L 12 AL 158/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KG 3/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 158/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.09.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Kinderzuschlag für November 2005 bis März 2006.

Der am 26.02.1973 geborene Kläger lebt mit seiner Ehefrau und 2 Kindern (W, geboren am 00.00.2001 und K, geboren am 00.00.2003) in einem Haushalt. Die Beklagte bewilligte für August bis Oktober 2005 Kinderzuschlag. Der Kläger bezog bis 15.11.2005 Arbeitseinkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt B, ab 16.11.2005 bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 985,50 EUR. Im Februar und März 2006 erzielte der Kläger Arbeitseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Seine Ehefrau hat kein Einkommen.

Mit Bescheid vom 27.04.2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kinderzuschlag für die Monate November 2005 bis Februar 2006 ab. Das Einkommen erreiche nicht die Mindesteinkommensgrenze, die bei 1.119,12 EUR liege. Dem stehe ein elterliches Einkommen im November 2005 in Höhe von 1.032,27 EUR, im Dezember 2005 in Höhe von 955,50 EUR, im Januar 2006 ebenfalls in Höhe von 955,50 EUR und im Februar 2006 in Höhe von 1.033,60 EUR gegenüber. Mit seinem dagegen am 10.05.2006 erhobenen Widerspruch vertrat der Kläger die Ansicht, jedenfalls für die Monate November 2005 und Februar 2006 sei die Mindesteinkommensgrenze überschritten. Im November 2005 habe er ein Einkommen in Höhe von 1.298,66 EUR gehabt und im Februar 2006 sei von einem Einkommen in Höhe von 1.145,50 EUR auszugehen. Für März 2006 könne er neben dem Arbeitslosengeld sein Arbeitseinkommen für eine geringfügige Beschäftigung wegen eines Rechtsstreits noch nicht angeben. Am 09.06.2006 gab er sodann für den März 2006 ein Arbeitseinkommen von 210,15 EUR und damit ein Gesamteinkommen von 1.195,65 EUR an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil der Kläger die Mindesteinkommensgrenze gemäß § 6 a Abs. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) unterschreite.

Am 29.06.2006 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und die Ansicht vertreten hat, die Mindesteinkommensgrenze sei verfassungswidrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, für November 2005 bis März 2006 Kinderzuschlag zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.

Mit Urteil vom 15.09.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 02.10.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.11.2006 Berufung eingelegt und weiterhin die Ansicht vertreten, die Beschränkung des Kinderzuschlags auf Personen, die über ein Mindesteinkommen verfügten, sei verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt nach seinem erkennbaren Interesse,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.09.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 zu verurteilen, ihm für die Monate November 2005 bis März 2006 Kinderzuschlag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der Beteiligten die mündliche Verhandlung durchführen, weil die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten mit der Ladung den Hinweis gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bekommen haben.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht für die Monate November 2005 bis März 2006 für seine in dieser Zeit in seinem Haushalt lebenden zwei berücksichtigungsfähigen Kinder kein Anspruch auf Kinderzuschlag zu. Die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Kinderzuschlags nach § 6 a Abs. 1 BKGG in der Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 2954) sind nicht erfüllt.

Zwar hatte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum für die in seinem Haushalt lebenden Kinder Anspruch auf Kindergeld nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes und erfüllte damit die Voraussetzungen nach § 6 a Abs. 1 Nr. 1 BKGG. Mit dem - von der Beklagten zutreffend ermittelt - einzusetzenden Einkommen im November 2005 in Höhe von 1.032,27 EUR, im Februar 2006 in Höhe von 1.033,60 EUR und im März 2006 in Höhe von 992,36 EUR überschritt der Kläger auch die Mindesteinkommensgrenze. Diese ist nach § 6 a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BKGG in Höhe des ohne Berücksichtigung von Kindern jeweils maßgebenden Arbeitslosengeldes II nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II oder des Sozialgeldes nach § 28 Abs. 1 SGB II zu ermitteln. Dieser Betrag beläuft sich im Falle des Klägers und seiner Ehefrau aber nicht - wie von der Beklagten und dem SG zugrunde gelegt - auf 1.119,12 EUR, sondern lediglich bei 971,00 EUR. Er besteht aus ihren Ansprüchen auf die Regelleistung in Höhe von 622,00 EUR (311,00 x 2) und aus ihren Ansprüchen auf die Unterkunftskosten. Der Unterkunftsbedarf ist jedoch nicht nach Maßgabe des § 6 a Abs. 4 Satz 2 BKGG und damit nach dem sich aus dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung ergebenden Verhältnis des Unterkunftskostenanteils der Erwachsenen zu dem der Kinder zu berechnen, sondern gemäß § 6 a Abs. 1 Nr. 2 BKGG nach dem Recht des SGB II und damit nach Kopfteilen (vgl. Urteile LSG NRW vom 22.01.2007 - L 19 AL 38/96 - und vom 20.02.2008 - L 12 AL 108/06 - ). Er beträgt somit lediglich 349,00 EUR (698,00: 4 x 2) statt 497,12 EUR (71,22 % von 698,00). Zusammen mit dem Anspruch auf die Regelleistung ergibt sich damit der Gesamtbedarf des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 971,00 EUR (622,00 + 349,00). Diese Mindesteinkommensgrenze von 971,00 EUR aber wird vorliegend von den berücksichtigungsfähigen Einkommen außer in den Monaten Dezember 2005 und Januar 2006 überschritten.

Der Anspruch auf Kinderzuschlag scheitert jedoch auch für die Monate November 2005, Februar 2006 und März 2006 wie für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 daran, dass in allen diesen Monaten die Voraussetzung des § 6 a Abs. 1 Nr. 3 BKGG nicht erfüllt ist. Denn durch den Kinderzuschlag wird Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden. Im Rahmen dieser Berechnung treten zum bereits festgestellten Bedarf des Klägers und seiner Ehefrau von 971,00 EUR die Einzelbedarfe der 2 Kinder in Höhe von 2 x 381,50 EUR hinzu. Dem sich daraus ergebenden Bedarf von 1.734,00 EUR (971,00 + 381,50 + 381,50) steht im Rahmen der Berechnung nach § 6 a Abs. 1 Nr. 3 BKGG das berücksichtigunsfähige Einkommen und Kindergeld für 2 Kinder in Höhe von je 154,00 EUR für die streitigen Monate wie folgt gegenüber: November 2005 1.340,27 EUR (1.032,27 + 308,00) Dezember 2005 1.263,50 EUR (955,50 + 308,00) Januar 2006 1.263,50 EUR (955,50 + 308,00) Februar 2006 1,341,60 EUR (1.033,60 + 308,00) März 2006 1.300,36 EUR (992,36 + 308,00).

Damit ergeben sich bei einem monatlichen Gesamtbedarf von 1.734,00 EUR folgende monatliche Unterdeckungen: November 2005 393,73 EUR (1.734,00 - 1.340,27) Dezember 2005 470,50 EUR (1.734,00 - 1.263,50) Januar 2006 dto. Februar 2006 392,40 EUR (1.734,00 - 1.341,60) März 2006 433,64 EUR (1.734,00 - 1.300,36). Diese verbleibenden Unterdeckungen können durch die Gewährung von Kinderzuschlag von 280,00 EUR (2 x 140,00) nicht abgewendet werden.

Scheitert der Anspruch des Klägers somit daran, dass durch die Gewährung des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden würde und hat die Beklagte dementsprechend im Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger für sich und die in seiner Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen möglicherweise einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, der bei der zuständigen Stelle (ARGE oder Optionsgemeinde) zu beantragen ist, begegnet die gesetzliche Regelung des § 6 a BKGG auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die grundrechtlich geschützten Belange der Familie nach Artikel 6 Abs. 1 GG oder das Sozialstaatsgebot nach Artikel 20 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu, auf welche Weise er sozialrechtlichen Belangen Rechnung trägt. Der Kinderzuschlag soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsleistung für ihre Kinder Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen bei gleichzeitigem Erhalt eines Arbeitsanreizes (BT-Drucks. 15/1516 S. 83). Für sie soll, sofern der Kinderzuschlag Bedürftigkeit vermeiden kann, allein die Kindergeldkasse zuständig sein (BT-Drucks. a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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