprochen werden durfte. Die rechtliche Bewertung der von Dr. A im Übrigen faktisch dargestellten historischen Zustände im Ort Starachowice während des 2. Weltkrieges obliegt im Ergebnis in der Tat allein dem zuständigen Gericht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zuzulassen, bestanden nicht, da die Klägerin nach allen zum ZRBG vertretenen Auffassungen einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Das gilt auch angesichts des zwischenzeitlich ergangenen Anfragebeschlusses des 4. Senats des BSG vom 20.12.2007 - B R 85/06 R -, da sich die dort angesprochenen Fragen nach dem Sachverhalt hier nicht streitentscheidend stellen.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.6.2005 verurteilt, der Klägerin Altersrente unter Berücksichtigung einer Ghettobeitragszeit vom 02.04.1941 bis 27.10.1942 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 01.07.1997 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu vier Fünftel.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Altersrente nach dem Gesetz über die Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), das der Deutsche Bundestag im Juni 2002 einstimmig beschlossen hat (Bundesgesetzblatt Teil I - BGBl I - 2074). Es geht um Ghettobeitragszeiten im Ghetto Starachowice für April 1941 bis Oktober 1942.
Die Stadt Starachowice, rund 200 km südöstlich von Warschau gelegen, war vor allem wegen ihrer vom polnischen Staat ab 1935 aufgebauten Stahl- und Munitionsfabriken von wirtschaftlicher Bedeutung. Vor 1939 bestand der Ort aus zwei Teilen: Einem neuen Industriekomplex mit modernen Wohnsiedlungen (dies war das eigentliche Starachowice) und in zwei Kilometern Entfernung der alten Ortschaft Wierzbnik. Die Stadt selber hatte rund 28.000 Bewohner, davon etwa 3.000 Juden, die überwiegend als Handwerker tätig waren und fast alle in Wierzbnik lebten.
Am 6. September 1939 besetzten deutschen Truppen die Stadt Starachowice. Der Ort wurde dem Distrikt Radom zugeschlagen, der neben Warschau, Krakau, Lublin und später auch Galizien einen der Verwaltungsbezirke des von den Nationalsozialisten neu geschaffenen Generalgouvernements Polen (GenGov) bildete. Die Kreisstadt Starachowice hatte innerhalb des Distrikts keine herausgehobene Stellung und folgte den für das Generalgouvernement überlieferten Umständen. Das Amt des lokalen Chefs der deutschen Zivilverwaltung, d.h. des so genannten Kreishauptmanns, hatte bis zur Befreiung der Stadt Ende 1944 Hans Zettelmeyer inne. Er hatte weit reichende, nicht durch lokale Kontrollgremien beschränkte Kompetenzen. Spezifische Befehlswege bestanden zwischen der deutschen und der polnischen und der jüdischen Selbstverwaltung. So folgten die polnische und jüdische Administration den Weisungen des Kreishauptmanns. Neben die Verwaltung traten die Einheiten von SS und Polizei, die unmittelbar Ausführende des Massenmordes an Juden und der Misshandlungen waren, da sie die Bewachung, Deportation und Exekution der Juden durchführten. Die Außendienststelle der Gestapo in Starachowice mit 8 - 9 Deutschen sowie 10 - 15 polnischen Mitarbeitern existierte bis Oktober 1941. Das Kriminalkommissariat leitete SS-Untersturmführer X C von Juni 1940 bis zur Befreiung der Stadt.
Die Industrie von Starachowice - ein Hüttenwerk mit Erzgrube sowie ein dazugehöriger Forstbetrieb inklusive Sägewerk - unterstand der Wehrwirtschaftsstelle Radom. Die wichtigen Stahl- und Munitionswerke produzierten direkt für die Wehrmacht. Diese entsandte den Hauptmann Thiemann als so genannten Industriebeauftragten nach Starachowice. Er beaufsichtigte dort die Produktion, half bei der Beschaffung von Arbeitskräften und verhinderte Zugriffe von anderen deutschen Institutionen. Die technische und wirtschaftliche Leitung der dortigen Schwerindustrie wurde im Herbst 1940 den staatseigenen I-Werken übergeben. Verantwortlich zeichneten deren Betriebe Stahlwerk Braunschweig bzw. ab Juli 1941 die Wittkowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft. Diese Töchter der Göring-Werke hatten eine so genannte Werkspatenschaft inne, die ihnen sämtliche Rechte an den Fabriken, nicht jedoch das Betriebseigentum sicherte.
Unmittelbar nach der Besatzung begannen die deutschen Verfolgungsmaßnahmen. Die Synagoge wurde niedergebrannt, den orthodoxen Juden die Bärte abgeschnitten, Kennzeichnungspflicht und Vermögensentzug durchgesetzt. Aufgrund einer Verordnung vom 23. November 1939 wurde ein Judenrat gebildet, in dessen Aufgabengebiet die Umsetzung der deutschen Vorgaben, Gesetze und Befehle fiel, aber auch die Selbstverwaltung der jüdischen Gemeinde. Für die Umsetzung der deutschen Wünsche hafteten die Mitglieder mit ihrem Leben. Dem Vorsitzenden Mincberg waren die Ältesten Birnzweig, Einesmann, Morgenstern und Wolfowitz beigegeben. Verantwortlich für den Arbeitseinsatz war Tänzer. Bereits 1939 wurde in der Stadt ein Arbeitsamt etabliert, das auch für die jüdische Bevölkerung zuständig war bzw. diese Zuständigkeit dem Judenrat auferlegte. Um willkürliche deutsche Razzien zur Zwangsrekrutierung zu verhindern - diese erzeugten ein Klima der Angst und des Aufruhrs -, richtete der Judenrat unter dem Dach des deutschen Arbeitsamtes schon bald eine eigene Judenabteilung ein und übernahm die Rekrutierung der von den Deutschen angeforderten Arbeitskräfte selbst. Aufgrund der Verordnung vom 26.10.1939 über die Zwangsarbeit jüdischer Bevölkerung im Generalgouvernement fertigte der Ältestenrat der Juden von Starachowice am 19.02.1940 eine Liste der arbeitsfähigen Juden, die in Starachowice-Wierzbnik wohnten, an. Darin waren 948 Männer erfasst, davon 2 12-Jährige, 31 13-Jährige, 43 14-Jährige, 39 15-Jährige, 12 16-Jährige und 15 17-Jährige sowie 200 Personen im Alter zwischen 55 bis 60 Jahren. Es handelte sich um 462 ungelernte Arbeiter, 357 Handwerker und Facharbeiter sowie 7 Personen mit freiberuflicher Betätigung.
Im Stadtteil Wierzbnik wurde dann Anfang 1940 in der Nähe des Marktplatzes der so genannte jüdische Wohnbezirk eingerichtet. Durch Flüchtlinge aus den umliegenden Gegenden, die in der Hoffnung auf Arbeit nach Starachowice kamen, sowie durch Juden aus den von Deutschland annektierten Gebieten Polens wuchs die jüdische Einwohnerzahl dort bis 1942 auf mehr als 6000 Menschen an. Jüdische Familien, die bislang außerhalb dieses eng begrenzten Gebietes gelebt hatten, mussten nun umziehen, wobei die räumlichen Verhältnisse äußerst beengt waren, sodass sich mehrere Personen einen Raum teilten. Das Verlassen des Ghettos war nur mit einem gesonderten, selten erteilten Ausweis möglich. Der dem Judenrat unterstehende jüdische Ordnungsdienst sowie die polnischen und deutschen Polizisten kontrollierten die Einhaltung der Bestimmungen scharf. Eine Absperrung des Ghettos mit Stacheldraht erfolgte am 2. April 1941.
1941 mussten sich die Männer des Ghettos im Alter von über 45 Jahren registrieren lassen. Einige wurden in Zwangsarbeitslager bei Lublin geschickt. Auch in Starachowice existierte - wie an vielen anderen Orten im Generalgouvernement - parallel zum Ghetto ab Mitte 1942 ein Zwangsarbeiterlager. Es hatte den Namen Majowka. Dort waren Juden eingesperrt, die aus anderen Städten stammten und vorher keine Bewohner des Ghettos von Starachowice gewesen waren. Ihre Zahl wird auf rund 300 geschätzt.
Der Judenrat von Starachowice-Wierzbnik verfolgte insgesamt - ähnlich dem Judenrat im Ghetto Lodz - eine Strategie der Anpassung und der Bestechung gegenüber den lokalen deutschen Machthabern und hoffte auf ein "Überleben durch Arbeit" in der kriegswichtigen Rüstungsindustrie. Im Ergebnis gelang es dem Judenrat auf diese Weise, dass bis zum Jahr 1944 tatsächlich eine ungewöhnlich große Gruppe von Juden aus Starachowice überleben konnte. Dabei spielte die Bestechung des deutschen Polizeichefs X C eine wichtige Rolle. Der Judenrat bezahlte auch die deutsche Direktion der Herman-Göring-Werke, insbesondere den Verantwortlichen für polnische und jüdische Arbeiter Leopold Schwertner, um die Zahl der jüdischen Beschäftigten zu erhöhen. Darüber hinaus förderte der Judenrat Schwertners eigenes Geschäftsgebaren, umliegende Dörfer abzufahren, um dort einzelne Arbeitskarten zu verkaufen und so Juden in das Ghetto Wierzbnik zu schmuggeln. Der entscheidende Wendepunkt war die Einstellung von Juden für Arbeiten in den Stahl- und Munitionsfabriken, wo sie vor dem Krieg von der Beschäftigung ausgeschlossen waren. Angesichts der großen Nachfrage nach Rüstungsgütern wuchs dort die Belegschaftszahl sehr stark an. Im Februar 1940 waren es lediglich 2.400 Arbeiter. Am 1. Februar 1942 waren jedoch schon 13.248 Polen und Juden beschäftigt, am 1. März 1944 sogar 13.600.
Nach den historischen Quellen betrugen die Löhne für Juden in den I-Werken 80 % des Satzes für polnische Arbeitskräfte (polnischer, ungelernter Arbeiter 162,50 Zloty im Monat, Arbeiterin 130 Zloty). Der offizielle Monatslohn für jüdische Arbeitskräfte betrug zwischen 100 und 125 Zloty. Dabei entsprach der Stundenlohn von 55 polnischen Groschen dem Durchschnittslohn eines ungelernten polnischen Arbeiters. In der Stahlgießerei erhielten jüdische Arbeiter 3 Zloty pro Tag (Gazeta Zydowska Nr. 12 vom 31.8.1940). Allerdings unterliefen die I-Werke diese Verordnung gelegentlich. Die Löhne nahm der Judenrat zentral in Empfang. Die Auszahlung des Barlohns war nicht immer gewährleistet, da der Judenrat nicht selten einen Teil davon in Lebensmittel für die Allgemeinheit investierte. Die arbeitende jüdische Bevölkerung erhielt darüber hinaus das Anrecht auf sichere Lebensmittelzuteilungen, das andere Ghettoinsassen nicht hatten.
Die Lebensmittelversorgung im Ghetto war insgesamt trotz einer vom Judenrat eingerichteten Küche, die täglich 600 Mahlzeiten ausgab, völlig unzureichend, weshalb sich die Juden gezwungen sahen, ihre sämtlichen Wertsachen auf dem Schwarzmarkt gegen Nahrung einzutauschen (Der Kurs Zloty - Reichsmark war auf 2:1 festgesetzt worden, während auf dem Schwarzmarkt bis zu 10 Zloty für eine Reichsmark gezahlt wurden). Auf Dauer konnten damit Hunger und Unterernährung jedoch nicht abgewendet werden. Auch bei der Versorgung mit Kleidung bestand eklatanter Mangel. Dennoch war die Lage in Starachowice-Wierzbnik im Vergleich zu anderen Orten im Distrikt Radom besser. Das dortige Ghetto wurde daher zu einem einer der Orte, in die immer mehr Juden aus dem Generalgouvernement strömten, da sie hier die letzte Hoffnung auf Überleben sahen. So ist nach dem für den örtlichen SS und den Polizeiführer Walter Becker erstatteten Bericht des Judenrates der Jahre 1940 bis 1941 belegt, dass mehr Juden in die Stadt einreisten als sie verließen. In den Quellen wird das Erstaunen eines aus Lublin in Starachowice neu ankommenden Juden noch für das Jahr 1944 wie folgt geschildert:
"Ich sah, was ich kaum glauben konnte. Mehrere Tausend Juden, Männer und Frauen, und sie hatten alles dort. Sie hatten zu Essen, sie hatten Geschäfte und man konnte dort Nahrung für Geld kaufen. Für alles. Und es war, wie in einer anderen Welt."
Zum Ende des Ghettos Starachowice kam es dann am frühen Morgen des 27. Oktober 1942. Das Ghetto wurde umstellt, seine Bewohner zum Marktplatz getrieben und dort selektiert sowie anschließend deportiert. Alte, Kranke und Gebrechliche wurden sofort erschossen. 3.748 von ihnen wurden als nicht arbeitsfähig eingestuft und nach Treblinka deportiert. Nur rund 1.200 Männer und 400 Frauen wurden als "Arbeitsjuden" in den nun etablierten Zwangsarbeiterlagern der örtlichen Betriebe einbehalten. Dort waren insbesondere Frauen demütigender Behandlung und der Vergewaltigung durch die ukrainischen Milizen ausgesetzt. Die Überlebenden der Zwangsarbeiterlager wurden dann bei Herannahen der Front 1944 mit einem Zug nach Auschwitz deportiert, wobei die früheren Mitglieder des Judenrates im ersten Waggon von Mitgefangenen wegen ihrer Kollaboration mit den Deutschen erwürgt wurden. Bei der Ankunft des Zuges in Auschwitz kam es zu der Besonderheit, dass auf der Rampe keine Selektion mehr stattfand und die Überlebenden geschlossen in das dortige Zwangsarbeiterlager gebracht wurden. Daher blieb von dieser Gruppe aus Starachowice-Wierzbnik eine größere Zahl von Menschen - darunter die Klägerin und die von ihr benannten jüdischen Zeuginnen - am Leben.
Zum individuellen Schicksal der Klägerin ergibt sich aus den Akten folgendes: Sie wurde 1928 mit dem Mädchennamen S in Starachowice geboren und hat die Verfolgung als einzige ihrer Angehörigen überlebt. Später ist sie nach Israel eingewandert, wo sie ihre Familie gründete und noch heute lebt. 1954 beantragte sie die Anerkennung als Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) und erklärte dazu eidesstattlich zu ihrem Verfolgungsschicksal:
"Vor dem Krieg wohnte ich mit meinen Eltern in Starachowice. Mein Vater war Kaufmann. Ich besuchte noch die Schule. Im Sommer 1940 wurde ich in das Ghetto Starachowice eingewiesen. Dieses war zwar anfangs nicht umzäunt, wurde aber streng von SS und jüdischer Polizei bewacht. Später wurde das Ghetto umzäunt. Der Judenälteste hieß Simcha Minsberg. Ich wohnte in der Pilsudskiego-Straße, trug eine Armbinde mit dem Judenstern, wurde vom Judenrat verpflegt und arbeitete in der Munitionsfabrik der I-Werke in der MG-2-Abteilung bei Automaten-Maschinen. Im Oktober 1942 wurden meine Mutter und mein Bruder aus dem Ghetto ausgesiedelt und ich sah sie seit dieser Zeit nicht mehr wieder. Ich und mein Vater kamen zur selben Zeit, im Oktober 1942 in das ZAL Starachowice. Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von SS bewacht. Ich wohnte in einer Baracke, trug eine Armbinde mit dem Judenstern und arbeitete weiter in den I-Werken beim Hochofen. Täglich wurde ich unter Bewachung zur Arbeit geführt. Im August 1944 kam ich von dort mit Waggon-Transport in das KZ Auschwitz-Birkenau. Ich wohnte im A-Lager, Block 25 und arbeitete außerhalb des Lagers bei Gartenarbeiten im Außenkommando 213. Ich erhielt die Häftlingsnummer B, die mir auf den linken Unterarm tätowiert wurde und noch heute deutlich sichtbar ist. Im Januar 1945 wurde ich von Auschwitz evakuiert. Ich kam teilweise zu Fuß, teilweise mit Waggon-Transport in das KZ Ravensbrück. Hier trug ich Zivilkleidung mit einer Häftlingsnummer und roten Streifen auf dem Rücken, wohnte in einem großen Zelt und arbeitete nicht. Im Februar 1945 kam ich von dort mit Waggon-Transport ins KZ Malchow. Dort war ich nur kurze Zeit und kam dann in das ZAL Leipzig. Von dort kam ich nach ca. 10 Tagen auf Fußmarsch und wurde dann auf dem Marsch am 07.05.1945 in Schmalbach befreit. Nach der Befreiung war ich von April 1946 bis August 1946 im DP-Lager Bergen-Belsen, dann in Schweden bis Januar 1947, von wo ich nach Bolivien auswanderte. Von dort kam ich im Juni 1949 nach Israel ..."
Die Zeugin N H, geboren am 00.00.1926 in Starachowice, erklärte: "Ich kenne Frau N1, geborene S. Wir wohnten vor dem Krieg in Starachowice und kennen uns noch von dort. Anfang 1940 wurden wir beide in das Ghetto Starachowice eingewiesen. Zu Beginn war das Ghetto nicht geschlossen. Später jedoch wurde es umzäunt und von SS bewacht. Das Verlassen des Ghettos war unter Todesstrafe verboten. In wohnte in der Q-Str. 72, während N1 K in der Q-Str. 27 wohnte. Wir trugen Armbinden mit einem Judenstern und arbeiteten zusammen in den Herman-Göring-Werken bei zwei Automaten-Maschinen MG-2. Täglich wurden wir unter Bewachung zur Arbeit und von der Arbeit geführt. Der Judenälteste des Ghettos hieß Mincberg. Ungefähr Ende Sommer 1942 wurden wir zusammen in das ZAL Starachowice überführt. Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von SS bewacht. Auch hier trugen wir Armbinden mit einem Judenstern, wohnten in Baracken und arbeiteten weiter in den I-Werken. Ich bei Automaten-Maschinen und N1 K beim Hochofen. Täglich wurden wir unter Bewachung zur Arbeit geführt. Im Sommer 1944 kamen wir zusammen in das KZ Auschwitz-Birkenau. Wir wohnten im A-Lager Block 25 und erhielten dort tätowierte Häftlingsnummern in den linken Unterarm, welche noch heute sichtbar sind ... Wir arbeiteten außerhalb des Lagers im Außenkommando bei Feld- und Gartenarbeiten. Im Januar 1945 wurde das Lager geräumt und wir kamen auseinander ..."
Die Zeugin C X, geboren am 00.00.1930 in Starachowice, erklärte zum Antrag der Klägerin: "Ich kam mit ihr gleichzeitig im Sommer 1940 in das Ghetto Starachowice. Wir kannten uns noch vor dem Kriege. Außerhalb der Stadt wurden einige Straßen für diesen Zweck verwendet. Ukrainische Miliz unter deutscher SS bewachte uns. Wir mussten eine weiße Armbinde mit dem blauen Judenstern tragen, bekamen vom Judenrat unter dem Judenältesten Herrn Mincberg und Birnzweig die Lebensmittelrationen zugeteilt. Trotzdem wir beide noch Kinder waren, wurde uns Zwangsarbeit aufgelegt, wie Fußboden kehren, Straßen reinigen usw. Wir wohnten beide in der J Str. im Oktober 1942 überstellte man uns gemeinsam in das ZAL Starachowice. Es war ein Barackenlager, welches mit Stacheldraht umzäunt war und von SS bewacht wurde. Wir schliefen auf Pritschen, die dreifach aufeinander gestellt waren. Täglich gingen wir unter ukrainischer Miliz-Eskorte zur Zwangsarbeit in die Munitionsfabrik der Herman-Göring-Werke, Abteilung MG-1, wo wir Patronenhülsen reinigen und schleifen mussten. Vor der Arbeit sowie nach der Arbeit mussten wir stundenlang Zählappelle stehen und bekamen die übliche Lagerkost von Suppe und Brot. Im Sommer 1944 kamen wir im geschlossenen Viehwaggon gemeinsam in das KZ Auschwitz-Birkenau, wo wir tätowiert wurden ... Von hier kamen wir teils zu Fuß, teils per Eisenbahnwaggon ins KZ Ravensbrück, lagen in Zelten, standen täglich stundenlange Zählappelle und fassten die bekannten Hungerrationen. Im Februar 1945 überstellte man uns in das KZ Malchow. Aus diesem Barackenlager, wo wir auf bloßem Boden schlafen mussten, überstellte man uns im Februar 1945 in das ZAL Leipzig. Von Leipzig trieb man uns zu Fuß auf den Weg. Wir gingen Tag und Nacht, schliefen in Scheunen, auf bloßem Boden unter freiem Himmel und waren tagelang ohne Essen und Wasser. So trieb man uns unter den menschenunwürdigsten Bedingungen bis Schmalbach, wo wir am 07.05.1945 von den russischen Truppen befreit wurden."
Die Zeugin D T, geboren am 00.00.1927 in W, Starachowice, erklärte: "Ich kenne die K N, geb. S ..., mit der ich gut befreundet war, noch von vor dem Krieg aus unserem gemeinsamen damaligen Heimatort Starachowice, wo wir uns beide befanden, als die Deutschen dort im Herbst 1939 einmarschierten. Kurze Zeit nach deren Einmarsch begannen die antijüdischen Verordnungen, wonach wir als Judenzeichen die weiße Armbinde mit dem blauen Judenstern tragen mussten. Außerdem mussten wir Sperrstunden einhalten und waren Verkehrsbeschränkungen unterworfen. Im Sommer 1940 wurden wir gemeinsam in das Ghetto Starachowice eingewiesen. Dieses Ghetto war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von SS und jüdischer Polizei bewacht. Wir mussten auch hier die Armbinde mit dem Judenstern tragen und arbeiteten zwangsweise in der Munitionsfabrik der Herman-Göring-Werke. Im Oktober 1942 wurden wir gemeinsam in das ZAL Starachowice überstellt. In diesem stacheldrahtumzäunten, von SS bewachten Lager hausten wir in einer Baracke und mussten verschiedene Zwangsarbeiten verrichten. Im August 1944 wurden wir zusammen in das KZ Auschwitz-Birkenau abgeschoben. Wir hausten hier zusammen im A-Lager, Block 25 und arbeiteten zusammen zwangsweise beim Außenkommando und wurden mit Nummern tätowiert. Im Januar 1945 wurden wir von Auschwitz evakuiert und wurden teils im Fußmarsch, teils mit Waggontransport ins KZ Ravensbrück überführt. Hier erhielten wir Zivilkleidung mit roten Streifen auf dem Rücken und hausten in einem großen Zelt. Im Februar 1945 kamen wir in das KZ Malchow. Von hier kamen wir in kurzer Zeit ins ZAL Leipzig. Von hier wurden wir nach 10 Tagen auf Fußmarsch gebracht und blieben bis Mitte April 1945. Dann separierten sich unsere Wege ..."
Auf dieser Grundlage wurde die Klägerin 1959 als Verfolgte anerkannt und bekam eine Gesamtentschädigung von 9.600 DM für die erlittene Freiheitsentziehung von 64 Monaten und 18 Tagen. Andere Leistungen aus Deutschland für ihre Verfolgung erhielt oder erhält die Klägerin nicht.
Im Oktober 2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Altersrente nach dem ZRBG bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Im Antragsformular ließ sie die Frage nach der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) offen. Sie erklärte, von 1940 bis Ende Oktober 1942 im Ghetto Starachowice in der Munitionsfabrik Herman-Göring-Werke MG-2-Abteilung im Bereich der Metallurgie als Arbeiterin gearbeitet zu haben. Sie habe Lebensmittelcoupons und Zloty als Entgelt erhalten. Ob Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sein, sei ihr nicht bekannt. In einem weiteren Fragebogen ergänzte sie zur Höhe des Arbeitslohnes, sie habe Zloty und Sachbezüge bekommen. Die Höhe der Zloty seien ihr nicht erinnerlich. Sie habe während der Verfolgung ein geringeres Arbeitsentgelt als ein nicht verfolgter Versicherter für eine gleichartige rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit erhalten. In einem dritten Fragebogen gab sie an, als Entlohung habe es Coupons für Lebensmittel gegeben und fügte hinzu: "ich glaube auch Zloty, die Höhe nicht erinnerlich". Zum Ort, zur Art und zur Dauer der Beschäftigung führte sie aus: "MG-2-Abteilung bei Automaten-Maschinen, Messarbeiten mit Hilfe eines Messgeräts, von früh bis spät". Zur Frage der Vermittlung gab sie an: "durch eigene Bemühungen".
Die BfA gab den Fall zuständigkeitshalber an die Beklagte ab. Diese zog die Entschädigungsakte der Klägerin sowie die bei der BfA geführte Versichertenakte der Zeugin X bei. Bemühungen, auch deren BEG-Akte zu erhalten, blieben ohne Ergebnis. Ergänzend zog die Beklagte aus dem Internet die Angaben der sogenannten Keom-Liste (veröffentlicht vom Osthaus-Museum Hagen) zu Starachowice bei. Dort heißt es:
"Julag I", Generalgouvernement Distrikt Radom 1931- 1945, (Oktober 1942 erste Erwähnung, Juli 1944 letzte Erwähnung), Frauen und Männer, Einsatz der Häftlinge: HASAG (Hugo Schneider AG), I-Werke, Stahlwerke Braunschweig, Firma Fikler (oder Filzler oder Fitter) Sägewerk. Art der Arbeit Arbeit: in der Munitionsfabrik, im Bergwerk (Männer) oder im Sägewerk, Quelle: ITS 1979 Pohl 1998. Markierung: Aufgrund unzureichender Informationen ist die Markierung eventuell nicht genau mit dem Standort des Lagers identisch. Der Ort wurde unter dem gleichnamigen Lager für Männer markiert. Zum Ghetto Starachowice heißt es: Eröffnung 2.4.1941, Liquidierung 29.10.1942, Deportationen ab 15.10.1942 nach Treblinka (Quelle Schwarz, 1996). Sonstige Ermittlungen veranlasste die Beklagte nicht.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin sodann durch Bescheid vom 18.10.2004 unter Hinweis auf die Angaben der Zeugin X und die vorgenannten Angaben des Osthaus-Museums ab. Die Klägerin erhob hiergegen am 29.10.2004 Widerspruch und verwies darauf, dass sie nie bestritten habe, ab Ende 1939 bis Mitte 1940 verschiedene Zwangsarbeiten verrichtet zu haben. Erst aus dem Ghetto, dann aus dem Zwangsarbeiterlager heraus habe sie dann bis August 1944 in der MG-2-Abteilung der Hermann-Göring-Werke gearbeitet. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005 zurück und führte aus, es habe sich bei den Arbeitsverrichtungen im Ghetto Starachowice um eine für die damalige Zeit nationalsozialistischer Verfolgung typische Form der Zwangsarbeit unter direkter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto und notdürftiger Versorgung gehandelt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Lohn für diese Zwangsarbeiten erhalten habe; dies sei auch vor dem Hintergrund der Verordnung vom 26. Oktober 1939 über der Einführung des Arbeitszwanges für die jüdische Bevölkerung im Generalgouvernement nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung binnen Monatsfrist nach Zustellung Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Mit Urteil vom 08.06.2007 hat das SG die Beklagte auf Basis der Aktenlage unter Aufhebung des Bescheides vom 18.10.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 dazu verurteilt, der Klägerin ab 01.07.1997 Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten für den Zeitraum von November 1940 bis zum 27.10.1942 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.12.2006 - B 4 29/06 R - (abrufbar wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de) angeschlossen und ausgeführt, die Klägerin habe in den Fragebögen glaubhaft dargelegt, für ihre Tätigkeit im Ghetto Lebenscoupons und Zloty erhalten zu haben. Nach der Rechtsprechung des BSG seien gerade zusätzliche Lebensmittel unter Ghetto-Bedingungen besonders wertvoll und oft entscheidend für das Überleben ganzer Familien gewesen. Es sei auch glaubhaft, dass die Klägerin die Beschäftigung im Ghetto Starachowice aus freiem Willensentschluss aufgenommen habe. Die Bezeichnung als "Zwangsarbeit" stehe dieser Annahme nicht entgegen, weil sich die Klägerin in einer Zwangslage befunden habe, die es begreiflich erscheinen lasse, dass im Entschädigungsverfahren von erzwungenen Arbeitsleistungen berichtet wurde. Der gesetzlich geforderte eigene Willensentschluss sei auch dann gegeben gewesen, wenn die Beschäftigung gesucht und gefunden worden sei, um unter den zunehmend katastrophalen Lebensbedingungen des Ghettos überleben zu können und der Deportation und Vernichtung zu entgehen. Eine Bewachung auf dem Weg zur Arbeit habe lediglich der Durchsetzung des Zwangsaufenthaltes im Ghetto gedient. Auch die Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme erst 12 Jahre alt gewesen sei, schließe die Annahme einer zu entschädigenden freiwilligen Beschäftigung gegen Entgelt nicht aus.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten. Die Beklagte trägt vor, die Rentenversicherungsträger folgten der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 - B 4 29/06 R - und dem dort vertretenen Entgeltbegriff im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht. Vielmehr sei desto genauer zu prüfen, ob eine Arbeitsaufnahme noch außerhalb eines Gewaltverhältnisses möglich gewesen sei, je größer das Machtungleichgewicht zwischen der deutschen Besatzung und ghettoisierter jüdischer Bevölkerung in allen Lebensbereichen war und je mehr sich die antisemitische Politik des NS-Regimes radikalisierte. Dabei folge die Beklagte auch nicht den vom 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 14.12.2006 beschrittenen Weg, von einer Zwangsarbeit erst bei Ausübung von so genannter "vis absoluta", das heißt unüberwindlicher Gewalt, auszugehen, denn selbst bei Personen im Konzentrationslager sei der Arbeitseinsatz nicht durch den Willen brechende Gewalt, sondern durch so genannte "vis compulsiva" geschehen, weil eine Arbeitskraft, deren Willen während des Arbeitsprozesses gebrochen werde, keine produktive Arbeit mehr leiste. Nach den Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren sei mithin nicht von einem aus eigenem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, weil die dortigen Zeuginnen und auch die Klägerin eidesstattlich versichert hätten, dass die Klägerin bei den Hermann-Göring-Werken "Zwangsarbeit" verrichtet habe. Es sei zwar mit der Beschreibung der geltend gemachten Arbeit als Zwangsarbeit oder erzwungener Arbeit nicht unmittelbar auf eine juristische Definition dieser Begriffe Bezug genommen worden. Das Wort "Zwang" habe aber einen allgemein gültigen Sinngehalt dahingehend, dass der Begriff des Zwanges gemeinhin als Gegenbegriff zur freien Willensentscheidung verstanden werde und das Merkmal der Freiwilligkeit ausschließe. Dazu bezieht sich die Beklagte auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW vom 7. Mai 2007 - L 3 R 165/06 -).
Weiter führt die Beklagte aus, auch in der 2006 erschienen Dissertation des Historikers Mlynarczyk zum Judenmord im Bezirk Radom heiße es, dass der Hunger, der dort 1942 geherrscht habe, viele Juden trotz der beschwerlichen Arbeitsbedingungen gezwungen habe, sich bei den zuständigen Judenräten als Freiwillige für die Arbeitslager zu melden, anders noch als während des harten Winters 1940/41, als viele Judenräte nur durch eine regelrechte Menschenjagd die ihnen auferlegten Zwangsarbeiterkontingente zu erfüllen vermocht hätten. Zum Teil hätten sich die Verantwortlichen gezwungen gesehen, auf Gewalt zurückzugreifen, um die benötigten Transporte zu vervollständigen. Es sei nach den durch Mlynarczyk ausgewerteten Quellen zudem nicht belegt, dass dort in der Rüstungsindustrie in der Regel oder oft Arbeitsverhältnisse zustande gekommen seien, die nach der Rechtsprechung des 13. Senates des BSG als Beitragszeit nach dem ZRBG anzuerkennen wären. Daher sei eher davon auszugehen, dass die Betriebe den Judenrat zur Gestellung von zwangsweise zu verpflichtenden Personen aufgefordert hätten. Schließlich sei auch im israelischen Standardwerk zur jüdischen Geschichte, Pinkas Hakehillot, beschrieben, dass sich männliche Juden im Frühjahr 1941 in Starachowice hätten registrieren lassen müssen, um außerhalb des Ghettos zu arbeiten. Dies spreche dafür, dass der Judenrat die Juden in Zwangsarbeitsverhältnisse vermittelt habe. Der Charakter der Zwangsarbeit ändere sich nicht dadurch, dass sich oft Juden beim Judenrat gemeldet hätten, um zur Gruppe zu gehören, die in die Arbeitsverhältnisse vermittelt worden zu sein. Zudem komme es nach der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG vom 07.10.2004 - 13 RJ 59/03 R - auf eine Mindesthöhe des Entgelts an, um überhaupt eine Versicherungspflicht begründen zu können. Auch ganz geringe Geldleistungen lösten keine Versicherungspflicht aus, sondern hätten nur Taschengeldcharakter. Generell sei nach den ausgewerteten Quellen auch denkbar, dass ein zur Arbeit in der Schwerindustrie von Starachowice eingesetztes junges Mädchen nur Nahrungsmittel oder auch zusätzlich Bargeld bekommen haben könne. Das Bargeld könne dabei unregelmäßig oder auch nur in sehr geringer Höhe gezahlt worden sein. Einer ausreichenden Entlohnung durch die Betriebe selbst stehe auch die Lebensmittelzuteilung durch den Judenrat entgegen. Daran gemessen habe die Klägerin im Rentenverfahren keine genaueren Angaben gemacht. Die Klägerin habe in dem Fragebogen zum ZRBG lediglich mitgeteilt: "Coupons für Lebensmittel, ich glaube - auch Zloty, die Höhe nicht erinnerlich." Im Übrigen habe generell ein schrecklicher Hunger unter den jüdischen Verfolgten geherrscht. Miternährung anderer könne daher in aller Regel nicht mehr bedeuten als solidarische Minderung des Mangels. Im Streitverfahren der Klägerin sei nicht vorgetragen, dass für die Arbeit Lebensmittelrationen gewährt worden seien, die über das sonst den Arbeitenden gewährte Maß hinaus gingen.
Nach Auffassung der Beklagten geht ferner aus 1947 vor der polnischen Hauptkommission zur Aufklärung deutscher Verbrechen in Polen in Warschau gemachten Aussagen nicht-jüdischer Zeugen hervor, dass es sich schon für die nichtjüdische polnische Belegschaft der Hermann-Göring-Werke nicht um reguläre Arbeitsverhältnisse gehandelt habe, sondern um Momente des Zwanges und eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses. Die Beklagte meint, diese Aussagen ließen annehmen, dass es die dort zu den Hermann-Göring-Werken geschilderten Misshandlungen regelmäßig bereits für die nicht jüdischen Arbeiter gegeben habe. Es müsse befürchtet werden, dass die jüdischen Arbeiter dem eher noch hilfloser ausgesetzt gewesen sein. Bereits für die nicht-jüdischen Arbeiter sei eine Kündigung nicht möglich gewesen. Man habe gefürchtet, in ein Konzentrationslager gebracht zu werden, wenn man es versuchte hätte. Für die Juden sei die Situation wohl nicht besser gewesen.
Schließlich, so die Beklagte, erlaubten auch die von den Historikern für ihr Fachgebiet gebrauchten Begriffe "Zwangsarbeit, Entlohnung und freiwillige Meldung" keine automatische Übertragbarkeit auf die Wertungen des Sozialversicherungsrechts. Vielmehr sei vor einer Entscheidung über das vorliegende Streitverfahren eine Klärung erforderlich, denn die Ausführungen des vom erkennenden Senat gehörten Sachverständigen Dr. Zarusky, der Terminus Zwangsarbeit werde in seinem Gutachten nur im Zusammenhang mit Zwangsarbeiterlagern verwendet, könne den Schluss nahe legen, Zwangsarbeit habe es für ihn in Starachowice im erheblichen Zeitraum nur geben können, wenn sich eine Person im Zwangsarbeiterlager befunden habe.
Zum Parallelverfahren L 4 R 211/06, in dem die Beklagte am 16.5.2007 für die Zeit von Mai 1941 bis Oktober 1942 Ghettobeitragszeiten in Starachowice für die Beschäftigung einer Ghettoüberlebenden in der Munitionsabteilung der Hermann-Göring-Werke Starachowice anerkannt hatte, trägt die Beklagte vor, es sei zu berücksichtigen, dass im Verfahren der Klägerin eine Fülle von Unterlagen vorgelegt worden seien, die mit zu berücksichtigende Umstände über die Verhältnisse im Ghetto und bei den Herman-Göring-Werken enthielten. Diese Umstände seien möglicherweise im Parallelverfahren nicht alle bekannt gewesen. Die Beklagte berücksichtige darüber hinaus gerade die Angaben des einzelnen Antragstellers. Bei dieser Einzelfallprüfung sei nicht auszuschließen, dass die Anträge von Verfolgten aus dem gleichen Verfolgungsort unterschiedlich beschieden würden. Die Beklagte sei sich bewusst, dass dies den Betroffenen kaum zu erklären sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Sachverständigen Dr. Zarusky ergänzend zu befragen, in welchem Umfang Barzahlungen an jüdische Arbeitnehmer in den Herman-Göring-Werken erfolgt sind und welche historischen Unterlagen für die Lohnzahlungen und deren Umfang hierzu vorliegen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass für die Altersrente der Klägerin Beitragszeiten vom 02.04.1941 bis 27.10.1942 und Ersatzzeiten zu berücksichtigen sind und den Hilfsantrag der Beklagten abzulehnen, da er eine unzulässige Verzögerung des Rechtsstreits darstelle.
Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil.
Der israelische Sozialversicherungsträger hat auf Anfrage des erkennenden Senats bestätigt, dass die Klägerin 94 Monate Versicherungszeiten als Versicherte nach israelischen Rechtsvorschriften zurückgelegt hat. Ferner sind die vom 4. Senat des LSG NRW im Berufungsverfahren L 4 R 211/06 zu den Hermann-Göring-Werken und zum Ghetto Starachowice eingeholten historischen Unterlagen zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht worden. Ergänzend hat der erkennende Senat ein zeitgeschichtliches Sachverständigengutachten des Historikers Dr. A, der am zeitgschichtlichen Institut München tätig ist, eingeholt. Dr. A hat zu den individuellen Angaben der Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, diese erschienen vollkommen plausibel und glaubhaft im Sinne einer guten Möglichkeit. Bezahlte oder zumindest mit Nahrungsmitteln vergütete Beschäftigung bei den Hermann-Göring-Werken sei die wichtigste Arbeitsmöglichkeit in Starachowice gewesen, der der größte Teil der arbeitsfähigen Ghettobevölkerung nachgegangen sei. Die Stellen habe der Judenrat vermittelt und die Arbeit habe weitestgehend freiwilligen Charakter gehabt. Sie sei sehr begehrt gewesen, da sie eine Einkommensquelle bzw. die sichere Ernährungsquelle dargestellt habe. Ihre Aufnahme habe das eigene Überleben gesichert. Über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin könne indes nichts ausgesagt werden, wenngleich der postulierte Zeitraum November 1940 bis Oktober 1942 absolut realistisch sei. Gerade die Arbeit in der Industrie sei häufig von längerer Dauer gewesen, da auf einmal angelernte Kräfte nur ungern verzichtet worden sei. Zwischenzeitliche Unterbrechungen und Arbeitslosigkeit seien aber nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen. Die rechtlichen Konsequenzen der Begutachtung seien selbstverständlich der richterlichen Entscheidungen vorbehalten. Es sei aber sehr wohl zwischen einer an rein wissenschaftlichen Zielen ausgerichteten Forschungsarbeit, wie der 2006 erschienenen Dissertation des Historikers Mlynarczyk und einem historischen Gutachten auf Grundlage einer gerichtlichen Beweisanordnung zu unterscheiden. Letztere könne nur in Kenntnis der rechtlichen Problematik erfolgen. In der Tat sei der Terminus "Zwangsarbeit" in Quellen und Literatur tatsächlich oft unpräzise und unspezifisch verwendet. Bei der vorliegenden Begutachtung sei indes Wert darauf gelegt worden, die konkreten Handlungs- und Freiheitsspielräume zu beschreiben. Wenn von Entlohnung gesprochen werde, beziehe sich dies nicht auf einen sozialrechtlich definierten Begriff, sondern auf das allgemeine Begriffsverständnis. Und als Grundlage für die rechtliche Einordnung würden hierbei Angaben über Umfang und Wert der Entlohnung für den Empfänger gemacht. Der Begriff "freiwillig" werde im Begriff von "aus eigener Initiative und eigenem Willensentschluss" verwendet. Zur Frage der Entlohnung könne unter Bezugnahme auf die Enzyklopädie des Holocaust angegeben werden, dass der Stundenlohn 55 polnische Groschen betragen habe, was dem Durchschnittslohn eines ungelernten polnischen Arbeiters entsprach. Auch aus der Gazeta Zydowska (Jüdischen Zeitung) Nr. 12 vom 31.08.1940 gehe hervor, dass jüdische Arbeiter in der Stahlgießerei mit 3 Zloty pro Tag entlohnt worden seien. Es sei bekannt und im Gutachten auch erwähnt, dass die Auszahlung durch die Hermann-Göring-Werke nicht immer regelmäßig erfolgt sei, wobei der Umfang und die Verweigerung der Lohnzahlungen nicht bekannt seien. Die Regierung des GenGov habe darauf gedrängt, zur Sicherung der Subsistenz der ghettoisierten Juden ihre Arbeit mit 80 % der Lohnsätze für entsprechende polnische Arbeiter zu entgelten. Auch, wenn dieser Satz nicht immer eingehalten worden sei, sei es nicht denkbar, dass die Existenz der Ghettos völlig ohne Lohnzahlungen an die arbeitenden Juden hätte aufrecht erhalten werden können. Zudem seien Lohnzahlungen vielfach belegt - so auch im Werk von Mlynarczyk, der dies selbst für die Arbeit in Steinbrüchen beschreibe. Diese Angabe würde von der Beklagten nicht zitiert, wie auch die Passage, aus der hervorgehe, dass 1940 aufgrund des Hungers selbst für diese schwere Arbeit viele freiwillige Meldungen erfolgten. Demgegenüber sei die, von der Beklagten zitierte Stelle bei Mlynarczyk für das vorliegende Verfahren irrelevant, da es vorliegend nicht um ein Steinbruch-Arbeitslager gehe, sondern um die Arbeit in geschlossenen Räumen in den Hermann-Göring-Werken, wo auch die tägliche Rückkehr nach Hause möglich war. Nach dem Spätsommer/Herbst 1942, als die drohende Liquidierung des Ghettos Starachowice auch den Bewohnern bewusst geworden sei und durch Nachrichten von anderen Ghettoliquidierungen bekannt wurde, dass der Nachweis der Arbeitsfähigkeit die Überlebenschance erhöhte, habe zudem die nackte Todesangst eine wichtige Rolle für das Bemühen um Arbeit bzw. Arbeitsbestätigung gespielt. Auch die in der ersten Durchführungsverordnung über den Arbeitszwang vom 11.12.1939 (Verordnungsblatt des GenGov 1939, Seite 231) vorgesehene umfassende Heranziehung von Juden zu Zwangsarbeiten sei bekanntlich nicht praktikabel gewesen. Man sei deswegen von deutscher Seite im Laufe des Jahres 1940 in der Regel zu von den Judenräten vermittelten entlohnten Tätigkeiten übergegangen.
Schließlich hat der Senat am 29.Oktober 2007 in einem Beweistermin generelle Umstände zu den Verhältnissen in den jüdischen Ghettos und zur Quellenüberlieferung in BEG-Akten und Überlebendenberichten erhoben. Der ernährungwissenschaftliche Sachverständige Prof. Dr. U hat im Wesentlichen dargelegt, eine ernährungswissenschaftliche Beurteilung dort gewährter Rationen für die Arbeit sei nicht möglich, da sich die überlieferten Angaben meist auf nicht näher bezeichnete Gruppen bezögen und keine wissenschaftlich begründete Grundlage hatten. Generell sei die NS-Philosphie, die jüdische Bevölkerung auch durch Hunger zu dezimieren, in Rechnung zu stellen. Zusätzliche Zuteilungen an "freiwillig Beschäftigte" hätten demgegenüber auf lokalen Entscheidungen/Aktivitäten von Kommandanten, Verantwortlichen oder Ältestenräten beruht.
Der Historiker Prof. Dr. H hat erläutert, in der Zeitgeschichte Israels sei ein Wechsel vom Heldennarrativ zum Opfernarrativ der Holocaust-Überlebenden erst im Zuge des Eichmann-Prozesse zu beobachten gewesen. Vor diesem Hintergrund wiege die Signifikanz von Erklärungen aus BEG-Akten umso stärker, je mehr ungefragt individuelle Umstände berichtet wurden. Insofern scheine es so, als breche sich an solchen Stellen der Akten mitunter gleichsam der Wunsch der Opfer Bahn, anders als in punktuellen Zusammenhängen ihre Lebensgeschichte ganzheitlich zu erzählen. Dies sei aber umso schwächer ausgeprägt bzw. an den Akten umso schwächer erkennbar, je stärker das betreffende Vorbringen über juristisch geschulte Bevollmächtigte vorgetragen wurde. Darin zeigen sich dann Homogenisierungen und Angleichungsprozesse des Sachvortrags im Sinne des legitimen Weglassens von für die juristische damalige Entscheidung und die Erfolgsaussichten irrelevanten Tatsachen. Es mache insofern einen großen Unterschied, ob in den BEG-Verfahren Bevollmächtigte auftraten oder nicht.
Die Psychologin Prof. Dr. R hat erklärt, insbesondere der Gesichtspunkt des ganzheitlichen Narrativs und der Wunsch, in der eigenen Subjektivität ernst genommen zu werden, seien Umstände, die aus psychologischer Sicht eine entscheidende Rolle spielen. Dabei sei zu betonen, dass "Erinnerung" eben kein Abrufen aus einem festen Speicher, sondern eine situationsbezogene aktuelle Gehirnleistung darstelle. Hinzu komme die bekannte Unzuverlässigkeit und die tagesformabhängigen Schwankungen der menschlichen Gedächtnisleistung. Von daher seien Unterschiede in den jeweils zeitlich weit auseinander liegenden Schilderungen der Überlebenden nicht erklärungsbedürftig, sondern umgekehrt ganz natürlich und auch vom Standpunkt der Wissenschaft her zu erwarten: Es sei eher fragwürdig und ein Grund für Skepsis, wenn solche Erinnerungen über Jahre hinweg gleichsam "gestanzt" konstant blieben.
Der Historiker Prof. Dr. H1 hat dargestellt, dass es sich bei allen Aussagen von Betroffenen nach so langer Zeit um aus einer traumatischen Situation stammende und seitdem häufig durchdachte und von späteren Informationen "kontaminierte" Berichte handeln dürfte, bei denen eine saubere Unterscheidung zwischen tatsächlich Erlebtem und im Diskurs bzw. aus der Lektüre Erschlossenem nur in Ausnahmefällen möglich sei. Differenzen zu Aussagen in früheren Entschädigungsprozessen rührten dabei nicht zuletzt aus einem durchaus nachvollziehbarem Unverständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen her: Denn in den Entschädigungssachen sei es der erlittene Zwang gewesen, der zu einem Anspruch auf Entschädigungsleistungen führte, während es nun nach dem ZRBG gerade nicht der Zwang, sondern der "eigene Willensentschluss" sei, der zu einer Berechtigung führe (zudem von den Prozessbeteiligten häufig noch fälschlicherweise als "Freiwilligkeit" interpretiert). Letzteres sei für die nun in hohem Alter nicht mehr immer geistig sehr beweglichen Verfolgungsopfer nur schwer zu begreifen. Sie müssten gegen ihr persönliches Empfinden (ungeachtet des tatsächlichen Sachverhalts) und entgegen einer subjektiv entwickelten Interpretationsweise aussagen, dass sie "freiwillig" im Ghetto gearbeitet hätten, wenn sie ihre Klage unterstützen wollen. Da sie den ganzen Ghettoaufenthalt (zu Recht) als eine Zwangsmaßnahme auffassten, komme ihnen dies unglaublich vor und widerspreche der subjektiven Einstellung zu ihrer Verfolgungszeit, aber auch ihrem Logikverständnis, wonach unberechtigter Zwang ausgeglichen werden sollte, nicht jedoch Zusammenarbeit mit dem Verfolger belohnt. Zur mündlichen Überlieferung von Zeitzeugen der Geschichte (Oral History) und zum Beweiswert von Internet-Quellen seien für die Arbeit der Historiker in jedem Falle die Prinzipien der Quellenkritik zu wahren. Dies bedeute, dass man sich bei jeder benutzten Quelle kritische Gedanken hinsichtlich der Authentizität, der Texttreue, der Bedeutung verwendeter Begriffe und der Reichweite der aufgenommenen Aussage machen müsse. Die Geschichtswissenschaft habe dazu eine eigene spezifische Methodik entwickelt, die sich exemplarisch dadurch auszeichne, dass man Quellen "gegen den Strich bürste", d.h. sich methodisch frage, ob der Betreffende das Selbe bei diametral anderer Interessenlage oder Erkenntnismöglichkeit genauso bekundet hätte oder nicht. Dabei seien selbstverständlich die Umstände der Entstehung einer Quelle besonders zu beachten. In jedem Fall sei es mit der historischen Methodik unvereinbar, irgendwo aufgefundene Daten (in einer Datenbank, in einer Aussage, in einem Dokument) unhinterfragt zu übernehmen. Auch der durchaus übliche (von den Vertretern der Beklagten angeführte) Fall divergierender Informationen sei dementsprechend zu würdigen, wobei die Entscheidung, warum man die eine Information für authentischer halte als eine andere, begründet und nachvollziehbar - damit also wissenschaftlich - erfolgen müsse.
Die Historikerin Prof. Dr. H2 hat zur Terminologie der Geschichtswissenschaft klargestellt, dass Historiker Begrifflichkeiten oft uneinheitlich und unscharf verwendeten. Für den vorliegenden Kontext sei das bei der Verwendung des Begriffes "Ghetto" von Bedeutung. Die Gerichte hätten für den Begriff "Ghetto" eine eigene Definition erarbeitet. Die durch die Forschungs- und Quellenlage aufgeworfenen Probleme seien noch weitaus schwerwiegender als die infolge der unterschiedlichen Terminologie entstandenen. Die das Gericht interessierenden Fragestellungen zu Arbeitsverhältnissen gingen vollkommen an den bisherigen Fragestellungen in der Forschung vorbei. Auch die Berichte von Zeitzeugen vermöchten wenig Aufschluss zu geben. Generell gelte, dass die Fragestellungen des Gerichts nicht unbedingt in den Quellen eine vorrangige oder überhaupt eine Rolle spielten - von Täterseite aus nicht, weil die Betroffenen der Vernichtung zugeführt werden sollten; von Opferseite aus nicht, weil viel elementarere Probleme anstanden als die Frage einer sozialversicherungsmäßigen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften des erkennenden Senats, die eingeholten Sachverständigengutachten, die Gerichtsakten mit Anlagen, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Entschädigungsakte aus dem BEG-Verfahren der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat im geltend gemachten Umfang Anspruch auf Altersrente nach dem ZRBG. Die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf war daher im Ergebnis zu bestätigen, auch wenn es dazu zunächst der Nachholung noch fehlender notwendiger Ermittlungen durch den erkennenden Senat bedurfte. Dabei ist klarzustellen, dass in der Berufung aufgrund der Einschränkung des Klageantrages nur noch über den Zeitraum ab der formellen Ghettoschließung in Starachowice, d.h. ab dem 2. April 1941 zu urteilen war.
Die mit der Klage angefochtenen ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Sie beschweren die Klägerin im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig, und zwar nach allen zum ZRBG höchst- und obergerichtlichen vertretenen Auffassungen (hierzu unter I.). Denn die Klägerin war in Starachowice im streitbefangenen Zeitraum aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt bei den Hermann-Göring-Werken beschäftigt, und es gab dort im Stadtteil Wierzbnik auch ein geschlossenes Ghetto, was den für das ZRBG maßgeblichen Ghettobegriff ebenfalls nach allen derzeit zur Auslegung dieser Vorschrift vertretenen Auffassungen erfüllt. Die vorgenannten Umstände sind durch die Beweiserhebung des erkennenden Senates zumindest im Sinne einer guten Möglichkeit gem. § 4 des Fremdrentengesetzes (FRG), § 3 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) glaubhaft gemacht. Mehr ist für das Bestehen eines Anspruchs nach dem ZRBG nicht erforderlich. Die Einwände der Beklagten und auch ihr Hilfsantrag greifen nicht durch (hierzu unter II.).
I. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Urteile vom 06.06.2007- L 8 R 54/05 - Revision anhängig unter B 13 R 85/07 R ; vom 20.06.2007 - L 8 R 244/05 - Revision anhängig unter B 13 R 115/07 R, sowie vom 04.07.2007 - L 8 R 74/05 - rechtskräftig), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (ebenso 13. Senat des BSG Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R). Die für die Gewährung einer Altersrente nach § 35 SGB VI erforderliche Wartezeit von mindestens 60 Monaten hat die Klägerin nach der Mitteilung der israelischen Sozialversicherungsanstalt erfüllt, wobei diese Zeiten nach dem Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) deutschen Beitragszeiten nach Bundesrecht (§ 51 Abs. 1 SGB VI) gleichstehen. Die vom 4. Senat mit Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 29/06 R - anders beantwortete Frage nach der Notwendigkeit von Vorversicherungszeiten für einen ZRBG-Anspruch kann daher dahinstehen. Die Klägerin hat auch im Übrigen einen Altersrentenanspruch unter Berücksichtiung der §§ 1 bis 3 ZRBG - und zwar bezüglich aller Voraussetzungen nach allen hierzu jeweils höchst- und obergerichtlichen vertretenen unterschiedlichen Auffassungen (dazu unter 1. bis 4.):
1. Ghetto
Die Existenz eines Ghettos in Starachowice ist für den streibefangenen Zeitraum zweifelsfrei festzustellen. Nach der insoweit engsten Auslegung, die vom 4. Senat des BSG vertreten wird, handelt es sich um ein "Ghetto" im Sinne des § 1 ZRBG jedenfalls bei solchen Wohnbezirken, in denen Juden durch eine Aufenthaltsbeschränkung vollständig und nachhaltig durch die Androhung schwerster Strafen oder durch Gewaltmaßnahmen von der Umwelt abgesondert wurden und die sich in einem Gebiet befanden, das rechtlich als vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert zu qualifizieren ist, womit der faktische Herrschaftsbereich des NS-Staates gemeint ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob auch ein sogenanntes "offenes" Ghetto unter den Ghetto-Begriff i.S.d. § 1 ZRBG fällt (wie der 14. Senat des LSG NRW eingehend dargelegt hat, vgl. Urteil v. 1. September 2006 - L 14 R 41/05 - und Urteil v. 15. Dezember 2006 - L 13 RJ 112/04 - mit anhängiger Revision - B 5 R 12/07 R -). Denn auf den Unterschied zwischen "offenem" und "geschlossenem" Ghetto kommt es im Fall der Klägerin rechtlich nicht an. Vielmehr lässt sich hier feststellen, dass sie in der streitbefangenen Zeit in Starachowice in einem "geschlossenen" Ghetto war.
Jedenfalls ab April 1941 gab es dort nämlich einen geschlossenen jüdischen Wohnbezirk, den die dortigen Bewohner nicht ohne Lebensgefahr ohne Erlaubnis verlassen durften, und in dem sie unter menschenunwürdigen Bedingungen zusammengepfercht leben mussten. Mit der Existenz eines Judenrates und einer Arbeitsorganisation durch ein Arbeitsamt waren auch die weiteren für den Ghettobegriff kennzeichnenden Merkmale gegeben. Es kann auch zumindest als glaubhaft gemacht im Sinne einer guten Möglichkeit angesehen werden, dass sich die Klägerin in der in der Klage geltend gemachten Zeit selbst zwangsweise im Ghetto von Starachowice (im Stadtteil Wierzbnik) aufgehalten hat, denn dies hat sie bereits in den 50er Jahren im Detail geschildert und durch mehrere glaubwürdige Zeugenaussagen im Einzelnen belegt. Zudem liegt es nahe, dass die in Starachowice geborene Klägerin mit ihrer Familie dort auch zu Beginn der Verfolgung Opfer der Ghettoisierung wurde. Nachdem die Bevollmächtigte der Klägerin den Anspruch in der mündlichen Verhandlung im Übrigen auf den Zeitraum ab dem April 1941 begrenzt hat, bedarf es keiner weiteren Erörterung mehr, ob auch für den davor liegenden ursprünglich geltend gemachten Zeitraum bereits ein Ghetto im Sinne des § 1 ZRBG für Starachowice-Wierzbnik feststellbar sein könnte.
2. Beschäftigung
Nach der - insoweit übereinstimmenden - Rechtsprechung des BSG zum ZRBG ist "Beschäftigung" im Sinne des § 1 ZRBG jede nicht selbständige Arbeit. Der Beschäftigungsbegriff des ZRBG entspricht dem des übrigen Sozialversicherungsrechts. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist daher nicht notwendig. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sind eine von Weisungen eines anderen hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer, Inhalt oder Gestaltung abhängige Tätigkeit sowie eine gewisse funktionale Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens oder Weisungsgebers, wobei die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit maßgeblich sind. Auch Arbeiten und Dienstleistungen, die außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos verrichtet wurden, werden danach als "Beschäftigung" im Sinne des § 1 ZRBG begrifflich erfasst, wenn sie Ausfluss der Beschäftigung im Ghetto waren (4. Senat des BSG am angegebenen Ort, Randnummer 99 mit Hinweis auf Bundestagsplenarprotokoll 14233 vom 25. April 2002). Die Arbeit muss dem Verfolgten lediglich von einem Unternehmer oder einer Ghettoautorität mit Sitz im Ghetto (z.B. dem örtlichen Judenrat) angeboten oder wie bei einer heutigen Arbeitnehmerüberlassung oder einer Arbeitsvermittlung zugewiesen worden sein. Eine direkte Rechtsbeziehung mit unmittelbarem Entgeltzufluss zwischen einer deutschen Dienststelle und den betroffenen Ghettobewohnern ist daher nicht erforderlich.
Eine solche Beschäftigung in Starachowice hat die Klägerin bereits frühzeitig im Jahr 1956 angegeben, und zwar obgleich es damals im Entschädigungsverfahren hierauf rechtlich noch gar nicht ankam. Ihren entsprechenden Erklärungen kommt daher auch bei quellenkritischer und psychologischer Analyse ein besonders hoher Beweiswert zu (wie Prof. Goschler, Prof. Golczewski und Prof. R allgemein dargelegt haben). Die Annahme der Beklagten, es sei nicht auszuschließen, dass die Beschäftigung der Klägerin beim Judenrat und nicht bei den Hermann-Göring-Werken erfolgt sei, wird durch das überzeugende Gutachten von Dr. A widerlegt. Zudem würde (wie oben gezeigt) auch eine Beschäftigung beim Judenrat den Anspruch nach dem ZRBG begründen. Der Sachverständige Dr. A hat indessen im Einzelnen anhand des Quellenbefundes dargelegt, dass der örtliche Judenrat von Starachowice bei der Organisation der Arbeit lediglich eine Vermittlerrolle innehatte, so dass das Beschäftigungsverhältnis der jüdischen Arbeiter dort zu den Hermann-Göring-Werken bestand. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Judenrat im Einzelfall bestimmte Entgeltanteile des von den Arbeitern der Hermann-Göring-Werke empfangenen Lohns dazu verwandte, um die Bevölkerung des Ghettos im Übrigen teilweise zu versorgen. Denn alle vom Sachverständigen Dr. A und auch von der Beklagten zitierten jüdischen und polnischen Quellen stimmen darin überein, dass die Arbeiter selbst einen (wenn auch häufig nur mündlichen) Arbeitsvertrag mit den Hermann-Göring-Werken abschlossen und dafür Arbeitskarten erhielten und auch den erarbeiteten Lohn zumindest im Ergebnis teilweise empfingen (selbst wenn er ihnen gegebenfalls auf dem Umweg über den Judenrat als Zahlstelle ausgehändigt wurde).
Die Beschäftigung der Klägerin ist auch ihrer Art nach besonders detailliert und plastisch von ihr geschildert worden. So hat die Klägerin bereits im Entschädigungsverfahren der 50er Jahre angegeben, dass sie in der Munitionsfabrik der Hermann-Göring-Werke in der MG-2-Abteilung bei Automatenmaschinen tätig war, und dieses im Rentenverfahren nochmals näher dadurch präzisiert, dass sie Messarbeiten mit Hilfe eines Messgerätes beschrieb. Diese Informationen, vor dem Hintergrund des historischen Nachweises der Existenz der Munitionswerke in Starachowice durch Dr. Zarusky, ferner der Beweiserhebung zur jüdischen Beschäftigung in der dortigen Munitionsabteilung durch den 4. Senat des LSG NRW im genannten Parallelverfahren L 4 R 211/06 sowie schließlich der Schilderung der polnischen Zeugen aus dem Jahr 1947 lassen es glaubhaft erscheinen, dass es generell solche wie von der Klägerin geschilderten Beschäftigungsverhältnisse in Starachowice gab.
Dass auch sie selbst tatsächlich in einem solchen Verhältnis gestanden hat, ist durch ihre eigene glaubhafte Aussage wie auch durch die Bekundungen glaubwürdiger Zeuginnen aus dem BEG-Verfahren glaubhaft gemacht. Denn schließlich haben alle Zeuginnen im BEG-Verfahren, bis auf die Zeugin X, die Beschäftigung der Klägerin in den Hermann-Göring-Werken ausdrücklich bestätigt. Dabei ist auch hier keine vollkommen identische Wortwahl festzustellen, die sonst uU Anlass zu tatrichterlicher Skepsis wäre (dazu schon Senatsurteil L 8 R 244/05 am angegebenen Ort). So hat die Zeugin H bereits im Entschädigungsverfahren die von der Klägerin gemachten Angaben durch die Aussage, dass sie gemeinsam mit der Klägerin in den Hermann-Göring-Werken bei den Automatenmaschinen in der MG-2-Abteilung arbeitete, bekräftigt. Auch der von ihr damals noch erinnerte Name des Judenältesten Mincberg wurde zutreffend wiedergegeben. Gleiches gilt für die Zeugin T. Auch diese Zeugin erwähnte die Zeit bzw. die näheren Umstände der Existenz des Ghettos nur am Rande und ging in ihrer Aussage im BEG-Verfahren vielmehr auf die danach liegende Verfolgung in dem Zwangsarbeiterlager von Starachowice ein, in dem sie ab 1942 zusammen mit der Klägerin war. Die Angaben der Zeugin X sind demgegenüber nur scheinbar abweichend. Bei genauer Betrachtung schließen sie die Richtigkeit des von der Klägerin erinnerten Geschehensablaufs nämlich nicht aus. Denn die Zeugin X berichtete damals zwar auch davon, dass sie "gemeinsam mit der Klägerin als Kinder Zwangsarbeit auferlegt (bekam), wie Fußboden kehren, Straßen reinigen usw." und dass sie ab Oktober 1942 - also einem Zeitpunkt, der außerhalb des hier streitbefangenen Anspruchszeitraumes liegt - "bis 1944 in das Zwangsarbeiterlager Starachowice gemeinsam mit der Klägerin überstellt wurde, von wo aus sie zur Zwangsarbeit in die Munitionsfabrik der Hermann-Göring-Werke Abteilung MG-1 gingen, wo sie Patronenhülsen reinigten und schleifen mussten". Diese Bekundung steht der vorherigen Tätigkeit der Klägerin in der Munitionsfabrik denkgesetzlich indes nicht entgegen. Dies gilt schon deswegen, weil die Zeugin X die auf diesen Zeitraum bezogene Aufzählung ausdrücklich auf Teile der Tätigkeiten beschränkte und mit dem Zusatz "u.s.w." explizit offen gefasst hat. Im Übrigen ist aus vielen historischen Ermittlungen amts- bzw. gerichtsbekannt, dass im GenGov während des zweiten Weltkriegs jüdische Bewohner der Ghettos zum Teil selbst dann, wenn sie eine "geregelte" Arbeit hatten, von den deutschen Besatzern manchmal auf offener Straße willkürlich zusätzlich zu Zwangsarbeiten wie typischerweise der Straßenreinigung verhaftet wurden.
Auch das damals jugendliche Alter der Klägerin von zwölf Jahren spricht nicht gegen ihre Beschäftigung in den Hermann Göring Werken. Wie die Beklagte nämlich selbst - insofern zutreffend - aus dem Werk von Mlynarczyk zitiert, hatte der Judenrat in seiner Aufstellung arbeitsfähiger Ghettobewohner bereits 1940 auch Kinder von zwölf Jahren aufgeführt. Sie unterlagen also unter den extremen Verhältnissen des Ghettos bereits ab diesem Alter denselben Bedingungen wie Erwachsene und konnten demgemäß wie diese auch entgeltlich beschäftigt sein. Auch der Art nach handelt es bei den Messtätigkeiten an Automatenmaschinen um solche Verrichtungen, die Kinder körperlich zu leisten imstande sind und die insofern als typische Kinderarbeit angesehen werden können. Gerade die Tatsache, das die Klägerin in Starachowice geboren wurde und aus einer dort ansässigen Familie stammt, spricht im Übrigen für die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu denjenigen gehörte, denen es gelang, eine entgeltliche Beschäftigung zu erhalten. Aus den Quellen ist nämlich, (insbesondere bei Browning), überliefert, dass die ortsansässigen Ghettobewohner von Starachowice gegenüber den von außen Zugereisten vom örtlichen Judenrat eher bevorzugt wurden. Eine Arbeit in den Hermann-Göring-Werken stellte unter den damaligen Verhältnissen, die für die heutige Zeit kaum vorstellbar sind, in der Tat dann eine solche Bevorzugung dar - bot sie doch, wie der Sachverständige Dr. Zarusky anhand der Quellen überzeugend dargelegt hat, die einzige Hoffnung auf ein Überleben.
3. eigener Willensentschluss
Die Beschäftigung der Klägerin geschah vor diesem historischen Hintergrund auch aus eigenem Willensentschluss. Auch dieses Ergebnis ergibt sich nach allen zum ZRBG vertretenen höchstrichterlichen Auffassungen. Eine freiwillige Beschäftigung "aus eigenem Willen" scheidet nach Auffassung des 4. Senats des BSG nämlich nur dann aus, wenn der Arbeitende von hoher Hand unter Ausschluss jeder freien Willensbetätigung zur Arbeit gezwungen wurde, z.B. bei Strafgefangenen oder KZ-Häftlingen. Ein eigener Willensentschluss im Sinne des ZRBG liegt demgegenüber vor, wenn die Arbeit vor dem Hintergrund der wirklichen Lebenslage im Ghetto noch auf einer, wenn auch auf das Elementarste reduzierten Wahl zwischen wenigstens zwei Verhaltensmöglichkeiten beruhte. Solange NS-Verfolgte hinsichtlich des Zustandekommens und/oder der Durchführung der zugewiesenen angebotenen Arbeiten noch eine gewisse Dispositionsbefugnis hatten, sie also die Annahme und/oder Ausführung der Arbeiten gegenüber dem, der sie ihnen zuwies, ohne unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder ihre Restfreiheit ablehnen konnten, liegt keine Unfreiwilligkeit vor, auch dann nicht, wenn sie deshalb mangels eines Entgelts weniger oder nichts mehr zu Essen hatten. Gleiches gilt für eine nur den Zwangsaufenthalt im Ghetto aufrecht erhaltende, also vor allem eine fluchtverhindernde Bewachung bei Beschäftigungen außerhalb des räumlichen Ghettobereichs (vgl. 4. Senat des BSG am angegebenen Ort Randnummer 102 mit weiteren Nachweisen).
Auch nach der Rechtsprechung des 13. und 5. Senats des BSG ist unerheblich für die Beurteilung nach dem ZRBG, aus welchen weiteren Motiven die Arbeit aufgenommen worden ist. Selbst existenzielle Not (z.B. die Angst vor dem Verhungern oder vor Deportation in ein Vernichtungslager) als Beweggrund steht der Annahme einer freiwilligen Arbeitsaufnahme danach nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.1999 - B 13 RJ 75/98 R-; BSG, Urteil vom 18.06.1997 - 5 RJ 20/96 -). Für einen eigenen Willensentschluss und gegen Zwangsarbeit spricht nach Auffassung des 5. Senats des BSG insbesondere der Umstand, wenn es in einem bestimmten zeitlichen und örtlichen Bezugsrahmen vergleichbare Personen gegeben hat, die nicht gearbeitet haben (BSG, Urteil vom 18.06.1997- 5 RJ 20/96 - zur Arbeits- (russisch: "Trud-") Armee in der UdSSR unter Stalin). Die Bezeichnung der Arbeit als "Zwangsarbeit", insbesondere im Entschädigungsverfahren, reicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht aus, das Merkmal des eigenen Willensenschlusses zu verneinen (vergleiche BSG, 13. Senat Urteil vom 23.08.2001 - B 13 RJ 59/00 R -). Ebenso ist es für das ZRBG unerheblich, ob bzw. dass ein abstrakt-generell angeordneter Arbeitszwang bestand (wie im GenGov auf Grund der ersten Durchführungsverordnung über den Arbeitszwang vom 11.12.1939, Verordnungsblatt des GenGov 1939, Seite 231). Für die Rechtsprechung des 8. Senats des BSG schließlich kann trotz der Anweisung zur Aufnahme einer bestimmten Beschäftigung noch ein "freies" Beschäftigungsverhältnis vorliegen, wenn die Arbeitsbedingungen im Übrigen denen "normaler" Beschäftigter entsprochen haben (so z.B. BSG, Urteil vom 17.03.1993 - 8 RKnU 1/91 - zur Arbeit von Wolgadeutschen, mit weiteren Nachweisen auch zur Frage der Beschäftigung in Strafhaft).
Auch historisch war das, was heute als "Zwangsarbeit" bezeichnet wird, keine eindeutige Kategorie klar definierter Rechts- oder Beschäftigungsverhältnisse (näher dazu Reininghaus in: Reininghaus/Reimann - Herausgeber, Zwangsarbeit in Deutschland 1939 - 1945, 2001, 38, 41, 43 mit weiteren Nachweisen). Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten zugrunde gelegte Annahme einer eindeutigen Unterscheidbarkeit von Zwangsarbeit einerseits und freien Beschäftigungsverhältnissen andererseits für den NS-Staat historisch unzutreffend. Die Differenzierung hat vielmehr anhand eines Indizienbündels wertend-graduell und nicht im Sinne einer schematisch-simplifizierenden Ja - Nein - Zuordnung nach einem einzelnen Kriterium zu geschehen (in diesem differenzierenden Sinne auch: Straßfeld, in: Die Sozialgerichtsbarkeit, 2007, 598 ff., ferner Gagel in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht, 2000, 231, 234). Nichts anderes hat die Rechtsprechung des BSG bislang anhand der ihr zur Entscheidung vorgelegten Einzelfälle vorgenommen. Daraus folgen bezogen auf die Veranlassung und die äußeren Umstände der Beschäftigung insbesondere nachstehende Indizien:
a)Der Umstand, dass die Vermittlung der Arbeit durch den Judenrat erfolgte, steht einer Beurteilung als Beschäftigung grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn der Judenrat verpflichtet war, eine bestimmte Anzahl von Arbeitern für die Erfüllung bestimmter Aufgaben zu "stellen".
b)Die obrigkeitliche Bewachung unmittelbar bei der Arbeit selbst ist ein Hinweis auf Zwangsarbeitsbedingungen (nicht hingegen auf dem Weg von oder zur Arbeit, weil diese Bewachung gerade Ausdruck des vom Gesetz vorgesehenen "zwangsweisen" Aufenthaltes in einem Ghetto sein kann).
c)Nach Lage des Einzelfalles sprechen nachgewiesene Züchtigungen auf der Arbeitsstelle gegen eine freiwillige Beschäftigung, wobei es insbesondere auf die Zwecke und die Schwere der Züchtigung sowie weitere Umstände wie zB das damalige Alter des Opfers ankommt.
d)Die Verrichtung von Arbeiten, die von der konkreten Personen schlechterdings unter der Annahme freier Willensentscheidung nicht erwartet werden kann (zB aufgrund des Alters, unverhältnismäßigen Anforderungen an die individuelle Körperkraft oder der Art der Arbeit an sich). Eine untere Altersgrenze gibt es dabei nicht. Allerdings ist bei besonders jungen Kläger(inne)n im Einzelfall zu prüfen, ob die gesamten Umstände des Falles noch für einen eigenen Willensentschluss sprechen.
Individuell festzustellen ist dazu im Fall der Klägerin folgendes:
a) Dass der Judenrat von Wierzbnik eine bestimmte Anzahl von Arbeitern für die Herrmann-Göring-Werke zu stellen hatte, ist zwar anhand der deutschen zeitgenössischen Quellen dokumentiert. Tatsächlich beschreiben diese Quellen das komplexe Geflecht realer Beziehungen zwischen Judenrat und Deutschen einschließlich der Bestechung einzelner Machthaber zwecks Erhalt dieser - vom Judenrat als einzige Chance auf Überleben des Ghettos und seiner Bewohner angesehenen - Arbeitsgelegenheiten jedoch nur höchst unvollständig. Real war die Lage, wie vom Sachverständigen Dr. Zarusky überzeugend dargelegt, in Starachowice-Wierzbnik vielmehr so, dass Judenrat und Ghettobewohner die Deutschen um Arbeitsgelegenheiten bitten mussten und ständig auf ihre Ausweitung drängten. Bei den zum Beweis des Gegenteils von der Beklagten genannten Auszügen aus der Arbeit des Historikers Mlynarczyk handelt es sich um aus dem Zusammenhang gerissene Teilzitate, die dem dort gebotenen differenzierten Bild und dem Sinn des von Mlynarczyk Beschriebenen und Gemeinten nicht gerecht werden. Zudem betreffen die wesentlichen Stellen, auf die sich die Beklagte beruft, gerade nicht die Arbeit in den Hermann-Göring-Werken und auch nicht die Tätigkeit der dortigen Frauen und Mädchen, sondern die Lage der zuvor in die Bergwerke oder zu Schanzarbeiten an der Grenze zur Sowjetunion zwangsverpflichteten jüdischen Männer - also ganz andere Arbeitsorte-, Zeiten und Verhältnisse als die für die Klägerin in Rede stehen. Ohnehin differenziert die Beklagte nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Phasen des Ghettos. So nimmt sie auf ein Zitat aus dem Jahr 1939 Bezug, das die Anfangsphase des Ghettos betrifft, als die deutschen Besatzer in der Tat den Versuch unternahmen, die gesamte männliche Bevölkerung zur Zwangsarbeit heran zu ziehen und die Versorgung der jüdischen Bevölkerung den jüdischen Gemeinden zu überlassen. Eben das aber führte zusammen mit anderen antisemitischen Maßnahmen zu einer selbst aus Sicht der örtlichen deutschen Behörden zu raschen Verelendung in den jüdischen Ghettos des GenGov und dazu, dass die dortige Arbeitsverwaltung unter Max Frauendorfer im hier zu betrachtenden Zeitraum bezahlte Arbeitsverhältnisse für Juden zuließ und förderte. Die Annahme der Beklagten, dass die Betriebe den Judenrat zur Gestellung von zwangsweise zu verpflichtenden Personen aufgefordert hätten, widerspricht damit allen vorliegenden historischen Erkenntnissen über Starachowice. Gerade für Starachowice kann von einer hohen Zahl von bezahlten Arbeitsverhältnissen ausgegangen werden, da sich hier die kriegswichtigen Hermann-Göring-Werke befanden. Auch der Historiker Browning hat ermittelt, dass bei der "Liquidierung" des Ghettos von Starachowice im Vergleich zu den meisten anderen Städten des Distrikts Radom ein dreimal so hoher Prozentsatz der jüdischen Ghettobewohner als arbeitsfähig eingestuft wurde. Ein zentrales Kriterium für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit war dabei der Besitz einer Arbeitserlaubnis bzw. eines Arbeitsnachweises, der damit einen Rückschluss auf die Zustände zuvor ermöglicht (Browning, Judenmord, NS-Politik, Zwangsarbeit und das Verhalten der Täter, 2001, 146).
Gerade die Tatsache, dass alle im BEG-Verfahren zum Schicksal der Klägerin gehörten Zeuginnen deutlich zwischen der Zeit des Ghettos und des Zwangsarbeiterlagers von Starachowice Unterschiede machten, spricht im Übrigen entscheidend dafür, dass es hierbei auch im Charakter der ausgeübten Beschäftigung tatsächlich einen Bruch gegeben haben muss. Dies korrespondiert mit der generellen historischen Lage, wie sie der Sachverständige Dr. A im Einzelnen beschrieben hat. Denn in der Tat wurde im GenGov zwischen Sommer 1942 und im Herbst 1943 Ghetto für Ghetto aufgelöst, die verbliebenen Insassen in Vernichtungslager transportiert und so der Großteil der freien Arbeitsverhältnisse beendet. Die Beklagte unterscheidet schon in ihrem Widerspruchsbescheid demgegenüber nicht sorgfältig zwischen dem Ghetto von Starachowice einerseits und dem dortigen späteren Judenlager bzw. Zwangsarbeiterlager andererseits.
Zu Unrecht bezieht sich die Beklagte in diesem Zusammanhang auf die Rechtsprechung des 3. Senats des LSG NRW. Denn auch der dieser vertritt - wie alle anderen Senate des erkennenden Gerichts - einen zeitgeschichtlich differenzierten und einzelfallbezogenen Ansatz bei der Prüfung von ZRBG-Ansprüchen und trägt dabei sehr wohl dem Umstand Rechnung, dass der Begriff des "Zwangs bzw. der Zwangsarbeit" die tatsächlich schwere und entbehrungsreiche Arbeit in Ghettos kennzeichnet und nicht als Rechtsbegriff gemeint ist, wenn er von juristischen Laien benutzt wird (Urteil vom 15.12.2003 - L3 RJ 33/00 -). Auch hat der 3. Senat des LSG NRW in seinem von der Beklagten genannten (aber insoweit nicht vollständig zitierten) späteren Urteil vom 7. Mai 2007- L 3 R 165/06 - ausdrücklich festgestellt, dass die bloße Verwendung des Begriffs der "Zwangsarbeit" in BEG-Akten eben nicht ausreicht, sondern durch konkrete Tatsachen ausgefüllt werden muss. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des 13. Senats vom 23.08.2001 - B 13 RJ 59/00 R -). Der erkennende Senat ist dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung beigetreten (z.B. Urteil vom 29.06.2005 - L8 RJ 97/02 -). Denn zur Würdigung der Inhalte von BEG-Akten der 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist zunächst der damalige zeitgeschichtliche und rechtliche Kontext dieser Erklärungen zu berücksichtigen. Die bloße Verwendung von Rechtsbegriffen wie "Zwangsarbeit" oder "ZAL", "KL" bewirkt für sich genommen noch keinen sicheren Rückschluss auf das damals wirklich Gemeinte - zumal die heutige rechtliche Bedeutung dieser Begriffe im Rahmen des ZRBG eine andere ist als nach den damals maßgeblichen Bestimmungen. In der Tat handelte es sich bei der Bezeichnung der Ghettoarbeit als "Zwangsarbeit" oder einen ähnlichen den Zwangsarbeitscharakter der Arbeit betonende Wortwahl, um gängige Formulierungen, die nicht nur innerhalb der Opfergruppe für die im Ghetto oder Lager ausgeübte Tätigkeiten im Entschädigungsverfahren üblich waren, sondern bis heute in der historischen Forschung weithin undifferenziert benutzt werden, wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. H, Prof. Dr. H1, Prof. Dr. R und Dr. A gegenüber dem erkennenden Senat übereinstimmend dargelegt haben. Zentrales Moment im eigenen Erleben und natürliches Empfinden jedes Menschen, der die Zeit im Ghetto er- und überlebt hat, ist zudem die Erfahrung von Zwang in seiner extremsten Ausprägung gewesen. Daher ist nichts weniger zu erwarten, als die Angabe von "freiwilliger Arbeit". Diese Kategorie ist erst durch den heutigen Kontext der bewusst vom sonstigen Ghettozwang abstrahierenden BSG-Rechtsprechung zum Ghetto Lodz und das darauf aufbauende ZRBG entstanden. Entsprechend ist die Unzulässigkeit einer negativen Beweiswürdigung solcher BEG-Erklärungen gestützt auf die Begriff des "Zwangs" oder der "Zwangsarbeit" zu Recht in den deutsch-israelischen Verbindungsstellen-Gesprächen vom 1/3 Juli 2003 festgestellt worden (wobei offen bleiben kann, ob diese Ergebnisse über Art 3 GG und Art 26, 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention eine verbindliche Selbstbindung der Verwaltung enthalten - vgl. dazu im verneinenden Sinne wohl BSG Urteil vom 13.03.2002 - B 13 R J 15/01 R -). Auch der Fachausschuss der Rentenversicherungsträger für Versicherung und Rente stellte fest, dass verständlich ist, wenn die Ghettoüberlebenden Beschäftigungen aufgrund der allgemeinen Bedingungen im Ghetto subjektiv als Zwangsarbeit empfanden und als solche bezeichnet haben. Dies allein könne nicht zum Ausschluss von Ghettobeitragszeiten führen (Sitzung 3/2002 am 18.6.2002 TOP 8), ebenso die Auffassung des Bundesministerium für Gesundheit und Sozialordnung (BMGS) vom 15.2.2005 S.15.
Im Übrigen wäre selbst eine gegen den Willen des Judenrates angeordnete Arbeitspflicht sowie die Abstellung eines kollektiven Arbeitskontingents (wovon die Beklagte zu Unrecht ausgeht) für das ZRBG irrelevant, wenn den Ghettobewohnern - wie in Starachowice-Wierzbnik historisch nachgewiesen - gleichwohl noch ein individueller Spielraum blieb, um selbst darüber zu entscheiden, ob sie sich dem Arbeitskollektiv anschlossen oder nicht.
b) Auch die von der Klägerin geschilderte Bewachung steht ihrem eigenen Willensentschluss zur Beschäftigung nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin angegeben, auf dem Weg zu den Hermann-Göring-Werken von jüdischer Polizei und/oder polnisch-ukrainischer Miliz bewacht worden zu sein. Indes ist diese Bewachung lediglich Ausdruck des vom Gesetz vorgesehenen zwangsweisen Aufenthalts in einem Ghetto gewesen, weil sich das Ghetto im Stadtteil Wierzbnik und damit mehrere Kilometer entfernt von den Hermann- Göring-Werken befand, so dass die dort beschäftigten Juden auch auf ihrem Arbeitsweg an der Flucht aus dem Ghetto gehindert werden sollten. Nach der oben genannten Rechtssprechung des BSG kann dies kein Argument für Zwangsarbeit sein, weil die Sphären Beschäftigung und Lebensbereich, also hier Hermann-Göring-Werke einerseits und Ghetto Starachowice-Wierzbnik andererseits rechtlich strikt voneinander zu trennen sind (so schon die Ausgangsurteile für das ZRGB vom 18.06.1997 - 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95 -, sowie Urteil des 13. Senat vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R -). Auch die Tatsache, dass das Werk als solches nur durch ein bewachtes Werkstor zu betreten war und von einem Werkschutz aus Ukrainern gesichert wurde, ist kein Indiz für Zwangsarbeit, betrafen doch diese Maßnahmen alle im Werk tätigen Arbeiter einschließlich der deutschen Zivilangestellten.
c) Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer aus dem Ghetto heraus ausgeübten Tätigkeit in den Hermann-Göring-Werken misshandelt wurde. Für sie selbst ist eine solche Misshandlung weder als tatsächliches Ereignis noch als konkrete individuelle Bedrohung dokumentiert. Auch der von den polnischen Zeugen geschilderte Umstand, dass polnische Arbeiter vom Werkschutz der Hermann-Göring-Werke in bestimmten Fällen misshandelt wurden, genügt nicht, um ein solches Vorkommnis im Fall der Klägerin als überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die über die konkreten Angaben der polnischen Zeugen hinausgehenden Annahmen der Beklagten sind nicht durch konkrete Hinweise dieser Zeugen auf die Klägerin belegt.
d) Auch die konkrete Art der von Klägerin verrichteten Tätigkeiten spricht nicht für Zwangsarbeit. Es handelte sich nach ihrer eigenen und plausiblen Schilderung vielmehr um Messtätigkeiten, also um qualifizierte Arbeiten an Automatenmaschinen, und gerade nicht um körperliche Schwerstarbeit unter Extrembedingungen wie sie für Zwangsarbeiten typisch ist und für die nach den historischen Quellen in der Tat auch die Judenräte des Bezirks Radom zum Mittel der Zwangsrekrutierung greifen mussten.
4. Entgelt
Es ist glaubhaft, dass die Klägerin für ihre Tätigkeit auch ein Entgelt i.S.d. § 1 ZRBG erhalten hat - und zwar zumindest teilweise in Form von polnischem Bargeld, was nach allen dazu höchst- oder obergerichtlich vertretenen Auffassungen für den Rentenanspruch ausreicht. Nach der - insoweit engsten - Auffassung des 13. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat im Kern angeschlossen hat, ist nämlich auch jenseits des RVO-Gebiets für den Entgeltbegriff des ZRBG auf die früheren §§ 1227-29 RVO abzustellen. Diese Vorschriften gehen auf den § 3 Absatz 2 des Invalidenversicherungsgesetz (IVG) von 1883 zurück und drücken einen bis heute maßgeblichen zentralen Grundgedanken des Sozialversicherungsrechts aus. Historischer Hintergrund war unter anderem die Tatsache, dass zur Zeit der Schaffung der Sozialversicherung in Deutschland in der Landwirtschaft aber auch bei Hausbediensteten eine Entlohnung durch Sachbezüge noch weithin üblich war. Als Zweck der Bestimmung galt demnach nach den Materialien (vergleiche Kommissionsbericht zur RVO 4.Teil, S.19) und der herrschenden zeitgenössischen Literatur, den Versicherungsträger gegen Ausbeutung durch vorgeschützte Beschäftigungsverhältnisse zu schützen, wie sie namentlich durch Aufnahme älterer Personen in die häusliche Gemeinschaft verwandter Familien konstruiert werden könnten (Menzel/Schulz Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte - AVG -, 1. Auflage, 1913, § 7 AVG - der Parallelvorschrift zu § 1227 RVO - Anmerkung 1; kritisch dagegen: Laß in: Weymann, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, 2. Auflage 1912, § 1227 RVO Anmerkung 1). Wie heute in § 14 SGB IV nahm die Vorschrift allerdings schon damals dem freien Unterhalt nicht die rechtliche Eigenschaft als Entgelt im Sinne des § 160 RVO, sondern begründete nur eine Ausnahme hinsichtlich des Eintritts der Versicherungspflicht (so schon RVA -, Amtliche Nachrichten - AN - 1898, 627 zu § 3 Absatz 2 IVG). Schon bei der damaligen Auslegung wurde als freier Unterhalt nur dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern angesehen, welches zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist. Zum freien Unterhalt gehörten grundsätzlich nur Sachbezüge, nicht aber Geldzahlungen - und zwar auch dann nicht, wenn sie nur zum notwendigen Unterhalt des Beschäftigten ausreichen (vergleiche RVA, AN 1896, 271 zu § 3 Absatz 2 IVG). Auch dass Dritte das Entgelt gewährten, stand schon nach damaliger Auffassung der Versicherungspflicht nicht entgegen. Das Gesetz selbst bestimmte dazu in § 1437 RVO ausdrücklich den Eintritt der Versicherungspflicht. Probleme bereitete indes schon seinerzeit der Fall, dass neben dem freien Unterhalt ein Anspruch auf Bargehalt oder Barlohn bestand, mochte er auch tatsächlich nicht gewährt werden. In diesen Fällen galt die Anwendung des § 1227 RVO (bzw. bei Angestellten der Parallelnorm des § 7 AVG) regelmäßig als ausgeschlossen (RVA, AN 1904, 624). Dies galt nur dann nicht, wenn ein bloßes Scheingeschäft mit dem Ziel der Herbeiführung der Versicherungspflicht feststellbar war (RVA, AN 1899, 624). Unerhebliche Barzahlungen im Umfang von bloßen Taschengeld, die neben dem vollständigen oder teilweise freien Unterhalt gewährt wurden und die nur zur Befriedigung gewisser geringfügiger Lebensbedürfnisse des Empfängers dienen sollten, wurden als nebensächliches Zubehör angesehen, das das Wesen der Hauptleistung, nämlich der Unterhaltsgewährung, annehme (RVA, AN 1891, 155; 1892 36,120; 1896, 271). Allerdings war anerkannt, dass sich die Entscheidung nur nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Lebensumstände der Beteiligten treffen ließe. Der gleiche Geldbetrag konnte nämlich schon nach damaliger Anschauung "in einfachen Verhältnissen von wesentlichem Werte anderwärts aber im Vergleiche zu höheren Unterhaltskosten oder für Angehörige besser gestellter Klassen nur ein Taschengeld sein" (so Menzel/Schulz/Sitzler, am angegebenen Ort, § 7 AVG Anmerkung 3; RVA, AN 1891, 153, 156; 1892, 4; 1893, 91f; 1907, 477). Auch wurde damals bereits erkannt, dass es nicht unwichtig für die sozialversicherungsrechtliche Betrachtung ist, ob ein vereinbarter Betrag in festen Zeitabschnitten gezahlt oder aber nur dem jeweiligen Bedarf für Tabak, Wirtshausbesuche, Festlichkeiten usw. durch Geldgaben von wechselnder Höhe und ohne Abrechnung gewährt wurde (RVA, AN 1906, 640).
Das RVA hat hierzu nach dem Ersten Weltkrieg - aber noch vor der nationalsozialistischen Machtergreifung - auf Basis seiner bis dahin ergangenen Spruchtätigkeit bis heute maßgebliche allgemeine Regeln aufgestellt. In dem Bescheid vom 09.08. 1927 (EuM 21, 86, Nr 6) und in dem Runderlass vom 19.12.1930 (EuM 26, 507, Nr 54) hat es eine Barvergütung, die neben freiem Unterhalt gewährt wird und ein Drittel des ortsüblichen Tageslohnes nicht übersteigt, als geringfügig und somit als unselbständigen Bestandteil des freien Unterhalts angesehen. Später hat es im Rechtszuge grundsätzlich ausgesprochen, dass die bisherige allgemeine Grenze von einem Drittel des Ortslohnes unter Umständen sehr wohl unterschritten werden konnte, wenn nicht allein Barvergütung, sondern auch Kost und Wohnung gewährt wurden, dass aber die Festsetzung einer Grenze der Entscheidung des Einzelfalles vorbehalten bleiben musste (Grundsätzliche Entscheidung vom 30.03.1933, AN IV 197). Ein Jahr vorher hatte der ständige Ausschuss des Reichsverbandes deutscher Landesversicherungsanstalten in Übereinstimmung mit der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und dem Reichsverband des deutschen Handwerks in den Richtlinien vom 01.03.1932 unter Nr. 3 ausgeführt: "Ein Lehrling, der neben freiem Unterhalt eine Barvergütung erhält, unterliegt der Invalidenversicherungspflicht, wenn die Barvergütung ein Sechstel des jeweiligen Ortslohnes überschreitet" (zitiert nach: Beurskens/Grintsch, Amtliche Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Rheinprov 1971, 310, 314, unter IV.).
Auch das BSG ist dieser Grundlinie des RVA nach dem Zweiten Weltkrieg gefolgt und bis heute treu geblieben. Die Abgrenzung von freiem Unterhalt und versicherungspflichtigem Entgelt ist danach wie zuvor durch einen Vergleich mit dem jeweiligen Ortslohn vorzunehmen. Dabei bildet ein Drittel des Ortslohnes auch für das BSG wie schon für das RVA keine starre Grenze. Diese Marke kann vielmehr je nach den Umständen des Einzelfalles auch unterschritten werden. Für die Entscheidung des Einzelfalles können auch für das BSG die Richtlinien vom 01.03.1932 und die sich aus diesen ergebende ständige Übung der Invalidenversicherungsträger einen wesentlichen Anhalt geben (vergleiche die zusammenfassenden Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 30.11.1983 - 4 RJ 87/92 -).
Soweit der 13. Senat des BSG dann bezogen auf das ZRBG durch sein Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R - ausgeführt hat, bei Gewährung von Lebensmitteln sei zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch oder nach vorbestimmtem Maße zur beliebigen Verfügung gegeben wurden und gute Verpflegung allein genüge hierfür nicht, hat er die geschilderten Kriterien lediglich aufgegriffen, ohne sie einzuschränken oder auszuweiten. Offen ist nach dieser Rechtsprechung in Bezug auf das ZRBG dabei lediglich, auf welchem generellen Rechtsbefehl die Anwendung der RVO auch ohne (formal wirksamen aber völkerrechtswidrigen) Annexionsakt in den von Deutschland besetzten Gebieten beruhen soll. Stellt man diese auf Artikel 43 der Haageer Landkriegsordnung fußenden völkerrechtlichen Bedenken dahin und geht - wie der erkennende Senat in seinen zitierten Urteilen L 8 R 54/05, L 8 R 244/05 sowie L 8 R 74/05 - für die Anwendung des ZRBG zumindest innerstaatlich von einer durch Artikel 3 Absatz 1 GG gebotenen und vom Gesetzgeber des ZRBG gewollten Gleichbehandlung aller heute überlebenden jüdischen Ghettobewohner in der Rentenversicherung aus (wofür sich der erkennende Senat nach wie vor nicht nur auf die Materialien zum ZRBG bezieht, sondern auch durch die Redebeiträge der Regierungsfraktionen in der jüngsten Debatte des Deutschen Bundestages zum ZRBG am 16.11.2007 bestätigt sieht) so gilt nach der auf § 1227 RVO gestützten Ghetto-Rechtsprechung des 13. und 5. Senats des BSG Folgendes:
Die Gewährung von Entgelt in Form einer staatlichen Währung (zB Zloty oder Reichsmark) führt grundsätzlich auch zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung. Eine solche Zahlung ist hier im Fall der Klägerin in regelmäßiger (monatlicher) Form vom erkennenden Senat festgestellt. Dass es dabei gelegentlich zu teilweiser Abzweigung von Lohnbestandteilen an den Judenrat gekommen sein mag, steht daher der Entgeltlichkeit der Beschäftigung der Klägerin nicht entgegen. Schon das RVA hat insoweit 1911 im Fall eines jüdischen Waisenjungen, dessen Gehalt der Arbeitgeber dem Waisenheim aushändigte, entschieden, dass es nicht darauf ankommt, in welcher Gestalt der Beschäftigte die Vergütung empfäng (RVA, AN 1911, 404). Maßgebend ist vielmehr schon nach dieser Entscheidung des RVA, dass die Vergütung, die der Arbeitgeber gewährt, in einem Barbetrag besteht, wenn dem Arbeitgeber i. Ü. gleichgültig ist, in welcher Weise das Geld verwendet wird. Auch nach der Rechtsprechung des 13. Senates des BSG ist i. Ü., wie gezeigt, auf das Ortslohnkriterium des § 1227 RVO abzustellen, also auf das Gehalt der polnischen Arbeiter aus Starachowice, die zeitgleich mit der Klägerin in den Hermann-Göring-Werken arbeiteten. Dabei ist, wie gezeigt, jedenfalls bis zur Untergrenze von 1/6 Ortslohn, soweit sich dieser feststellen lässt, Entgeltlichkeit im Sinne der RVO und des ZRBG gegeben. Unterhalb dieser Grenze ist im Einzelfall und ohne starre Regeln zu prüfen, ob die Geringfügigkeit des Entgelts ein Indiz für Zwangsarbeit und damit gegen die freiwillige Beschäftigung darstellt. Von einer "Äquivalenz" oder "Angemessenheit" von Leistung und Gegenleistung darf die Feststellung der Entgeltlichkeit entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Beklagten nach der eindeutigen Rechtsprechung des BSG (bzw. schon des RVA) nicht abhängig gemacht werden (stellvertretend: BSG, Urteil vom 14.07.1999 - B 13 RJ 75/98 R -).
Nach diesen Kriterien unterliegt die Entgeltlichkeit der Beschäftigung der Klägerin hier keinen Zweifeln. Denn selbst wenn die Auszahlung ihres auf 80 % des polnischen Ortslohns festgesetzten Gehalts durch die Hermann-Göring-Werke nicht immer regelmäßig erfolgte, ist es nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht denkbar, dass die Existenz der Ghettos völlig ohne Lohnzahlungen an die arbeitenden Juden hätte aufrecht erhalten werden können. Die Lohnzahlungen in den Hermann-Göring-Werken von Starachowice sind zudem vielfach belegt. Auch die Klägerin selbst hat sie durchgehend im Rentenverfahren so vorgetragen. Gerade, dass sie diese Aussage bezogen auf die nach über 60 Jahren naturgemäß verblassende Erinnerung leicht abschwächte ("ich glaube auch Zloty"), macht ihre Angabe nur noch glaubhafter. Die von der Beklagten angestellten Überlegungen, dass der Lohn die Klägerin wegen der Auszahlung an den Judenrat nie erreichte, ohne dass die Klägerin davon zumindest einen Teil erhielt, sind durch das Sachverständigengutachten Dr. Zaruskys widerlegt. Der Sachverständige hat zwar angegeben, dass der Lohn nicht immer vollständig ausgezahlt wurde. Die darüber hinaus gehenden Erwägungen der Beklagten sind indessen bloße Spekulation. Die Klägerin hat auch, anders als die Beklagte behauptet, im ZRBG-Verfahren nicht lediglich angegeben, sie habe Coupons für Lebensmittel erhalten. Vielmehr hat sich schon im ersten ZRBG-Grundfragebogen ausdrücklich von "Lebensmittelcoupons und Zloty" gesprochen. Im nächsten Fragebogen hat sie dann unter der Frage 8 b selbst ein "geringeres Arbeitsentgelt während der Verfolgung" angegeben. Gründe, ihr diese persönlichen Angaben angesichts des damit übereinstimmenden, vom erkennenden Senat ermittelten zeitgeschichtlichen Hintergrunds nicht zu glauben, sind nicht ersichtlich. Vielmehr decken sich die Angaben der Klägerin exakt mit den Erkenntnissen der geschichtlichen Wissenschaft zu den damaligen Verhältnissen. Verbleibende - denkbare - Zweifel sind auch insoweit bei der Glaubhaftmachung unschädlich (BSGE 8, Entscheidungssammlung Band 8 - BSGE -, S. 159). Bei der Wahrscheinlichkeitsabwägung ist ferner zu berücksichtigen, dass die drohende Liquidierung des Ghettos von Starachowice den Bewohnern erst im Spätsommer/Herbst 1942 bewusst wurde, sodass ab da die Todesangst eine wichtige Rolle für das Bemühen um Arbeit bzw. Arbeitsbestätigungen spielte und die Hauptmotivation zuvor in der Entlohnung bestand. Auch wenn die Quellen insoweit lückenhaft sind, ist mithin eine regelmäßige Auszahlung von Barentlohnung wahrscheinlicher, wie der Sachverständige zutreffend dargelegt hat.
Soweit die Beklagte schließlich meint, aus den Urteilen des erkennenden Senats (L 8 R 54/05 und L 8 R 74/05 sowie L 8 R 244/05) ableiten zu können, dass für den ZRBG-Anspruch zu fordern sei, dass die Betroffenen von ihrem Entgelt auch weitere Personen (mit-) versorgen konnten, so verkennt sie das vom Senat auf Basis der Ghettorechtsprechung des BSG entwickelte Hilfskriterium bei Beweisnot. Denn dieses ist nicht als zusätzliche Hürde für den ZRBG-Anspruch, sondern vielmehr als Erleichterung für die - nach dem zeitgeschichtlichen Hintergrund typische und unverschuldete - Beweisnot der Ghettoüberlebenden zu sehen. Eine Preisgabe der vorrangigen gerichtlichen und/oder der (im Umfang identischen) behördlichen Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 103, 106 SGG bzw. §§ 20, 21 SGB X ist darin nicht zu sehen. Der Sachverhalt ist daher zunächst mit allen erreichbaren Beweismitteln aufzuklären. Ergibt sich - wie hier - aufgrund der Beweisaufnahme ein klares Bild über die in Bar bzw. in Natur für die Beschäftigung im Ghetto als Entgelt gewährte Gegenleistung, so ist für das Beweisnot-Kriterium kein Platz (so vom Senat insbesondere im Fall L 8 R 74/05 bereits rechtskräftig entschieden).
Dass für das Ghetto Starachowice nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme des erkennenden Senats insoweit feststeht, dass dort auch im streitbefangenen Zeitraum Hunger herrschte und die Rationen oft zu knapp bemessen waren, steht dem ZRBG-Anspruch der Klägerin demgegenüber schon deswegen entgegen, weil genau solche Verhältnisse auf offener Straße verhungernder Menschen für das Ghetto Lodz, das als Referenz-Sachverhalt für die Schaffung des ZRBG gelten muss, gerichts- sowie behördenbekannt sind (vergleiche z.B. Friedmann, Die Jahre der Vernichtung, 2. Auflage 2006, S. 175 f. mit weiteren Nachweisen). Auch dort erkennt die Beklagte ZRBG-Ansprüche überlebender Verfolgter mit nachgewiesener Beschäftigung schließlich selbst regelmäßig an.
II. Schließlich war auch der Hilfsantrag der Beklagten abzulehnen. Es handelt sich insoweit weder um einen formgerechten Beweisantrag noch um einen formgemäßen Antrag auf persönliche Anhörung des Sachverständigen Dr. A im Termin. Für einen formgerechten Beweisantrag fehlt es schon an der Benennung einer in das Wissen des Sachverständigen gestellten konkreten Tatsache, weil die Beklagte lediglich eine (Ausforschungs-) Frage formuliert, aber keine rechtserhebliche konkrete Behauptung aufgestellt hat. Auch als Beweisanregung verstanden, war der Antrag abzulehnen, denn der Sachverständige Dr. A hat die von der Beklagten aufgeworfenen Aspekte bereits ausführlich und verständlich in seinem Gutachten behandelt. Er hat nämlich. sowohl angegeben, welche historischen Unterlagen für Lohnzahlungen und deren Umfang seinem Gutachten zugrunde liegen (siehe Fußnoten 1 - 16 und Blatt 8,9 des Gutachtens vom 26.10.2007 und Anmerkungen im Text der gutachterlichen Stellungnahme vom 4/5.12.2007) als auch ausgeführt, in welchem Umfang diese Lohnzahlungen nach den heute noch zugänglichen Quellen erfolgten. Dass er dies nicht genauer als näherungsweise tun konnte, entspricht dem unvollständig überlieferten Archivmaterial und dem üblichen Befund bei der Forschung zu den Verhältnissen jüdischer Ghettos während des zweiten Weltkriegs. Der Sachverständige Dr. A hat darüber hinaus auch präzise ausgeführt, wie er die von ihm verwandten Begriffe der Zwangsarbeit und des Ghettos jeweils versteht. Er hat insofern ausdrücklich - und zutreffend - klargestellt, dass er es nicht als seine Aufgabe als gerichtlicher Sachverständiger ist, eine juristische Wertung zu treffen. Präzise das ist die zutreffende Sichtweise seiner prozessualen Rolle und seiner Verantwortung in einem gerichtlichen Verfahren gemäß §§ 106 Abs. 3 Nr. 4, 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 406, 407 a der Zivilprozessordnung (ZPO). Gerade dass er es bewusst möglichst vermieden hat, den wertenden Begriff der "Zwangsarbeit" zu verwenden und sich statt dessen auf die Beschreibung der Realia im Ghetto von Starachowice beschränkte, ist dabei sachgerecht, weil er damit der rechtlichen Bewertung durch den erkennenden Senat nicht vorgegriffen hat. Lediglich im Bezug auf die Zwangsarbeiterlager ist der allgemeine historische Sprachgebrauch in der Tat dem juristischen des ZRBG so identisch, dass ohne Gefahr von Missverständnissen auch schon im historischen Sachverständigengutachten von "Zwangsarbeit" gesprochen werden durfte. Die rechtliche Bewertung der von Dr. A im Übrigen faktisch dargestellten historischen Zustände im Ort Starachowice während des 2. Weltkrieges obliegt im Ergebnis in der Tat allein dem zuständigen Gericht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zuzulassen, bestanden nicht, da die Klägerin nach allen zum ZRBG vertretenen Auffassungen einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Das gilt auch angesichts des zwischenzeitlich ergangenen Anfragebeschlusses des 4. Senats des BSG vom 20.12.2007 - B R 85/06 R -, da sich die dort angesprochenen Fragen nach dem Sachverhalt hier nicht streitentscheidend stellen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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