L 4 R 419/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 R 726/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 419/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Kosten für das Berufungsverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreites ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger wurde 1961 geboren. Nach seinen eigenen Angaben legte er von 1977 bis 1980 erfolgreich eine Ausbildung als Maler und Lackierer zurück. Nach Tätigkeiten als BVG-Zugabfertiger, Weichensteller, Omnibusfahrer, Altenpfleghelfer, Zoofachangestellter und Maler arbeitete er zwischen März 1999 und Juni 2005 als Kraftfahrer und Lagerarbeiter. Seitdem ist er arbeitsunfähig erkrankt.

Vom 6. bis zum 28. September 2005 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in den Kliniken im T-W-Werk für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit internistischem Schwerpunkt. Im Anschluss hieran wurde er vom 29. September bis zum 11. Oktober 2005 in der Hautklinik des Städtischen Klinikums D behandelt.

Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erstellte am 4. April 2006 im Auftrag der Beklagten die Internistin Dr. K ein sozialmedizinisches Gutachten. Ihre Diagnosen lauteten:

1. Diverse Allergien mit Neigung zu Kurzatmigkeit unter Belastung. 2. Hashimoto-Thyreoiditis-Euthyreose unter Substitution 3. Totaler Haarverlust 4. Kombinierte Fettstoffwechselstörung, bereits bekannt 5. Depressive Verstimmung mit Somatisierung und Angstanfällen.

Zusammenfassend kam sie zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich schwere Tätigkeiten verrichten könne. Zu meiden seien allerdings der Einfluss von hautreizenden Stoffen und inhalative Belastungen, so dass eine Tätigkeit als Maler und Lackierer nicht mehr in Betracht komme. Für die Tätigkeit als Kraftfahrer bestünden Einschränkungen durch die Allergien und die dadurch erforderliche Medikamenteneinnahme, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtige.

Ein weiteres Gutachten zur Feststellung der Belastbarkeit für eine berufliche Rehabilitation erstellte am 4. Mai 2006 die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S-B für die Beklagte.

Sie diagnostizierte

1. Angst und Depression gemischt 2. Fachfremde Diagnosen: Alopecia areata, Onychodystrophie der Fingernägel, Funktionsstörung der Schilddrüse bei Hashimoto-Thyreoiditis, atopische Diathese.

Ihrer Auffassung nach war der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für mittelschwere Tätigkeiten in jeglicher Haltung ohne Nachtschicht und Zeitdruck und ohne Einfluss von hautreizenden Stoffen und inhalativen Belastungen einsetzbar.

Zu einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme kam es in der Folgezeit nicht, da der Kläger am 8. September 2006 eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragte und unter Beifügung von Attesten der behandelnden Ärzte angab, wegen seiner psychischen Erkrankung erwerbsunfähig zu sein.

Mit Bescheid vom 22. September 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass der Kläger weiterhin mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne, womit weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.

Am 13. Oktober 2006 legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei nicht mehr in der Lage, mindestens 3 Stunden täglich Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Zur weiteren Begründung reichte er neue Atteste seiner behandelnden Ärzte ein. Der Internist Dr. K beschrieb am 13. Oktober 2006, dass der Kläger im Wesentlichen an einer schwersten Depression mit erheblicher Einschränkung im täglichen Leben leide. Es sei eine Belastbarkeit bzw. Arbeitsfähigkeit von weniger als 2 Stunden täglich zu erwarten, die Erwerbsunfähigkeit sei evident. Die Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. D diagnostizierten am 7. November 2006 ebenfalls eine schwere depressive Erkrankung. Der Kläger befinde sich schon seit langem in einer schweren depressiven Krise, die es ihm unmöglich mache, uneingeschränkt am normalen Leben teilzunehmen. Durch die deutlichen Konzentrationsstörungen aufgrund der depressiven Erkrankung und der akut auftretenden phobischen Zustände schienen eine selbstverantwortliche Handlungsweise und eigenverantwortliches Arbeiten nicht möglich. Der Kläger sei nicht in der Lage, selbständige Entscheidungen zu treffen und erleide wiederkehrende Angstzustände, die ihm schon allein den Arbeitsweg nahezu unmöglich machten. Es sei nicht davon auszugehen, dass er konzentriert einer Tätigkeit nachgehen könne, so dass Erwerbsunfähigkeit angezeigt sei.

Daraufhin beauftragte die Beklagte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapie Dr. S mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Sie stellte in ihrem Gutachten vom 2. Dezember 2006 folgende Diagnosen:

1. Angst und depressive Störung gemischt 2. Alopecia, Hauterkrankung 3. Hashimoto Thyreoiditis.

Sie beschrieb, dass der Kläger massive Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz geschildert habe, in deren Folge er erstmals seit Mai 2005 eine nervenärztliche Mitbehandlung aufgenommen habe. Den Krankheitsverlauf habe er als gleichbleibend dargestellt. Er kreise thematisch um stattgehabte Kränkungserlebnisse. Begleitende Gefühle von Wut, Ärger, Kränkung und Verbitterung äußerten sich in verstärkten körperlichen Beschwerden, einer Erschöpfungssymptomatik wie auch in einer ängstlich-depressiven Symptomatik. Der Kläger vermittle einen sehr auf eine Berentung und Herausnahme aus dem Arbeitsprozess fixierten Eindruck. Die Untersuchung habe keine wesentliche Änderung zu den Ergebnissen der Vorbegutachtungen ergeben. Der psychopathologische Befund bedinge qualitative, nicht jedoch quantitative Einschränkungen. Es handele sich um ein behandlungsbedürftiges, aber auch behandlungsfähiges Bild. Bei einer Berentung seien eine Chronifizierung und Fixierung sowie eine Verstärkung der passiv-regressiven Tendenz zu erwarten. Im übrigen kam sie zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne vermehrten Zeitdruck und ohne vermehrte Stressexposition sowie ohne Kontakt zu hautreizenden Substanzen Arbeiten belastbar sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter Berücksichtigung aller medizinischen Feststellungen reiche das Leistungsvermögen des Klägers aus, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen und Gehen und Sitzen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien Staub, Rauch, Gase, Dämpfe, hautreizende Stoffe sowie Arbeit in Nachtschicht. In der letzten Tätigkeit als Lagerarbeiter und Kraftfahrer bestehe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden. Dies sei indes nicht entscheidungserheblich, denn mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne er noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit sei von Gesetzes wegen ausgeschlossen, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Januar 2007 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Unter Bezugnahme auf die bereits im Widerspruchsverfahren eingereichten ärztlichen Atteste hat er weiterhin die Auffassung vertreten, einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu haben. Ergänzend hat er einen Arztbericht der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der C C M vom 5. April 2007 eingereicht, wo er sich am 27. März 2007 vorgestellt hatte. Dort diagnostizierte man eine Alopecia areata totalis mit Nagelbeteiligung, eine atopische Dermatitis, eine Ichtyosis vulgaris und eine Hashimoto-Thyreoiditis. Einen direkten Zusammenhang zwischen Haut und psychischer Symptomatik sehe man derzeit nicht. Es komme eine reaktive Depression aufgrund der Alopezie in Betracht.

Das Sozialgericht hat ein sozialmedizinisches Gutachten beigezogen, dass die bereits im April 2006 für die Beklagte tätig gewordene Internistin Dr. K nach nochmaliger Untersuchung des Klägers am 3. November 2006 für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen erstellt hat. Sie hat dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bezogen auf den Beruf des Lagerarbeiters festgestellt und eine Befundbesserung in absehbarer Zeit für nicht erwartbar gehalten. Der Kläger sei kooperativ, aber deutlich regressiv aufgetreten, er sei bedrückt, ratlos und depressiv gefärbt mit gemindertem Antrieb gewesen. Eine Stabilisierung sei nicht eingetreten, es sei allerdings auch nicht anzunehmen, dass von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei.

Außerdem hat das Gericht Befundberichte eingeholt.

Der Facharzt für Psychiatrie Dr. D hat in seinem Bericht vom 26. Februar 2007 insgesamt zehn Behandlungen des Klägers seit August 2005 erwähnt. Er hat eine depressive Erkrankung und anamnestisch eine Hashimoto-Thyreoiditis und ein atypisches Ekzem diagnostiziert. Es handele sich um eine anhaltende Symptomatik, eine ausreichende Stabilisierung sei durch die Behandlung noch nicht eingetreten, eventuell hätten sich Fortschritte in der Psychotherapie ergeben. Seit Beginn der Symptomatik ca. 2002 habe sich eine zunehmende Symptomverschlechterung ergeben, die Befunde seien nicht stabil, teilweise komme es zu einer krisenhaften Verschlechterung mit Existenzängsten. Der Kläger könne seine Wohnung allein und ganztägig verlassen, ohne auf Begleitung angewiesen zu sein.

Der behandelnde Psychotherapeut Dr. phil. P hat in seinem Bericht vom 28. Mai 2007 die Diagnosen Dysthymia F 34.1 und F 41.2 Angst und depressive Verstimmung gemischt genannt. Er hat eine Langzeittherapie in Form einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie mit zwei bis drei monatlichen Sitzungen beschrieben, deren Erfolg nicht vorhersehbar sei und unter anderem abhängig von der Wegnahme behördlichen Drucks. Der Gesundheitszustand sei im großen Ganzen gleichgeblieben, die Dauerbehandlung sei fortzuführen. Der Kläger könne die Wohnung verlassen, für welchen Zeitraum sei unbestimmt, eventuell sei bei der Fortbewegung eine Begleitung erforderlich.

Der behandelnde Internist Dr. K hat am 22. September 2007 eine schwere Depression, eine Hypothyreose, ein Alopecia universalis und eine Neurodermitis diagnostiziert. Der Kläger habe geäußert, dass er sich schlapp und gereizt fühle, trockene Augen und diffuse Gelenkschmerzen habe. Er fühle sich überfordert, leide an einer Schlafstörung und Konzentrationsschwäche und sei zunehmend depressiv. Von der Psyche her gehe es ihm so schlecht, dass keine entsprechenden objektiven Befunde erhoben werden könnten, die die Beschwerden erklärten, er sei jedoch kein Simulant. Der Kläger sei nicht mehr fähig, am Berufsleben teilzunehmen und in keiner Weise belastbar. Er könne seine Wohnung nur kurz und in Begleitung verlassen, möglichst ohne Kontakt zu anderen Menschen. Gravierende Veränderungen hätten sich nicht ergeben, die Befunde seien chronifiziert.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2007 hat die Beklagte eine - außerhalb des vorliegenden Verfahrens beantragte - Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt. Nach Angaben der in der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2008 aufgetretenen Vertreterin der Beklagten sind dem Kläger mit Bescheid vom 23. Juli 2007 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bewilligt worden.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage nach mündlicher Verhandlung, in der der Kläger anwesend gewesen ist, durch Urteil vom 25. Februar 2008, den Klägerbevollmächtigten zugestellt am 3. März 2008, als unbegründet zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen arbeiten könne. Die Ausführungen der im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachterin Dr. S seien schlüssig und nachvollziehbar. Sie stimme in der Würdigung des Leistungsvermögens mit den beiden anderen im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachterinnen Dres. K und S-B überein. Die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Diagnosen und Beschwerden seien dabei berücksichtigt worden. Frau Dr. S habe bei ihrer Untersuchung insbesondere die Einschätzung des behandelnden Internisten Dr. K, wonach der Kläger aufgrund einer schwersten Depression keinerlei Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr erbringen könne, nicht bestätigt, da sie keinerlei Anhaltspunkte für eine derartig schwere psychische Erkrankung habe feststellen können. Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers habe dieser selbst nicht beschrieben, sie seien auch nicht ersichtlich.

Am 6. März 2008 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten hiergegen Berufung eingelegt. Das Urteil sei verwunderlich vor dem Hintergrund der mündlichen Verhandlung. Das Sozialgericht habe sein persönliches Erscheinen angeordnet mit der Begründung, sich einen persönlichen Eindruck machen und ihn nach seinem Leiden befragen zu wollen. Dieses hehre Ansinnen sei konterkariert worden, indem die Klage abgewiesen worden sei. Aus seinen Ausführungen in der Verhandlung sei offenbar geworden, dass er sich vollständig von seiner Umwelt zurückgezogen habe. Spätestens hier hätte das Gericht das Verfahren aussetzen und ein Gutachten von Amts wegen einholen müssen. Das Urteil sei aufzuheben, da das Gericht nicht aus eigener Sachkunde die Auswirkungen seines schweren psychischen Leidens auf die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes beurteilen könne.

Mit Schreiben vom 22. April 2008 hat der Berichterstatter des erkennenden Senats darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Vorbringen eine Erfolgsaussicht der Berufung nicht zu erkennen sei, und eine Rücknahme der Berufung angeregt, sofern der Kläger seinen Standpunkt nicht durch eine fundierte Auseinandersetzung mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen und dem erstinstanzlichen Urteil und ggf. durch weitere medizinische Unterlagen zu begründen vermöge. Daraufhin hat der anwaltlich vertretene Kläger mitgeteilt, dass für ihn die Mängel des erstinstanzlichen Urteils derart offenbar seien, dass es einer weiteren Begründung nicht bedürfe. In Erwiderung hierauf hat der Senat mit Schreiben vom 5. Mai 2008, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 15. Mai 2008, noch einmal darauf hingewiesen, dass er eine Erfolgsaussicht nach dem bisherigen Vorbringen nicht zu erkennen vermöge und erwäge, die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet halte. Mit Schreiben vom 16. Mai 2008 hat der anwaltlich vertretene Kläger geantwortet, dass er die Auffassung des Gerichts für verfehlt halte. Es möge durch Beschluss entschieden werden, damit die Angelegenheit dem BSG vorgestellt werden könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. September 2006 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung hat nach § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI derjenige, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und teilweise bzw. voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI diejenigen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein; voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI diejenigen, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Nicht erwerbsgemindert ist hingegen nach § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.

Gemessen daran ist der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erwerbsgemindert. Er ist vielmehr in der Lage, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen für mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten.

Dies ergibt sich schlüssig aus den Gutachten, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und im Widerspruchsverfahren eingeholt hat.

Zunächst haben sowohl die Internistin Dr. K als auch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S-B den Kläger in Kenntnis der Entlassungsberichte des T-W-W und der Hautklinik in D und auf der Grundlage seiner Beschwerdeschilderungen begutachtet. Den Gutachten ist zu entnehmen, dass sie den Kläger eingehend und umfassend untersucht haben. Sie haben sowohl die Autoimmunerkrankungen der Haut und der Schilddrüse als auch die Fettstoffwechselstörung und insbesondere die psychische Erkrankung des Klägers benannt und sich mit deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen auseinandergesetzt. Über ihren primären Gutachtenauftrag hinaus, nämlich die Belastbarkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu prüfen, haben sie sich im Ergebnis ihrer Untersuchungen auch eindeutig und mit überzeugender Argumentation zum allgemeinen Leistungsvermögen des Klägers geäußert. Beide kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht mehr in seinem bisherigen Berufsfeld, jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann und dort mindestens mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten kann. Frau Dr. K hat ihre ursprüngliche Auffassung schließlich noch einmal nach erneuter Untersuchung des Klägers – diesmal für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen – bestätigt, indem sie einerseits von einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Klägers für seine Tätigkeit als Lagerarbeiter ausgegangen ist, andererseits zu dem Schluss gekommen ist, dass nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei. Ein weiteres psychiatrisches Gutachten hat schließlich die Fachärztin Frau Dr. S erstellt, dem insoweit besondere Bedeutung zukommt, als es in Kenntnis der Berichte der behandelnden Ärzte des Klägers erstellt worden ist. Überzeugend und bewusst abweichend von der Einschätzung der behandelnden Ärzte hat auch sie eine Leistungsfähigkeit des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten festgestellt. Eindrücklich schildert sie den Kläger vor dem Hintergrund stattgehabter Kränkungserlebnisse in Beruf und Familie als ernst, bedrückt, angespannt und schwunglos, jedoch im Gespräch aufzulockern, mit ausreichender affektiver Schwingungsfähigkeit und in der Lage, sich zu konzentrieren und der Unterhaltung zu folgen. Nachvollziehbar kommt sie angesichts dieser Beobachtungen zu dem Schluss, dass eine floride psychotische oder manifeste phobische Symptomatik nicht gegeben sei und sich auch kein Anhalt für kognitive oder mnestische Störungen ergebe. Die psychische Erkrankung sei behandlungsbedürftig, aber auch behandlungsfähig. Sie bedinge keine quantitative Leistungseinschränkung, sondern erfordere nur eine Tätigkeit ohne vermehrten Zeitdruck und ohne vermehrte Stressexposition. Diese Bewertung ist umso überzeugender, als sie durch die Schilderungen des Klägers von seinem Tagesablauf bestätigt werden, die nicht das Bild eines schwer depressiven, antriebslosen, in sich zurückgezogenen und unkonzentrierten Menschen vermitteln. Sowohl gegenüber der Gutachterin Frau Dr. S-B als auch gegenüber Frau Dr. S hat er davon berichtet, dass er sich nach dem Aufstehen gegen 6 bzw. 8 Uhr tagsüber in seinem Schrebergarten beschäftige, mit seinen Hunden spazieren gehe, mit seiner Frau einkaufe und am Computer aktiv sei. Gegenüber Frau Dr. S erwähnte er zudem häufige Treffen im Freundeskreis.

Die von den behandelnden Ärzten eingeholten Befundberichte sind nicht geeignet, die Ergebnisse der Begutachtungen in Frage zu stellen. Bei gleicher Diagnostik kommen sie zu unterschiedlichen Bewertungen, ohne dass diese überzeugend durch die erhobenen Befunde belegt werden. Auffallend ist, dass allein der fachfremd urteilende Internist Dr. K zu dem Schluss kommt, der Kläger sei aufgrund einer schwersten Depression in keiner Weise belastbar und könne seine Wohnung nur noch kurz und in Begleitung verlassen, möglichst ohne Kontakt zu anderen Menschen. Entsprechende Befunde nennt er nicht, sondern gibt vielmehr an, dass diese nicht erhoben werden könnten. Im Gegensatz zu dieser Einschätzung steht die Aussage des Facharztes für Psychiatrie Dr. D, dass der Kläger allein und ganztägig seine Wohnung verlassen könne, ohne auf Begleitung angewiesen zu sein. Die von ihm beschriebene teilweise krisenhafte Verschlechterung des Zustandes mit Existenzängsten reicht nicht aus, um eine andauernde Erwerbsminderung nahe zu legen; kurzzeitige Erwerbsminderung im Sinne einer vorübergehenden Akuterkrankung begründet keinen Rentenanspruch. Die Ausführungen des Psychotherapeuten Dr. P vermögen ebenfalls keine Erwerbsminderung zu begründen. Im Gegenteil belegen sie wie auch die Gutachten deutlich die Fehleinschätzung des fachfremd diagnostizierenden Internisten, auf dessen Auffassung sich der Kläger in seiner Klagebegründung besonders gestützt hat. Neben der bereits von den psychiatrischen Gutachterinnen erhobenen und umfangreich gewürdigten Diagnose "Angst und depressive Störung gemischt" benennt Dr. P eine Dysthymia "F. 34.1". Nach der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information erstellten internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, handelt es sich hierbei um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen.

Allen drei Befundberichten ist ein im großen Ganzen gleich gebliebener Gesundheitszustand mit chronifizierten Befunden ohne gravierende Veränderungen zu entnehmen. Entsprechend hat auch der Kläger zuletzt gegenüber Frau Dr. S eine gleich bleibende Beschwerdesymptomatik geschildert.

Anlass für die Beauftragung eines vierten Gutachters oder die nochmalige Einholung von Befundberichten hat der Senat angesichts des unveränderten Gesundheitszustandes des Klägers nicht gesehen. Die rentenrechtliche Bewertung des klägerischen Leistungsvermögens ist anhand der umfangreich vorliegenden medizinischen Untersuchungsergebnisse möglich gewesen.

Trotz wiederholter Aufforderung, seine Berufung in Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen zu begründen, hat der anwaltlich vertretene Kläger auch nichts vorgetragen, was die Durchführung weiterer Ermittlungen hätte begründen können.

Soweit der Kläger meint, das Urteil der ersten Instanz sei aufzuheben, da das Gericht die Auswirkungen des Leidens des Klägers aus eigener Sachkunde nicht habe beurteilen können, kann ihm nicht gefolgt werden. Das Gericht hat sein Urteil gerade nicht aufgrund angemaßter eigener medizinischer Sachkunde gefällt, sondern nach Abwägung einer Vielzahl von sachverständigen Äußerungen von Medizinern unterschiedlicher Fachrichtung. Dass das Gericht in der Würdigung der Sachverständigengutachten grundsätzlich frei ist, ja sogar ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen kann, ist ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006 – B 13 RJ 272/05 B - und Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 BU 146/89 -). Auch einen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" sieht das SGG nicht vor (hierzu auch BSG, Beschluss vom 17. November 2003 – B 3 P 23/03 B -). Die Möglichkeit, gemäß § 109 SGG zu beantragen, dass ergänzend ein von ihm bestimmter Arzt gutachtlich gehört wird, muss dem unter anderem und insbesondere im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht durch einen Fachanwalt für Sozialrecht vertretenen Kläger im Übrigen bekannt gewesen sein.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI besteht bereits deswegen nicht, weil er voraussetzt, dass der Versicherte vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger ist indes erst am 19. Oktober 1961 geboren worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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